Breaking News
Verfasst: 29.05.2006, 14:15
Breaking News
Originaltitel: Dai si gein
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2004
Regie: Johnnie To
Darsteller: Kelly Chen, Nick Cheung Ka Fai, Hui Siu-Hung, Lam Suet, Richie Ren, Simon Yam, Eddie Cheung Siu Fai u.a.
Inmitten der Straßen von Hongkong geht die Verhaftung einer kleinen Gruppe von Verbrechern komplett schief. Dabei muss eine Handvoll Polizisten ihr Leben lassen, während die Gangster fast unbehelligt entkommen. Dies löst Diskussionen aus, ob denn die Hongkonger Polizei in der Lage sei, die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Die Führungsspitze der Polizei plädiert nun für einen Machtbeweis und organisiert einen vollkommen von den Medien überwachten Angriff auf das derzeitige Versteck der Verbrecher. Dieses entpuppt sich leider als bewohntes Hochhaus und als in selbigen die Hölle losbricht, weil die Polizei schwer bewaffnet - unter anderem aber auch mit Knopflochkameras - das Gebäude stürmt, entpuppen sich einige Einwohner als sehr hilfsbereite Geiseln, während wiederum andere gar als Verstärkung zu den Verbrechern hinzustoßen. Die Folge ist eine heillos verfahrene Situation, in der irgendwann die Bilder und die Kommunikation der Parteien zu wichtigeren Waffen werden als Gewehre oder Pistolen ...
Johnnie To und seine Milkyway Productions Firma sind mittlerweile eine der wenigen Vielfilmerinstitutionen der ehemaligen Kronkolonie. To selber galt lange Zeit als großer Retter des Hongkong Kinos, was aufgrund von Filmen wie Running out of Time nicht viel Wunder nimmt. Doch wie so oft bedeutet Quantität nicht immer auch viel Qualität und so erwiesen sich vor allem in letzter Zeit seine unzähligen Projekte als eher durchwachsener Mix aus wirklich gelungenen Filmen und einigen hundertprozentigen Rohrkrepierern. Bei Breaking News ist To nun aber wieder auf der Höhe seines Könnens und liefert eine wunderbare Medienschelte ab, die er in einen netten Actioner zu verpacken wusste.
So beginnt To seinen Film mit einer siebenminütigen Szene, in der Entstehung und Ablauf einer Straßenschlacht mit einer unaufgeregten, megasouveränen Plansequenz dargestellt werden. Langsam kreist er um das Geschehen, verortet die Beteiligten bezüglich ihrer Zugehörigkeit zu einem der Lager, die sich gleich beharken werden und wenn die Ballerei losgeht, beginnt die Kamera ruhig und gelassen von Kombattanten zu Kombattanten zu schweben, um so den ganzen Ort des Geschehens genau zu kartographieren. Eine Explosion beendet die Plansequenz, an deren Ende einige Polizisten gestorben sind. Es folgen ein paar Briefings über diese misslungene Aktion der Polizei und die Aufspürung der Verbrecher in einem Wohnhaus. Nun rollt ein erster Angriff der Polizei an, der unversehens zurückgeschlagen wird und schon wechselt ein wenig die Perspektive. To rückt wider Erwarten die Verbrecher in den Mittelpunkt und lässt von Minute zu Minute die Cops unnahbarer und unsympathischer erscheinen. Und auch die Wahl der Waffen ändert sich. Die Polizei schneidet Bilder des Angriffes so zusammen, dass es wirkt, als seien die Cops erfolgreich gewesen, die Gangster stellen nun ihrerseits per Handycam gemachte Bilder ins Netz, die die Aktion der Polizei als blutiges Desaster entlarven. Mehr und mehr werden die Bilder und Informationen die eigentlichen Waffen in diesem Konflikt. Und während die Cops ihre Aktionen mit geschickt gesetzten Schnitten und Bildmanipulationen als Erfolge zu tarnen versuchen, filmen sich die Gangster beim gemütlichen Mittagsschnack mit ihren Geiseln. Mehr und mehr wendet sich die als PR-Maßnahme geplante Polizeiaktion gegen ihre "Schöpfer" und spätestens wenn sich die Gangster vor offenen Fenstern platzieren, in dem Wissen, dass sie von den Scharfschützen niemals erschossen werden, weil eben Hunderte Reporter vor Ort sind, verselbstständigt sich die Polizeiaktion komplett. Weit vor Ende des Konfliktes sind die Gangster die Gewinner der Aktion ...
