Babylon A.D.
Verfasst: 12.09.2008, 01:05
Babylon A.D.
Originaltitel: Babylon A.D
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: Frankreich
Regie: Mathieu Kassovitz
Darsteller: Vin Diesel, Michelle Yeoh, Mélanie Thierry, Gérard Depardieu, Charlotte Rampling, Lambert Wilson
Während Kollege The Rock nur noch in Komödien und Familienfilmen unterwegs zu sein und seine so vielversprechend begonnen habende Actionstarkarriere zugunsten genrefremder Rollen an den Nagel gehängt zu haben scheint, findet „The Fast and the Furious“-Star Vin Diesel vier Jahre nach David Twohys stylishem Sci-Fi-Krawall „Riddick“ nun mit „Babylon A.D.“ wieder zurück ins Actiofach, nachdem er mit der billigen „Kindergartencop“-Kopie „Der Babynator“ und dem Gerichtsfilm „Find Me Guilty“ ebenfalls in genrefremde Sphären exkursiert war. Unter der Regie des nach dem eher schwachen US-Ausflug „Gothika“ wieder nach Frankreich zurückgekehrten „Die purpurnen Flüsse“-Regisseurs Mathieu Kassovitz darf Diesel in der 2008er Produktion einmal mehr die (diesmal nicht allzu ferne) Zukunft zerlegen und schlägt sich folglich mehr oder weniger im „Riddick“-Modus durch ein düsteres Endzeitspektakel, das insgesamt solide unterhält, aber auch mit zahlreichen Schwächen zu kämpfen hat.
In finsterer Zukunft herrscht auf Erden Anarchie, Terrorismus, Armut und Angst. Söldner Toorop (Vin Diesel) vegetiert im düsteren Kasachstan vor sich hin. Als er von Verbrechergröße Gorsky (Gerard Depardieu) den Auftrag angeboten bekommt, ein Mädchen namens Aurora aus einem osteuropäischen Kloster nach New York zu eskortieren, sagt er ob stattlicher Bezahlung und der Aussicht auf einen Einreisepass in die Vereinigten Staaten nicht Nein. Unterwegs stellt sich jedoch heraus, dass eine geheimnisvolle Sekte Interesse an Aurora hat und auch das Mädchen selbst erweist sich als mit rätselhaften Kräften ausgestattet. Auf der gefährlichen Reise bleibt Toorop nichts anderes übrig, als sich damit auseinanderzusetzen, wer sein Schützling wirklich ist…
Eine für die Zukunft der Menschheit bedeutende Frau muss in düsterem Endzeitambiente von Punkt A nach Punkt B gebracht werden – originell ist die bewährte Storybasis von „Babylon A.D.“, derer sich schon so viele Genreproduktionen unterschiedlichster Machart bedienten, wirklich nicht, doch tatsächlich funktioniert Kassovitz’ Streifen am besten, solange er ebenjenes klassische Konzept als traditionelle Mixtur düsterer Atmosphäre und rasanter Action als Verfolgungsjagd über mehrere Kontinente verfolgt. Angekommen in New York versuchen die Autoren jedoch, dem althergebrachten Plotkonstrukt ein mit eigenen Ideen angereichertes Finale anzuhängen und verzetteln sich in einem fürchterlich konfusen , so einfalls- wie ziellosen und banalen Sektenplot, dessen Inhalt sich als genauso schwach erweist wie die Umsetzung. Funktionierte „Babylon A.D.“ als konventionelle Endzeithatz über weite Strecken recht souverän, so gerät er auf der Zielgeraden gehörig ins Schleudern und evoziert allgemein den Eindruck, weitaus intelligenter und epischer sein zu wollen als er auch nur im Ansatz ist.
