Frankreich 2008
Regie: Marc Caro
Cast: Lambert Wilson, Linh Dan Pham, Dominique Pinon, Yann Collette, Gérald Laroche, François Hadji-Lazaro
Laufzeit: 82 min
Freigabe: FSK 16
Budget: 8 Mio. $
Kurzinhalt:
Auf einem kreuzförmigen Gefängnisschiff in der Nähe des höllischen Vulkanplaneten Dante 01 forscht eine Handvoll Ärzte an einer Handvoll Gefangener im Auftrag eines ominösen Konzerns. Eines Tages dockt eine Fähre an, und eine neue Ärztin mit besonderen Befugnissen bringt einen neuen Patienten mit besonderen Fähigkeiten auf das Schiff. Ihre Ankunft wird begleitet von Spekulationen, hebt gewachsene Hierarchien aus dem Gleichgewicht und resultiert in einer Reihe schrecklicher Ereignisse.
Review:
Schon während des Films wurde ich zeitweise in Tiefschlaf versetzt, welcher lediglich durch diverse Kommentare meiner Sitznachbarin unterbrochen wurde. Anscheinend wurde ich wieder einmal durch die kurze Inhaltsangabe auf eine falsche Fährte gelockt, bekam ich doch entgegen meiner Erwartungen einen gänzlich anderen Film serviert. Wie schon bei 2001: A Space Odyssey wollte ich wohl in erster Linie Hollywood typisch unterhalten werden, vergaß dabei aber die oberflächliche Betrachtungsweise abzuschütteln und wurde so erst einmal enttäuscht. Erst die zweite Sichtung inkl. veränderter Herangehensweise offenbarte mir die Genialität von 2001, was ihn mittlerweile auch zu einem meiner 10 Punkte Kandidaten macht. Dabei ist obiger Vergleich fast schon treffend gewählt, denn auch Dante 01 schlägt diese Richtung ein und trifft den Zuschauer wohl gemerkt nach etwas Recherche mit voller Wucht der Genialität. Der Ideenreichtum von Marc Caro fängt dabei schon beim Titel an, Dante ein italienischer Dichter, der unter anderem der Kirche seiner Zeit einen Spiegel zur Selbsterkenntnis und ein Leitbild auf dem Weg zu Besserung bieten wollte, letztendlich ins Exil durfte, stellt mit Sicherheit einen idealen Namenspatron für einen entlegenen Vulkanplaneten samt kreuzförmiger Raumstation auf der Gott gespielt wird, dar.
Auch die optische Seite des Streifens überzeugt: Die Weltraumaufnahmen sehen klasse aus, die Effekte allen voran die Aufnahmen der Nanosonden im Körperinneren sind sehr gelungen, generell wirkt das Set Design mit all den Details und dem Farbenspiel (dazu später mehr) sehr professionell umgesetzt und erinnert nicht wirklich an das doch eher minimale Budget.
Kommen wir nun zum angesprochenen Farbenspiel, welches in seiner Zusammensetzung ein weiterer Punkt für die Genialität des Films ist. Auf der einen Seite haben wir die Ärzte, deren Aura samt Kleidung ständig in ein violettes Licht gehüllt ist.
Violett gilt als Farbe des Geistes und der Spiritualität. Sie soll das seelische Gleichgewicht und die Entschlusskraft fördern und hat eine stark meditative Wirkung. Die Farbe beeinflusst das Unterbewusste und dient unter anderem zur therapeutischen Unterstützung bei psychologischen Problemen, wie sie die Gefangenen hier auch haben.
Die Gefangenen auf der anderen Seite sind in grau-grünes und orangem Licht gehüllt, ja selbst die injizierte Medizin besitzt einen stark orangenen Farbton. Orange selbst gilt als Kraftspender bei seelischer Erschöpfung und beeinflusst Depressionen positiv. Gleichzeitig gilt Orange im Buddhismus als Farbe der höchsten Stufe der menschlichen Erleuchtung, auch dazu später etwas mehr. Die Farbe Grün wiederum fördert Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft und Toleranz.
Neben dem Farbenspiel kommt natürlich auch die Symbolik mit all ihren Kreuzen nicht zu kurz. Selbst die Nanosonden, die den Menschen verändern sollen haben eine Kreuzform, könnten in ihrer Darstellung auf der einen Seite also ein Seitenhieb an die Unfehlbarkeit der Kirche, aber genauso gut ein Angriff auf den „Big Brother“ sein, der mit allen Mitteln versucht, die Menschen um ihn herum zu manipulieren, auszuspionieren und zu überwachen. Vielleicht ist die Bauform aber auch total unbedeutend und einfach eine dreiste Star Trek Kopie, bei der man sich dem Borg Plot bedient hat, denn neben der Kreuzform, könnten es aus optischer Sicht auch Mini Borg Kuben sein.
