Frankenstein Legacy (1931 - 1944)
Frankenstein
Originaltitel: Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1931
Laufzeit: ca. 67 Min.
Regie: James Whale
Darsteller: Colin Clive, Mae Clarke, John Boles, Boris Karloff , Edward Van Sloan, Frederick Kerr, Dwight Frye, Lionel Belmore, Marilyn Harris
“Frankenstein”.
Die Assoziationen, die einem heute zu diesem Begriff in den Kopf schießen, sind relativ unumstößlich, gestärkt durch jahrzehntelange Tradierung. Ein großes, klobiges Wesen, in modrigen schwarzen Anzug steckend, der an Ärmeln und Beinen viel zu kurz sitzt. Ein kantiges, aschfahles, blassgrünes Gesicht mit markanter Knochenstruktur, eingefallenen Wangen und apathisch dreinschauenden Augen, unterlegt von tiefschwarzen Augenringen. An beiden Seiten des Halses Elektroden, schwarzes, struppiges, auf der Schädeldecke plattgedrücktes Haar. Das ist Frankenstein.
Nun, ist es eigentlich nicht. Bei genauerer Überlegung ist jedem bekannt, dass Frankenstein in Wirklichkeit nicht der Name des Monsters, sondern des Schöpfers ist, erfunden von Mary Shelley, der die Geschichte um den Wissenschaftler und seine künstliche Kreatur erstmals anonym im Jahr 1819 veröffentlichte, ihr Name vermutlich inspiriert durch eine Burg in Darmstadt. “Frankenstein” als eine teutonisch geprägte Gruselmähr, zu deren Schauplatz die Universität Ingolstadts auserwählt wurde, und im Endeffekt lief alles auf eine Auseinandersetzung mit der Schöpfungsthematik hinaus. Die Essenz des Lebens, Wissenschaft versus Religion - eine Debatte, die sich bis zur Verfilmung von James Whale und noch lange nach ihrem Erscheinen heraus auswirken sollte.
Warum aber denkt man beim Namen “Frankenstein” automatisch an das Monster? Da wäre zum einen sicherlich das Fakt, dass schon in einer Version eines Theaterstückes vor der Verfilmung das Monster selbst mit dem Namen seines Schöpfers gerufen wurde. Der viel wichtigere Grund liegt jedoch in der popkulturellen Bedeutung, die der vorliegende filmhistorische Meilenstein des Horrorfilms auf die Nachwelt ausgeübt hat. Längst ist “Frankenstein” ein ikonisches Produkt der Einflüsse, die er sich in vielen Jahren erarbeiten konnte. Und dies geht weit über die von Universal in den eigentlich bedeutungslosen B-Movie-Sektor gelenkten Sequels aus den vierziger Jahren hinaus. Der Titel “Frankenstein” wurde zum Allgemeingut, als viele Filme, meist aus dem Trashsektor, sich der Ikonik des anziehenden Segments bedienten, um es in ihren eigenen Titel einzubauen - obwohl der Film mit einem “Frankenstein” meist überhaupt nichts zu tun hatte. Universal sicherte sich nicht nur das Copyright auf den Titel, sondern auch auf die Verwendung von Masken und Make Up, wenn es dem ähnelte, welches Jack Pierce für Boris Karloff angefertigt hatte - und gar für verschiedene Gesten, die das Monster im Film gebrauchte. Mit “Frankenstein” suggeriert man heute die Anfänge des klassischen Horrorkinos. Die Grundzüge der Geschichte sind ebenso gut bekannt wie konkrete visuelle Eindrücke von Boris Karloff, die Zeit und Veränderungen standhaft überdauert haben, erkennt man seine einprägsamen Gesichtszüge doch selbst in den verfremdetesten Karikaturen einer Frankenstein-Kreatur wieder - das ist die Macht des traditionell überlieferten Bildes, dessen sich ein Robert de Niro in diesem Fall nicht rühmen konnte. Wie auch...
Mit der Rolle des im Mittelpunkt stehenden tragischen Wesens verbindet man auch heute noch eine folgenschwere Fehlentscheidung Lugosis. Der lehnte die Rolle ab, weil er befürchtete, unter der Maske nicht als Schauspieler erkannt werden zu können und damit sein Talent zu verschwenden. Der bis dahin unbekannte Boris Karloff bekam die Rolle und schrieb fast improvisiert Filmgeschichte, als Lugosi, während sein Stern sank, der verlorenen Chance nachtrauerte und fortan auf Karloff und seine Lebensrolle nicht mehr gut zu sprechen war. Zwar sollte auch Karloff später begründet durch jene Lebensrolle gnadenlos in die Horrorecke gedrängt werden, um dort niedere B-Ware abzuliefern, doch hat er seine Entscheidung nie bereut. Ohne Frankenstein, so sagte Karloff selbst über seine Karriere, hätte er nie den Durchbruch geschafft.
Das heute als Meilenstein und mitunter gar als Meisterstück titulierte Werk war dabei, wie schon die Besetzungsproblematik des Monsters zeigt, eher eine Geschichte der Kompromisse und provisorischen Entscheidungen denn eine perfekt organisierte Umsetzung einer Vision. Das betrifft etwa die Besetzung der Rolle Dr. Henry Frankensteins mit Colin Clive, der als schwieriger Zeitgenosse galt und deswegen nicht die erste Wahl von Universal war, dafür aber die des Regisseurs, der Clive bereits von einem anderen Projekt her kannte und seinen Willen gegenüber dem Studio durchsetzen konnte. Auch das Design des Monsters ist eher als Kompromiss verschiedenster Quellen zu sehen; selbst Karloff, der Darsteller selbst, trug mit Ideen zum Design bei. So ist ihm etwa zu verdanken, dass die Kreatur der durch Wachs geformten nach unten hängenden Augenlider wegen so müde aussieht. Im Endeffekt ist zu sagen, dass viele der besten Elemente des Filmes tatsächlich Kompromissen entwuchsen.
Genau genommen musste das ganze Werk ein einziger Kompromiss sein, galt es für den Regisseur doch, ein Ding der Unmöglichkeit zu vollbringen: Der Roman Shelleys musste auf eine gute Stunde Filmerzählung komprimiert werden. Das funktionierte nur durch das immense Aussparen von Handlungssträngen, Handlungsorten und Charakteren. Die Verfilmung ist nurmehr ein Fragment des Romans und schon insofern zumindest über weite Strecken eine meisterhafte erzählerische Leistung - von einigen Ausnahmen abgesehen, von denen noch zu sprechen sein wird. Eigentlich ist die Verfilmung gar noch mehr gebunden an die bereits komprimierten Theaterstücke, doch selbst diese wurden nochmals zu großen Teilen außer Acht gelassen, so dass der Film die Geschichte auf ganz neue Art erzählt.
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die streckenweise dramaturgische Auslastung bis zur Grenze der Kapazitäten, in Momenten, die im Roman lediglich durch eher trockene Gedankenmonologe Frankensteins zum Ausdruck kamen. In erster Linie betrifft das die Erschaffung des Wesens, den eigentlichen dramaturgischen Klimax des Films, der aber erstaunlicherweise (abgesehen von Vor- und Abspann) fast komplett auf musikalische Untermalung verzichtet - Filmhistoriker Rudy Behlmer vermutet, nur vier Jahre später, zur Entstehungszeit von “Frankensteins Braut”, wären diverse Szenen durchaus bereits mit einem Score bedacht worden. Und doch verströmt der Erweckungsprozess ein spannungsgeladenes Beben, wenigstens, wenn man sich von der Erwartungshaltung auf das Publikum von 1931 zurückbesinnt, das von der Ikonik des Monsters, von seiner Erwartbarkeit gänzlich befreit war. Die Szene spielt in einem alten Turm aus Stein, draußen wütet das Wetter mit Regen, Blitz und Donner. In den kargen Gemäuern schallt das knisternde Geräusch von Elektrizität wieder, als der von einem weißen Leinentuch bedeckte Körper, links und rechts von ihm groteske Gerätschaften, in den freien Himmel gehievt wird, wo ihn ein Blitzschlag trifft. Kurz darauf performt Dr. Frankenstein seinen legendären Jubelschrei, in dem er feststellt, zu wissen, wie sich Gott fühlen muss. Dieser Monolog wurde im Übrigen wie einige andere Szenen für Jahrzehnte aus dem Film verbannt auf den Protest religiöser Vereinigungen hin, die hinter den Äußerungen Blasphemie und Gotteslästerei vermuteten, was nur als weiterer Beweis für die konsequente Thematisierung des Konfliktes zwischen Wissenschaft und Religion festgehalten werden kann. Doch all dies kommt im Roman nicht vor: Es gibt kein Gewitter, keinen Turm, keine Gerätschaften, keinen triumphierenden Schrei. Die Tatsache, dass wir uns Frankensteins Monster mit Elektroden vorstellen und seine Reanimation mit einem Blitzeinschlag verbinden, ist einzig das Werk von Whales Film, der längst ein irreversibles Eigenleben in den Köpfen mehrerer Generationen bewirkt hat.
Im Zuge dieser Neuerfindung wurden zugleich mehrere Archetypen erschaffen, wie sie uns noch heute immer wieder entgegenschlagen. Nicht nur das Bild von der maroden Burg bei Blitz und Donner hat viele Filmschaffende (unter anderem das Studio “Dark Castle”) inspiriert, auch Stereotypen wie der berüchtigte “Mad Scientist” (dessen Reinkarnation nicht zuletzt durch die an “Frankenstein” angelehnten “Re-Animator”-Filme Jeffrey Combs geworden ist) oder der bucklige Gehilfe wurden geschaffen.
Besonders erwähnenswert ist nun in diesem Rahmen die komplexe Darstellung der Kreatur, deren Darstellung die US-amerikanische Presse zu Jubelstürmen und Superlativen hinreißen und das Publikum zu Massen in die Kinos strömen ließ. Karloff war vergönnt, was Lugosi nicht zu träumen gewagt hatte: Unter all dem Make Up lag es am Schauspiel des Akteurs, das als Monster stigmatisierte Wesen zu einer traurigen und orientierungslosen Kreatur zu machen, die in ihren Grundzügen mehrmals einem lernenden Kind ähnelt, mit zwei Ausnahmen, die es zu einem Monster werden lassen: Es wächst nicht etwa in einem trauten Heim auf, sondern vielmehr als Experiment eines Kreatoren, dem nicht daran liegt, ein Wesen zu schaffen, das er lieben kann, sondern dem es nur darum geht, überhaupt ein lebendes Wesen aus toten Leichenteilen zu erschaffen. Und weiterhin ist es kein “normales Kind”, sondern eine entstellte Kreatur, die ob ihrer Kräfte eine potenzielle Gefahr darstellt. So wird Frankensteins Monster zum gejagten Tier, das nur deswegen zur Bestie wird, weil es wie eine Bestie behandelt wird. Dieser Ansatz kulminiert am Ende in einer Szene rund um eine blinde Masse mit Mistgabeln und Fackeln, ebenfalls ein immer wiederkehrendes Motiv nicht nur im Horrorsektor. Massenpsychologie war zu Beginn der Dreißiger Jahre im Zuge der Großen Depression ein aktuelles Thema, und zeitgenössische Kritiker sahen in “Frankenstein” gar im Gesamten einen Film, der zum psychologisch perfekten Zeitpunkt in die Kinos kam. Die Wirtschaft war in ausweglose Zwangslagen verankert und der Bevölkerung ging es schlecht. Dieses Umfeld ließ Verständnis aufkommen gar für eine zwar gepeinigte Kreatur, die aber immerhin mehrere Menschen im Film tötet - ein Novum in der Filmgeschichte. Hieraus resultiert die eigentliche Komplexität der Filmfigur Frankenstein, womit der Film also auch in Wechselwirkung mit der damaligen wirtschaftlichen Situation interpretiert werden kann - als ein Produkt von ihr, als ein Produzent von ihr.
Eine besonders ergreifende Szene, die diesen Sachverhalt deutlich macht, findet Ende des zweiten Drittels statt und zeugt auch sehr vom Unverständnis der Zensoren, die dem Film durch ihre Zensur paradoxerweise genau das gaben, was sie eigentlich mit ihr verhindern wollten - ein von irrer Menschenhand geschaffenes Killergeschöpf ohne Reue. Die Szene mit dem kleinen Mädchen am See, welche als einzige nicht in den Universal Studios gedreht wurde (alle sonstigen Aufnahmen wurden in den Studios gedreht, was an klar als solche erkennbaren Matte Paintings deutlich wird), sollte eigentlich Zeugnis ablegen für das kindliche, im Endeffekt tragische Wesen der Kreatur, wie es schon in den Theaterstücken auf vielfältige Weise ausgedrückt wurde. Hier stößt Frankensteins Monster nach all der Peinigung speziell durch den buckligen Gehilfen erstmals auf ein anderes Lebewesen, das keine Angst vor ihm hat. Es freut sich und schließt sich mit freundlichem Gesinnen dem Mädchen an, das gerade Blumen ins Wasser wirft. Die Kreatur folgt dem Beispiel des Mädchens und wirft ebenfalls mit Blumen, um zu sehen, wie sie auf der Oberfläche schwimmen. In seinem Übermut schnappt sich die Kreatur dann das Mädchen und wirft es ins Wasser, um es schwimmen zu sehen wie die Blumen - doch es ertrinkt. Die Kreatur ist schockiert und traurig.
Indem nun der Wurf ins Wasser durch die Zensoren geschnitten wurde, entgeht dem Zuschauer der Sinn der Szene - es wirkt so, als habe Frankensteins Monster seinen Namen wirklich verdient, weil es ein kleines Mädchen ohne Gewissen einfach ins Wasser geworfen habe. Ähnlich sinnentfremdet kommen die restlichen Kürzungen daher. So wird Dr. Frankenstein durch die Zensur seines Triumphschreis sein “Mad Scientist”-Image genommen und die Erschaffung der Kreatur im Zuge der Charakterisierung eines rationalen Wissenschaftlers quasi legitimiert, denn ansonsten hat Colin Clives Figur durchaus Momente des absolut rationalen Denkens und Sachverstands.