Dass Kassovitz die Chose dafür visuell jederzeit im Griff hat, beweist er mit chicer Optik und stylisher Inszenierung, die düstere Ostblock-Tristesse genauso überzeugend transportiert wie hochglanzpolierten CGI-Actionkrawall inklusive gängigem Stilmitteleinsatz von Slow-Motion bis Gewackel und Schnittstakkatos. „Babylon A.D.“ bietet im Grunde drei große Actionszenen, die sich aus einer Hand-to-hand-Combat-gespickten Fußverfolgungsjagd, einer Motorschlitten-Hatz durch eine Eiswüste sowie einem sehr ästhetikorientierten Shootout in den Straßen des futuristischen New York rekrutieren. Während erst- und letztgenannte Sequenz unter allzu hektischer Inszenierung und Schnitt-Overkill zu leiden haben, gleichzeitig jedoch auch mit toller Kameaarbeit auftrumpfen und aus ihrem Konzept immer noch ansprechendere Action extrahieren als die beispielhaften und völlig ruinierten „Bourne“-Filme, kristalliert sich die Motorschlitten-Jagd als klares Highlight heraus, das mit reichlich Explosionen, spektakulären Stunts und den coolsten Raketenabschuss-Einstellungen seit „Stealth“ gefällt.
Vin Diesel spielt seine Heldenrolle auf erwartet souveräne Art im bewährten „Riddick“-Modus, post als coole Sau und scheitert lediglich am in der Schlussszene präsentierten Versuch, Emotionen zu zeigen und Schauspielerisches zu leisten, beeindruckend kläglich, während die scheinbar nur noch als Supportcast-Zierde hochkarätiger US-Produktionen agierende HK-Actionqueen Michelle Yeoh, erst vor kurzem im dritten Teil der „The Mummy“-Franchise und zuvor Danny Boyles „Sunshine“ zu sehen, als Auroras Begleiterin eine solide Leistung erbringt, ihre Martial-Arts-Darbietungen aber leider vom inszenatorischen und Schnitt-Overkill verschluckt werden. Gerard Depardieu, „Matrix“-Merowinger Lambert Wilson und eine als Karikatur ihrer eigenen Figur daherkommende Charlotte Rampling verleihen der Besetzung darüber hinaus in Nebenrollen prominenten Glanz.
Seine Endzeit hat Kassovitz solide im Griff, präsentiert eine von der völligen Verwüstung à la „Mad Max“-Sequels noch weit entfernte, dafür aber von Terrorismus, Angst, Kälte und tief klaffendem Arm/Reich-Kontrast dominierte Zukunft und verpackt sie in zumeist kühl-triste Bilder sowie einige schöne Landschaftsaufnahmen. Einen großen Pluspunkt verschaffen „Babylon A.D.“ darüber hinaus Score und Soundtrack, da sowohl Hip-Hop- als auch Metal-Klänge sowie optimal platzierte Musikuntermalung der Actionszenen stets stimmig und atmosphärisch zu gefallen wissen.
Fazit: Vin Diesel ist zurück auf der Actionbühne und stapft im bewährten Heldenmodus durch eine düstere Zukunftsvision: „Babylon A.D.“ erfindet das Endzeitgenre wahrlich nicht neu, hat mit einer schwachen, weil so unoriginellen wie gegen Ende leicht abstrusen Story zu kämpfen und ruiniert seine Actionszenen teils durch die üblichen neumodischen Inszenierungsunsitten, abseits davon liefert Mathieu Kassovitz aber solide Unterhaltung, die atmosphärisch passabel ist, einige Schauwerte zu bieten hat und über chice Optik sowie hervorragende Musikuntermalung verfügt. Kein Fehler, aber auch kein großer Wurf.
Während sich die Amis mit einer zugunsten eines PG-13-Ratings gekürzten Version zufrieden geben müssen, läuft in Deutschland seit 11.9.08 die europäische uncut-Fassung mit einer FSK-16 im Kino.
