Reincarnation
Reincarnation
Originaltitel: Rinne
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Takashi Shimizu
Darsteller: Yûka, Karina, Kippei Shiina, Tetta Sugimoto, Shun Oguri, ...
Takashi Shimizu´s „Rinne”, welcher einigen eher unter seinem internationalen Titel „Reincarnation“ bekannt sein dürfte, gehört zu der von Takashige Ichise ins Leben gerufenen „J-Horror-Theater“-Reihe: Nach „Kansen“/„Infection“ und „Yogen“/„Premonition“ stellt diese die dritte der insgesamt sechs angedachten, bestenfalls minimal miteinander verknüpften Produktionen dar – als nächstes wird in Kürze Kiyoshi Kurosawa´s „Sakebi“/„Retribution“ folgen. Dieses vorliegende Werk lief in den USA sogar im Rahmen des (ersten) „After Dark“-Festivals („8 Films to die for“) in auserwählten Kinos – unabhängig dessen dürfte es sich, besonders angesichts der an westliche Sehgewohnheiten angelehnten Konzeption, nur noch um eine Frage der Zeit handeln, bis Hollywood ein weiteres seiner geschätzten, weil lukrativen Remakes in die Wege leitet…
1970 wurde das nahe einer ländlichen Stadt auf einem Bergrücken gelegene Ono Kanko Hotel Schauplatz eines grausamen Verbrechens: Damals hatte ein dort mit seiner Familie übernachtender, von seiner Arbeit eingenommener Professor aus unerklärlichen Gründen ein Blutbad angerichtet – am Ende des Tages, in dessen Verlauf er 11 Menschen (inklusive seiner beiden Kinder) innerhalb des Gebäudes unter Verwendung eines Kampfmessers tötete und alles zudem mit seiner 8mm-Kamera dokumentierte, nahm er sich schließlich das eigene Leben. 35 Jahre später plant der angesagte Regisseur Ikuo Matsumara (Kippei Shiina) eine Verfilmung jener Geschehnisse: Das den Namen „Memory“ tragende Projekt wird das Massaker aus der Sicht des Killers aufzeigen, allerdings ohne diesen als einfache Slasher-Gestalt in den Vordergrund zu rücken – auf diese Weise soll das abgründige Böse repräsentiert bzw versinnbildlicht werden. Unerwartet erhält die bislang unbekannte Schauspielerin Nagisa Sugiura (Yûka) die Hauptrolle zugesprochen – den zu einer Teenagerin umgeschriebenen Part der jungen Tochter des Mörders (sein finales Opfer). Während ihrer Vorbereitungen (Skript-Lektüre, Proben etc) beginnt sie jedoch immer stärker an merkwürdigen Visionen und vermeintlichen Albträumen zu leiden: Jip, she sees dead People – wie etwa das Mädchen, welches sie demnächst vor der Kamera verkörpert…
Schon bald entwickelt sich diese Gegebenheit hin zu einem Stadium, in dem sie regelrecht in Flashbacks (rund um die Taten) zu wandeln sowie zunehmend an ihrem Verstand zu zweifeln anfängt. Als die Cast&Crew dann auch noch auf den Wunsch Matsumaras hin die seitdem verlassene Original-Location besichtigt, welche der ambitionierte Filmemacher zugleich detailgetreu im Studio nachbauen lässt, verschmelzen die einzelnen Zeit- und Bewusstseins-Ebenen fast vollständig. Wie es scheint, haben die Dreharbeiten die Ruhe der Verstorbenen gestört, deren unruhige Seelen seither in anderen Personen wiedergeboren wurden – die betreffenden „neuen Körper“ finden nun jeweils unschöne Enden und tauchen in Folge dessen erneut, quasi als wandelnde (Un-) Tote, in den Räumlichkeiten des verfluchten Hotels auf. Kann Nagisa rechtzeitig eine Chance auftun, diesem Schicksal zu entgehen? Liegt der Schlüssel dazu wohlmöglich in der Mutmaßung, dass die Handlungen des Professors Teil eines von ihm durchdachten Experiments waren…?