Und diese Instrumentarisierung der Medien setzt To meines Erachtens grandios um. Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Parteien gegenseitig beharken und dabei versuchen so fotogen wie möglich zu wirken. Die Aktionen der Gangster entpuppen sich dabei als besonders schelmisch und die Einlage der Cops, ihre Männer als Menschen zu präsentieren und ihnen zu erlauben, mitten im Einsatz herbeigebrachtes, erstklassiges Essen zu verputzen, ringt dem Zuschauer mühelos ein Schmunzeln ab. Hier durchbricht der Film dann auch die Grenzen zu anderen "normalen" Geiselnahmefilmen und präsentiert sich als vollkommen andere Version derartiger Filme, geht es doch nicht ausnehmend um Suspense und Action. Klar muss To insbesondere für den Medienschelteaspekt auch auf Klischees zurückgreifen, doch diese sind bis auf die extreme Überzeichnung der PR-Chefin der Polizei allesamt zu vernachlässigen. Und ganz ehrlich, dank meines Studiums müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, mir wären derartige Karrierebitches ohne Sozialleben und Freunde, die alles kühl abwägen und im Grunde von der Materie keine Ahnung haben, wirklich vollkommen fremd. Kurzum: Storytechnisch passt hier alles. Dabei ist der Film mit seiner insgesamt recht kurzen Laufzeit von 85 Minuten keine Sekunde zu lang und schafft es dennoch recht greifbare Charaktere zu kreieren.
Wobei eben vor allem hervorsticht, dass To - der schon immer ein Herz für die Außenseiter der Gesellschaft hatte, vor allem eben die kriminellen - den Sympathiefokus überdeutlich auf die souverän und cool aufspielenden Gangster legt. Zunächst meint man noch, man müsse sich mit dem doch recht hitzköpfigen und immer angepisst dreinschauenden, jungen Cop anfreunden, der die ersten 15 Minuten des Filmes beherrscht, doch mit Ankunft des Filmes in dem Wohnhaus ist klar, für wen sich To wirklich interessiert. Am deutlichsten wird dies bei den Szenen rund um den Medienaspekt des Filmes: Die "Guten" manipulieren, inszenieren und verändern ... sprich lügen, während die "Bösen" die wahren Bilder liefern und ganz nebenbei ihren "Alltag" bebildern ... sprich: ehrenhaft und richtig handeln. Zusätzlich romantisiert To am Ende die Verbrecher wie nur er es kann. Toll! Auf Seiten der Cops gibt es dann auch den einzig wahren bekannten Schauspieler in diesem Film zu sehen: Simon Yam, der allerdings nicht mehr als ein besseres Cameo zu verzeichnen hat. Der Rest des Castes setzt sich aus einem weitgehend unbekannten und unverbrauchten Cast zusammen, der sich insgesamt weitgehend am westlichen Schauspielstil orientiert.
Optisch ist der Film ein To typischer Hochgenuss geworden. Die eingangs erwähnte Plansequenz ist technisch topp und hervorragend choreographiert. Eine weitere grandiose Szene präsentiert zwei Gangster und einen Cop auf drei verschiedenen Ebenen in einem Fahrstuhlschacht. Während sich die drei Parteien gegenseitig beschießen, fabulieren sie, über das, was aus ihnen hätte werden können, wenn sie einen jeweils anderen Weg eingeschlagen hätten. Diese geniale Einlage präsentiert To häufiger in einer Totalen, die alle drei Ebenen einsehen lässt. Absolut genial. Die Szenen in dem Wohnhaus präsentiert To dann eher monochrom blaustichig und zumindest eben sehr farbentzogen und arbeitet extrem viel mit seiner perfekt durchkomponierten Bildersprache. Die Action inszeniert er mit großem Hang zur Realistik, wertet aber Schlüsselszenen mit diversen Spielereien wie ästhetischen Zeitlupen noch einmal deutlich auf. Überwiegend sprechen in dem Film die Schusswaffen, doch auch die eine oder andere druckvolle Explosion wird präsentiert, wobei allerdings ein paar CGI Rauchwolken an der Wohnhauswand negativ aus dem Rahmen fallen. Untermalt wird die Action von einem treibenden, teils recht elektronischem Score, während die ruhigen Momente von sanften, jazzig angehauchten Musikstücken dominiert werden.
Was bleibt ist eine wahrhaft actionreiche Medienschelte, die ihr Ziel der Anprangerung der Manipulierbarkeit der Medien niemals aus den Augen verliert, mit einem guten Cast punktet und von To optisch opulent umgesetzt wurde.
Die DVD von Kinowelt bietet den Film in guter Bildqualität, lässt aber insgesamt vor allem bei den actionreichen Abschnitten einiges an tonalen Druck missen. Einige Extras haben es obendrein auf die Disc geschafft und runden den Kauftipp ab ...
