Mr. Nobody
Mr. Nobody
Originaltitel: Mr. Nobody
Herstellungsland: Belgien-Kanada-Frankreich-Deutschland
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Jaco van Dormael
Darsteller: Jared Leto, Diane Kruger, Sarah Polley, Linh Dan Pham, Rhys Ifans, Natasha Little, Toby Regbo, Juno Temple, ...
Trailer:
http://www.youtube.com/results?search_q ... ailer&aq=f
Dreizehn Jahre nach seinem letzten Spielfilm, dem 1996er Drama „der Achte Tag“, meldete sich Regisseur und Drehbuchautor Jaco van Dormael („Toto der Held“) 2009 eindrucksvoll mit seinem hier nun vorliegenden Werk „Mr. Nobody“ auf der cineastischen Bildfläche zurück – einer überaus ambitionierten, rund 47 Millionen Dollar teueren belgisch-kanadisch-deutsch-französischen Co-Produktion, in deren Gestalt er (auf ersprießliche wie teils gar beeindruckende Weise) verschiedene inhaltliche und inszenatorische Stilmittel miteinander zu einem Ergebnis vereinte, das vielleicht nicht perfekt sein mag sowie mitunter ein wenig mit der selbst auferlegten Bürde seiner eigenen hohen Ansprüche und ehrgeizigen Bestrebungen zu kämpfen hat, unabhängig dessen aber (nichtsdestotrotz) absolut sehenswert ist, speziell für entsprechend geneigte Freunde des „europäischen Arthouse-Kinos“...
Februar, 2092: Mit 117 ist der 1975 geborene Nemo Nobody (Jared Leto) sowohl der älteste Mensch auf Erden als auch der letzte, der noch an einem natürlichen Tode sterben wird, da die Wissenschaft in der Zwischenzeit Mittel und Wege gefunden hat, um dies bei unserer Spezies anhaltend zu verhindern. Demgemäß stellt sein (offenkundig) unmittelbar bevorstehendes Ableben ein großes Ereignis für die Medien sowie übrige Bevölkerung dar – und so überträgt eine kleine fliegende Kamera seine finalen Stunden, welche er in einer Klinik unter der Oberaufsicht seines langjährigen Arztes (Allan Corduner) verbringt, live und direkt hinaus auf zig Monitore, Bildschirme und Leinwände in aller Welt. Ein betagtes, zuvor extra aus einem Museum „beschafftes“ Tonbandgerät mit sich führend, gelingt es einem jungen Reporter (Daniel Mays) in der Nacht, sich heimlich in Nobody´s Zimmer zu schleichen, um mit ihm nach Möglichkeit noch ein „persönliches“ Interview führen zu können – denn nicht nur die Angst vor dem Tod gehört inzwischen der Vergangenheit an, sondern ebenfalls solche Dinge und Emotionen wie natürliche Fortpflanzung und wahre Liebe. Basierend auf seiner ganzen Wesensart sowie der Tatsache, dass gerade jenes Gefühl sein Dasein entscheidend beeinflusst und geprägt hat, beginnt der alte Mann nun also damit, seinem achtsamen Zuhörer (freimütig und voller Herzblut) von seinem ereignis- und erfahrungsreichen Leben zu berichten...