Das sind jedoch Sinnentstellungen, die auf dritte Parteien zurückzuführen sind und letztendlich auch wieder begradigt wurden. Dennoch ist das komplette Resultat leider auch nicht frei von Fehlern. So wurde, vermutlich um das aggressive Verhalten des Monsters zu erklären, eine Szene in den Film integriert, in der man sieht, wie der bucklige Gehilfe das Gehirn für die Kreatur aus einem Vorlesungssaal entwendet. Er lässt das “normal brain” aus Versehen fallen, um schließlich aus Not das “abnormal brain”, welches einmal einem Verbrecher gehörte, mitzunehmen. Mit dieser Szene, die weder im Roman noch in einem der Theaterstücke vorkam, wird aber die zwiegespaltene Wesenheit Frankensteins, die doch ansonsten so gut funktioniert, ein Stück weit ad absurdum geführt. Auch hat das Skript im späteren Verlauf hin und wieder mit logischen Ungereimtheiten zu kämpfen, die aber doch verzeihlich sind, bedenkt man die Kürze der Laufzeit.
Zumindest inhaltlich unnötig wirkt auch der Handlungsstrang zwischen Elisabeth (Mae Clarke), der angehenden Gemahlin Frankensteins, und ihrem Bekannten Victor Moritz (John Boles), der für die Story kaum eine Verwendung hat, außer vielleicht um die Entfremdung vom wahnsinnigen Wissenschaftler herauszustellen; der Aufwand dafür ist durch den relativ viel Platz einnehmenden Subplot um Elisabeth und Victor allerdings unangemessen, zumal es ja weniger um Frankenstein geht als vielmehr um das, was er erschaffen hat. Dramaturgisch könnte dieser Subplot dadurch legitimiert werden, dass er dem Geschehen zu seiner wechselhaften Struktur verleiht, die stets zwischen dramatisch aufgepumpten Szenen und ruhigen Momenten wechselt - ohne den zusätzlichen Handlungsstrang hätte diese ausgefeilte Dramaturgie in der Form nicht aufrecht erhalten werden können.
Hochgelobt wurde auch Arthur Edisons Kameraarbeit, die der Zeit gemäß recht unkonventionell daherkommt, egal ob es sich um die Einführung der Protagonisten handelt oder um die Inszenierung der Reanimation. Optisch versuchte man, dem Film eine zeitlose Aura zu verleihen, indem regional auf etwas hinweisende Zeichen so weit wie möglich ausgelöscht wurden. Sofern dies nicht gelang, wurde wenigstens versucht, Widersprüche einzubringen, um den Handlungsort zu einem fiktiven Parallelszenario zu machen. Das Dorf (wie auch der Filmtitel) weist deutsche oder österreichische Wesenszüge auf, was aber mit gewissen im Film zu sehenden Gebräuchen korreliert oder auch mit anderen Kulturfragmenten, die beispielsweise eher auf angelsächsische Regionen hinwiesen.
Wenn auch einiges bei mir die Höchstwertung verhindert, so ist “Frankenstein” doch unverkennbar ein Meilenstein des Horrorfilms, der zu Recht diesen Namen trägt. Nicht nur hat er viele Archetypen und Ikonen hervorgebracht, auch wartet er mit einer Charakterzeichnung auf, wie man sie bei einem als “Monster” präsentierten Geschöpf noch nie gesehen hat. Weiterhin handelt es sich um einen der ersten Filme, bei denen ganz bewusst sehr gute Schauspielleistungen zu erkennen sind, die sich durch den Situationen angemessenen Verhaltensweisen auszeichnen und die letzten Spuren des overactenden Stummfilmkinos von sich abschütteln konnten. Inszenatorisch perfekt und dramaturgisch auf höchstem Niveau, stören lediglich wenige, dafür massive Schnitzer, die ein wenig der ansonsten ausgefeilten Grundlage zuwiderlaufen, mit der dieser frühe Klassiker in aller Regel so bravourös operiert.
Frankenstein Legacy (1931 - 1944)
Frankensteins Braut
Originaltitel: Bride of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1935
Laufzeit: ca. 71 Min.
Regie: James Whale
Darsteller: Boris Karloff, Colin Clive, Valerie Hobson, Elsa Lanchester, O.P. Heggie, Una O'Connor, Ernest Thesiger, Gavin Gordon, Douglas Walton, E.E. Clive, Lucien Prival, Dwight Frye, Reginald Barlow, Mary Gordon, Anne Darling
Das Sequel zum Horrorklassiker “Frankenstein” gilt unter vielen Experten als ein solches aus der seltenen Gattung derjenigen Sequels, die ihren Vorgänger zu übertreffen vermögen. Dieser Einschätzung kann man sich durchaus anschließen, ist “Bride of Frankenstein” doch alles in allem spritziger, einfallsreicher, aufwändiger, komplexer und themenübergreifender als sein großer Bruder.
Regisseur James Whale, der schon den ersten Teil realisiert hatte, wollte es eigentlich auch bei diesem belassen. Nun traue ich mich gar nicht, dies auszuschreiben, aber lobet das Testpublikum, das dem Regisseur in Sachen alternatives Ende ins Handwerk pfuschte, und lobet die Masse, die nach mehr giert, wo es Gefallen an einer Sache gefunden hat, was aus künstlerischer Sicht in der Geschichte des Films ja nicht immer gut gegangen ist. “Frankenstein” wäre mit dem Tod Frankensteins in der brennenden Mühle, also ohne den sinnlosen nachgedrehten Epilog mit dem sich auskurierenden Wissenschaftler in der Schlussszene sicherlich der bessere Film gewesen, aber so bescherte uns das Schicksal nun einen erneuten Klassiker, der obendrein zu den besten Filmen gezählt wird, die Universal in den 30er Jahren zu bieten hatte.
Handlungstechnisch hat man sich inzwischen ziemlich weit von der ursprünglichen Idee der Entstehung des Monsters und den daraus resultierenden faszinierenden Diskursen gelöst. Obgleich Teile der aufgebrachten Dorfmeute im Film immer wieder darauf hinweisen, dass es ja eine aus Leichenteilen gemachte Kreatur ist, die hier gejagt wird, steht dieser wissenschaftlich begründete Grundgedanke des Romans nicht mehr länger im Vordergrund. Die erneut von Boris Karloff hervorragend verkörperte Kreatur sollte sich im zweiten Teil weiterentwickeln und die Eierschalen ihrer Entstehung abstreifen, um sich nun mit der Welt und ihren Schikanen auseinanderzusetzen. Das Monster steht diesmal vollkommen im Zeichen der Wandlung, provoziert durch die Umwelt. Damit wäre auch endgültig die “abnormal brain”-Problematik aus dem ersten Teil abgeschlossen: Whale zeigt ein für allemal, wie ein Lebewesen durch sein Umfeld zu bestimmten Handlungen gedrängt wird, nicht durch seine genetische Beschaffenheit.
Nach einem kleinen Clou aus der Eröffnungssequenz, die Mary Shelley und Frankensteins Braut mit einer neuen Verbindung ausstattet, knüpft die Handlung durch eine Rückblende direkt an die Handlung aus “Frankenstein” an. Wir sind wieder bei der brennenden Windmühle und bemerken zunächst einmal einen verwunderlichen und auch gewöhnungsbedürftigen atmosphärischen Stimmungswandel: Wo das Original sich in Sachen Humor fast vollständig zurückhielt, bringt das Sequel durch schrullige Charaktere plötzlich enorm viel Ironie ein. Whale schneidet geschickt in die Masse und pickt sich scheinbar zufällig ein Individuum aus dem Mob heraus, um es in ihrer Reaktion auf die langsam ausbrennende Mühle zu beobachten. Isoliert von allen Einflüssen scheint es sich hier um eine verrückte alte Schachtel zu handeln, die ihre sich Vorurteile offenbar schon vor langer Zeit zurechtgelegt hat. Dieses alte Waschweib, das auch ohne Rücksicht auf Verluste als solches dargestellt wird, wird von der Kamera nun eine ganze Zeit lang verfolgt, während das Monster durch eine Wasseransammlung im Keller der Mühle überlebt hat, den Vater des im ersten Teil getöteten Mädchens und dann auch die Mutter aus seiner Verzweiflung und Verwirrung heraus umbringt, bis es vom Mob wieder eingefangen und eingesperrt wird. Die Reaktion des Weibs wird penibel verfolgt, und anhand der übertriebenen Darstellung der Schauspielerin und ihrer Dialoge wird eine Komödie aus dem Film, wo immer sie auftaucht. Whale macht sich gezielt lustig über die blinden, eingeengten Handlungsschemata von Menschen, die in Massen handeln und nicht mehr dazu in der Lage sind, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden.
Diese komödiantischen Aspekte verschwinden zwar später zugunsten der Dramatik, sorgen in der Anfangsphase aber für ein ordentliches Tempo und viel Abwechslung. Zugleich sorgt Charles D. Hall für stimmungsvolle, kreative Kulissen, die gerade zum Ende hin “Frankenstein” deutlich sichtbar übertreffen. So ist “Bride of Frankenstein” durchgehend der temporeichere, optisch attraktivere Film, auch wenn die “Gruselschloss bei Sturm”-Atmosphäre anfangs noch etwas unter der Komödie leidet - das sind Kompromisse, die man so wohl hinnehmen muss.
Für Karloffs Figur entwickelt sich die Geschichte beinahe zu einer frühen Form eines Road Movies, wird sie von den Drehbuchautoren doch hinaus in die Welt geschickt, um dort Erfahrungen zu sammeln, was selbstverständlich für die obig angesprochene Grundidee positiv zum Tragen kommt. Bewusst wird das Monster von seinem Schöpfer und damit von seinen Ursprüngen durch eine parallele Erzählweise abgetrennt, um eigene Erfahrungen mit der Welt zu machen und nicht unter künstlichen Bedingungen das von ihm eigentlich ungewollte Leben (“I love dead... hate living”) zu schmecken. Der Grundtenor bewegt sich deutlich gen Sozialanalyse und gleicht streckenweise gar schon einer Kaspar Hauser-Situation. Das tragische Wesen des Monsters tritt stärker ins Bewusstsein des Publikums, wann immer sich Frankensteins Kreatur lächelnd und gutmütig hinterrücks einem unbedarften Menschen nähert, um diesen anschließend durch sein reines Äußeres zu Tode zu erschrecken und damit abgewiesen zu werden - was im Endeffekt den Gemütszustand der Wut hervorruft. Dabei verurteilt Whale nicht etwa blind die Menschen, die eine solch unbegründete Furcht vor dem Monster zeigen. Die vermeintlichen “Opfer” des Monsters sind in Motive der Unschuld gehüllt - der Vater ist nur ein trauernder Mann, der Rache für sein Kind will, und das junge Mädchen im Wald hegt keinerlei düstere Gedanken, als es voller Lebensfreude mit ihren kleinen Zieglein durch das Grün spaziert. Und doch erschrecken diese wenigstens von Geburt aus guten Menschen vor der entstellten Kreatur, die sich ihnen entgegenstellt - es ist die Kollaboration im sozialen Austausch, die nicht nur das Monster, sondern auch die Menschen zu grausamen Taten zwingt.
Es bedarf nun eines blinden Menschen, um das Monster auf ein Lebewesen stoßen zu lassen, das ihm nicht von vornherein mit Hass und Furcht begegnet, eines Mannes, der nicht über die Instrumente zur Vorurteilsbegründung verfügt. An dieser Stelle des Films scheiden sich nun die Geister, ob die Entwicklung, die das Monster durch diese Begegnung macht, nicht einen Schritt zu weit geht, und sie tut es vielleicht sogar. Denn das Monster, das sich bislang nur durch Grunzlaute verständlich machen konnte, erlernt die Fähigkeit der mündlichen Kommunikation, und mit ihr einher geht die Fähigkeit der Differenzierung zwischen bestimmten Sachverhalten, eine logische, vollkommen rationale Einschätzung weltlicher Gegenstände konkreter (Zigarre, Wein, Brot, Feuer) oder abstrakter (Freund, gut, böse) Herkunft. Dieser Schritt, übrigens gar nicht mal so unähnlich dem, den George A. Romero Jahrzehnte später mit “Day of the Dead”, dem dritten Teil seiner Zombie-Trilogie gewagt hat, hat leider durchaus Konsequenzen für die atmosphärische Dichte des Films. Durch die zunehmende Vermenschlichung der Kreatur verliert diese einen Teil ihrer mysteriösen, fremdartigen Ausstrahlung und damit auch einen Teil ihrer Wirkung auf das Publikum. So sehr sich Karloff, der übrigens gegen Textpassagen für seine Figur war, mit seinem gut aufgelegten Schauspiel auch dagegen anstemmen mag, an die umfassende Leinwandpräsenz, die er noch 1931 erreicht hatte, kommt er nicht mehr heran. “Frankenstein” mag daher im Gesamtbild aus atmosphärischer Sicht der wirkungsvollere Film sein. Was hier aber gerne vergessen wird, ist der Umstand, dass Whale die Atmosphäre seines Erstwerks durchaus hätte rekonstruieren können, wenn er gewollt hätte. Sie wurde lediglich ein Stück weit geopfert, um neue Elemente einbauen zu können, die dem Sequel rückblickend einen Mehrwert verschafften. Defizite gegenüber dem Original entstanden also wahrscheinlich nicht aus Unvermögen, sondern lediglich als Resultat eines Kompromisses zur Neuerfindung der von Mary Shelley erdachten Geschichte.
