Auch ich muss mich den eher positiv gestimmten Meinungen anschließen:
Das ist natürlich ein ziemlich dreister Twist, den uns Peter Berg da zum Schluss noch vor den Latz knallt. Und das in einem straight durchgezogenen Elite-Actioner, bei dem man so etwas wie einen Twist ja eigentlich gar nicht erwartet. Aber schon wieder stehen wir nach durchgestandenen 90 Minuten nicht vor geklärten Tatsachen, sondern vor offenen Toren in eine potenzielle Trilogie. Die Serialisierung greift weiter um sich.
Dabei heftet sich Berg im krassen Widerspruch dazu stilistisch vor allem an die auslaufenden 90er Jahre, als Tony Scott seinen von schnellen Schnitten und wackelnden Close-Ups dominierten Regiestil als Blaupause für endlos viele Trittbrettfahrer freigab. Dieser Stil gilt inzwischen fast als ausgerottet. An seine Stelle traten irgendwann – nicht zu Unrecht – ästhetische, übersichtliche Darstellungen von Bewegung, doch „Mile 22“ treibt die durchschnittliche Schnitte-Frequenz im Genre wieder deutlich in die Höhe. Laser-Visiere mit eingeblendeten Meta-Informationen sorgen dafür, dass man eine taktische Perspektive gegenüber der Handlung einnimmt; die Arschloch-Agenten um Mark Wahlberg, Lauren Cohan und Ronda Rousey sorgen mit ihrem empathielosen, durch Zwangsneurosen angetriebenen Handeln dafür, dass man endgültig Kampfmaschinen und keine Roboter in ihnen sieht.
Der einstmals von Scott initiierte Stakkato-Stil war ja nun nicht von Natur aus etwas Schlechtes, sondern wurde durch seinen inflationären, dadurch oft auch inkompetenten Gebrauch lediglich in Verruf gebracht. Was Berg und sein Kameramann Jacques Jouffet daraus machen, ist gar nicht mal von schlechten Eltern. Bei einem lebendigen Spezialeffekt wie Iko Uwais neigt man natürlich dazu, ihn möglichst an einem Stück durch die Luft wirbeln sehen zu dürfen, aber dessen Kunststücke entwickeln trotzdem eine enorme Durchschlagskraft, selbst wenn sie durch Hunderte von Schnitten in ihre Atome gespalten werden. Was auch im breiteren Sinne für die groß angelegten Actionsequenzen gilt, die manchmal ganz linear innerhalb von Gebäuden dem Weg des größten Widerstands folgen (immer schön durch die Mauer), manchmal auf offener Straße aber auch wie Open-World-Situationen wirken, bei denen es an allen Ecken und Enden kracht. Die Hektik überträgt Berg interessanterweise auch ins Private der Figuren. Insbesondere dem familiären Hintergrund der Lauren-Cohan-Figur widmet er sich gerne mal zwischen Tür und Angel, würgt ihn aber durch den im Vordergrund pulsierenden Stress immer wieder ab. Daraus entsteht eine durchaus interessante Stimmung.
„Mile 22“ stimmt nach den überwiegend schlechten Kritiken also doch recht positiv. Dass er seinen eigentlichen Höhepunkt in einen (immerhin bereits beschlossenen) zweiten Teil verlagert, wertet natürlich die eigene Relevanz ein wenig ab, aber Berg hat seinen Drive noch nicht verloren, obgleich er nicht mehr ganz das Momentum seiner beiden letzten Actioner „Deepwater Horizon“ und „Lone Survivor“ erreicht.
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