
Originaltitel: V for Vendetta
Produktionsjahr: 2005
Produktion: Joel Silver u.a.
Regie: James McTeigue
Darsteller: Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, Stephen Fry, John Hurt, Tim Pigott-Smith, Rupert Graves, Roger Allam u.a.
Remember, Remember The 5th of November ...
Der Krieg zwischen den USA und dem Irak ist eskaliert. In den USA selber tobt ein Bürgerkrieg und in den Staaten, die die USA unterstützten, herrscht ebenfalls alles mögliche, nur keine Stabilität. Obendrein wird England von einem Virus attackiert, der fast 100 000 Menschen das Leben kostet. Diese Situation nutzt ein Politiker namens Sutler und ergreift die Macht in dem dahindarbenden England. Er errichtet eine faschistoide Diktatur sondergleichen: Die Medien sind gleichgeschaltet, dunkle Gestalten führen willkürliche Verhaftungen durch, es werden Ausgangssperren verhängt, Regimegegner gefoltert, vergewaltigt und getötet und den Menschen wird vorgegeben, was sie zu denken und zu tun haben. Dagegen scheint sich kein nennenswerter Widerstand zu rühren ... kein Wunder bei diesem extrem repressiven System.
Eines Abends geht Evey nach der Ausgangssperre auf die Straße und wird prompt von der Geheimpolizei des Regimes gestellt. Eine Vergewaltigung haben die "Polizisten" als gerechte Strafe auserkoren. Plötzlich taucht ein mit geschliffenen Zitaten um sich werfender Fremder mit einer Maske des Mannes auf, der vor Jahrhunderten versuchte, das englische Parlament zu sprengen. Dieser Fremde macht mit den Bäddies ein Halbes und wird Evey wieder über den Weg laufen, als er die letzte verbliebene Fernsehstation, für die Evey arbeitet, überfällt und eine Nachricht über sein Vorhaben über den Sender schickt. Bei dieser Aktion rettet diesmal Evey dem Fremden das Leben, der sie mit in sein geheimes Quartier nimmt. Er offenbart sich ihr als V, der mehr oder weniger letzte, der gegen das Regime aufbegehrt und es dem Mann gleich machen will, dessen Gesicht er in Form der Maske trägt. Evey erscheint das Vorhaben der Sprengung des Parlamentes falsch und sie flieht aus V's Zuflucht zu einem Freund.
Dieser wagt es den herrschenden Sutler in einer Sendung zu diffamieren. Daraufhin wird sein Haus von den Handlangern des Diktatoren überfallen und auch Evey wird geschnappt und gefoltert. V, der weiterhin seine Pläne vorantreibt, eilt ihr aber nicht zu Hilfe. Warum? Weil er höhere Ziele mit Evey verfolgt ...

Das ist sie nun also. Meine bisher vermutlich oberflächlichste Inhaltsangabe überhaupt. Denn wenn hier irgendjemand glaubt, ich würde extrem viel vorwegnehmen, der wird sich im Kino ordentlich die Augen reiben. Mit einem unglaublichen Tempo rast hier eine Geschichte um Despoten, Versuchsreihen, verschwundene Menschen und eine persönliche Rache über den Zuschauer hinweg und versteht es auf begeisternde Art und Weise mitzureißen und in die Welt von V und Evey hineinzusaugen. Und das ist einzig und allein der Verdienst der genialen Matrix Schöpfer Larry und Andy Wachowski, die es geschafft haben, die als unverfilmbar geltende Underground Kult-Comicserie von Alan Moore adäquat für die Leinwand zu adaptieren. Kein leichtes Unterfangen, präsentiert sich doch Moores Vorlage als Füllhorn an Nebenhandlungen und immer neuen Nebenfiguren, was schon dem Leser enorme Aufmerksamkeit abverlangt. Für einen Kinofilm wäre die 1:1 Übernahme oder eben ein sklavisches Abfilmen der Panels - wie es zuletzt Rodriguez bei "Sin City" durchexerziert hat - so gut wie unmöglich gewesen, hätte man das Publikum wohl mehr als überfordert. Es gelingt den Brüdern sich auf drei Figuren zu konzentrieren (Evey, V, Kommissar Finch) und trotzdem eine Geschichte von unglaublicher Komplexität zu erschaffen, bei der man immer einmal meint, man habe das große Ganze entschlüsselt, um kurz darauf vor ganz neue Realitäten gestellt zu werden. Zum Beispiel ist man zwischendurch wahrlich baff, dass V, wie es der Titel ja eigentlich vorgibt, wirklich "nur" für Vendetta steht und nicht etwa für Volksbefreiung. Überhaupt beginnt man immer wieder einmal an den Beweggründen und vor allem an dem krassen Handeln von V zu zweifeln ... doch am Ende läuft alles zusammen und ergibt ein absolut stimmiges Gesamtbild.