Diese Neuerfindung hat ihre Entsprechung in der Titelfigur, der “Bride of Frankenstein”, die über weite Strecken nur als theoretischer Gedanke vorkommt, bis sie am Ende auf Drängen des Monsters in die Praxis umgesetzt wird. Dieses Drängen folgt aus den Erfahrungen, die es bei seiner Reise durch die Landschaft machte, als ein Resultat der Feststellung, dass es “gute” und “böse” Dinge auf der Welt gibt. Die Tatsache, dass das Monster aus seiner eigenen Lage nicht gelernt hat und stattdessen nur ein weiteres Exemplar seiner unglücklichen Gattung fordert, macht die vollkommene erzählerische Genialität dieses Films aus, welche “Frankenstein” an bestimmten Stellen noch fehlte. Aus “gut” und “böse” wird so eine graue Masse, denn in der Absicht, Gutes zu tun (vor allem für sich selbst, aber es ist in erster Linie keine egoistische Handlung: Das Monster folgert seine Entscheidung ganz einfach aus der simplen Gleichung “Freundschaft = gut”; es wägt nicht etwa Vor- und Nachteile für sich selbst ab), stürzt das Monster nur ein weiteres Lebewesen in das gleiche Unglück, das es selbst durchleben musste. Der Moment der Erkenntnis schlägt ein, als sich beide gottlos erschaffenen Kreaturen erstmals gegenüberstehen. Das einmal mehr spektakuläre Finale mit einer Sprengung der Burg folgt dieser Erkenntnis und führt ein logisches und stimmiges, wenn auch vorhersehbares Ende mit sich, das - wie schon beim Original - durch Testvorführungen noch einen verstärkten Happy End-Touch zugeteilt bekam.
Unerwähnt bleiben sollte zuletzt auf keinen Fall die tricktechnische Meisterleistung, die hier bisweilen zu sehen ist. Während Ken Strickfaden die Sets mit allerlei Gerätschaften und pyrotechnischen Effekten füllte, die “Frankenstein” locker in den Schatten stellen, erschufen John Fulton und David Horsley eine unglaubliche Bildmanipulation in einer Szene, in der Dr. Pretorius (Ernest Thesiger) Dr. Frankenstein (wieder Colin Clive) davon überzeugen will, eine weibliche Kreatur aus Leichenteilen zum Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck führt er kleine Männchen in Einmachgläsern mit sich, die er anlehnend an die Naturwissenschaften (im Gegensatz zur Gottspielerei) erschaffen hatte. Die hier gebotenen Effekte sind für das Alter der Filme unglaublich und werden lange Zeit State of the Art gewesen sein: Die putzigen kleinen Männchen büchsen aus ihren Gläsern aus und Pretorius schnappt sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger und setzt sie wieder in ihr Gemach. Mit dieser tricktechnischen Genialität wird im Subtext auch erneut der Streit mit religiös motivierten Zensoren deutlich, denn auch diesmal verzichtete Whale nicht auf seine “Gotteslästerung” und auch diesmal blieb der Film leider längere Zeit nicht von Schnitten befreit.
Was mich betrifft, ist “Bride of Frankenstein” im Vergleich mit “Frankenstein” der noch bessere Film, weil er nicht nur optisch attraktiv und auf höchstem Niveau umgesetzt wurde, sondern auch erzählerisch in Sphären vorstößt, von denen man noch vier Jahre vorher wohl kaum zu träumen gewagt hätte. Massive Ungereimtheiten sind eigentlich kaum zu finden, und am Ende fügt sich alles mit einer Harmonie zusammen, die “Frankenstein” noch gefehlt hatte. Der jedoch hat in Sachen Atmosphäre sicherlich die Nase vorn, präsentiert er das Monster doch deutlich mysteriöser und gewissermaßen auch faszinierender. Man sollte selbst entscheiden, welche Richtung man bevorzugt.
Originaltitel: Bride of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1935
Laufzeit: ca. 71 Min.
Regie: James Whale
Darsteller: Boris Karloff, Colin Clive, Valerie Hobson, Elsa Lanchester, O.P. Heggie, Una O'Connor, Ernest Thesiger, Gavin Gordon, Douglas Walton, E.E. Clive, Lucien Prival, Dwight Frye, Reginald Barlow, Mary Gordon, Anne Darling
Das Sequel zum Horrorklassiker “Frankenstein” gilt unter vielen Experten als ein solches aus der seltenen Gattung derjenigen Sequels, die ihren Vorgänger zu übertreffen vermögen. Dieser Einschätzung kann man sich durchaus anschließen, ist “Bride of Frankenstein” doch alles in allem spritziger, einfallsreicher, aufwändiger, komplexer und themenübergreifender als sein großer Bruder.
Regisseur James Whale, der schon den ersten Teil realisiert hatte, wollte es eigentlich auch bei diesem belassen. Nun traue ich mich gar nicht, dies auszuschreiben, aber lobet das Testpublikum, das dem Regisseur in Sachen alternatives Ende ins Handwerk pfuschte, und lobet die Masse, die nach mehr giert, wo es Gefallen an einer Sache gefunden hat, was aus künstlerischer Sicht in der Geschichte des Films ja nicht immer gut gegangen ist. “Frankenstein” wäre mit dem Tod Frankensteins in der brennenden Mühle, also ohne den sinnlosen nachgedrehten Epilog mit dem sich auskurierenden Wissenschaftler in der Schlussszene sicherlich der bessere Film gewesen, aber so bescherte uns das Schicksal nun einen erneuten Klassiker, der obendrein zu den besten Filmen gezählt wird, die Universal in den 30er Jahren zu bieten hatte.
Handlungstechnisch hat man sich inzwischen ziemlich weit von der ursprünglichen Idee der Entstehung des Monsters und den daraus resultierenden faszinierenden Diskursen gelöst. Obgleich Teile der aufgebrachten Dorfmeute im Film immer wieder darauf hinweisen, dass es ja eine aus Leichenteilen gemachte Kreatur ist, die hier gejagt wird, steht dieser wissenschaftlich begründete Grundgedanke des Romans nicht mehr länger im Vordergrund. Die erneut von Boris Karloff hervorragend verkörperte Kreatur sollte sich im zweiten Teil weiterentwickeln und die Eierschalen ihrer Entstehung abstreifen, um sich nun mit der Welt und ihren Schikanen auseinanderzusetzen. Das Monster steht diesmal vollkommen im Zeichen der Wandlung, provoziert durch die Umwelt. Damit wäre auch endgültig die “abnormal brain”-Problematik aus dem ersten Teil abgeschlossen: Whale zeigt ein für allemal, wie ein Lebewesen durch sein Umfeld zu bestimmten Handlungen gedrängt wird, nicht durch seine genetische Beschaffenheit.
Nach einem kleinen Clou aus der Eröffnungssequenz, die Mary Shelley und Frankensteins Braut mit einer neuen Verbindung ausstattet, knüpft die Handlung durch eine Rückblende direkt an die Handlung aus “Frankenstein” an. Wir sind wieder bei der brennenden Windmühle und bemerken zunächst einmal einen verwunderlichen und auch gewöhnungsbedürftigen atmosphärischen Stimmungswandel: Wo das Original sich in Sachen Humor fast vollständig zurückhielt, bringt das Sequel durch schrullige Charaktere plötzlich enorm viel Ironie ein. Whale schneidet geschickt in die Masse und pickt sich scheinbar zufällig ein Individuum aus dem Mob heraus, um es in ihrer Reaktion auf die langsam ausbrennende Mühle zu beobachten. Isoliert von allen Einflüssen scheint es sich hier um eine verrückte alte Schachtel zu handeln, die ihre sich Vorurteile offenbar schon vor langer Zeit zurechtgelegt hat. Dieses alte Waschweib, das auch ohne Rücksicht auf Verluste als solches dargestellt wird, wird von der Kamera nun eine ganze Zeit lang verfolgt, während das Monster durch eine Wasseransammlung im Keller der Mühle überlebt hat, den Vater des im ersten Teil getöteten Mädchens und dann auch die Mutter aus seiner Verzweiflung und Verwirrung heraus umbringt, bis es vom Mob wieder eingefangen und eingesperrt wird. Die Reaktion des Weibs wird penibel verfolgt, und anhand der übertriebenen Darstellung der Schauspielerin und ihrer Dialoge wird eine Komödie aus dem Film, wo immer sie auftaucht. Whale macht sich gezielt lustig über die blinden, eingeengten Handlungsschemata von Menschen, die in Massen handeln und nicht mehr dazu in der Lage sind, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden.
Diese komödiantischen Aspekte verschwinden zwar später zugunsten der Dramatik, sorgen in der Anfangsphase aber für ein ordentliches Tempo und viel Abwechslung. Zugleich sorgt Charles D. Hall für stimmungsvolle, kreative Kulissen, die gerade zum Ende hin “Frankenstein” deutlich sichtbar übertreffen. So ist “Bride of Frankenstein” durchgehend der temporeichere, optisch attraktivere Film, auch wenn die “Gruselschloss bei Sturm”-Atmosphäre anfangs noch etwas unter der Komödie leidet - das sind Kompromisse, die man so wohl hinnehmen muss.
Für Karloffs Figur entwickelt sich die Geschichte beinahe zu einer frühen Form eines Road Movies, wird sie von den Drehbuchautoren doch hinaus in die Welt geschickt, um dort Erfahrungen zu sammeln, was selbstverständlich für die obig angesprochene Grundidee positiv zum Tragen kommt. Bewusst wird das Monster von seinem Schöpfer und damit von seinen Ursprüngen durch eine parallele Erzählweise abgetrennt, um eigene Erfahrungen mit der Welt zu machen und nicht unter künstlichen Bedingungen das von ihm eigentlich ungewollte Leben (“I love dead... hate living”) zu schmecken. Der Grundtenor bewegt sich deutlich gen Sozialanalyse und gleicht streckenweise gar schon einer Kaspar Hauser-Situation. Das tragische Wesen des Monsters tritt stärker ins Bewusstsein des Publikums, wann immer sich Frankensteins Kreatur lächelnd und gutmütig hinterrücks einem unbedarften Menschen nähert, um diesen anschließend durch sein reines Äußeres zu Tode zu erschrecken und damit abgewiesen zu werden - was im Endeffekt den Gemütszustand der Wut hervorruft. Dabei verurteilt Whale nicht etwa blind die Menschen, die eine solch unbegründete Furcht vor dem Monster zeigen. Die vermeintlichen “Opfer” des Monsters sind in Motive der Unschuld gehüllt - der Vater ist nur ein trauernder Mann, der Rache für sein Kind will, und das junge Mädchen im Wald hegt keinerlei düstere Gedanken, als es voller Lebensfreude mit ihren kleinen Zieglein durch das Grün spaziert. Und doch erschrecken diese wenigstens von Geburt aus guten Menschen vor der entstellten Kreatur, die sich ihnen entgegenstellt - es ist die Kollaboration im sozialen Austausch, die nicht nur das Monster, sondern auch die Menschen zu grausamen Taten zwingt.
Es bedarf nun eines blinden Menschen, um das Monster auf ein Lebewesen stoßen zu lassen, das ihm nicht von vornherein mit Hass und Furcht begegnet, eines Mannes, der nicht über die Instrumente zur Vorurteilsbegründung verfügt. An dieser Stelle des Films scheiden sich nun die Geister, ob die Entwicklung, die das Monster durch diese Begegnung macht, nicht einen Schritt zu weit geht, und sie tut es vielleicht sogar. Denn das Monster, das sich bislang nur durch Grunzlaute verständlich machen konnte, erlernt die Fähigkeit der mündlichen Kommunikation, und mit ihr einher geht die Fähigkeit der Differenzierung zwischen bestimmten Sachverhalten, eine logische, vollkommen rationale Einschätzung weltlicher Gegenstände konkreter (Zigarre, Wein, Brot, Feuer) oder abstrakter (Freund, gut, böse) Herkunft. Dieser Schritt, übrigens gar nicht mal so unähnlich dem, den George A. Romero Jahrzehnte später mit “Day of the Dead”, dem dritten Teil seiner Zombie-Trilogie gewagt hat, hat leider durchaus Konsequenzen für die atmosphärische Dichte des Films. Durch die zunehmende Vermenschlichung der Kreatur verliert diese einen Teil ihrer mysteriösen, fremdartigen Ausstrahlung und damit auch einen Teil ihrer Wirkung auf das Publikum. So sehr sich Karloff, der übrigens gegen Textpassagen für seine Figur war, mit seinem gut aufgelegten Schauspiel auch dagegen anstemmen mag, an die umfassende Leinwandpräsenz, die er noch 1931 erreicht hatte, kommt er nicht mehr heran. “Frankenstein” mag daher im Gesamtbild aus atmosphärischer Sicht der wirkungsvollere Film sein. Was hier aber gerne vergessen wird, ist der Umstand, dass Whale die Atmosphäre seines Erstwerks durchaus hätte rekonstruieren können, wenn er gewollt hätte. Sie wurde lediglich ein Stück weit geopfert, um neue Elemente einbauen zu können, die dem Sequel rückblickend einen Mehrwert verschafften. Defizite gegenüber dem Original entstanden also wahrscheinlich nicht aus Unvermögen, sondern lediglich als Resultat eines Kompromisses zur Neuerfindung der von Mary Shelley erdachten Geschichte.