In Form einer kurzen Schilderung aus seiner Zeit im „Himmel“ im Vorfeld seiner Geburt, wo er sich seine Eltern bei so etwas wie einem Vorstellungsgespräch selbst aussuchen durfte, eröffnet seine Erzählung, die im Folgenden erst einmal die frühen (glücklichen) Jahre seiner Kindheit überfliegt, bevor sie dann maßgeblich im Alter von 9 einsetzt – genau genommen als man ihn (Thomas Byme) im Zuge des Scheiterns ihrer Ehe eines Tages plötzlich vor die Wahl stellt, ob er künftig weiter bei seinem Vater (Rhys Ifans) wohnen oder lieber mit seiner Mutter (Natasha Little) hinfort ziehen möchte. Unfähig, sich entscheiden zu können, wählt er kurzerhand (quasi) beide Alternativen – welche sich von dort aus an parallel zueinander entfalten und die der Film seinem Publikum nun in regelmäßig wechselnden Abständen aufzeigt…
Als Teen verliebt er (Toby Regbo) sich innig in Anna (Juno Temple), die Tochter des neuen Lebensgefährten (Michael Riley) seiner Mutter – verliert sie allerdings aus den Augen, als auch diese Beziehung letzterer zerbricht. Erst als sie sich im Erwachsenenalter (Leto/Diane Krüger) zufällig wiedertreffen und noch einige weitere „Schicksalshürden“ überwinden, finden sie schließlich vollends zueinander. Daheim bei seinem Vater geblieben, kümmert sich der jugendliche Nemo (dagegen) vor allem um dessen Pflege, nachdem sich der körperliche Zustand des Verlassenen nach der Trennung stark verschlechtert hatte. Eines Abends verguckt er sich auf einer Feier in die „zerbrechliche“ Elise (Clare Stone), die aber eigentlich (recht freudlos) mit dem Mädchenschwarm Stefano (Ben Manfield) zusammen ist – und dennoch finden sie (etwas später) zueinander, heiraten (Leto/Sarah Polley) und gründen eine Familie. Ihr Glück im potentiellen Idyll des schönen Vororts wird jedoch zunehmend von der heftiger werdenden Intensität bei ihr auftretender Depressionen überschattet – allerdings liebt er sie und steht ihr daher (trotz allem) kontinuierlich treu zur Seite. Hätte er ihr gegenüber damals nicht die Initiative ergriffen, wäre er beim Tanz stattdessen mit Jean (Audrey Giacomini) zusammengekommen, hätte hart fürs Erreichen seiner Ziele gearbeitet und wäre mit ihr als Ehefrau (Linh-Dan Pham) jetzt wahnsinnig wohlhabend – zugleich aber auch gelangweilt und unglücklich, was irgendwann dazu führt, dass er im Bad eines Hotelzimmers von einem Killer getötet wird (resultierend aus einem selbst eingegangenen Wagnis, wider der in seinem Alltag vorherrschenden Abwechslungslosigkeit)...
Wer nun glaubt, ich hätte in Form dieser Inhaltsangabe den größten Teil der Geschichte verraten, der irrt sich gewaltig: Abgesehen davon, dass (z.B.) der erschossene Nemo gleich in den ersten Minuten gezeigt wird, gabelt sich jeder der aufgeführten Plotstränge nämlich selbst noch mehrfach – und das nicht nur zur anwachsenden Verwirrung des den Ausführungen lauschenden Reporters, sondern mit Sicherheit auch zu der so manch eines Zuschauers...
Wie das Astwerk eines 117-jährigen Baumes verzweigen sich die unterschiedlichen Storylines von „Mr. Nobody“ mit voranschreitender Laufzeit: Wir begleiten Nemo (lat.: „niemand“) entlang einer Vielzahl verschiedener Lebenswege, die jeweils aus speziellen gewichtigen Entscheidungen hervorgehen, die er in bestimmten Momenten seines Daseins getroffen hat bzw. fällen musste – nur dass er im Rahmen seiner Darlegungen stets beide (von jenen Punkten an auseinander führende) Pfade weiterverfolgt, statt sich nur auf eine der sich ihm bietenden Möglichkeiten festzulegen. Jede dieser Existenzen hätte zu „seinem“ Schicksal werden können: In einigen sterben ihm nahe stehende Personen, in anderen er selbst – mal ist er arm, aber mit einem starken inneren Antrieb gesegnet, mal vermögend, dafür jedoch träge und unzufrieden. Losgelöst von einer traditionellen narrativen Struktur, wechselt das Gebotene fortwährend (unlinear und verschachtelt, auf einer gewissen Weise allerdings nachvollziehbar gegliedert) zwischen diversen Orten, Zeiten und Parallel-Verläufen hin und her. Zwischendurch werden zudem immer wieder Träume, Erläuterungen und phantasievolle Gedankenkonstrukte verbildlicht – worüber hinaus philosophische Ansätze und Konzepte allgegenwärtig sind und ferner noch so einige wissenschaftliche Annahmen eingebunden sowie partiell gar direkt angegangen werden: Der Einstieg erfolgt etwa über eine Demonstration der Funktionsweise der klassischen „Skinner-Box“ (mit einer Taube darin), wonach der „Schmetterlings-Effekt“ veranschaulicht, Gedanken im Hinblick auf das „Gesetz der Entropie“ verortet sowie u.a. die „Chaos“-, „Big Bang“-, „String“- und „Big Crunch“-Theorien angesprochen werden. Da der Film diese komplexen Einzelthemen seinem eigentlichen Kern und Bestreben jedoch klar unterordnet, sie zugunsten der (dramatischen) „menschlichen Komponente“ also nur anreißt und nicht in die Tiefe gehend behandelt, mag das für einige vermutlich weitaus komplizierter klingen, als es letzten Endes tatsächlich ist. Dennoch wäre es (selbstredend) schade, ungünstig und angrenzend fatal, wenn man den betreffenden Augenblicken nicht die angemessene Aufmerksamkeit schenken würde...
