
Originaltitel: Poseidon
Produktionsjahr: 2006
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Kurt Russell, Josh Lucas, Richard Dreyfuss, Jacinda Barrett, Emmy Rossum, Mike Vogel, Mía Maestro, Jimmy Bennett, Freddy Rodríguez, Kevin Dillon u.a.
Es ist eine laue Silvesternacht. Die Poseidon, ein riesiges Kreuzfahrtschiff, durchschneidet majestätisch die Wassermassen des Atlantiks. An Bord befindet sich ausreichend partywilliges Publikum und Fergie von den Black Eyed Peas malträtiert ihre Ohren und Augen (schön zu sehen, dass selbst das Effektdepartment Hollywoods vor ihrem doch arg verlebten Äußeren kapitulierte). Doch der wahre Gott des Meeres hat Mitleid mit den Partypeoples und greift in den bisher recht lahmen Partyverlauf ein. An der Spitze seines Unterhaltungsprogramms steht eine Riesenwelle, die die Poseidon binnen Sekunden kentern lässt ...
Kurze Zeit später schwimmt das Schiff kieloben auf dem Ozean und die Überlebenden der Katastrophe versuchen der Lage Herr zu werden. Die Besatzung bittet die Passagiere Ruhe zu bewahren und auf die Hilfe zu warten, die ohne Zweifel kommen werde, da alle Notsignale abgesetzt wurden seien. Doch Dylan hat keine Lust in dem dahintreibenden Sarg auf seinen Tod zu warten und beschließt, zum Kiel des Schiffes und - als logische Folge - aus dem Schiff heraus zu gelangen. Um ihn herum schart sich eine kleine Gruppe weiterer Überlebender, die ebenfalls dem Tod von der Schippe springen wollen ...


"Disaster movies" sind im Grunde die dankbarsten Filme, die man sich vorstellen kann. Man braucht eine Ausgangssituation, die an den Urängsten der Menschen rüttelt, übersteigert sie zum Extrem, lässt sie über eine Handvoll Menschen wie du und ich hereinbrechen und verfolgt sie beim Rennen, Retten, Flüchten. Für Filme sonst recht wichtige Eckpfeiler wie intelligente Dialoge, eine Storyentwicklung oder vernünftige Charaktere braucht man dafür ebenso wenig wie vernünftige Motive für das Handeln der Charaktere. Tja, und dahingehend macht Petersen schlicht und ergreifend alles richtig. Mit Hereinbrechen der Riesenwelle über den Luxusdampfer haben Story, Charakterentwicklung und Logik massiv Pause. Dies ist eigentlich kein Grund zum Schimpfen, nur passiert der Auslöser des "Disaster movies" ungelogen nach 10 Minuten! Und in 10 Minuten kann NIEMAND Charaktere einführen, die den Zuschauer berühren oder ihn mit selbigen mitfiebern lassen. Erst recht kein Wolfgang Petersen. Und so sitzt man hier ungläubig im Sessel des Kinos und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus! Warum bricht der kleine Trupp zum Kiel auf? Der eine will raus, der andere sucht seine Tochter. Das war's! Will jemand vielleicht versuchen Hilfe zu holen? Nope. Man will einfach nur zum Kiel. Mehr nicht! Das wäre ja nicht so schlimm, wenn der kleine Trupp dann wenigstens nicht vollkommen egoistisch handeln würde. Ohne die anderen Passagiere zu fragen, ob sie mitwollen, spaziert man einfach so - heimlich, still und leise - los! Auch im weiteren Verlauf werden die Figuren zeigen, dass ihnen das Leben der jeweils anderen ziemlich am Allerwertesten vorbeigeht ... und dummerweise lässt man als Zuschauer den "Flüchtlingen" schnell genau dieselbe Einstellung angedeihen! Das Schicksal der Gruppe um Dylan ist einem weitgehend so dermaßen piepegal, dass man sich irgendwann unweigerlich zu fragen beginnt, ob Petersen absichtlich einen derartigen Unterton eingebaut hat oder ob man das Drehbuch vor den Dreharbeiten einfach nicht richtig gelesen hat und einem so derartige Böcke durch die Lappen gegangen sind.
Schaut man sich das Figureninterieur an, kommt man ziemlich schnell zu dem Schluss, das wohl das Drehbuch der Alleingrund gewesen sein muss. Lustig bedient man die gesamte Klischeeparade des Katastrophenfilmes. Es gibt den suizidgefährdeten Schwulen (mit Outingbrillie im falschen!!! Ohr), den zynischen Säufer, das nervende Balg (das Herrlicherweise einmal genauso vollkommen unlogisch einer gefährlichen Situation ausgesetzt wird, wie es mir nichts dir nichts wieder daraus errettet wird - für mich der größte Brüller im Film), die resolute Mutter, die für das Balg alles machen würde, den strahlenden - zum Bürgermeister von New York aufgestiegenen - Feuerwehrheld, den selbstlosen Latino, die selbstlose Latina und freilich den Held, Marke: Harte Schale, weicher Kern. Keine dieser Figuren bekommt neue Charaktereigenschaften zugeschanzt. Von keinem erfahren wir irgendwelche Hintergründe. Nichts. Diese Abziehbilder sind alles, woran man sich bei Poseidon festhalten muss. Es gibt nicht einmal Szenen, die es sonst immer in Katastrophenfilmen gibt: Nämlich von schmalziger Musik unterlegte Erinnerungen an frühere Zeiten, in denen menschliche Dimensionen für bestimmte Figuren erschlossen werden. Petersen walzt da einfach drüber ... und ganz ehrlich, er tut gut daran.