Diese Neuerfindung hat ihre Entsprechung in der Titelfigur, der “Bride of Frankenstein”, die über weite Strecken nur als theoretischer Gedanke vorkommt, bis sie am Ende auf Drängen des Monsters in die Praxis umgesetzt wird. Dieses Drängen folgt aus den Erfahrungen, die es bei seiner Reise durch die Landschaft machte, als ein Resultat der Feststellung, dass es “gute” und “böse” Dinge auf der Welt gibt. Die Tatsache, dass das Monster aus seiner eigenen Lage nicht gelernt hat und stattdessen nur ein weiteres Exemplar seiner unglücklichen Gattung fordert, macht die vollkommene erzählerische Genialität dieses Films aus, welche “Frankenstein” an bestimmten Stellen noch fehlte. Aus “gut” und “böse” wird so eine graue Masse, denn in der Absicht, Gutes zu tun (vor allem für sich selbst, aber es ist in erster Linie keine egoistische Handlung: Das Monster folgert seine Entscheidung ganz einfach aus der simplen Gleichung “Freundschaft = gut”; es wägt nicht etwa Vor- und Nachteile für sich selbst ab), stürzt das Monster nur ein weiteres Lebewesen in das gleiche Unglück, das es selbst durchleben musste. Der Moment der Erkenntnis schlägt ein, als sich beide gottlos erschaffenen Kreaturen erstmals gegenüberstehen. Das einmal mehr spektakuläre Finale mit einer Sprengung der Burg folgt dieser Erkenntnis und führt ein logisches und stimmiges, wenn auch vorhersehbares Ende mit sich, das - wie schon beim Original - durch Testvorführungen noch einen verstärkten Happy End-Touch zugeteilt bekam.
Unerwähnt bleiben sollte zuletzt auf keinen Fall die tricktechnische Meisterleistung, die hier bisweilen zu sehen ist. Während Ken Strickfaden die Sets mit allerlei Gerätschaften und pyrotechnischen Effekten füllte, die “Frankenstein” locker in den Schatten stellen, erschufen John Fulton und David Horsley eine unglaubliche Bildmanipulation in einer Szene, in der Dr. Pretorius (Ernest Thesiger) Dr. Frankenstein (wieder Colin Clive) davon überzeugen will, eine weibliche Kreatur aus Leichenteilen zum Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck führt er kleine Männchen in Einmachgläsern mit sich, die er anlehnend an die Naturwissenschaften (im Gegensatz zur Gottspielerei) erschaffen hatte. Die hier gebotenen Effekte sind für das Alter der Filme unglaublich und werden lange Zeit State of the Art gewesen sein: Die putzigen kleinen Männchen büchsen aus ihren Gläsern aus und Pretorius schnappt sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger und setzt sie wieder in ihr Gemach. Mit dieser tricktechnischen Genialität wird im Subtext auch erneut der Streit mit religiös motivierten Zensoren deutlich, denn auch diesmal verzichtete Whale nicht auf seine “Gotteslästerung” und auch diesmal blieb der Film leider längere Zeit nicht von Schnitten befreit.
Was mich betrifft, ist “Bride of Frankenstein” im Vergleich mit “Frankenstein” der noch bessere Film, weil er nicht nur optisch attraktiv und auf höchstem Niveau umgesetzt wurde, sondern auch erzählerisch in Sphären vorstößt, von denen man noch vier Jahre vorher wohl kaum zu träumen gewagt hätte. Massive Ungereimtheiten sind eigentlich kaum zu finden, und am Ende fügt sich alles mit einer Harmonie zusammen, die “Frankenstein” noch gefehlt hatte. Der jedoch hat in Sachen Atmosphäre sicherlich die Nase vorn, präsentiert er das Monster doch deutlich mysteriöser und gewissermaßen auch faszinierender. Man sollte selbst entscheiden, welche Richtung man bevorzugt.
Frankensteins Sohn
Originaltitel: Son of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1939
Laufzeit: ca. 95 Min.
Regie: Rowland V. Lee
Darsteller: Basil Rathbone, Boris Karloff, Bela Lugosi, Lionel Atwill, Josephine Hutchinson, Donnie Dunagan, Emma Dunn, Edgar Norton, Perry Ivins, Lawrence Grant, Lionel Belmore, Michael Mark, Caroline Frances Cooke, Gustav von Seyffertitz
Das Jahrzehnt, das mit “Frankenstein” begann, sollte durch die Beendigung der Trilogie auch wieder mit ihm ausklingen. Acht Jahre nach der ersten Adaption des Stoffes von Mary Shelley kam mit “Son of Frankenstein” 1939 der dritte und zugleich letzte Teil in die Lichtspielhäuser, an dem auch Boris Karloff als Monster mitwirkte. Herausgekommen ist letztendlich ein Film, der sich in erster Linie bemüht, den Mythos “Frankenstein” unsterblich zu machen, anstatt eine intelligente Fortführung der von James Whale so eindrucksvoll dirigierten Geschichte anzupeilen.
Dass ausgerechnet diese merklich gehaltlosere Fortsetzung zum längsten englischsprachigen Film aus der Universal-Monsterreihe werden würde, mutet etwas paradox an, hätten “Frankenstein” und “Frankensteins Braut” doch eigentlich, sofern man ihren Subtext betrachtet, mehr Substanz gehabt, um die Laufzeit anschwellen zu lassen. Da sich die Qualität dieser Filme jedoch eher jenseits des bloßen Filmmaterials ergab, ist die angestiegene Laufzeit des zweiten Sequels im Umkehreffekt als Kompensation für das fehlende Potenzial zu verstehen, auch über das eigentliche Filmvergnügen hinaus einen Diskurs zu entfachen. Rowland V. Lees Arbeit ist ein selbstbezogenes, auf die Wirkung seiner Figur vertrauendes Werk, das nichts weiter versucht als während des laufenden Filmes zu unterhalten - ohne, dass im Anschluss besonders viel beim Betrachter zurückbleiben würde.
Der Generationenwechsel durch die erbliche Übertragung der Frankensteinthematik auf den eigenen Sohn - das ist ein bequemer Weg, den allzu viele von Universal in Auftrag gegebenen Sequels beanspruchten und der heute mit dem Titelzusatz “Son of...” (Oder entsprechend “...’s Daughter”) fast schon kultverdächtig retro wirkt. Es zeugt hier aber zunächst davon, dass die Sache thematisch eigentlich schon gegessen ist - wozu jetzt noch einen Sohn einbeziehen, von dem bislang rein gar nichts bekannt war? Der von Basil Rathbone verkörperte Baron Wolf von Frankenstein wirkt als Filmfigur deswegen von Beginn an auch wie eine nicht fertig gedachte Konstruktion. Er zieht mit seiner Familie von weit her in den Ort, an dem sein Vater gegen seinen Willen die Gemeinde in einen Alptraum gezerrt hat mit seinen Experimenten. Warum zieht der selbstverständlich von der Gemeinde nicht gerade willkommen geheißene Sohn nun in diesen Ort? Über die Hintergründe des Sohnes ist auch nur wenig bekannt: Scheint er generell durchaus zumindest über wissenschaftliches Geschick zu verfügen, so zeigt er anfangs doch nur wenig Interesse daran, selbst in die Experimente einzusteigen, zumal zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß, dass das Monster überlebt hat.
Wo schon die ganze Ausgangskonstellation so künstlich präpariert daherkommt, kann man sich wenigstens nicht über die wirklich hübsch konstruierte Lage vor Ort beschweren, denn die Lebensweise des vor Jahren durch Frankensteins Monster gepeinigten Volkes wird mit einem solchen Auge fürs Detail rekonstruiert, dass man bei der Ankunft des Barons unter Blitz, Donner und Regen die dicke Luft förmlich atmen kann. Die vergangenen Jahre sind hier ebenso intensiv spürbar wie der keinesfalls vergangene Schmerz über die Verluste an Menschenleben durch die Kreatur. Misstrauische Altobere des Dorfes, persönlich traumatisierte Inspektoren und ein ominöser, in der Vergangenheit liegender Fall, der von Ygor handelt, einem zurückgezogen lebenden hässlichen alten Kauz, über den die Kinder sich Gruselgeschichten erzählen. Die Geschichte von dem missglückten Versuch, ihn zu hängen, schwebt über dem Dorf wie eine nicht verschwinden wollende Dunstwolke. Obwohl oder gerade weil viele Details nicht erklärt werden (was genau hat es eigentlich mit dieser Geschichte auf sich, und wer sind die acht Henker, die nun einer nach dem anderen fallen wie die Fliegen ob ihres Verbrechens?), steht die Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt im gelungenen Maße ganz dicht im Raum und versprüht surreale Eindrücke.
Dazu trägt auch das dekonstruktivistische Setdesign bei, das teilweise vollkommen auf den Zweck reduziert gestaltet wurde - ein wichtiger, weil oft gebrauchter Handlungsort im Gebäude Frankensteins ist der Zwischenraum, der abgesehen von einer grotesk kahlen Treppenbaut aus Holz (im Übrigen mit hoher Sturzgefahr, was gerade dann auffällt, wenn man den kleinen Sohn des Barons darauf herumlaufen sieht) nur noch weiße Wände zu bieten hat. Auch Außen- und Innenansicht der ehemaligen, halb zerstörten Laborkuppel des Vaters wirken teilweise unwirklich und unterstützen so die Wirkung des Szenarios, das darauf aus ist, eine unbehagliche Ruhe vor dem Sturm zu verbildlichen.
In den Dialogen zwischen den vielen Interessengruppen im Film - darunter (jeweils als eine Gruppe) der Baron, seine Frau, Ygor, der Polizeiinspektor und Frankensteins Monster - werden nun die veränderten (gesunkenen) Ansprüche an die Materie deutlich. “Son of Frankenstein” kann man im Gegensatz zu den beiden Vorgängern nun getrost als Monster-B-Movie bezeichnen, denn das Monster, das sich im zweiten Teil so weit entwickelt hatte, soll wieder auf seine ehrfurchterregende Ausstrahlung reduziert werden, frei von langsam aufkeimenden kognitiven Prozessen, die sich im Hirn der zum Leben erweckten Ansammlung aus totem Fleisch bildeten. Das beginnt mit einer Unterhaltung zwischen Frankensteins Sohn und seiner Frau im Zug auf dem Weg zum neuen Heim, die irgendwann wie folgt verläuft:
(Baron)“Hah! Und wie mein Vater für diesen Fehler büßen musste. Sein Name wurde zum Synonym für Horror und Monster. Neun von zehn Menschen nennen diese Kreatur aus den Experimenten meines Vaters...”
(Stationsansage)“...Frankenstein!”
Das sind offensichtlich kleine Spitzen und Anspielungen auf den Status, den die Idee “Frankenstein” nach acht Jahren Leinwandpräsenz und zwei Filmen bei der Bevölkerung hatte. Das klobige Monster war längst eine Ikone geworden, und so sah sich Universal für das zweite Sequel wohl auch gezwungen, dieses Fakt in die Handlung einzubauen. Immer wieder begegnen uns diese direkten Bezüge - manchmal mehr, manchmal weniger offensichtlich in den Dialogen versteckt.
In der Konsequenz wird das Monster, das erst sehr spät selbst in den Handlungsverlauf eingreift, zu einem unsterblichen Wesen deklariert - mit der Verletzlichkeit und dem Mitleid, das es bislang immer erregt hatte, war es spätestens an diesem Punkt vorbei. Erstmals spielte Boris Karloff wirklich etwas, das die Bezeichnung “Monster” verdient hatte. Frankensteins Sohn wird bei seinen Analysen nicht müde zu betonen, dass dieses Ding rein gar nichts mit einem Menschen gemein hat, in keiner Weise, was dann durch eine Analyse des Blutes quasi wissenschaftlich verifiziert wird.
Leider hat dieser Schritt fatale Konsequenzen für Karloffs Figur. Denn die herrlichen Fortschritte, die in “Bride of Frankenstein” erzielt wurden, werden nun einfach ignoriert. Mag man die Fähigkeit des Monsters zu sprechen vielleicht auch als einen Schritt zu weit empfunden haben, so ist dies dennoch eine Vorgabe, die im Vorgänger nun einmal gemacht wurde. Die Konsequenz ist nun die, dass das Monster diesmal so farblos bleibt wie nie zuvor. Und das liegt nicht daran, dass man sich im letzten Moment doch noch gegen eine Verfilmung in Technicolor und für den Schwarzweißfilm entschieden hatte. Es liegt daran, dass die Rolle des Monsters durch seine unverzeihliche Reduzierung auf ein reines Werkzeug ihm auch das nimmt, was eigentlich verstärkt in den Vordergrund gestellt werden sollte: seine mysteriöse Ausstrahlung, sein faszinierendes Wesen, seine Ikonenhaftigkeit. Davon ist nichts mehr zu spüren, seit das Monster zu einem unsterblichen Geschöpf erklärt wurde, seit es seine innere Zerrissenheit verlor.
Béla Lugosi, der einst noch die Rolle des Monsters abgelehnt hatte, kann sich nun mit seinem schrägen Ygor-Charakter ganz nach vorne chargieren, was ihm insofern gelingt, als dieser alte Kauz in Sachen Eyecatcher das fokussierende Element des Films ist. Versteckt hinter struppigem Bartgewächs und schiefer Zahnprothese sind es nur die funkelnden Augen und die exzentrischen Gesten, die auf den Schauspieler Lugosi hinweisen. Dieser Ygor ist schon ein faszinierender kleiner Wicht, allerdings beweist Lugosi teilweise auch schauspielerischen Starrsinn, sind kleine Momente eines “Dracula” doch immer wieder auch in Ygor zu erhaschen - was aber nicht an der Wirkung dieser Figur rüttelt. Allerdings bleibt sie doch zu schwach geschrieben, speziell was ihre Vergangenheit betrifft, um ein wirklich sinnvoller Baustein im Gefüge zu sein. Dennoch reaktivierte man Lugosi für eine erneute Darstellung des ehemaligen Laufburschen Frankensteins in “Ghost of Frankenstein”.