In diesem Sinne:
freeman
Originaltitel: Dai si gein
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2004
Regie: Johnnie To
Darsteller: Kelly Chen, Nick Cheung Ka Fai, Hui Siu-Hung, Lam Suet, Richie Ren, Simon Yam, Eddie Cheung Siu Fai u.a.
Inmitten der Straßen von Hongkong geht die Verhaftung einer kleinen Gruppe von Verbrechern komplett schief. Dabei muss eine Handvoll Polizisten ihr Leben lassen, während die Gangster fast unbehelligt entkommen. Dies löst Diskussionen aus, ob denn die Hongkonger Polizei in der Lage sei, die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Die Führungsspitze der Polizei plädiert nun für einen Machtbeweis und organisiert einen vollkommen von den Medien überwachten Angriff auf das derzeitige Versteck der Verbrecher. Dieses entpuppt sich leider als bewohntes Hochhaus und als in selbigen die Hölle losbricht, weil die Polizei schwer bewaffnet - unter anderem aber auch mit Knopflochkameras - das Gebäude stürmt, entpuppen sich einige Einwohner als sehr hilfsbereite Geiseln, während wiederum andere gar als Verstärkung zu den Verbrechern hinzustoßen. Die Folge ist eine heillos verfahrene Situation, in der irgendwann die Bilder und die Kommunikation der Parteien zu wichtigeren Waffen werden als Gewehre oder Pistolen ...
Johnnie To und seine Milkyway Productions Firma sind mittlerweile eine der wenigen Vielfilmerinstitutionen der ehemaligen Kronkolonie. To selber galt lange Zeit als großer Retter des Hongkong Kinos, was aufgrund von Filmen wie Running out of Time nicht viel Wunder nimmt. Doch wie so oft bedeutet Quantität nicht immer auch viel Qualität und so erwiesen sich vor allem in letzter Zeit seine unzähligen Projekte als eher durchwachsener Mix aus wirklich gelungenen Filmen und einigen hundertprozentigen Rohrkrepierern. Bei Breaking News ist To nun aber wieder auf der Höhe seines Könnens und liefert eine wunderbare Medienschelte ab, die er in einen netten Actioner zu verpacken wusste.
So beginnt To seinen Film mit einer siebenminütigen Szene, in der Entstehung und Ablauf einer Straßenschlacht mit einer unaufgeregten, megasouveränen Plansequenz dargestellt werden. Langsam kreist er um das Geschehen, verortet die Beteiligten bezüglich ihrer Zugehörigkeit zu einem der Lager, die sich gleich beharken werden und wenn die Ballerei losgeht, beginnt die Kamera ruhig und gelassen von Kombattanten zu Kombattanten zu schweben, um so den ganzen Ort des Geschehens genau zu kartographieren. Eine Explosion beendet die Plansequenz, an deren Ende einige Polizisten gestorben sind. Es folgen ein paar Briefings über diese misslungene Aktion der Polizei und die Aufspürung der Verbrecher in einem Wohnhaus. Nun rollt ein erster Angriff der Polizei an, der unversehens zurückgeschlagen wird und schon wechselt ein wenig die Perspektive. To rückt wider Erwarten die Verbrecher in den Mittelpunkt und lässt von Minute zu Minute die Cops unnahbarer und unsympathischer erscheinen. Und auch die Wahl der Waffen ändert sich. Die Polizei schneidet Bilder des Angriffes so zusammen, dass es wirkt, als seien die Cops erfolgreich gewesen, die Gangster stellen nun ihrerseits per Handycam gemachte Bilder ins Netz, die die Aktion der Polizei als blutiges Desaster entlarven. Mehr und mehr werden die Bilder und Informationen die eigentlichen Waffen in diesem Konflikt. Und während die Cops ihre Aktionen mit geschickt gesetzten Schnitten und Bildmanipulationen als Erfolge zu tarnen versuchen, filmen sich die Gangster beim gemütlichen Mittagsschnack mit ihren Geiseln. Mehr und mehr wendet sich die als PR-Maßnahme geplante Polizeiaktion gegen ihre "Schöpfer" und spätestens wenn sich die Gangster vor offenen Fenstern platzieren, in dem Wissen, dass sie von den Scharfschützen niemals erschossen werden, weil eben Hunderte Reporter vor Ort sind, verselbstständigt sich die Polizeiaktion komplett. Weit vor Ende des Konfliktes sind die Gangster die Gewinner der Aktion ...
