Haus der toten Seelen
Originaltitel: Dood eind
Herstellungsland: Niederlande
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Erwin van den Eshof
Darsteller: Victoria Koblenko, Everon Jackson Hooi, Anniek Pheifer, Alwien Tulner, Mads Wittermans, Aram van de Rest, Micha Hulshof, Terence Schreurs
Geisterbahnen sind für den urbanen Menschen etwas, das Zuckerwasser für die Honigbiene ist - eine Simulation, beziehungsweise ein Ersatz für den süßen Honig, oder auf den Homo Erectus bezogen für den direkten Draht zu den eigenen Urängsten, die in Gefahrensituationen hoch leben dürfen. Die Sicherheit der Zivilisation hat diesen Draht teilweise wieder weggenommen und die Geisterbahn soll ihn wieder zurückgeben.
Der Horrorfilm verfolgt das gleiche Ziel, nur darf er aufgrund seiner gewaltigen Verbreitung - Horrorfilme sind nun mal verhältnismäßig einfach und schnell zu produzieren - gerne auch mal aus den ewig gleichen Mustern ausbrechen, welche die Geisterbahn noch gezielt sucht. Oh ja, Klischees sind wieder im Spiel. Besucht man die Geister-Rikscha im Phantasialand nun schon zum x-ten Mal, obwohl man sie seit seiner Kindheit immer wieder von innen gesehen hat, immer der glotzende Kraken, das stinkend wehende Geisterschiff oder die Spiegelgeister im eigenen Sitz, so weiß man freilich jedes Mal, was einen erwartet - doch genau darauf läuft der Besuch hinaus. Man will das zu Erwartende zum wiederholten Male bestätigt bekommen.
Es wäre nur herrlich, wenn es im Horrorfilm-Genre auch mal ein wenig anders laufen würde. So sehr er der Geisterbahn und ihren Gestaltungsmöglichkeiten manchmal auch nacheifern möchte, er bleibt in seinem Medium Film gefangen und der ist eben zweidimensional. In der Geisterbahn bekomme ich eine Vielfalt von Sinneseindrücken, die harte Schale des Sessels, die fetzigen Lumpen des nun schon seit Jahren dastehenden und grummelnden Riesen, die lauwarme Belüftung aus den Gittern... und möglicherweise sieht man einmal sogar einen Techniker, der gerade an einer defekten Attraktion werkelt und genervt ruft: “Buh! Bitte links aussteigen!” Was kümmere ich mich da noch darum, dass im Grunde immer die gleiche Leier abgezogen wird?
Hier verstecken sich also Variationen, die der Film nicht hat - er bleibt immer in der gleichen blöden Mattscheibe gefangen. Also konzentriert man sich auf die Inhalte, auf das Visuelle. Und da hat “Dood eind”, eine niederländische Geisterbahnfahrt für die Augen, ganz schlechte Karten.
Nicht nur der Titel ist abgedroschenes 08/15-Stückwerk nach dem absoluten Reinheitsgebot, so dass die freie deutsche Übersetzung auch nicht mehr viel kaputtmachen kann. Nein, der Titel hält auch noch voll und ganz, was er verspricht.
Man betrete also das Gruselkabinett, das sich da “Dood eind” nennt und dessen Fassade ein riesiges stierendes Auge mit einem Feuerzirkel ziert und nehme im Sitz platz, auf dass man ordentlich geschockt werde, dass William Castle vor Freude gejauchzt hätte. Der Bügel zieht sich zu, die Mechanik kommt mit einem ratternden Geräusch in Gang und die Bahn setzt sich in Bewegung.
Zur Linken gibt es erst einmal eine hübsch ausstaffierte Szenerie aus der Vergangenheit. Hier soll uns wohl tatsächlich eine Geschichte erzählt werden. Ein Tonband gibt Schreie von sich und Knackgeräusche, während eine Frauenpuppe in einem Zimmer steht, umringt von rotgoldenem Lametta, das im Wind flattert und die Illusion eines Feuers aufrecht erhält. Die Frau ruft nach ihrem Kind, so scheint es.
Die nächste Szene: Wir sind wieder in der Gegenwart. Ein Banjo klimpert vor sich hin, während eine Gruppe von Jugendlichen unbeweglich im Schein des Feuers sitzt und lacht. Um sie herum aber düstere Bäume, die geisterhafte Schatten werfen. Die Jugendlichen merken das nicht, wir aber schon. Mein Nachbar murmelt “Die Szene kenn ich doch...” - er hat sicher schon mal einen Gruselfilm gesehen. Ganz gleich, welchen, übrigens. Solche Szenen gibt es in Slashern genauso wie in Monsterfilmen.
Während das Lachen der Jugendlichen aus dem Lautsprecher leiser wird, biegen wir um eine undekorierte Ecke und der Blick wird freigelegt auf die nächste Szene: Eine Bulldogge lechzt bedrohlich und funkelt mit roten Augen. Das Gekreische der Frauen aus der Jugendgruppe wirkt blechern, wie aus einem alten Hitchcock-Film. Stephen Kings “Cujo” trifft auf “Die Vögel”. Pompöse Angriffsmusik ertönt, der Wind bläst unablässlich.