Es bleibt ganz einfach hinzuweisen auf die gelungene Darstellung der Situation im Dorf, die mit surrealen Momenten um sich wirft. Die Tatsache, dass man bei Universal die Wirkung des Stoffes auf das Publikum erkannt hat und dies in die Dialoge einbauen ließ, klingt auch gar nicht so ungeschickt, so dass “Son of Frankenstein” wenigstens noch ein ansprechend strukturierter und mit interessanten Charakteren ausgestatteter Gruselfilm geworden ist, der durchaus seine Momente hat. Nichtsdestotrotz muss man sich im Klaren darüber sein, dass das Niveau einen Kopfsprung macht und ins Bodenlose fällt, und mit ihr die Faszination für das Monster - denn wo “Frankenstein”, um mal etwas abstrakt zu werden, das Telefon erfand und “Bride of Frankenstein” das Handy, da hantiert “Son of Frankenstein” wieder mit zwei Dosen und einer Schnur.
Originaltitel: Son of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1939
Laufzeit: ca. 95 Min.
Regie: Rowland V. Lee
Darsteller: Basil Rathbone, Boris Karloff, Bela Lugosi, Lionel Atwill, Josephine Hutchinson, Donnie Dunagan, Emma Dunn, Edgar Norton, Perry Ivins, Lawrence Grant, Lionel Belmore, Michael Mark, Caroline Frances Cooke, Gustav von Seyffertitz
Das Jahrzehnt, das mit “Frankenstein” begann, sollte durch die Beendigung der Trilogie auch wieder mit ihm ausklingen. Acht Jahre nach der ersten Adaption des Stoffes von Mary Shelley kam mit “Son of Frankenstein” 1939 der dritte und zugleich letzte Teil in die Lichtspielhäuser, an dem auch Boris Karloff als Monster mitwirkte. Herausgekommen ist letztendlich ein Film, der sich in erster Linie bemüht, den Mythos “Frankenstein” unsterblich zu machen, anstatt eine intelligente Fortführung der von James Whale so eindrucksvoll dirigierten Geschichte anzupeilen.
Dass ausgerechnet diese merklich gehaltlosere Fortsetzung zum längsten englischsprachigen Film aus der Universal-Monsterreihe werden würde, mutet etwas paradox an, hätten “Frankenstein” und “Frankensteins Braut” doch eigentlich, sofern man ihren Subtext betrachtet, mehr Substanz gehabt, um die Laufzeit anschwellen zu lassen. Da sich die Qualität dieser Filme jedoch eher jenseits des bloßen Filmmaterials ergab, ist die angestiegene Laufzeit des zweiten Sequels im Umkehreffekt als Kompensation für das fehlende Potenzial zu verstehen, auch über das eigentliche Filmvergnügen hinaus einen Diskurs zu entfachen. Rowland V. Lees Arbeit ist ein selbstbezogenes, auf die Wirkung seiner Figur vertrauendes Werk, das nichts weiter versucht als während des laufenden Filmes zu unterhalten - ohne, dass im Anschluss besonders viel beim Betrachter zurückbleiben würde.
Der Generationenwechsel durch die erbliche Übertragung der Frankensteinthematik auf den eigenen Sohn - das ist ein bequemer Weg, den allzu viele von Universal in Auftrag gegebenen Sequels beanspruchten und der heute mit dem Titelzusatz “Son of...” (Oder entsprechend “...’s Daughter”) fast schon kultverdächtig retro wirkt. Es zeugt hier aber zunächst davon, dass die Sache thematisch eigentlich schon gegessen ist - wozu jetzt noch einen Sohn einbeziehen, von dem bislang rein gar nichts bekannt war? Der von Basil Rathbone verkörperte Baron Wolf von Frankenstein wirkt als Filmfigur deswegen von Beginn an auch wie eine nicht fertig gedachte Konstruktion. Er zieht mit seiner Familie von weit her in den Ort, an dem sein Vater gegen seinen Willen die Gemeinde in einen Alptraum gezerrt hat mit seinen Experimenten. Warum zieht der selbstverständlich von der Gemeinde nicht gerade willkommen geheißene Sohn nun in diesen Ort? Über die Hintergründe des Sohnes ist auch nur wenig bekannt: Scheint er generell durchaus zumindest über wissenschaftliches Geschick zu verfügen, so zeigt er anfangs doch nur wenig Interesse daran, selbst in die Experimente einzusteigen, zumal zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß, dass das Monster überlebt hat.
Wo schon die ganze Ausgangskonstellation so künstlich präpariert daherkommt, kann man sich wenigstens nicht über die wirklich hübsch konstruierte Lage vor Ort beschweren, denn die Lebensweise des vor Jahren durch Frankensteins Monster gepeinigten Volkes wird mit einem solchen Auge fürs Detail rekonstruiert, dass man bei der Ankunft des Barons unter Blitz, Donner und Regen die dicke Luft förmlich atmen kann. Die vergangenen Jahre sind hier ebenso intensiv spürbar wie der keinesfalls vergangene Schmerz über die Verluste an Menschenleben durch die Kreatur. Misstrauische Altobere des Dorfes, persönlich traumatisierte Inspektoren und ein ominöser, in der Vergangenheit liegender Fall, der von Ygor handelt, einem zurückgezogen lebenden hässlichen alten Kauz, über den die Kinder sich Gruselgeschichten erzählen. Die Geschichte von dem missglückten Versuch, ihn zu hängen, schwebt über dem Dorf wie eine nicht verschwinden wollende Dunstwolke. Obwohl oder gerade weil viele Details nicht erklärt werden (was genau hat es eigentlich mit dieser Geschichte auf sich, und wer sind die acht Henker, die nun einer nach dem anderen fallen wie die Fliegen ob ihres Verbrechens?), steht die Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt im gelungenen Maße ganz dicht im Raum und versprüht surreale Eindrücke.
Dazu trägt auch das dekonstruktivistische Setdesign bei, das teilweise vollkommen auf den Zweck reduziert gestaltet wurde - ein wichtiger, weil oft gebrauchter Handlungsort im Gebäude Frankensteins ist der Zwischenraum, der abgesehen von einer grotesk kahlen Treppenbaut aus Holz (im Übrigen mit hoher Sturzgefahr, was gerade dann auffällt, wenn man den kleinen Sohn des Barons darauf herumlaufen sieht) nur noch weiße Wände zu bieten hat. Auch Außen- und Innenansicht der ehemaligen, halb zerstörten Laborkuppel des Vaters wirken teilweise unwirklich und unterstützen so die Wirkung des Szenarios, das darauf aus ist, eine unbehagliche Ruhe vor dem Sturm zu verbildlichen.
In den Dialogen zwischen den vielen Interessengruppen im Film - darunter (jeweils als eine Gruppe) der Baron, seine Frau, Ygor, der Polizeiinspektor und Frankensteins Monster - werden nun die veränderten (gesunkenen) Ansprüche an die Materie deutlich. “Son of Frankenstein” kann man im Gegensatz zu den beiden Vorgängern nun getrost als Monster-B-Movie bezeichnen, denn das Monster, das sich im zweiten Teil so weit entwickelt hatte, soll wieder auf seine ehrfurchterregende Ausstrahlung reduziert werden, frei von langsam aufkeimenden kognitiven Prozessen, die sich im Hirn der zum Leben erweckten Ansammlung aus totem Fleisch bildeten. Das beginnt mit einer Unterhaltung zwischen Frankensteins Sohn und seiner Frau im Zug auf dem Weg zum neuen Heim, die irgendwann wie folgt verläuft:
(Baron)“Hah! Und wie mein Vater für diesen Fehler büßen musste. Sein Name wurde zum Synonym für Horror und Monster. Neun von zehn Menschen nennen diese Kreatur aus den Experimenten meines Vaters...”
(Stationsansage)“...Frankenstein!”
Das sind offensichtlich kleine Spitzen und Anspielungen auf den Status, den die Idee “Frankenstein” nach acht Jahren Leinwandpräsenz und zwei Filmen bei der Bevölkerung hatte. Das klobige Monster war längst eine Ikone geworden, und so sah sich Universal für das zweite Sequel wohl auch gezwungen, dieses Fakt in die Handlung einzubauen. Immer wieder begegnen uns diese direkten Bezüge - manchmal mehr, manchmal weniger offensichtlich in den Dialogen versteckt.
In der Konsequenz wird das Monster, das erst sehr spät selbst in den Handlungsverlauf eingreift, zu einem unsterblichen Wesen deklariert - mit der Verletzlichkeit und dem Mitleid, das es bislang immer erregt hatte, war es spätestens an diesem Punkt vorbei. Erstmals spielte Boris Karloff wirklich etwas, das die Bezeichnung “Monster” verdient hatte. Frankensteins Sohn wird bei seinen Analysen nicht müde zu betonen, dass dieses Ding rein gar nichts mit einem Menschen gemein hat, in keiner Weise, was dann durch eine Analyse des Blutes quasi wissenschaftlich verifiziert wird.
Leider hat dieser Schritt fatale Konsequenzen für Karloffs Figur. Denn die herrlichen Fortschritte, die in “Bride of Frankenstein” erzielt wurden, werden nun einfach ignoriert. Mag man die Fähigkeit des Monsters zu sprechen vielleicht auch als einen Schritt zu weit empfunden haben, so ist dies dennoch eine Vorgabe, die im Vorgänger nun einmal gemacht wurde. Die Konsequenz ist nun die, dass das Monster diesmal so farblos bleibt wie nie zuvor. Und das liegt nicht daran, dass man sich im letzten Moment doch noch gegen eine Verfilmung in Technicolor und für den Schwarzweißfilm entschieden hatte. Es liegt daran, dass die Rolle des Monsters durch seine unverzeihliche Reduzierung auf ein reines Werkzeug ihm auch das nimmt, was eigentlich verstärkt in den Vordergrund gestellt werden sollte: seine mysteriöse Ausstrahlung, sein faszinierendes Wesen, seine Ikonenhaftigkeit. Davon ist nichts mehr zu spüren, seit das Monster zu einem unsterblichen Geschöpf erklärt wurde, seit es seine innere Zerrissenheit verlor.
Béla Lugosi, der einst noch die Rolle des Monsters abgelehnt hatte, kann sich nun mit seinem schrägen Ygor-Charakter ganz nach vorne chargieren, was ihm insofern gelingt, als dieser alte Kauz in Sachen Eyecatcher das fokussierende Element des Films ist. Versteckt hinter struppigem Bartgewächs und schiefer Zahnprothese sind es nur die funkelnden Augen und die exzentrischen Gesten, die auf den Schauspieler Lugosi hinweisen. Dieser Ygor ist schon ein faszinierender kleiner Wicht, allerdings beweist Lugosi teilweise auch schauspielerischen Starrsinn, sind kleine Momente eines “Dracula” doch immer wieder auch in Ygor zu erhaschen - was aber nicht an der Wirkung dieser Figur rüttelt. Allerdings bleibt sie doch zu schwach geschrieben, speziell was ihre Vergangenheit betrifft, um ein wirklich sinnvoller Baustein im Gefüge zu sein. Dennoch reaktivierte man Lugosi für eine erneute Darstellung des ehemaligen Laufburschen Frankensteins in “Ghost of Frankenstein”.
Es bleibt ganz einfach hinzuweisen auf die gelungene Darstellung der Situation im Dorf, die mit surrealen Momenten um sich wirft. Die Tatsache, dass man bei Universal die Wirkung des Stoffes auf das Publikum erkannt hat und dies in die Dialoge einbauen ließ, klingt auch gar nicht so ungeschickt, so dass “Son of Frankenstein” wenigstens noch ein ansprechend strukturierter und mit interessanten Charakteren ausgestatteter Gruselfilm geworden ist, der durchaus seine Momente hat. Nichtsdestotrotz muss man sich im Klaren darüber sein, dass das Niveau einen Kopfsprung macht und ins Bodenlose fällt, und mit ihr die Faszination für das Monster - denn wo “Frankenstein”, um mal etwas abstrakt zu werden, das Telefon erfand und “Bride of Frankenstein” das Handy, da hantiert “Son of Frankenstein” wieder mit zwei Dosen und einer Schnur.
Frankenstein kehrt wieder
Originaltitel: Ghost of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1942
Laufzeit: ca. 64 Min.
Regie: Erle C. Kenton
Darsteller: Cedric Hardwicke, Lon Chaney Jr., Ralph Bellamy, Lionel Atwill, Bela Lugosi, Evelyn Ankers, Janet Ann Gallow, Barton Yarborough, Doris Lloyd, Leyland Hodgson, Olaf Hytten, Holmes Herbert
Im schön gleichmäßig schlagenden Rhythmus schlenderte die “Frankenstein”-Franchise durch die ganzen Dreißiger, um sogar noch den Vierziger Jahren einen Besuch abzustatten. Drei Jahre ließ man sich bei Universal Zeit, den Mythos auszudehnen... und langsam wird’s wirklich dumm.
Von dem künstlerischen Anspruch hatte man sich sowieso schon mit dem dritten Teil verabschiedet. Der machte das ja auch mit jeder Faser deutlich - niemand wollte “Son of Frankenstein” als weiteres Meisterwerk verstanden wissen. Das Klassikerpotenzial der ersten beiden Teile war ohnehin stark an James Whale gebunden, der schon bei “Bride of Frankenstein” zögerte, überhaupt noch mal auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen, und der bei “Son” noch im richtigen Moment den Rückzug einleitete. Sein Erbe auf dem Regiestuhl, Rowland V. Lee, brach nun auffällig stark mit allerlei Regeln der Reihe: Das Monster entwickelte sich gegenüber “Bride” wieder zurück, die geographisch-diachronische Einordnung des Schauplatzes wurde von ihrer mysteriös anmutenden Schwammigkeit befreit und klar festgelegt, der komplette Baustil wurde abgeändert, neue Verwandte wurden hinzugedichtet und so weiter. Wenigstens war aber deutlich sichtbar, worauf Lee hinauswollte. Frankensteins Monster sollte eine unsterbliche Kreatur werden, ein Denkmal des Universal-Horrors, nach Jahrzehnten der Gruseltradition sollte Frankensteins Monster zu Frankenstein selbst werden. Mit der nötigen ironischen Distanz (man denke an Basil Rathbones köstlichen Vortrag im Zug) war das auch eine legitime Sache. Will man Shelleys “Frankenstein” in seiner ureigensten Bedeutung erleben, kann man immer noch auf die ersten beiden Verfilmungen zurückgreifen; ist man auf der Suche nach dem plakativ überzeichneten Themenparkmonster, so hält man sich eben an den dritten Teil der Trilogie.