Weiterhin gut gefallen hat mir das Schauspiel der Darsteller. Hier gibt es keine platten Dialoge, die zudem eh nicht zu zahlreich und vordergründig sind, sondern vielmehr eine Körpersprache, die ebenfalls eine breite Palette für Deutungen bietet, in ihrer Gesamtheit aber ein sehr realistisches Bild des fiktiven Szenarios vermittelt.
Der wichtigste Punkt ist allerdings die Namensgebung. Der Name des Hirnforschers César hat dabei noch die geringste mythologische Bedeutung, ist aber wohl ein Hinweis auf den gleichnamigen französischen Filmpreis, den Caro 1992 für sein Erstlingswerk Delicatessen gewann. Die Ärztin Elisa, die auch die neue Behandlungsmethode mit an Bord bringt, steht wohl für Enzyme Linked Immunosorbent Assay, einem Nachweisverfahren von Toxinen etc. etwa in einer Blutprobe. Auch Perséphone für die Bordärztin (Toten und gleichzeitig Fruchtbarkeitsgöttin) ist wohl eine treffende Namensgebung.
Auf der Gefangenenseite geht es dann noch etwas mythologischer zu. Das Hauptaugenmerk richtet sich hier auf Saint Georges, ein Märtyrer und Soldat aus dem alten Rom, auch bekannt als "St. Georg und der Drache" (wobei auch der Drache selbst im Film öfters zitiert wird) und einer der beliebtesten Heiligen des Christentums. Dieser wiederum darf hier den Messias spielen, der vom Leid Anderer lebt und uns getreu dem Motto: Teufels Werk, Gottes Beitrag von der bösen Nanotechnologie beschützen will.
Leider habe ich mich erst im Nachhinein mit dem Film beschäftigt, so dass mir einige Details entflohen sind zumal mich dieses schwer verständliche Werk zu diesem Review zwingt, so wirr schwirren mir die Gedanken durch den Kopf, die ich nicht mehr los werde.
So kommt es dann auch, dass ich einige der nachfolgenden Charaktere im Zusammenhang zwischen Namensgebung und Handlungsstrang nicht mehr eindeutig zuordnen kann. Da wäre dann noch der „Bouddha“, der später ja auch großen Bekanntheitsgrad als Buddha erlangte und somit wohl auch das oben erwähnte orange Farbspiel als Symbolfarbe des Buddhismus erklärt sowie „Lazare“, ein französischer General aus den glorreichen „wir machen die Bastille platt“ Zeiten oder vielleicht doch der letzte französische Überlebende des 1. Weltkrieges, der erst 2008 starb? Es geht aber noch weiter mit „Attila“, klar dem Hunnenkönig, dem russischen Mönch „Raspoutine“ sowie mit Moloch, was auch die biblische Bezeichnung für die Opferung von Kindern durch Feuer ist.
Mit der Schlussszene setzt dann die 2001 Kopie „Bowman im All“ ein, damit auch der letzte weiß, dass er nicht kapiert hat um was es genau geht.
Auch wenn das Review für meine Verhältnisse jetzt erst einmal sehr umfangreich erscheint, bin ich der Ansicht, dass ich nur an der Oberfläche gekratzt habe, eigentlich nix kapiert habe und auch nur die auf den ersten Blick ersichtlichen Dinge aufgegriffen habe. Der Streifen bietet mindestens Potential für eine Facharbeit und muss wohl dafür auch mindestens drei Mal konsumiert werden.
Fazit:
Als oberflächliche betrachteter SciFi Thriller taugt der Film wenig bis gar nix, setzt höchstens in einigen Szenen klaustrophobische Akzente und weiß natürlich optisch zu gefallen. Trotzdem hat man es hier mit einem kleinen Meisterwerk zu tun, welches stundenlangen Gesprächsstoff bietet und ist für mich ab sofort ein weiterer Beweis ist, dass man Filme nicht kapieren muss um sie ansprechend zu finden.
PS: Die deutsche DVD kommt am 05.09.2008 als Kauffassung von Kinowelt und ist mit FSK 16 uncut, wobei ich mir nicht sicher bin, ob der Film vorab nicht um ein paar Handlungsstränge gekürzt wurde. Mehr hätte dem nämlich sicher noch besser getan.