
Originaltitel: Nirvana
Herstellungsland: Frankreich, GB, Italien
Erscheinungsjahr: 1997
Regie: Gabriele Salvatores
Darsteller: Christopher Lambert, Diego Abatantuono, Stefania Rocca, Emmanuelle Seigner, Amanda Sandrelli, ...
„Nirvana“ bezeichnet den Ort des absoluten Friedens nach Austritt aus dem Wiedergeburt-Kreislauf – quasi das „Paradies“ des Buddhismus, in welchem das Bewusstsein zu existieren aufhört. Es steht für innere Ruhe, weit über einen losgelösten Zustand des Geistes hinaus, denn das Wort bedeutet sinngemäß „Erlöschen“, was sich auf alle mit dem Dasein verknüpften Faktoren bezieht. Der Tod ist dabei nicht eine unbedingte Voraussetzung zum Erreichen jener Ebene, denn das Loslösen von allem Weltlichen kann mit Hilfe einer entsprechenden Spiritualität auch zu Lebzeiten erreicht werden. Das Nirvana ist zudem kein Zustand ewigen Glücks, sondern vielmehr das befreiende „Nichts“…
Man schreibt den 21. Dezember 2005. Pünktlich zum Fest muss der erfolgreiche Game-Designer Jimi (Christopher Lambert) die endgültige Version seines neusten „Virtual Reality“-Spiels namens „Nirvana“ (ein besonders innovatives „Mindgame“) dem Konzern „Okosama Star“ abliefern, damit es rechtzeitig auf den Markt gebracht werden kann. Jimi selbst lebt zurückgezogen in seinem Luxusappartement und konzentriert sich hauptsächlich auf die Arbeit, um so die innere Leere zu übertünchen, welche seine Freundin Lisa (Emmanuelle Seigner) hinterlassen hat, als sie die Beziehung per Videomitteilung beendete und im Anschluss spurlos aus seinem Leben verschwand. Genau zu diesem Zeitpunkt wird sein Spiel jedoch von einem geheimnisvollen Virus befallen, in Folge dessen die Hauptfigur, ein Mafioso namens Solo (Diego Abatantuono), sich seiner persönlichen Identität bewusst wird und seinen Charakter eigenständig kontrollieren kann. Als ihn Jimi nach dem ersten (beidseitigen) Schock darüber aufgeklärt hat, welche Existenzen es gibt (Spiel/Realität) und wie sich diese darstellen, bittet ihn Solo, seine Figur zu löschen – angesichts der Lage, dass er nun weiß, dass er nur auf einer virtuellen Ebene existiert sowie dazu verdammt ist, immer dieselben Szenarien und Handlungsabläufe zu durchleben…
Solos trostlose Situation erinnert Jimi an sein eigenes Leben, weshalb er dessen Wunsch leicht nachvollziehen kann. Das Problem ist nur, dass eine Version von „Nirvana“ bereits in die Konzerndatenbank übertragen wurde – und eine Löschung kann nur in jenem System vorgenommen werden. Aus diesem Grund macht er sich nach Marrakesch auf, um dort den Computer-Freak Joystick (Sergio Rubini) für seine Sache zu gewinnen, was ihm schließlich gelingt – doch auch jener kann ihm beim Erreichen des Gesamtziels nicht weiterhelfen, weshalb sich die Reise gen der unterirdischen Metropole Bombay City fortsetzt, wo die Hackerin Naima (Stefania Rocca) die nötigen Mittel zum Programmieren eines Virus beschaffen kann. Verfolgt von den „Okosama Star“-Sicherheitsleuten, entwickelt sich ein Wettlauf gegen die Zeit sowie um Leben und Tod, denn die Hintermänner wollen ihre Investition unter allen Umständen schützen. Zusätzlich wird die Reise für Jimi eine Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit, denn auf dem Weg begegnen ihm immer wieder Spuren von Lisa…
Gabriele Salvatores' „Nirvana“ erschien 1997 – heute, acht Jahre später, schreiben wir das Jahr 2005, doch die Realität deckt sich nicht unbedingt mit der damals aufgezeigten Vision. Zwar hat es deutliche Annäherungen im Sinne von Interaktivität, künstlichen Intelligenzen oder Gestaltungsentwicklung im Sektor der Computerspiele gegeben, doch die darüber hinaus dargestellten Implantat-Einfälle oder „VR“-Szenarien verbleiben auch heute noch Zukunftsvorstellungen. Von der Story her erinnert der Film an Werke von Philip K.Dick (“Total Recall“/“Paycheck“) oder William Gibson (“New Rose Hotel“/“Neuromancer“), und besonders die „Cyberpunk“-Vorstellungen letzteren Autors („in a not too distant future“) kommen beim Sichten unweigerlich in den Sinn, denn die gezeigte Zukunftsvision ist nicht voller Raumschiffe oder Roboter, sondern eher eine realistische Weiterentwicklung ohne sterile High-Tech-Zauberei, vornehmlich mit einem dreckigen, glaubwürdigen Grundton („1 Point 0“ kommt dabei in den Sinn). Etliche Gedankengänge wurden in den Folgejahren von großen Hollywood-Produktionen (zB „Matrix“) aufgenommen und weiterentwickelt, doch letztendlich kann man den Film trotzdem nur als eine Kombination vorheriger Werke und Motive des Genres (ohne wirklich nachhaltigen Effekt) beschreiben.