Die Pre-Credit-Sequenz von „Rinne“ macht Lust auf mehr: Auf einer nächtlichen Landstraße fällt ein LKW-Fahrer mehreren gespenstischen, bläulich-bleichen Gestalten zum Opfer, deren Gesichter (u.a.) schemenhaft im dunklen Wald zu sehen sind, bevor wir eine aufgrund ihrer zu weit auseinanderstehenden Augen abnorm ausschauende Puppe zu sehen bekommen, deren linker Gesichtsbereich plötzlich in Form eines lautstarken Sound-Scares förmlich implodiert, gefolgt von dem Ertönen des ihr zugehörigen Spruches „Together Forever“, welchen wir fortan noch des Öfteren hören werden. Der Hauptteil besteht aus verschiedenen parallel zueinander verlaufenden Strängen, die im Schlussakt sehr schön miteinander verwoben werden – das Problem ist nur der ruhige, nicht sonderlich originelle Weg dorthin: Primär erhält der Zuschauer Nagisa´s Geschichte aufgezeigt – inklusive beinahe jedem dazugehörigen Klischee der Vergangenheit (wie umherhuschende Geister-Mädchen, zum Glück ohne vorm Gesicht hängenden Haaren, oder Asiatinnen mit weit aufgerissenen Augen) – aber auch die einer Studentin, welche eine Vorlesung über Reinkarnation besucht und von ihrem Freund einer anderen Aktrice vorgestellt wird, die dasselbe Casting (erfolglos) besucht hatte sowie ihrerseits davon überzeugt ist, ein wiedergeborenes Opfer jener Tragödie zu sein, unter anderem weil sie seit ihrer Geburt ein Mal am Hals trägt, das wie ein Strangulationsabdruck aussieht. Als sich bei jenen Mädels die unheimlichen Phantasien ebenfalls häufen und letztere gar spurlos verschwindet, folgt die interessierte angehende Akademikerin der sich aufzeigenden Spur – na, wohin wohl…?
Obgleich viele dramatische Elemente eingefügt wurden, bewegt sich alles nichtsdestotrotz auf den ausgelatschten Pfaden artverwandter Genre-Veröffentlichungen aus jenem Teil der Welt, was meinen im Laufe der letzten Jahre gewonnen Eindruck bestätigt, dass der ehemals vorbildlich-frische „J-Horror“ inzwischen, von löblichen Ausnahmen á la „Marebito“ mal abgesehen, künstlerisch/kreativ auf der Stelle tritt. Irgendwo habe ich mal die zutreffende Aussage gelesen, dass diese Werke im Prinzip heutzutage (im Sinne des cineastischen Stellenwertes) auf einem Level mit US-Slasher-Movies einzuordnen sind. Das würde ich so unterschreiben, zumal ja allgemein schon auffällig in Richtung einer internationalen Massen-Kompatibilität gestrebt wird – man nehme nur mal das Exempel hier: Das aussagekräftige Schlagwort „konventionell“ ging mir im Zuge des Sichtens, ähnlich wie etwa bei „One missed Call“, leider mehrfach durch den Kopf…
Ich bin fest der Meinung, dass man aus der Prämisse deutlich mehr hätte herausholen können, zumal Shimizu viele alte Ideen neu aufwärmt, die er selbst bereits im Laufe seiner Karriere thematisiert hat: Wiederum verübt ein Familienvater ein grausiges Verbrechen, das fortan wie ein Fluch untrennbar mit dem Tatort verbunden ist, ferner finden multiple Zeit- und Story-Ebenen Verwendung, was mit dazu beiträgt, dass es dem Betrachter nicht im gewünschten Umfang möglich ist, eine intensive Verbindung zu (mindestens) einer der Charaktere aufzubauen. Der Ablauf lässt sich, ausgenommen einiger punktueller Ereignisse, weitestgehend vorhersehen, wahre Hochspannung stellt sich (nicht nur deshalb) beinahe nie ein. Parallelen zu Kubrick´s „the Shining“ werden nicht verschwiegen, sondern gar forciert (ein zentrales Zimmer, das die Nummer 237 trägt etc) – gewiss eine Hommage, aber ob das in diesem Umfang hätte sein müssen, darüber bin ich mir leicht uneins. Was ich hingegen mit Sicherheit vermelden kann, ist dass die letzten 30 Minuten für viele Versäumnisse der vorherigen entschädigen können: Besonders das ausgedehnte Finale überzeugt angesichts seiner packenden Inszenierung (dem o.g. Miike-Flick erneut ähnlich), denn die Ereignisse entfalten sich simultan an mehreren Schauplätzen, zwischen denen permanent gewechselt wird – und zwar in einer absolut glatten, reibungslosen Form, welche begeistert und erfreut. Nahezu ohne Dialoge, bloß getragen von der Kraft der eingefangenen visuellen Impressionen, verknüpfte Shimizu Aufnahmen des Drehs (Sugiura spielt das letzte Opfer) mit denen der „echten“ 1970er Geschehnisse, dem gegenwärtigen Überlebenskampf der Studentin vorort im Hotel (sie inmitten diverser Untote in ihren alten und neuen Körpern) sowie Auszügen des restaurierten 8mm-Materials, das die Tötungen aus der Sicht des Killers