Doch das Geschehen bringen wir schnell hinter uns, die Action weicht dem Mysteriösen - ein verlassenes Haus in der Frontansicht, Froschperspektive. Irgendwo oben scheint ein Licht zu brennen, das ist aber vielleicht auch Täuschung.
Jetzt wird’s surreal: Hieronymus Bosch hat wohl Pate gestanden für den “Room of the Staircase” - Ein verzweifelter junger Mann, dem die Techniker süße Fragezeichen über den Kopf montiert haben, inmitten eines Gewirrs aus Treppenstufen. “Das ist nicht logisch”, brabbelt die Monostimme auf niederländisch. “Das ist nicht logisch. Das ist nicht logisch.” Sie hört erst auf, als wir vorbei sind.
Endlich dann das, worauf wir alle gewartet haben. Völlig unverhofft blitzt vor uns eine Lichterscheinung auf, die eine totenblasse, schrecklich traurige Frau zeigt, die uns genau ins Antlitz kreischt. Mein Sitznachbar hat merklich gezuckt; ich auch ein wenig, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das Zucken nach Außen zu erkennen war. Die Frau kehrt immer wieder, einmal hinter einem Plastikvorhang, dann zuckt sie vor einem Spiegel mal wie eine “Silent Hill”-Kreatur, dann hüpft ein Mitarbeiter der Bahn in Frauenklamotten auf und säuselt kryptische Worte ins Ohr der Besucher. Das nenne ich Einsatz in Fleisch und Blut.
Kurz vor Schluss geht es dann noch mal durch einen Drehtunnel, der überall mit Glühbirnen verziert ist. Man mag das kaum mehr als Grusel durchgehen lassen, aber wenn man sich so mitten in diesem rollenden Ding befindet und die Lichter funkeln, dann sieht das einfach schön aus. Wer die gesamte Konstruktion angefertigt hat, muss überhaupt von Lichtern und Spezialeffekten begeistert gewesen sein, denn die ganze Fahrt über funkelten überall an den Kulissen irgendwelche Verzierungen, die so etwas wie Befall visualisieren sollten, eigentlich aber einfach nur hübsch waren.
Und so komme ich relativ vergnügt wieder aus dem Dunkeln hervor und bevor ich den Vergnügungspark verlasse, werde ich sicher noch eine Runde drehen. Ich möchte noch mal die Lichter auf meiner Haut spüren und sehen, wie die “lebende Kulisse” uns im zweiten Durchlauf erschrecken wird.
Der Punkt ist aber, in “Dood eind” gibt es dieses Live-Erlebnis nicht. Was bleibt demnach übrig? Eine Geschichte, die schon hundertmal verfilmt wurde. Ein paar ungruselige CGI-Effekte, die schon in “House on Haunted Hill” nicht gruselig waren, hier aber leider die Hälfte des Gruselpotenzials einnehmen. Eine Geisterfrau, die mal wieder etwas von den Lebenden will - “The Sixth Sense” lässt freundlich grüßen und das Creature Design sämtlicher Psycho-Geisterhorrorfilme ebenfalls. Keifende, dumme Jugendliche ohne sonderliches Schauspieltalent, die dem “10 kleine Negerlein”-Prinzip erneut anheim fallen. Eine langweilige Vorgeschichte, die zu alledem die Geschehnisse im Haus noch schön entmystifiziert. Kurz gefasst: Klischees, wie sie im Buche stehen. Auch noch vorgetragen mit allem Ernst dieser Welt, obwohl anfangs auch noch ein Hinweis gegeben wird, dass man sich vielleicht doch nicht selbst so ganz ernst nehmen wolle.
Wer sich im Genre ein klein wenig auskennt, sollte eigentlich allerschnellstens ziemlich gelangweilt sein von dem, was sich da aufbietet. Vereinzelte Momente sind sicher ganz nett geworden, das ein oder andere Mal kann man sich auch leicht erschrecken, aber nicht mehr unbedingt richtig geschockt sein, dazu hat es gerade in den letzten Jahren unter anderem durch die Asia-Geisterwelle zu viel starke Konkurrenz geregnet. Die ganze Story ist für die Katz und der Gruselpart ist schlichtweg nicht stark genug, um die Versäumnisse in Sachen Innovation wettzumachen. Es ist ja ganz nett, dass auch mal was aus den Niederlanden zu uns rüberschwappt, allerdings wird man sich hiermit keine eigene Marke erstellen, so wie es die Japaner jüngst geschafft haben.
Eine ungeschnittene DVD von Capelight gibt es seit August 2007. Review zur Scheibe gibts hier.
Haus der toten Seelen
Oh Weija, armes Vince ... ich kann mich da nur immer und immer wieder wiederholen, warum ich beim Horrorfilm meistens recht rigoros und hart bewerte: Dieses Genre, dem eigentlich keine echten Grenzen gesetzt sind, verpasst sich selber durch die Wiederholung der immer gleichen Klischees und Themen selbst einen Harnisch, der es letztendlich zu einem der Unbeweglichsten macht ... und imo ist das ziemlich arm. Leider ... und das es eben genauso läuft, konnte man oben ja wieder sehr schön dargelegt nachlesen ... Wo sind mal wieder Kaliber der Marke Hellraiser und Co. die einfach mal alles durcheinanderwirbeln?
In diesem Sinne:
freeman
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