Die Darsteller hinterlassen einen eher zwiespältigen Einsdruck: Christopher Lambert („Highlander“) spielt seine Rolle recht gut – er ist an sich ohnehin kein besonders ausdrucksstarker Schauspieler, doch zu Jimi, der von seinen Gefühlen ziemlich isoliert ist, passt seine Verkörperung in diesem Fall. Diego Abatantuono („Tifosi“) ist als Solo sicherlich nicht schlecht, doch man kann keine wirkliche Verbindung oder Sympathie zu seiner Figur aufbauen. Sergio Rubini („Balzac“) nervt auf Dauer, was aber an der Rollenauslegung vom Drehbuch her liegt, während Stefania Rocca („Heaven“) als blauhaarige Naima von allen am besten wegkommt – auch aufgrund ihrer späteren Verbindung zu Lisa, welche sie neben Stärke auch intensive Emotionen zeigen lässt. Emmanuelle Seigner („the 9th Gate“) taucht nur in Rückblenden auf und macht ihre Sache ordentlich, wird vom Material jedoch nicht allzu stark gefordert.
Regisseur Gabriele Salvatores („Mediterraneo“) hat aus dem nicht gerade üppigen Budget dieser europäischen Co-Produktion (F/GB/I) visuell eine Menge herausholen können. Neben den Kulissen, die an „Blade Runner“ erinnern und um asiatische sowie indische Einflüsse ergänzt wurden, ragt vor allem die visuelle Gestaltung heraus: Der niedergehende Schnee bildet einen feinen Kontrast zu der Neonstadt-Umgebung, die digitalen Effekte können überzeugen (das Zerspringen von Solos 1.Gegner kommt in den Sinn) wie auch die Ausstattung oder surreale Szenengestaltung (das „Okosama Star“-Computersystem als Anordnung von Räumen). Die Spielwelt wird schwarzweiß mit einzelnen kleinen Farbflächen dargestellt (ein Effekt, den die „Pang Brothers“ inzwischen gerne nutzen), wobei sich bestimmte Elemente in machen Szenen ständig farblich verändern (beispielsweise ein Kleid gleichzeitig mit dem Lippenstift sowie der Tapete im Hintergrund). Zwar wirken einige Cyberpunks wie aus einem Endzeitfilm von Albert Pyun entsprungen, doch das ist letztendlich zu verschmerzen.
Einen gewissen Charme kann der Film aus seinem teils recht merkwürdigen bzw skurrilen Humor generieren: Solo ist nicht der typische Videogame-Held, sondern ein pummeliger Italiener mit mieser Frisur, der auch mal aus Versehen einen Touristen erschießt, da Jimis Gegnerbeschreibung missverständlich zu verstehen war – oder Hacker Joystick, der aus Geldnot seine beiden Augen verkauft hat und sich nun mit billigen Schwarzweiß-Implantaten herumärgern muss.
Es gibt einige Momente, die einen bewegen und zum Nachdenken leiten – wie Solos Versuche, seine Freundin in der Spielwelt davon zu überzeugen, dass alles um sie herum gar nicht echt ist, oder die Aufnahmen von Lisa, welche Jimi damals wegen der Leere in ihrer Beziehung verlassen hatte. Später, als ihre Erinnerungen und Gefühle gar per Chip auf Naima übertragen werden, stellt die Konfrontation mit Jimi und dessen Empfindungen die beste Szene des Films dar. Leider kann die Story nicht über die gesamte Laufzeit hinweg fesseln, denn einiges an Potential wird doch verschenkt – ein Treffen zwischen Solo und Jimi innerhalb des Systems (quasi der Erschaffer mit seinem Produkt) kommt leider nicht zustande, was aber durchaus möglich gewesen wäre. Außerdem ist schade, dass der Mangel an Action sowie intensiver Spannung nicht von der Story wettgemacht werden kann, die zwar komplex, aber nicht tiefgehend genug konzipiert erscheint. So durchläuft Solo mit jedem Re-Start sinnbildlich den buddhistischen Inkarnationskreis und strebt nach dem erlösenden Nichts – man hätte das alles aber noch philosophischer angehen und aufschlüsseln können, was dem teils oberflächlichen Eindruck sicher entgegengewirkt hätte.
Fazit: „Nirvana“ ist ein atmosphärischer europäischer Sci-Fi-Film mit vielen interessanten Ansätzen (vornehmlich philosophischer Art), die aber leider der (zugegebenermaßen sehr ansprechenden) Optik letztendlich untergeordnet verbleiben, wodurch das zweifellos vorhandene Potential nicht vollends ausgeschöpft wird …

In Deutschland ist bislang keine DVD des Films veröffentlicht worden. Die amerikanische RC1 von "Miramax" bietet hervorragende Bild- und Tonqualität, enthält jedoch "nur" die englische Synchro-Fassung, welche etwas gewöhnungsbedürftig ist. Immerhin hat Lambert seine Rolle auch auf Englisch selbst eingesprochen.