Mit beachtlichem Geschick kombinierte van Dormael innerhalb seines Skripts eine wahre Flut an Ideen, Details und inhaltlichen Ausrichtungen zu einer enorm kreativen, poetischen und gefühlvollen Handlung, deren mannigfache Fragmente und Ebenen alles in allem wunderbar miteinander verzahnt daherkommen – weshalb ihre vielschichtige Beschaffenheit (bzw. das Nachvollziehen dieser) dem Publikum im Grunde genommen auch kaum Probleme bereiten sollte (zumindest nicht, wenn man halbwegs aufpassend bei der Sache ist). Gleichnisse, wie das genannte Experiment mit dem Vogel, liefern dienliche Hinweise auf die Einordnung und Deutung des Präsentierten – und trotzdem ist so manches die meiste Zeit über eher „zweitrangig“, wie zum Beispiel die Frage danach, ob all diese Ereignisse nun dem Kopf eines alten Mannes, der Traumwelt eines Teenagers oder der blühenden Phantasie eines Kindes entstammen. Spätestens nach dem Abspann kann sich jeder seine eigene Meinung konstruieren – Hinweise und Anregungen werden jedenfalls so einige gegeben. Die offizielle Tagline des Streifens lautet übrigens „Nothing is real, everything is possible”. U.a. geht es um Erkenntnisse, welche aus der Vergangenheit zu ziehen sind, um sie in der Zukunft dann gezielt einzusetzen – um die Wichtigkeit von Entscheidungen sowie die dabei zu haltende Balance zwischen Spontaneität, Emotionalität und Voraussicht. Täglich wird man vor die eine oder andere Wahl gestellt – und die hier dargereichte Chance, mal die langfristigen Auswirkungen einiger solcher Situationen (mit gleich mehreren potentiellen Ergebnissen) aufgezeigt zu erhalten, ist natürlich sehr reizvoll. Simultan schuf sich van Dormael mit dieser Prämisse (inklusive seiner Herangehensweise an die Materie) eine Menge „schöpferische Freiheit“, welche er in vollen Zügen auszunutzen wusste: Um seine mehr als ein Jahrhundert umspannende sowie zu einer weisen Erkenntnis hinführende „Coming of Age“-Geschichte zu erzählen, bediente er sich ausgiebig im Fundus diverser Genres (Romanze, Drama, Science-Fiction, Fantasy etc.) – und obwohl man beim Schauen des Öfteren (zwar nur flüchtig, aber unweigerlich) an verschiedene andere Titel erinnert wird bzw. denken muss, wie etwa „the Butterfly Effect“, „2001“, „the Fountain“, „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ oder die amüsant-herzliche Natur der „fabelhaften Welt der Amélie“, ist es ihm dennoch vortrefflich geglückt, stets seine ganz eigene Form von Originalität zu bewahren...