In seinen Inhalten ist "V for Vendetta" im übrigen nah dran an den anderen großen politischen Filmen der letzten Tage und damit freilich auch an den großen Themen, die uns derzeit tagesaktuell beschäftigen. Es fallen gar Begriffe wie die Vogelgrippe, es wird wie in "Jarhead" Kritik am Krieg geübt (im besonderen am Irakkrieg, an dem ja die USA und insbesondere eben auch England ausgiebig partizipierten), die Angst vor Homosexualität wird thematisiert wie in "Brokeback Mountain" und auch die Triebfedern der Politik Korruption und interne Mauscheleien finden wie in "Syriana" Eingang in "V for Vendetta". Am nahsten scheint V allerdings an Spielbergs "München" dran zu sein, denn hier wie dort wird Terror mit Terror bekämpft. Im Grunde ist V nämlich nichts anderes als ein Terrorist. Man muss sich nur seine Methoden anschauen: Anschläge, Attentate, Folterung ... das kleine Ein mal Eins des Terrors. V beherrscht es perfekt. Wenn dann noch Bonmots fallen wie: "Gebäude sind Symbole ... Wenn man sie zerstört, setzt man damit ein Zeichen." Wird die Comicverfilmung erst recht beklemmend real. Letztendlich jubeln wir also einem Terroristen zu ... und werden so alle zu kleinen Anarchisten ... ;-), allerdings ist freilich die offensichtliche Comic - Herkunft des Stoffes und die überspitzte Darstellung der Ereignisse ein immer abfederndes Moment. Also eine Umerziehung zum Bombengürtelträger bekommt man hier nicht geboten, eher eine subversive Anlehnung an den großen Plan, der einst hinter Fight Club stand.
Hinter dieser Maske steckt kein Fleisch. Hinter dieser Maske steckt eine Idee. Und Ideen sind kugelsicher.
Wer wegen der Mitwirkung der Wachowskis nun aber einen "Matrix 4" Actionknallbonbon erwartet, der sei hiermit aufs Schärfste gewarnt: Die Gemeinsamkeiten mit der Heilstrilogie erschöpfen sich in der Zeichnung einer dystopischen Gesellschaft, einem dagegen ankämpfenden Charakter und einem Individuum, das beigebracht bekommt, was es heißt, frei zu sein. Dagegen gibt es nur eine einzige, wirklich größer angelegte, brillante Actionszene zum Ende des Filmes hin, ansonsten schreitet V nur in knackig kurzen Kampfeinlagen zur Tat, die aber niemals all zuviel Raum zugestanden bekommen. So transportiert der Film sein Anliegen über unglaublich viele Dialoge und Handlungsszenen, bei denen allerdings nicht eine Minute Langeweile aufkommt. Zu schnell prasseln die Informationen auf den Zuschauer hernieder und zu aktuell wirkt die Geschichte, die der Film erzählt, vor allem in Zeiten, in denen im Ursprungsland der Demokratie Gesetze bestätigt werden, die es ermöglichen das eigene Volk zu belauschen und in denen in diesem, unserem Land, darüber nachgedacht wird, Diskussionsplattformen wie unser Forum zu verbieten, weil hier Interessen von irgendwelchen Firmen und dahinterstehenden Bonzen verletzt werden könnten ... weil eben nicht alle den Spruch kennen, dass auch schlechte Werbung Werbung ist ;-).

