Musik und Bewegung im Tanz vereint, das macht im besten Fall die audiovisuelle Anziehungskraft des Actionfilms aus. Was Edgar Wright in den ersten Minuten von „Baby Driver“ abliefert, lässt tatsächlich mit der Zunge schnalzen: Der vom milchgesichtigen Hauptdarsteller gesteuerte Fluchtwagen erzählt zunächst keine Geschichte, sondern bildet nur Formen, wirft Rhythmen, lässt Räume perfekt ineinander einrasten. Ein regelrechter Wohlfühlfilm für Leute, die gerne Zauberwürfel bis auf den letzten Dreher oder Kreuzworträtsel bis auf das letzte Wort beenden. Kaum auszumalen, welcher Aufwand hinter der Choreografie des Ganzen gesteckt haben muss; das ist mit Abstand die spektakulärste Autoverfolgungsjagd seit... nun, immerhin seit Nicolas Winding Refns „Drive“, der als Vorlage für zeitgemäße Fluchtfahrer nach wie vor seine Schatten wirft und selbst in überdrehten Balletts wie jenen aus „Baby Driver“ nicht ganz ohne Einfluss bleibt, wenn der ausgebuffte Fahrer nicht immer zwangsläufig die schnellste, sondern die klügste Route nimmt.
Dieses Ergötzen an der Ästhetik der Bewegung entfaltet soweit eine ansteckende Wirkung, ist aber nichts bahnbrechend Neues. Es ist vielmehr der Soundtrack, dem Wright durch ungewöhnlichen Einsatz Neues abgewinnt. Tatsächlich taktet nicht das Rennen die Musik, umgekehrt richtet sich die Route nach den Vorgaben der Tracks, die sich ihren Weg durch Babys Kopfhörer bahnen, um seinen Tinnitus zu übertönen. Für die Soundboxen im (Heim-)Kino bedeutet das, dass die Filmrealität mit einer Melange aus Rock, Blues und Jazz überspannt wird und der Soundtrack nicht länger das Unterbewusstsein anspricht, sondern ebenso deutlich wahrgenommen wird wie Musik, die man selbst einlegen würde.
Nachdem der Zuschauer sich also in die Welt des Actionfilms begibt, um wie üblich seiner Realität zu entfliehen, reißt uns die Hauptfigur ihrerseits wiederum unmittelbar aus dieser Filmrealität und flüchtet mit uns in ihre stets mit Musik gefüllten Kopfwelten. Ein Kniff, der neben dem Film besonders viele Soundtrack-CDs verkaufen dürfte, der aber zugegebenermaßen nicht nur marketingtechnisch, sondern auch aus kreativer Sicht etwas Besonderes an sich hat.
Weil „Baby“ allerdings nicht nur beim Fahren seinen persönlichen „Soundtrack of my Life“ mit uns teilt, sondern auch beim Kaffeeholen, bei der Einsatzbesprechung und beim Versorgen seines taubstummen Ziehvaters, wird die Besonderheit schon bald zur Routine, insbesondere, da sich die Story als wenig einfallsreiche Gangsterballade entpuppt, angereichert mit Type Casting, das nur selten gegen den Strich läuft und erst recht bei der Entwicklung der Ereignisse kaum von der Spur abweicht, die vom GPS vorgegeben wird. Ansel Elgort, selbst ein Lead ohne Charisma (was aber durch das Konzept noch entschuldigt wird), sieht sich umgeben von Comic Reliefs harter Kerle und einer Frau (Eiza González), die passend dazu auf Michelle Rodriguez macht, tatsächlich aber kaum älter wirkt als Elgort. Dazu gesellt sich Lily James, die in Mädchen-Amick-Montur darauf wartet, dass ihr Held sie zum Ritt in den Sonnenuntergang abholt.
Zwar unterhält „Baby Driver“ auch im folgenden noch mit weiteren gelungenen Choreografien, doch zum wiederholten Mal wird der Fehler begangen, die beste Szene an den Anfang zu setzen. Es bleibt ein dynamisch und einfallsreich montiertes Feuerwerk aus ständiger Bewegung mit spektakulärem Start, dem allerdings zur Zielgeraden das Adrenalin ausgeht. Äquivalent dazu verabschiedet sich die Musik sukzessive wieder dorthin, wo es seinen Stammplatz hat: Im Unterbewusstsein.