Im Erwachsenenalter wird Nemo von Jared Leto („Chapter 27“/„Requiem for a Dream“) verkörpert, welcher einmal mehr beweist, dass er nicht nur ein prima Sänger (der Band „30 Seconds to Mars“) sowie einer der attraktivsten männlichen Gesichter Hollywoods ist, sondern auch ein talentierter Schauspieler: Seine schwierige Rolle meistert er (in all ihren Varianten) ohne Anlass zur Klage – und als Zuschauer fällt es einem überdies nicht schwer, eine „ersprießliche Verbindung“ zu ihm aufzubauen, selbst wenn man ihn (in der „Zukunftsphase“) unter all dem Make-up beinahe nur anhand seiner Augen erkennt. Im Kindesalter wird Nemo vorrangig von Thomas Byrne (TV´s „Mutual Friends“) gespielt, als Teen daraufhin von Toby Regbo („Harry Potter and the Deathly Hallows“), der eine wirklich gute Performance an den Tag legt – was im selben Maße für Juno Temple („Cracks“) gilt, welche den Part der Anna (mit 15) randvoll mit Leben füllt. An dieser Stelle möchte ich mal etwas näher auf jenen Plot-Strang eingehen, der im Prinzip das Rückgrat des kompletten Werks bildet: Die Chemie zwischen Regbo und Temple ist schlichtweg perfekt – genauso wie die Art und Weise, in der van Dormael diese „erste große Liebe“ beider Figuren in Szene gesetzt hat, nämlich unglaublich feinfühlig und schön mit anzusehen. Sie sind quasi „Seelen-Partner“, die selbst in den Zeiten, in denen sie den Kontakt verlieren und das Schicksal sie auf andere Bahnen lenkt, fortwährend zueinander gehören. Als sie nach Jahren (per Zufall) wieder aufeinander treffen, wird Anna von Diane Krüger („Inglourious Basterds“/„Troy“) gemimt, welche (im Einklang mit der gesamten Besetzung) ebenfalls eine sehr anständige Leistung abliefert...
Als Elise ist zuerst Clare Stone (TV´s „Wild Roses“) zu sehen, bevor sie dann von der Kanadierin Sarah Polley („Splice“/„Go“) abgelöst wird, die ich seit jeher überaus schätze und welche ihre „Acting Chops“ auch hier erneut relativ anschaulich demonstriert: Trotz einer tollen Familie sowie nahezu frei finanzieller Sorgen ist sie unglücklich, trauert ihrem Jugendschwarm hinterher und leidet unter Depressionen bzw. der „Bipolaren Affektstörung“ – was Polley natürlich Raum zum Glänzen offeriert (unter anderen Voraussetzungen hätte insbesondere ein „Vorfall“ auf einem Kindergeburtstag in der Hinsicht leicht ins Peinliche abgleiten können, doch Sarah war der Aufgabe gewachsen und van Dormael hat diese Momente äußerst inspiriert arrangiert und eingefangen). Ein wenig schade fand ich bloß ihre eingeschränkte Screen-Time sowie die Tatsache, dass in jener fast nur diese schwierige Phase in Elise´s Leben behandelt wird. Die Rolle der ehrgeizigen Jeanne wurde mit Audrey Giacomini („La Taupe 2“) und Linh-Dan Pham („Dante 01“/„Ninja Assassin“) absolut solide besetzt – nur ist diese „dritte Ehe“ die (wohl mit Absicht) uninteressanteste, da sie generell eine eher farblose Persönlichkeit innehält und Nemo dazu noch ständig „innerlich abwesend“ ist: Geld ist halt nicht alles, wenn Leidenschaft fehlt. Offensichtlich ist die Oberflächlichkeit dieses Teils der Geschichte bewusst in dieser Form konzipiert worden, um den vermittelten Eindruck zusätzlich zu unterstreichen – allerdings bremst das den Film (unabhängig der vergleichsweise kürzeren „zeitlichen Zuwendung“) regelmäßig aus, da man stattdessen viel lieber sehen würde, wie es den anderen zwei Paaren so ergeht. Wichtig zu erwähnen sind auch die Eltern Nemos – überzeugend dargestellt von Natasha Little („the Boys are Back“) und Rhys Ifans („Notting Hill“). Abgerundet werden die Cast-Reihen u.a. von Michael Riley („Cube Zero“), Daniel Mays („Shifty“) als Reporter am Sterbebett sowie Allan Corduner („Defiance“) als Mr. Nobody´s Arzt, dessen Gesicht im Übrigen vollständig mit symmetrischen Tattoos bedeckt ist...