Wäre das nur auch den Verantwortlichen für das dritte Sequel klar gewesen. Denn “Ghost of Frankenstein” ist eine wilde, unharmonische Mischung der unlogischen Trashanteile aus “Son” und dem Anspruch aus “Frankenstein” und “Bride”. Erle C. Kentons Werk ist durch und durch eine unausgegorene Angelegenheit geworden. Die Vorgabe von Universal lautete wiederum, es solle einen Film fürs große Publikum geben, keinen für die Kritikerschar. Doch im Plot sind Spuren von intendiertem inhaltlichen Niveau zu finden, die so gar nicht zu der im Vergleich mit den Vorgängern eher minderwertigen Endresultat passen mögen.
Das Skript von Scott Darling und Eric Taylor versucht krampfhaft, einen neuen wissenschaftlichen Ansatz in die Reihe einzubringen, nämlich die Möglichkeit, ein Hirn dem lebenden Körper zu entnehmen, es zu “reparieren” und wieder in den Körper einzusetzen. Hintergedanke dieser wissenschaftlichen Errungenschaft, die Dr. Ludwig Frankenstein (Cedric Hardwicke) und Dr. Bohmer (Lionel Atwill) zuteil wird, ist der, Seele und Bewusstsein eines Menschen in den Körper eines anderen einzubauen, was für sich betrachtet gar nicht mal so eine dumme Sache ist. So werden natürlich recht simpel (Erklärungen, wie eine solche Hirntransplantation denn funktionieren soll, erwarten wir ja gar nicht) individualpsychologische Topoi aufgeworfen - und das ist der Anspruch, mit dem sich der Film brüstet. Problematisch ist aber alleine schon die viel bedeutendere, erkenntnisbringendere Errungenschaft des Original-Frankenstein: Wenn man einen Menschen aus toten Einzelteilen zusammenflicken und zum Leben erwecken kann, wieviel mehr wiegt da schon eine Gehirntransplantation?
Darüber könnte man gut hinwegsehen, würde sich der Film nicht einerseits optisch und storytechnisch wieder bei den ersten beiden Teilen anbiedern und narrativ doch direkt an das Ende von “Son” anknüpfen. So werden wir gleich zu Beginn mit allerlei logischen Ungereimtheiten überhäuft: Wie zum Teufel soll ein Lebewesen in einem Säurebad konserviert werden? Soll heißen: seit wann verwandelt sich Säure im Laufe der Zeit zu Lehm und wieso tut sie nicht das, wozu sie in diesem Fall da ist: das Lebewesen zersetzen? Und weshalb hat Ygor die tödlichen Schüsse überlebt? Nun gut, den Strick hat der zähe Bastard ja auch überlebt, aber dennoch... galt die Unsterblichkeitsformel von “Son” nicht nur für die Kreatur, sondern auch für Ygor?
Wer im Angesicht dieser massiven Missachtung von Kausalitäten heutige Produktionen noch penibel nach Logikbrüchen durchforstet, dem sei gesagt, dass sich diesbezüglich im Laufe der Filmgeschichte doch noch einiges getan hat.
Dementgegen leider nicht aus dem Vorgänger übernommen wurde das herrlich dekonstruktivistische Produktionsdesign mit all den verwinkelten, geografisch verschrobenen Wänden und Treppen des Schlosses Frankenstein. Dieses hatte dem dritten Teil nämlich Schauwerte verliehen, wo inhaltlich Flaute herrschte, so dass die über 90 Minuten Laufzeit überhaupt so kurzweilig gefüllt werden konnten. Dem ist nun im vorliegenden 64-Minüter leider nicht mehr so. Die Sets und Kulissen sind relativ unspektakulär und in Sachen Gruselatmosphäre vollkommen wirkungslos. Etwas morbide wirken am Ende zugegeben die kellerartigen Gewölbe, speziell im Zusammenhang mit dem Vorhaben, ein Gehirn dem Schädel eines Beteiligten zu entnehmen und es in die Schädelhülle des Monsters zu implantieren (Kandidat A: Ygor, bevorzugt von Ygor / Kandidat B: Dr. Kettering, bevorzugt von Dr. Frankenstein / Kandidat C: Ein kleines Mädchen, bevorzugt von der Kreatur selbst). Ansonsten jedoch gewinnt der Film diesbezüglich keinen Blumentopf, da auch die innovative Kameraarbeit des Originals und seines Sequels vollkommen verloren gegangen ist. Selbst spektakuläre Szenen wie das final abbrennende Haus wirken daher doch recht verhalten.
Weiterhin ist da selbstverständlich der ewige Fluch einer Franchise, mit zunehmender Anzahl von Fortsetzungen wichtige Schauspieler zu verlieren. Zwar ist Bela Lugosi zum zweiten Mal mit von der Partie als fieser Ygor, dafür hat sich aber die Hauptattraktion verabschiedet. Boris Karloff nahm wohl gerade zur rechten Zeit seinen Hut und wurde durch Lon Chaney ersetzt, der erst ein Jahr zuvor als “Der Wolfsmensch” seinen Durchbruch gefeiert hatte. Hier liegt schon das erste große Defizit vor. Jack Pierce hat sich als Maskenbildner zwar wieder alle Mühe gegeben, kann aber nicht verbergen, dass es nun mal nicht der große Karloff ist, der hinter all dem Make Up steckt. Die Bedeutung der Schauspielerei bei dieser Figur wird hier erst richtig deutlich, denn Chaney kommt nicht mal ansatzweise in die Nähe der Darstellung Karloffs.
Nun ist dieser Verlust nicht ganz so groß, wie man vermuten könnte, was auf ein anderes enormes Defizit des Films zurückzuführen ist: Der Platz der Kreatur in der Order of Appearance und der Wichtigkeit für den Plot gleichermaßen wurde massiv eingeschränkt. Viel mehr noch als “Son” verweigert sich “Ghost”, das Innere des Wesens zu beleuchten. Die Kreatur wird endgültig zum Handlanger degradiert, während Bela Lugosi den Film an sich reißt. Ygor ist der neue Fokuspartikel im Gefüge, der alle Aufmerksamkeiten auf sich lenkt. Nur leider verträgt sich das nicht mit seiner ursprünglichen Figurenzeichnung. Denn Ygor war bislang keinesfalls in irgendeiner Weise das antreibende Element, sondern vielmehr derjenige, der sich vom Strom treiben lässt, um im richtigen Moment herauszutreten und seinen Vorteil auszuspielen. Die Fähigkeit, aus eigener Kraft zu handeln, traut man ihm nicht zu, allerhöchstens die Grundmotivation, überhaupt seine derzeitige körperliche Hülle zu opfern, um im Körper des Monsters ewig zu leben und die Kraft für seine schurkischen Pläne zu verwenden. Vom sich einstmals entwickelnden Bewusstsein des Monsters selbst ist derweil nicht mehr viel übriggeblieben. Das einzige Zeichen hierfür ist der Wunsch, das Gehirn des kleinen Mädchens implantiert zu bekommen, um mit ihr eins zu werden (weil sie das einzige Lebewesen ist, dass ihm freundlich und vorurteilslos gesonnen war). Dieser Einschub ist aber so schmal und isoliert vom eigentlichen Plot, dass er trotz vielversprechender Grundidee als unausgegorener Versuch gewertet werden muss, überhaupt noch irgendwie das Bewusstsein der Kreatur mit einem “Hallo, ich bin noch da!”-Ruf zu versehen.
Mögen sich die individualpsychologischen Ansätze auch noch so vielversprechend anhören, im Gewand des B-Movies sehen auch sie nur aus wie ein in Lumpen gehüllter Bettelmann. Logisch ist rein gar nichts an diesem Film, und optisch hält man sich dann doch besser an “Son of Frankenstein”. Die Mischung aus Niveau und Naivität funktioniert nicht. Dass zu allem Überfluss auch noch Lon Chaney ohne jede Chance ist, die Leistung Karloffs zu kompensieren, macht die Sache auch nicht viel besser. Freilich ist der Gedanke, ein riesiges Monster trage das Hirn eines kleinen Mädchens, oder ein kleiner Giftzwerg verfrachte seinen eigenen von bösen Gedanken geprägten Denkapparat in eine potenzielle Killermaschine, schon von sich aus bizarr. Der Film intensiviert diesen gruseligen Gedanken aber leider nur unzureichend.
Originaltitel: Ghost of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1942
Laufzeit: ca. 64 Min.
Regie: Erle C. Kenton
Darsteller: Cedric Hardwicke, Lon Chaney Jr., Ralph Bellamy, Lionel Atwill, Bela Lugosi, Evelyn Ankers, Janet Ann Gallow, Barton Yarborough, Doris Lloyd, Leyland Hodgson, Olaf Hytten, Holmes Herbert
Im schön gleichmäßig schlagenden Rhythmus schlenderte die “Frankenstein”-Franchise durch die ganzen Dreißiger, um sogar noch den Vierziger Jahren einen Besuch abzustatten. Drei Jahre ließ man sich bei Universal Zeit, den Mythos auszudehnen... und langsam wird’s wirklich dumm.
Von dem künstlerischen Anspruch hatte man sich sowieso schon mit dem dritten Teil verabschiedet. Der machte das ja auch mit jeder Faser deutlich - niemand wollte “Son of Frankenstein” als weiteres Meisterwerk verstanden wissen. Das Klassikerpotenzial der ersten beiden Teile war ohnehin stark an James Whale gebunden, der schon bei “Bride of Frankenstein” zögerte, überhaupt noch mal auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen, und der bei “Son” noch im richtigen Moment den Rückzug einleitete. Sein Erbe auf dem Regiestuhl, Rowland V. Lee, brach nun auffällig stark mit allerlei Regeln der Reihe: Das Monster entwickelte sich gegenüber “Bride” wieder zurück, die geographisch-diachronische Einordnung des Schauplatzes wurde von ihrer mysteriös anmutenden Schwammigkeit befreit und klar festgelegt, der komplette Baustil wurde abgeändert, neue Verwandte wurden hinzugedichtet und so weiter. Wenigstens war aber deutlich sichtbar, worauf Lee hinauswollte. Frankensteins Monster sollte eine unsterbliche Kreatur werden, ein Denkmal des Universal-Horrors, nach Jahrzehnten der Gruseltradition sollte Frankensteins Monster zu Frankenstein selbst werden. Mit der nötigen ironischen Distanz (man denke an Basil Rathbones köstlichen Vortrag im Zug) war das auch eine legitime Sache. Will man Shelleys “Frankenstein” in seiner ureigensten Bedeutung erleben, kann man immer noch auf die ersten beiden Verfilmungen zurückgreifen; ist man auf der Suche nach dem plakativ überzeichneten Themenparkmonster, so hält man sich eben an den dritten Teil der Trilogie.
Wäre das nur auch den Verantwortlichen für das dritte Sequel klar gewesen. Denn “Ghost of Frankenstein” ist eine wilde, unharmonische Mischung der unlogischen Trashanteile aus “Son” und dem Anspruch aus “Frankenstein” und “Bride”. Erle C. Kentons Werk ist durch und durch eine unausgegorene Angelegenheit geworden. Die Vorgabe von Universal lautete wiederum, es solle einen Film fürs große Publikum geben, keinen für die Kritikerschar. Doch im Plot sind Spuren von intendiertem inhaltlichen Niveau zu finden, die so gar nicht zu der im Vergleich mit den Vorgängern eher minderwertigen Endresultat passen mögen.
Das Skript von Scott Darling und Eric Taylor versucht krampfhaft, einen neuen wissenschaftlichen Ansatz in die Reihe einzubringen, nämlich die Möglichkeit, ein Hirn dem lebenden Körper zu entnehmen, es zu “reparieren” und wieder in den Körper einzusetzen. Hintergedanke dieser wissenschaftlichen Errungenschaft, die Dr. Ludwig Frankenstein (Cedric Hardwicke) und Dr. Bohmer (Lionel Atwill) zuteil wird, ist der, Seele und Bewusstsein eines Menschen in den Körper eines anderen einzubauen, was für sich betrachtet gar nicht mal so eine dumme Sache ist. So werden natürlich recht simpel (Erklärungen, wie eine solche Hirntransplantation denn funktionieren soll, erwarten wir ja gar nicht) individualpsychologische Topoi aufgeworfen - und das ist der Anspruch, mit dem sich der Film brüstet. Problematisch ist aber alleine schon die viel bedeutendere, erkenntnisbringendere Errungenschaft des Original-Frankenstein: Wenn man einen Menschen aus toten Einzelteilen zusammenflicken und zum Leben erwecken kann, wieviel mehr wiegt da schon eine Gehirntransplantation?