aufzeigt und zudem synchron per Projektor Nagisa´s nachforschendem Manager vorgeführt wird. All diese permanent wechselnden erzählerischen Schichten fügen sich fließend zu einem vollendeten Gesamtbild zusammen, weshalb dieser dritte Akt seinen Zweck mit Bravour erfüllt – nur schade halt, dass die zwei davor (gerade im Vergleich) auffallend schwächer ausgefallen sind. Ein überraschender kleiner, feiner Twist, welchen ich definitiv als gelungen erachte, setzt das Puzzle schließlich zufriedenstellend und schlüssig zusammen – auch wenn er keineswegs Maßstäbe zu setzen vermag und obendrein so einige (nebensächliche, vorherige) Logik-Patzer offenbart (Stichwort: Perspektive)…
Den Machern standen reichhaltige finanzielle Mittel zur Verfügung – dementsprechend hochwertig kommt das Produktionsdesign daher: Die Sets hat man relativ aufwändig gestaltet, Kenji Kawai´s Score und die Kamera-Arbeit lassen keine Wünsche offen, einige gelungene Computer-generierte Effekte finden Verwendung, wie eine Reihe Morphings oder ein harmonischer Modell-CGI-Realfilm-Übergang. Die ruhelosen Seelen sehen meist wie bläuliche Zombies aus, die sich im langsamen Romero-Stil fortbewegen, also nicht sonderlich aufregend sind und vom Make-up-Department bestenfalls befriedigend gestaltet wurden – ganz anders die wirklich creepy-cool animierte Puppe, deren grotesk-seltsamer Anblick einen erschaudern lässt. Bedauerlicherweise gelingt es dem Werk insgesamt nicht, die nötige dichte Atmosphäre zu forcieren – es wird weder genügend Terror erzeugt, den Zuschauer förmlich an der Gurgel zu packen, noch keimt dieses subtile, ungemütliche Kribbeln auf, das beispielsweise „Ringu“ oder gar das „Grudge“-Remake auszeichnete. Ansätze sind zweifellos allerorts vorhanden – bloß addieren sie sich nicht zu einer wahrhaft ersprießlichen Intensität auf. Allein der Location hätte man wesentlich mehr abgewinnen können – stattdessen verließ man sich (zu sehr) auf altbewährte Jump-Scares, die sich, ausgenommen einer starken Guckloch-Sequenz, vornehmlich auf plötzliche, laut eingesteuerte Geräusche beschränken.
Abgesehen von der Gegebenheit, dass man sieht, wie zwei Kinder erstochen werden, ist die Gewalt nicht der Rede wert. Die Darsteller agieren allesamt okay (vor allem Yûka vermag es, wie so viele Asiatinnen, verdammt glaubwürdig erschrocken dreinzublicken), der ihnen zugesprochene Grad an Charakterzeichnung geht ebenso in Ordnung – angesichts der Untertitel verzichte allerdings ich an dieser Stelle mal auf eine Bewertung der Dialoge und deren Vortragen. Die Story an sich ist im Grunde wenig originell – bietet dem westlichen Publikum dennoch immerhin einige interessante Reflexionen, welche aus dem anderen, vorwiegend fremdartigen Kulturkreis resultieren: Matsumara sieht seinen Film ernsthaft als ein Mittel an, den Spirits der Ermordeten Frieden zu schenken, ein Professor steht dem verbreiteten Glauben an Dinge wie Wiedergeburt oder Klepto-Amnesie eher skeptisch gegenüber, während einige seiner Schüler dank ihrer Erziehung von genau diesen traditionellen Einflüssen geprägt sind (klassisch für Japan: das Aufeinandertreffen von alt- und neumodischem Gedankengut). Das Skript spricht solchen Überlegungen jedoch kaum Tiefe zu – stattdessen verzettelt es sich in dem einen oder andern logischen Widerspruch, was beileibe nicht hilfreich ist, wenn die restlichen Elemente schon schwer damit zu kämpfen haben, sich (als Kollektiv betrachtet) irgendwie irgendwo positiv von der Masse artverwandter J-Horror-Beiträge abzuheben.
Fazit: Bei „Rinne“ handelt es sich um eine (weitere) Geistergeschichte aus Fernost, welche zwar im Grunde einen soliden Eindruck hinterlässt, jedoch im Verlauf keinerlei neue Wege beschreitet. Eindeutig kommerziell ausgerichtet, enttäuscht der Film letzten Endes aufgrund seiner fehlenden Kreativität und Spannung. Zum Glück kann das furiose Finale nach dem lahmenden Mittelteil noch einige Kohlen aus dem Feuer holen – ansonsten wäre meine Bewertung sicherlich ähnlich schwach wie im Falle Shimizu´s 2006 entstandenen „the Grudge 2“-Fiaskos ausgefallen … so aber vergebe ich abschließend alles in allem durchschnittliche 5 Punkte auf der gängigen 10er-Skala.
Hierzulande ist noch keine DVD-Veröffentlichung in Sicht - wer will, kann jedoch auf Versionen (u.a.) aus den USA, GB, Thailand, HK oder Griechenland ausweichen...
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