Letztlich ist es der durchweg fähigen Crew und dem Umfang der finanziellen Ressourcen (für eine unkonventionelle europäische Produktion war das Budget ungewöhnlich hoch) zu verdanken, dass die enorme inhaltliche Kreativität auch angemessen „realisiert“ werden konnte. Das Leben im Jahre 2092 ist weder düster noch dreckig, sondern ziemlich hell und sauber, weist majestätische Wolkenkratzer und so manch „schräges“ Detail auf – wie dass einige Leute in „Plastik-Blasen“ umherlaufen oder „medizinischen Schweine“ mit sich führen sowie ein durchgeknallter TV-Moderator (der Perez Hilton ähnelt und ein implantiertes Mikro in der Wange trägt) offenbar relativ beliebt zu sein scheint. Da Reisen zum Mars irgendwann zuvor möglich geworden sind, bricht Nemo (in einem riesigen Raumschiff, die meiste Zeit jedoch in einer kryogenischen Schlafkammer) in einem der Story-Elemente (als Tourist) selbst zu jenem Ort hin auf, um Elise´s Asche auf der Oberfläche zu verstreuen, so wie er es ihr mal versprochen hatte. Ob das eventuell nur einem Sci-Fi-Roman entstammt, welchen er in seiner Jugend mal zu verfassen anfing, ist dabei egal – schließlich kleidete man all das in klasse anzusehende Bilder, die außerdem erfreulich hochwertige „Computer Generated Images“ aufweisen. Immer wieder begegnen einem Einstellungen, die einen begeistern und in Erstaunen versetzen – wie als Nemo hinter die „Fassade der Realität“ zu schauen vermag, wo Helikopter große Blöcke Wasser aus dem Meer heben (worauf dort viereckige „Löcher“ zurückbleiben) oder Arbeiter Straßenasphalt wie Teppiche aus- und einrollen, was einem durchaus die „Truman Show“ in den Sinn rufen kann. Angesichts der Dichte an ansprechenden Einfällen ist es schwer, bei einer solchen Aufzählung ein Ende zu finden – also werde ich mich jetzt bewusst mal zurückhalten und in dieser Beziehung nur noch (beispielhaft) den Anblick diverser Fahrräder in der Schwerelosigkeit des Weltalls sowie den mit „ungeborenen Kindern“, Engeln und gar einem Einhorn bevölkerten „Himmel“ anführen...
Unterlegt mit einem klangvollen Score des kurz danach verstorbenen Komponisten Pierre van Dormael („Essaye-moi“) sowie mit verschiedenen stimmig in den Verlauf eingebundenen Songs versehen, die von Interpreten wie Nena, den Eurythmics oder Pixies stammen und in ihrer Bandbreite bis hin zu mehreren Versionen des Klassikers „Mr. Sandman“ reichen, überzeugt vor allem die virtuose Kombination aus der Kamera-Arbeit Christophe Beaucarnes („Irina Palm“) und dem Schnitt des Editing-Gespanns Susan Shipton („Chloe“) und Matyas Veress („Duplicity“). In Gestalt etlicher schöner Montagen und Übergänge werden die unterschiedlichen Handlungsstränge, Zeitebenen und Einschübe (wie eine anschauliche Erklärung des Grunds, warum etwa ein Mann in Brasilien Schuld daran hat, dass sich tausende Meilen entfernt ein Regentropfen bildet und dieser dann eine handschriftliche Notiz unleserlich werden lässt) des Öfteren mit Hilfe technischer Tricks und Spielereien miteinander verknüpft bzw. verflochten: Trotz unterschiedlicher Stile und Inhalte (Realismus vs. Fantasy, Steinzeit vs. Zukunft etc.) sind sie stets eleganter und reibungsloser Natur – was schlichtweg alles zu einem absolut harmonisch wirkenden Ganzen vereint. An Jaco van Dormael´s Regie-Leistung gibt es nichts auszusetzen: Man merkt deutlich, dass er das Projekt viele Jahre lang vorbereitet und betreut hat, weshalb er es rundum fest im Griff hatte, als die (insgesamt 25 Wochen umspannenden) Dreharbeiten schließlich im Juni 2007 begannen...