Darüber könnte man gut hinwegsehen, würde sich der Film nicht einerseits optisch und storytechnisch wieder bei den ersten beiden Teilen anbiedern und narrativ doch direkt an das Ende von “Son” anknüpfen. So werden wir gleich zu Beginn mit allerlei logischen Ungereimtheiten überhäuft: Wie zum Teufel soll ein Lebewesen in einem Säurebad konserviert werden? Soll heißen: seit wann verwandelt sich Säure im Laufe der Zeit zu Lehm und wieso tut sie nicht das, wozu sie in diesem Fall da ist: das Lebewesen zersetzen? Und weshalb hat Ygor die tödlichen Schüsse überlebt? Nun gut, den Strick hat der zähe Bastard ja auch überlebt, aber dennoch... galt die Unsterblichkeitsformel von “Son” nicht nur für die Kreatur, sondern auch für Ygor?
Wer im Angesicht dieser massiven Missachtung von Kausalitäten heutige Produktionen noch penibel nach Logikbrüchen durchforstet, dem sei gesagt, dass sich diesbezüglich im Laufe der Filmgeschichte doch noch einiges getan hat.
Dementgegen leider nicht aus dem Vorgänger übernommen wurde das herrlich dekonstruktivistische Produktionsdesign mit all den verwinkelten, geografisch verschrobenen Wänden und Treppen des Schlosses Frankenstein. Dieses hatte dem dritten Teil nämlich Schauwerte verliehen, wo inhaltlich Flaute herrschte, so dass die über 90 Minuten Laufzeit überhaupt so kurzweilig gefüllt werden konnten. Dem ist nun im vorliegenden 64-Minüter leider nicht mehr so. Die Sets und Kulissen sind relativ unspektakulär und in Sachen Gruselatmosphäre vollkommen wirkungslos. Etwas morbide wirken am Ende zugegeben die kellerartigen Gewölbe, speziell im Zusammenhang mit dem Vorhaben, ein Gehirn dem Schädel eines Beteiligten zu entnehmen und es in die Schädelhülle des Monsters zu implantieren (Kandidat A: Ygor, bevorzugt von Ygor / Kandidat B: Dr. Kettering, bevorzugt von Dr. Frankenstein / Kandidat C: Ein kleines Mädchen, bevorzugt von der Kreatur selbst). Ansonsten jedoch gewinnt der Film diesbezüglich keinen Blumentopf, da auch die innovative Kameraarbeit des Originals und seines Sequels vollkommen verloren gegangen ist. Selbst spektakuläre Szenen wie das final abbrennende Haus wirken daher doch recht verhalten.
Weiterhin ist da selbstverständlich der ewige Fluch einer Franchise, mit zunehmender Anzahl von Fortsetzungen wichtige Schauspieler zu verlieren. Zwar ist Bela Lugosi zum zweiten Mal mit von der Partie als fieser Ygor, dafür hat sich aber die Hauptattraktion verabschiedet. Boris Karloff nahm wohl gerade zur rechten Zeit seinen Hut und wurde durch Lon Chaney ersetzt, der erst ein Jahr zuvor als “Der Wolfsmensch” seinen Durchbruch gefeiert hatte. Hier liegt schon das erste große Defizit vor. Jack Pierce hat sich als Maskenbildner zwar wieder alle Mühe gegeben, kann aber nicht verbergen, dass es nun mal nicht der große Karloff ist, der hinter all dem Make Up steckt. Die Bedeutung der Schauspielerei bei dieser Figur wird hier erst richtig deutlich, denn Chaney kommt nicht mal ansatzweise in die Nähe der Darstellung Karloffs.
Nun ist dieser Verlust nicht ganz so groß, wie man vermuten könnte, was auf ein anderes enormes Defizit des Films zurückzuführen ist: Der Platz der Kreatur in der Order of Appearance und der Wichtigkeit für den Plot gleichermaßen wurde massiv eingeschränkt. Viel mehr noch als “Son” verweigert sich “Ghost”, das Innere des Wesens zu beleuchten. Die Kreatur wird endgültig zum Handlanger degradiert, während Bela Lugosi den Film an sich reißt. Ygor ist der neue Fokuspartikel im Gefüge, der alle Aufmerksamkeiten auf sich lenkt. Nur leider verträgt sich das nicht mit seiner ursprünglichen Figurenzeichnung. Denn Ygor war bislang keinesfalls in irgendeiner Weise das antreibende Element, sondern vielmehr derjenige, der sich vom Strom treiben lässt, um im richtigen Moment herauszutreten und seinen Vorteil auszuspielen. Die Fähigkeit, aus eigener Kraft zu handeln, traut man ihm nicht zu, allerhöchstens die Grundmotivation, überhaupt seine derzeitige körperliche Hülle zu opfern, um im Körper des Monsters ewig zu leben und die Kraft für seine schurkischen Pläne zu verwenden. Vom sich einstmals entwickelnden Bewusstsein des Monsters selbst ist derweil nicht mehr viel übriggeblieben. Das einzige Zeichen hierfür ist der Wunsch, das Gehirn des kleinen Mädchens implantiert zu bekommen, um mit ihr eins zu werden (weil sie das einzige Lebewesen ist, dass ihm freundlich und vorurteilslos gesonnen war). Dieser Einschub ist aber so schmal und isoliert vom eigentlichen Plot, dass er trotz vielversprechender Grundidee als unausgegorener Versuch gewertet werden muss, überhaupt noch irgendwie das Bewusstsein der Kreatur mit einem “Hallo, ich bin noch da!”-Ruf zu versehen.
Mögen sich die individualpsychologischen Ansätze auch noch so vielversprechend anhören, im Gewand des B-Movies sehen auch sie nur aus wie ein in Lumpen gehüllter Bettelmann. Logisch ist rein gar nichts an diesem Film, und optisch hält man sich dann doch besser an “Son of Frankenstein”. Die Mischung aus Niveau und Naivität funktioniert nicht. Dass zu allem Überfluss auch noch Lon Chaney ohne jede Chance ist, die Leistung Karloffs zu kompensieren, macht die Sache auch nicht viel besser. Freilich ist der Gedanke, ein riesiges Monster trage das Hirn eines kleinen Mädchens, oder ein kleiner Giftzwerg verfrachte seinen eigenen von bösen Gedanken geprägten Denkapparat in eine potenzielle Killermaschine, schon von sich aus bizarr. Der Film intensiviert diesen gruseligen Gedanken aber leider nur unzureichend.
Frankensteins Haus
Originaltitel: House of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1944
Laufzeit: ca. 67 Min.
Regie: Erle C. Kenton
Darsteller: Boris Karloff, Lon Chaney Jr., John Carradine, Anne Gwynne, Peter Coe, Lionel Atwill, George Zucco, Elena Verdugo, Sig Ruman, William Edmunds, Charles F. Miller, Philip Van Zandt
Warum?
Warum will jemand einem Hund menschlichen Verstand einflößen?
Warum will Dr. Niemann Hirnchentausch spielen?
Warum sind die Gefängnismauern so schlecht verarbeitet, dass sie beim Gewitter direkt zusammenfallen und zwei Verrückten die Freiheit bringen, die vorher 15 Jahre gefangen waren - und das in einer Landschaft, in der es nachweislich jede Nacht blitzt und donnert?
Warum müssen Dr. Niemann und sein Hunchback-Kumpan nach der Flucht ein mobiles Kuriositätenkabinett überfallen?
Warum erweckt Dr. Niemann Dracula wieder zum Leben, ein monströses, unsterbliches Geschöpf, das Blut saugt? Nur weil ihm niemand glauben will, dass er tatsächlich im Besitz des echten Dracula-Skeletts ist? Es ist doch nicht mal sein Skelett. Er hat es gestohlen. Kann ihm das nicht schnurzpiepe sein, ob ein alter Kauz dahinter miese Tricks vermutet?
Warum vergeudet Regisseur Erle C. Kenton die Hälfte seiner Zeit dafür, einen Dracula-Plot zu spinnen, wenn der nach knapp 30 Minuten beendet ist und für die weiteren Ereignisse keine, aber auch wirklich gar keine Bedeutung mehr hat?
Warum sind das Frankenstein-Monster und der Wolfsmensch gemeinsam in einer Eishöhle konserviert? Gemeinsam... in einer Eishöhle?!?
Warum nennt sich der Film “Frankensteins Haus”, wenn es doch fast zu gleichen Anteilen ein Dracula- und ein Wolfsmenschfilm ist, während das Frankenstein-Monster im ganzen Film effektiv zwei, drei Handlungen ausführt?
Warum ist die Banane krumm?
Der Universalschlüssel für diese Fragen kommt ironischerweise aus der Universal-Schmiede, und es ist ein alter Bekannter: der Kommerz. “Frankenstein meets the Wolf Man” hatte im Jahr zuvor durch sein Einspiel legitimiert, ein weiteres Zusammentreffen der bekanntesten Universal-Monster zu arrangieren. Da ließ sich das “Monster” unter den Produktionsstudios nicht zweimal bitten und übertrug den Ursprungsgedanken der Pizza (oder des Eintopfes) mal wieder auf ein Filmprojekt. Die Reste vom Vortag sammeln, auf einen Teigboden klatschen und kurz aufbacken.
Das Ergebnis ist selbstverständlich wieder Unsinn Deluxe. Die Prämisse war es einfach nur, möglichst viele Monster unter einen Hut zu bringen. Für die ursprünglich ebenfalls angedachte Mumie war kein Platz mehr, aber laut Filmplakat kam man doch immerhin auf fünf Monster, wobei es nun strittig ist, ob man einen “Mad Doctor” und einen “Hunchback” wirklich als Monster bezeichnen soll. Filmhistorisch heute vielleicht schon (zumindest was den “Mad Doctor” betrifft; den “Hunchback” heutzutage als Monster zu bezeichnen, ist politisch vielleicht nicht ganz korrekt), seinerzeit aber wohl kaum - da sind kommerzielle Gedanken nicht von der Hand zu weisen.
In dem hässlichen Mosaik, das dieser Film nun mal ist, können Scriptwriter-Qualitäten von Curt Siodmak und Edward T. Lowe Jr. kaum herausgeschmeckt werden, wird denen doch kaum viel Raum zur Entfaltung zugestanden haben. Hauptsache, alle Monster bekommen ihre Screentime und machen ordentlich Dampf. Logische Ungereimtheiten führt dies zwangsläufig mit sich, aber die hier vorzufindenden Plotfrakturen sind kaum mehr als Ausnahmen oder Versehen zu bezeichnen. Da wurde schlicht und ergreifend geschlampt. Es wird dem Studio egal gewesen sein, und den Scriptwritern war es das wohl auch. Alles andere wäre auch verschwendete Energie gewesen.
Trotzdem muss man den Herren Vorwürfe machen, denn es ist zwar viel los, aber eigentlich nur Käse. Was man erwartet bei einem “House”-Film, das sind Aufeinandertreffen. Fetzige Fights mit Effekten en masse, ein gigantomanisches Kampfspektakel zwischen Wolfsmensch und Frankenstein-Monster, ja warum eigentlich nicht sogar ein Threesome mit Herrn Dracula? Und dann klatscht sich der Hunchback noch mit in den Kuddelmuddel, während der verrückte Doktor außen steht, seine Finger aufgeregt ineinanderzwirbelt und irre kichert.
Ja nun, wie soll ich sagen... es gibt keine Kämpfe. Dracula nibbelt eh wieder ab, bevor Lon Chaney als Wolfsmensch und Glenn Strange als Monster überhaupt ihren ersten Auftritt haben; letzterer hat überhaupt nix zu tun und liegt lieber faul rum, bis er am Ende einen auf Wrestler macht, und Chaney jammert die meiste Zeit in Menschengestalt herum, dass ihn doch entweder bitte jemand umbringen oder auf anderem Weg von seinem Fluch erlösen möge. Berühren tun sie sich alle nicht untereinander, weder körperlich noch handlungstechnisch. Als hätte Kenton Angst gehabt, beim Verschmelzen mehrerer Handlungsstränge miteinander die Kontrolle zu verlieren, schließt er lieber erstmal mit der einen Sache ab, bevor er die nächste angeht.
Kenton dürfte auch für den Hirnaustausch-Unsinn verantwortlich sein, hat er doch schon bei “Ghost of Frankenstein” Regie geführt und mit dieser Thematik jongliert, ein wenig gar hatte er dabei wohl Anspruchsdenken. Aber jetzt hat der Unfug eine hübsche Schleife bekommen. In “Ghost” war ein gewisser gruseliger Grundgedanke der ganzen Sache nicht abzusprechen, nur jetzt haben wir da einen Schwachsinnigen, der doch so gern die Gehirne aller möglichen Leute austauschen will, und wen er halt nicht so mag, der bekommt das Hirn vom Wolfsmenschen, weil das ist ja mit dem bösen Fluch belegt, jede Nacht Wolfi zu spielen. Braver Hund. Weshalb er das will, ist ja eigentlich egal. Spaßig ist es allerdings, dass der Herr Dr. Niemann von keinem geringeren als Boris Karloff gespielt wird, der von sich mit Fug und Recht behaupten kann, zum rechten Zeitpunkt von seiner Rolle als Frankensteins Monster abgetreten zu sein. Wenn man sich jetzt mal ansieht, was aus dem Monster geworden ist... es liegt herum und ist ‘ne gottverdammte Kulisse. Feines Timing, Herr Karloff. Auch wenn er für meinen Geschmack einen Tick zu zurückhaltend spielt - ein wenig Overacting hätte dem Film vielleicht ganz gut getan. Das belegt auch die Szene in der Dracula-Episode mit dem jungen Pärchen, das sich auf (unfreiwillig) komischste Weise neckt, wenn etwa der junge Gatte auf ein Folterinstrument zeigt, übermütig bemerkt “Das würde sich in unserem Haushalt gut machen”, seine Frau entgegnet “Weshalb?” und er neckisch kichert: “Damit man seine Frau immer unter Kontrolle hat!” (Alles sinngemäß wiedergegeben). Huiii, da kommt allerbeste, politisch unkorrekte Unterhaltung zum Vorschein.