Das sich die Schauspieler mit diesen Figuren schwer tun würden, steht außer Frage und so kann man hier auch wahrlich keine Heldentaten vermelden. Josh Lucas und Kurt Russell kommen als Heldengespann noch am besten weg, ganz einfach weil sie über eine gewisse Grundsympathie verfügen und als Kerle mit Ecken und Kanten eigentlich immer zu überzeugen wissen. Vor allem Kurt Russell hätte ich lieber als alleinigen Führer der Gruppe gesehen, doch aus finanziellen Gründen, wird man ihm wohl den jugendlicheren und attraktiveren Lucas zur Seite gestellt haben. Im Original Poseidon füllte Gene Hackman alleine die Heldenrolle aus. Im übrigen schauspielerte er dabei sogar ;-). Der Rest des Castes läuft komplett unter ferner liefen. Richard Dreyfuss wirkt wie ein essgestörter Schatten seiner selbst in der Rolle des schwulen Richard und kann keinerlei Akzente setzen, was bei einem Schauspielurgestein wie ihn schon arg verwundert! Kevin Dillon wird als zynischer Lucky Larry vollkommen verschenkt, was schade ist, da ein grantelnder Charakter wie seiner sicher etwas Farbe in die Geschehnisse hätte bringen können. Und das behaupte ich hier von einer Figur, die von dem talentbefreiten Bruder von Matt Dillon gespielt wird! Spätestens jetzt dürfte klar sein, wie arm der Film insgesamt doch dran ist ;-). Die Frauenfiguren bleiben allesamt blass und austauschbar und - ohne spoilern zu wollen - scheinen dem Grundsatz zu gehorchen: Bist du dünne und ne Braut, niemand dich zu killen sich traut. Also wettet auf die Frauen ;-).


Doch oh Wunder, bei allen Unzulänglichkeiten im Story- und Charakterteil langweilt Poseidon keinen Augenblick! Viel zu hoch ist die angeschlagene Pace, viel zu schnell folgt einer Aktion die nächste, viel zu schnell hintereinander rührt Petersen an den menschlichen Urängsten (Angst vorm Ertrinken, Platzangst, Angst vor Feuer usw.), viel zu kurz sind eventuelle Pausen zwischen verschiedenen Spannungshöhepunkten und viel zu rigoros geht Petersen mit seinen Figuren um. Der Deutsche macht nämlich wahrlich keine Gefangenen. Dass in den USA in diversen Kritiken sogar Parallelen zu 9/11 gezogen wurden, halte ich im Grunde zwar für ziemlich daneben (immerhin ist Poseidon nur ein KatastrophenFILM), manche Szenen verfehlen dennoch ihre Wirkung nicht und wirken teils für einen Familienfilm doch ein wenig zu hart. So verbrennen hier Menschen in Feuerwalzen, werden aufgespießt, von Stromschlägen getötet oder von herabfallenden Gegenständen zermalmt und in wirklich jeder Szene treibt irgendwo im Hintergrund eine oder gleich ganze Berge von Leichen, was dem Film teils einen fast schon apokalyptischen Touch verleiht. Sämtliche Spannungshöhepunkte und Actionszenen sind von einer hohen Adrenalindichte und bieten eben pures Desasterkino vom Feinsten. Petersen kann sich dabei auf eine wirklich gelungene Kameraarbeit von John Seale verlassen, der immer die richtigen Bilder findet und die Action fast schon im old school Style, frei von hektischen Kameragewackel, immer übersichtlich präsentiert. Auch die wirklich beeindruckenden Effekten - sowohl die Handgemachten als auch die formidablen CGIs der Riesenwelle oder diverser Explosionen - sind vom Feinsten und adeln den Film summa summarum immerhin als einen technisch perfekten Streifen. Untermalt wird das ganze von einem treibenden Actionfilmscore des Hans Zimmer Zöglings Klaus Badelt, der mit Eintreffen der Riesenwelle eine musikalische Druckwelle nach der anderen durch den Kinosaal pumpt. Leider findet Badelt in all dem Bombast kein wirklich eingängiges Thema, was es dem Soundtrack schwer machen dürfte, für sich allein gesehen zu bestehen.
Was bleibt ist ein unterhaltsamer, zügiger, ja fast schon rasanter Katastrophenfilm, der in allen technischen Belangen absolut zu überzeugen weiß und dem man seine schwache Story an und für sich gar nicht vorhalten kann, hatte er doch nie vor, wirklich eine zu erzählen. Doch das katastrophal uninteressante Figureninterieur, das es zu keinem Zeitpunkt schafft, den Zuschauer wirklich zu involvieren, bricht dem Film mehrmals dramaturgisch fast das Genick. Schade!

In diesem Sinne:
freeman, kein Fergiefan