Da ich unter den gegebenen Umständen über kleinere Anflüge von Kitsch durchaus noch wohlwollend hinwegsehen kann, hat das Werk meiner Meinung nach nur eine Schwachstelle, die wirklich erwähnenswert ist – und zwar eine gewisse „Unausgewogenheit“ des Skripts: Die Story ist derart vielschichtig, voller Geistesblüten sowie mit diversen philosophischen Ansätzen und wissenschaftlichen Konzepten ausgestattet, dass man beinahe eine Mini-Serie damit hätte füllen können – bloß werden diese meist nur oberflächlich abgehandelt, ohne genügend in die Tiefe der jeweiligen Materie vorzudringen. Obgleich das den „Zugang“ erleichtert, empfand ich es dennoch als etwas schade – zumal man die knapp 140-minütige Laufzeit (der Kinofassung) hier und da getrost ein wenig hätte straffen können: Irgendwie stimmt die „Balance“ in diesem Bereich nicht optimal. Unabhängig dessen muss man vor dem fertigen Film jedoch einfach seinen Hut ziehen: Er ist charmant, bewegend, reich an „Eye Candy“ und in jedem Moment unterhaltsam, zielt aufgrund seiner nonlinearen und verzweigten Struktur simultan auch auf ein Mitdenken des Zuschauers ab und bietet jenem zudem die Möglichkeit, eigene Gedanken und Empfindungen (aus dem Präsentierten heraus) zu generieren. Resultierend aus den angegangenen Themen und aufgezeigten Situationen, so denke ich mal, könnte die betreffende „Verbindung“ umso inniger ausfallen, über je mehr Lebenserfahrung man zum Zeitpunkt des Ansehens verfügt. Der Weg ist bekanntermaßen das Ziel – und dieser hier hat sich definitiv gelohnt. Ich selbst habe das Kino jedenfalls überaus zufrieden sowie mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen – und freue mich jetzt schon auf die in einigen Wochen anstehende Zweitsichtung daheim auf BluRay, da es mit Sicherheit noch so einige Kleinigkeiten zu entdecken gibt, die mir beim ersten Mal entgangen sind...
Fazit: „Mr. Nobody“ ist ambitioniert, kreativ, gefühlvoll und klar abseits des Mainstreams zu verorten, verfügt über eine interessante Prämisse, aus welcher sich eine ebenso intelligente wie komplexe Geschichte heraus entwickelt, kann mit einer starken und überzeugend agierenden Besetzung aufwarten, wurde inspiriert in Szene gesetzt und stimuliert sowohl die Augen als auch den Kopf des (entsprechend geneigten) Betrachters...
Volle Zustimmung! Gerade auch die angesprochenen FX-Shots waren für einen Film dieses Genres sehr ansprechend und innovativ. Verdanken kann man dies der noch recht jungen Fa. "Modus FX", die i.ü. auch für Tarsem Singh´Vehikel "Immortals" verantwortlich sein wird, wie ich in Erfahrung bringen konnte.
Ein metaphysischer Film über Zeitabfolge, Räumlichkeit und Entscheidungsfindungen, der über die formellen Aspekte fast noch mehr erzählt als über das Drehbuch. Der Film funktioniert assoziativ und gewinnt seinen Sinn auch durch Wiederholung und Neuentdeckung. Dadurch gewinnt er einen universellen Anspruch, der das Leben als solches anhand seiner physikalischen Eigenschaften zu beschreiben versucht. Wie bei vielen Experimentalfilmen fühlt man sich mit der Nase ein wenig zu stark auf die Beschreibung des Unbeschreiblichen gepresst, sprich: "Mr. Nobody" fühlt sich manchmal zu sehr ete petete an, aber die Abfolge von kunstrahmenartigen Bildkompositionen überzeugt selbst bei der stattlichen Länge von zweieinhalb Stunden (im Director's Cut) mit höchster Qualität. Auch wenn mir das cleane Zukunftsdesign zu sehr Klischee war und die Altmännermaske unangenehm an "Benjamin Button" erinnerte (zumal Jared Letos knallblaue Augen durch die Maske hindurch immer noch viel zu jugendlich wirken).
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