Und diese Instrumentarisierung der Medien setzt To meines Erachtens grandios um. Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Parteien gegenseitig beharken und dabei versuchen so fotogen wie möglich zu wirken. Die Aktionen der Gangster entpuppen sich dabei als besonders schelmisch und die Einlage der Cops, ihre Männer als Menschen zu präsentieren und ihnen zu erlauben, mitten im Einsatz herbeigebrachtes, erstklassiges Essen zu verputzen, ringt dem Zuschauer mühelos ein Schmunzeln ab. Hier durchbricht der Film dann auch die Grenzen zu anderen "normalen" Geiselnahmefilmen und präsentiert sich als vollkommen andere Version derartiger Filme, geht es doch nicht ausnehmend um Suspense und Action. Klar muss To insbesondere für den Medienschelteaspekt auch auf Klischees zurückgreifen, doch diese sind bis auf die extreme Überzeichnung der PR-Chefin der Polizei allesamt zu vernachlässigen. Und ganz ehrlich, dank meines Studiums müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, mir wären derartige Karrierebitches ohne Sozialleben und Freunde, die alles kühl abwägen und im Grunde von der Materie keine Ahnung haben, wirklich vollkommen fremd. Kurzum: Storytechnisch passt hier alles. Dabei ist der Film mit seiner insgesamt recht kurzen Laufzeit von 85 Minuten keine Sekunde zu lang und schafft es dennoch recht greifbare Charaktere zu kreieren.
Wobei eben vor allem hervorsticht, dass To - der schon immer ein Herz für die Außenseiter der Gesellschaft hatte, vor allem eben die kriminellen - den Sympathiefokus überdeutlich auf die souverän und cool aufspielenden Gangster legt. Zunächst meint man noch, man müsse sich mit dem doch recht hitzköpfigen und immer angepisst dreinschauenden, jungen Cop anfreunden, der die ersten 15 Minuten des Filmes beherrscht, doch mit Ankunft des Filmes in dem Wohnhaus ist klar, für wen sich To wirklich interessiert. Am deutlichsten wird dies bei den Szenen rund um den Medienaspekt des Filmes: Die "Guten" manipulieren, inszenieren und verändern ... sprich lügen, während die "Bösen" die wahren Bilder liefern und ganz nebenbei ihren "Alltag" bebildern ... sprich: ehrenhaft und richtig handeln. Zusätzlich romantisiert To am Ende die Verbrecher wie nur er es kann. Toll! Auf Seiten der Cops gibt es dann auch den einzig wahren bekannten Schauspieler in diesem Film zu sehen: Simon Yam, der allerdings nicht mehr als ein besseres Cameo zu verzeichnen hat. Der Rest des Castes setzt sich aus einem weitgehend unbekannten und unverbrauchten Cast zusammen, der sich insgesamt weitgehend am westlichen Schauspielstil orientiert.
Optisch ist der Film ein To typischer Hochgenuss geworden. Die eingangs erwähnte Plansequenz ist technisch topp und hervorragend choreographiert. Eine weitere grandiose Szene präsentiert zwei Gangster und einen Cop auf drei verschiedenen Ebenen in einem Fahrstuhlschacht. Während sich die drei Parteien gegenseitig beschießen, fabulieren sie, über das, was aus ihnen hätte werden können, wenn sie einen jeweils anderen Weg eingeschlagen hätten. Diese geniale Einlage präsentiert To häufiger in einer Totalen, die alle drei Ebenen einsehen lässt. Absolut genial. Die Szenen in dem Wohnhaus präsentiert To dann eher monochrom blaustichig und zumindest eben sehr farbentzogen und arbeitet extrem viel mit seiner perfekt durchkomponierten Bildersprache. Die Action inszeniert er mit großem Hang zur Realistik, wertet aber Schlüsselszenen mit diversen Spielereien wie ästhetischen Zeitlupen noch einmal deutlich auf. Überwiegend sprechen in dem Film die Schusswaffen, doch auch die eine oder andere druckvolle Explosion wird präsentiert, wobei allerdings ein paar CGI Rauchwolken an der Wohnhauswand negativ aus dem Rahmen fallen. Untermalt wird die Action von einem treibenden, teils recht elektronischem Score, während die ruhigen Momente von sanften, jazzig angehauchten Musikstücken dominiert werden.
Was bleibt ist eine wahrhaft actionreiche Medienschelte, die ihr Ziel der Anprangerung der Manipulierbarkeit der Medien niemals aus den Augen verliert, mit einem guten Cast punktet und von To optisch opulent umgesetzt wurde.
Die DVD von Kinowelt bietet den Film in guter Bildqualität, lässt aber insgesamt vor allem bei den actionreichen Abschnitten einiges an tonalen Druck missen. Einige Extras haben es obendrein auf die Disc geschafft und runden den Kauftipp ab ...
In diesem Sinne:
freeman