Ansonsten erfreut eigentlich alles, was rund um den Hunchback herum geschieht. J. Carrol Naish stiehlt allen anderen die Show. Die Episode um seine Tragödie ist teilweise sogar anrührend in diesem wirren Allerlei. Wie er das hübsche Zigeunerfräulein aus ihrer Gruppe befreit, wo sie gerne mal von einem Fiesling geschlagen wurde. Wie das hübsche Ding sich trotz unübersehbarer Abneigung gegen den Buckel mit dem Hunchback anfreundet. Wie sie sich dann später in den Wolfsmenschen verliebt, der Hunchback sie vor ihm warnt und sie ihn als “eifersüchtig” und “hässlich” beschimpft. Diese ganze Geschichte bleibt auch nachhaltig hängen und hätte es durchaus mal verdient gehabt, zu einem Haupthandlungsstrang gemacht zu werden.
So dumm die ganze Chose ansonsten ist, technisch kann man niemandem einen Vorwurf machen. Die gelegentlichen Effekte sehen durchaus recht eindrucksvoll aus, auch wenn das meiste mit einfachen Überblendungen realisiert wurde, was aber ja ein legitimes Mittel ist. Erfreulich ist so etwa die Regeneration Draculas, die wie eine primitive Variante des berüchtigten “Hellraiser”-Regenerationseffektes daherkommt. Die Atmosphäre ist durchaus ordentlich (der Beginn im Gefängnis ist eine Wucht) und am Ende geht es fast schon in den Actionbereich, wenn Leute durch Fensterscheiben geworfen werden und Häuserdächer hinunterfallen.
Ja, und am Ende ist “House of Frankenstein” nichts weiter als eine kommerzielle Veranstaltung, die auf eine gescheite Story ebenso pfeift wie auf die legendären Monster aus der eigenen Schmiede. Relativ würdelos wird ausgerechnet das Frankenstein-Monster abgehandelt, das als Namensgeber kurioserweise total überflüssig ist und nur deshalb seinen obligatorischen Auftritt hat, weil es der Titel und die Gehirnfaszination Dr. Niemanns so will. Nicht besser ergeht es Dracula, der ein viel zu rasches Ende hat, das den geheimnisvollen Blutsauger zu allem Überfluss auch noch ziemlich dumm aussehen lässt. Dabei ist die Dracula-Episode in Sachen Atmosphäre und Dramaturgie sogar noch recht stimmig aufgebaut und für sich betrachtet gar nicht mal so übler Stoff - nur was das alles mit dem Rest des Films zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
Dieser Rest zeichnet sich vor allem durch grandiosen Schwachsinn aus, aus dem qualitativ der Hunchback-Subplot heraussticht. Der Rest ist gelinde gesagt für die Füße.
Und die Welt freut sich auf “House of Dracula”...
Originaltitel: House of Frankenstein
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1944
Laufzeit: ca. 67 Min.
Regie: Erle C. Kenton
Darsteller: Boris Karloff, Lon Chaney Jr., John Carradine, Anne Gwynne, Peter Coe, Lionel Atwill, George Zucco, Elena Verdugo, Sig Ruman, William Edmunds, Charles F. Miller, Philip Van Zandt
Warum?
Warum will jemand einem Hund menschlichen Verstand einflößen?
Warum will Dr. Niemann Hirnchentausch spielen?
Warum sind die Gefängnismauern so schlecht verarbeitet, dass sie beim Gewitter direkt zusammenfallen und zwei Verrückten die Freiheit bringen, die vorher 15 Jahre gefangen waren - und das in einer Landschaft, in der es nachweislich jede Nacht blitzt und donnert?
Warum müssen Dr. Niemann und sein Hunchback-Kumpan nach der Flucht ein mobiles Kuriositätenkabinett überfallen?
Warum erweckt Dr. Niemann Dracula wieder zum Leben, ein monströses, unsterbliches Geschöpf, das Blut saugt? Nur weil ihm niemand glauben will, dass er tatsächlich im Besitz des echten Dracula-Skeletts ist? Es ist doch nicht mal sein Skelett. Er hat es gestohlen. Kann ihm das nicht schnurzpiepe sein, ob ein alter Kauz dahinter miese Tricks vermutet?
Warum vergeudet Regisseur Erle C. Kenton die Hälfte seiner Zeit dafür, einen Dracula-Plot zu spinnen, wenn der nach knapp 30 Minuten beendet ist und für die weiteren Ereignisse keine, aber auch wirklich gar keine Bedeutung mehr hat?
Warum sind das Frankenstein-Monster und der Wolfsmensch gemeinsam in einer Eishöhle konserviert? Gemeinsam... in einer Eishöhle?!?
Warum nennt sich der Film “Frankensteins Haus”, wenn es doch fast zu gleichen Anteilen ein Dracula- und ein Wolfsmenschfilm ist, während das Frankenstein-Monster im ganzen Film effektiv zwei, drei Handlungen ausführt?
Warum ist die Banane krumm?
Der Universalschlüssel für diese Fragen kommt ironischerweise aus der Universal-Schmiede, und es ist ein alter Bekannter: der Kommerz. “Frankenstein meets the Wolf Man” hatte im Jahr zuvor durch sein Einspiel legitimiert, ein weiteres Zusammentreffen der bekanntesten Universal-Monster zu arrangieren. Da ließ sich das “Monster” unter den Produktionsstudios nicht zweimal bitten und übertrug den Ursprungsgedanken der Pizza (oder des Eintopfes) mal wieder auf ein Filmprojekt. Die Reste vom Vortag sammeln, auf einen Teigboden klatschen und kurz aufbacken.
Das Ergebnis ist selbstverständlich wieder Unsinn Deluxe. Die Prämisse war es einfach nur, möglichst viele Monster unter einen Hut zu bringen. Für die ursprünglich ebenfalls angedachte Mumie war kein Platz mehr, aber laut Filmplakat kam man doch immerhin auf fünf Monster, wobei es nun strittig ist, ob man einen “Mad Doctor” und einen “Hunchback” wirklich als Monster bezeichnen soll. Filmhistorisch heute vielleicht schon (zumindest was den “Mad Doctor” betrifft; den “Hunchback” heutzutage als Monster zu bezeichnen, ist politisch vielleicht nicht ganz korrekt), seinerzeit aber wohl kaum - da sind kommerzielle Gedanken nicht von der Hand zu weisen.
In dem hässlichen Mosaik, das dieser Film nun mal ist, können Scriptwriter-Qualitäten von Curt Siodmak und Edward T. Lowe Jr. kaum herausgeschmeckt werden, wird denen doch kaum viel Raum zur Entfaltung zugestanden haben. Hauptsache, alle Monster bekommen ihre Screentime und machen ordentlich Dampf. Logische Ungereimtheiten führt dies zwangsläufig mit sich, aber die hier vorzufindenden Plotfrakturen sind kaum mehr als Ausnahmen oder Versehen zu bezeichnen. Da wurde schlicht und ergreifend geschlampt. Es wird dem Studio egal gewesen sein, und den Scriptwritern war es das wohl auch. Alles andere wäre auch verschwendete Energie gewesen.
Trotzdem muss man den Herren Vorwürfe machen, denn es ist zwar viel los, aber eigentlich nur Käse. Was man erwartet bei einem “House”-Film, das sind Aufeinandertreffen. Fetzige Fights mit Effekten en masse, ein gigantomanisches Kampfspektakel zwischen Wolfsmensch und Frankenstein-Monster, ja warum eigentlich nicht sogar ein Threesome mit Herrn Dracula? Und dann klatscht sich der Hunchback noch mit in den Kuddelmuddel, während der verrückte Doktor außen steht, seine Finger aufgeregt ineinanderzwirbelt und irre kichert.
Ja nun, wie soll ich sagen... es gibt keine Kämpfe. Dracula nibbelt eh wieder ab, bevor Lon Chaney als Wolfsmensch und Glenn Strange als Monster überhaupt ihren ersten Auftritt haben; letzterer hat überhaupt nix zu tun und liegt lieber faul rum, bis er am Ende einen auf Wrestler macht, und Chaney jammert die meiste Zeit in Menschengestalt herum, dass ihn doch entweder bitte jemand umbringen oder auf anderem Weg von seinem Fluch erlösen möge. Berühren tun sie sich alle nicht untereinander, weder körperlich noch handlungstechnisch. Als hätte Kenton Angst gehabt, beim Verschmelzen mehrerer Handlungsstränge miteinander die Kontrolle zu verlieren, schließt er lieber erstmal mit der einen Sache ab, bevor er die nächste angeht.
Kenton dürfte auch für den Hirnaustausch-Unsinn verantwortlich sein, hat er doch schon bei “Ghost of Frankenstein” Regie geführt und mit dieser Thematik jongliert, ein wenig gar hatte er dabei wohl Anspruchsdenken. Aber jetzt hat der Unfug eine hübsche Schleife bekommen. In “Ghost” war ein gewisser gruseliger Grundgedanke der ganzen Sache nicht abzusprechen, nur jetzt haben wir da einen Schwachsinnigen, der doch so gern die Gehirne aller möglichen Leute austauschen will, und wen er halt nicht so mag, der bekommt das Hirn vom Wolfsmenschen, weil das ist ja mit dem bösen Fluch belegt, jede Nacht Wolfi zu spielen. Braver Hund. Weshalb er das will, ist ja eigentlich egal. Spaßig ist es allerdings, dass der Herr Dr. Niemann von keinem geringeren als Boris Karloff gespielt wird, der von sich mit Fug und Recht behaupten kann, zum rechten Zeitpunkt von seiner Rolle als Frankensteins Monster abgetreten zu sein. Wenn man sich jetzt mal ansieht, was aus dem Monster geworden ist... es liegt herum und ist ‘ne gottverdammte Kulisse. Feines Timing, Herr Karloff. Auch wenn er für meinen Geschmack einen Tick zu zurückhaltend spielt - ein wenig Overacting hätte dem Film vielleicht ganz gut getan. Das belegt auch die Szene in der Dracula-Episode mit dem jungen Pärchen, das sich auf (unfreiwillig) komischste Weise neckt, wenn etwa der junge Gatte auf ein Folterinstrument zeigt, übermütig bemerkt “Das würde sich in unserem Haushalt gut machen”, seine Frau entgegnet “Weshalb?” und er neckisch kichert: “Damit man seine Frau immer unter Kontrolle hat!” (Alles sinngemäß wiedergegeben). Huiii, da kommt allerbeste, politisch unkorrekte Unterhaltung zum Vorschein.
Ansonsten erfreut eigentlich alles, was rund um den Hunchback herum geschieht. J. Carrol Naish stiehlt allen anderen die Show. Die Episode um seine Tragödie ist teilweise sogar anrührend in diesem wirren Allerlei. Wie er das hübsche Zigeunerfräulein aus ihrer Gruppe befreit, wo sie gerne mal von einem Fiesling geschlagen wurde. Wie das hübsche Ding sich trotz unübersehbarer Abneigung gegen den Buckel mit dem Hunchback anfreundet. Wie sie sich dann später in den Wolfsmenschen verliebt, der Hunchback sie vor ihm warnt und sie ihn als “eifersüchtig” und “hässlich” beschimpft. Diese ganze Geschichte bleibt auch nachhaltig hängen und hätte es durchaus mal verdient gehabt, zu einem Haupthandlungsstrang gemacht zu werden.
So dumm die ganze Chose ansonsten ist, technisch kann man niemandem einen Vorwurf machen. Die gelegentlichen Effekte sehen durchaus recht eindrucksvoll aus, auch wenn das meiste mit einfachen Überblendungen realisiert wurde, was aber ja ein legitimes Mittel ist. Erfreulich ist so etwa die Regeneration Draculas, die wie eine primitive Variante des berüchtigten “Hellraiser”-Regenerationseffektes daherkommt. Die Atmosphäre ist durchaus ordentlich (der Beginn im Gefängnis ist eine Wucht) und am Ende geht es fast schon in den Actionbereich, wenn Leute durch Fensterscheiben geworfen werden und Häuserdächer hinunterfallen.
Ja, und am Ende ist “House of Frankenstein” nichts weiter als eine kommerzielle Veranstaltung, die auf eine gescheite Story ebenso pfeift wie auf die legendären Monster aus der eigenen Schmiede. Relativ würdelos wird ausgerechnet das Frankenstein-Monster abgehandelt, das als Namensgeber kurioserweise total überflüssig ist und nur deshalb seinen obligatorischen Auftritt hat, weil es der Titel und die Gehirnfaszination Dr. Niemanns so will. Nicht besser ergeht es Dracula, der ein viel zu rasches Ende hat, das den geheimnisvollen Blutsauger zu allem Überfluss auch noch ziemlich dumm aussehen lässt. Dabei ist die Dracula-Episode in Sachen Atmosphäre und Dramaturgie sogar noch recht stimmig aufgebaut und für sich betrachtet gar nicht mal so übler Stoff - nur was das alles mit dem Rest des Films zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
Dieser Rest zeichnet sich vor allem durch grandiosen Schwachsinn aus, aus dem qualitativ der Hunchback-Subplot heraussticht. Der Rest ist gelinde gesagt für die Füße.
Und die Welt freut sich auf “House of Dracula”...
Hab letztens die beiden James Whale-Filme gesehen, von denen mir auch der zweite besser gefällt, vornehmlich der etwas üppigeren Ausstattung und des vorhandenen Scores wegen, welcher beim ersten Frankenstein schmerzlich vermisst wird. Trotzdem sind natürlich beides echte Klassiker mit phantastischer Bildsprache, die der geneigte Filmfan auf alle Fälle gesehen haben sollte (BRIDE wird oft sogar in einem Atemzug mit Filmen wie CITIZEN KANE genannt).
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