Sämtliche Kritik, die hier geübt wird, kommt nicht platt oder mit dem Holzhammer daher. Es wird absolut glaubwürdig eine unterdrückte Welt erschaffen und man nutzt viele Querverweise zu uns bekannten Diktaturen, seien es faschistische oder sozialistische. Es setzt Bilder von Massengräbern, einen Agitator von einem "Führer", der mehr mit Gesten denn mit Worten zu reden scheint, dunkle Handlanger und Geheimmilizen, mediale Gleichschaltung ("Newssendungen erfinden keine Nachrichten, wir senden sie nur. Regierungen erfinden Nachrichten ..."), eindeutige Symbole und und und. Am besten, weil unglaublich bewegend, funktionieren die Szenen in denen die Kritik an derartigen Systemen an Einzelschicksalen festgemacht wird. Highlight ist hier eine rund 5minütige Sequenz bei der wir in satten Pastellfarben das Leben eines Mädchens über ihre große Liebe bis hin zum Tod durch das Regime mitverfolgen müssen. Eine Sequenz die zudem Eveys grausame Folter konterkariert und einem emotionalen Vorschlaghammer gleich auf das Publikum niedergeht.
Doch nicht nur diese Szene ist optisch souverän umgesetzt. Man arbeitete bei "V for Vendetta" mit sehr düsteren Bildern und Farben aus denen vor allem Rot-Töne kräftig herausstrahlen dürfen. Gemeinsam mit einem grandiosen Sounddesign und einer immer passenden Musikuntermalung von Dario Marianelli gelingen so Bild-/ Tonkompositionen, die mehrmals für Gänsehaut sorgen und nachdrücklich in Erinnerung bleiben können. Auch die eine große Actionszene ist absolut genial inszeniert und präsentiert Bilder, die die Matrixästhetik atmen und in Bullettime fast schon poetisch anmutende Bilder spritzenden Blutes präsentieren. Actiontechnisch dominieren Kampfsporteinlagen ohne große Schnörkel. Wirework kann man so gut wie keines ausmachen, zumal es nicht einen einzigen hohen Kick zu sehen gibt. Shoot Outs gibt es keine, Verfolgungsjagden auch nicht. Nichts was an einen großen Actionkracher gemahnen würde. Doch wie bereits dargestellt, braucht es das auch nicht.

Was es für einen Film dieser Art aber definitiv braucht, ist ein Ensemble, das diesen Film tragen kann. Und das gelingt vortrefflich. Natalie Portman kommt in einem wunderbaren Mix aus Verletzlichkeit und Stärke daher und sieht zudem hinreißend aus ... vor und nach der Glatzenprozedur. Sie versteht es vor allem zum Ende hin ihre Figur mit einer Wut und Stärke aufzuladen, die ihresgleichen sucht. Hugo Weaving und James Purefoy als V gebührt größter Respekt, schaffen sie es doch trotz starrer Vollgesichtsmaske einen menschlichen Charakter zu erschaffen, der vor allem über die Gestik und leichte Variationen der Kopfhaltung viel ausdrücken muss. Leider weiß man eben nie, wer nun gerade unter der Maske steckte. Während der Dreharbeiten hatten sich Purefoy, der grandiose Markus Antonius aus der Serie Rome, und Regisseur James McTeigue überworfen, da Purefoys stimmliche Auslegung von V dem Regisseur nicht behagte und Purefoy sich nicht von seiner Interpretation abbringen lassen wollte. Also holte man Weaving an Bord, der die noch verbleibenden Szenen drehen musste und V in allen Szenen nachsynchronisierte. In Deutschland hat er nun nicht seine Agent Smith Stimme erhalten, dafür ein anderes, vollkommen passendes Organ. Stephen Fry als Eveys Freund Deitrich, der vom System umgebracht wird, überzeugt als grundsympathischer "andersartiger" Mann, der sich dem System nicht unterordnen will. Stephen Rea spielt den Kommissar Finch absolut souverän mit brillantem Understatement, John Hurt dagegen darf als chargierender "Führer" und als jammernder Waschlappen so richtig über die Strenge schlagen und macht dies mit sichtlicher Hingabe und diabolischen Blicken. Auch der Rest des Castes spielt im Rahmen der jeweils vorgegeben Rolle auf den Punkt. Grandios.
"Jarhead", "München", "Syriana", "Lord of War", "Brokeback Mountain" und nun "V for Vendetta", selten war das Kino so intelligent und dabei unterhaltend wie heute ...

Die DVD von Warner kommt in drei Varianten: als Vanilla Disk, als Vanilla Disk mit Comic und als Superduper Special Edition im Steelbook mit zweiter DVD und KEINEM Comic. Warner, ich hab euch lieb LOL! Technisch ist die Scheibe über alle Zweifel erhaben!
In diesem Sinne:
freeman