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freeman dieselt:
Irgendwann in der Zukunft. Toorop, ein Berg von einem Mann, lebt einsam sein Leben in einem von diversen Kriegen gezeichneten osteuropäischen Landstrich und kommt mit seiner Fuck the World Attitüde hervorragend klar. Da steht auf einmal ein Einsatzkommando vor ihm und „bittet“ ihn, sich mit einem Gauner namens Gorsky zu treffen. Diese osteuropäische Pate für Arme Variante hat für Toorop ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. Eine halbe Million winkt, wenn er es schafft, ein junges Mädchen - namens Aurora - binnen sechs Tagen nach New York zu bringen. Einen echten Haken gäbe es nicht und wenn, habe er Toorop bei dem „Gehalt“ nicht zu interessieren. Toorop willigt ein, winkt doch obendrein die Möglichkeit, mit einem neuen Pass und einer neuen Identität in den USA, aus denen er einst verjagt wurde, wieder sesshaft zu werden. Doch recht schnell muss er bemerken, dass seine Schutzbefohlene alles andere als ein normales Mädchen ist, ahnt sie doch im Voraus, wenn Gefahr droht und erweist sie sich als deutlich empathischer, als es gesund sein kann ...
Babylon A.D. oder Children of Men in prollig ist ein Streifen, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen, der es einem aber genauso unmöglich macht, ihn zu hassen. Dabei ist es nicht ein einzelner Punkt, der einem negativ aufstößt und eventuell durch einen anderen Hervorragenden abgefedert werden könnte. Nein. Vielmehr ist der Streifen in der Summe all seiner Teile ein höchst durchwachsener Mix aus guten und weniger guten Elementen.
Nehmen wir Hauptdarsteller Vin Diesel. Einst mit Pitch Black unverhofft in den Stardom aufgestiegen, schob er mit The Fast and the Furious, Riddick und Tripple xXx Streifen nach, die seinen Status als neuer Actionheld zementierten. Doch dann folgte eine ganze Latte an seltsamen Karriereentscheidungen, die in Verbindung mit untragbaren Gehaltsvorstellungen die Actionhoffnung Vin Diesel allmählich zur Witzfigur geraten ließen. Dementsprechend geriet das verbliebene Fandom in helle Aufregung, als es hieß, es sei demnächst eine actionorientiertere Produktion zu erwarten. Durch diese stapft Vin Diesel nun recht stoisch und immer im Pitch Black Rasselbassmodus, ohne auch nur ansatzweise von dem Riddickrollentypus abzuweichen. Das ist über weite Strecken einfach nur rotzencool, in genau den Szenen, wo es mal darauf ankäme, die Darstellung zu variieren - was Diesel nicht tut – wird die zur Schau getragene Übercoolness dann allerdings hochnotpeinlich und führt obendrein zu einer ganzen Packung an unfreiwilligem Humor.
Dabei ist vor allem die erste Stunde Diesels Sternstunde, denn hier reicht die blanke Coolness locker aus, da der Streifen hier wahrlich nicht viel zu erzählen hat und im Grunde nicht mehr als ein Fluchtstreifen mit vereinzelten, recht unspektakulären Actioneinlagen darstellt. In dieser Phase pfeift das Drehbuch auf eine logische Storyentwicklung, gibt einen Pfifferling auf seine Figuren und lanciert einige echte Schwachmatendialoge, bleibt aber immer temporeich und lässt in Verbindung mit genialen Bildern keinerlei Form von Langeweile aufkommen. Doch dann wird das Enddrittel eingeleitet und auf einmal zerfasert der Streifen in ein seltsames Etwas voll von pseudophilosophischem Seinsgeschwafel (witzigerweise vom Matrix Merowinger Lambert Wilson vorgetragen), türmt sich Plothole auf Plothole und werden auf einmal Charakterzüge an den Figuren interessant, die vorher niemanden gejuckt haben ... auch und vor allem das Drehbuch nicht.
In dieser Phase geht hier gar nichts mehr zusammen. Der Showdown wird 20 Minuten vor Schluss gezündet und dann noch ein Ende angehangen, das erstens, kein Ende nehmen will und zweitens, nicht wirklich logisch ist, vor allem, wenn auf einmal alle Parteien, die Diesel und Co. bisher jagten, nicht mehr existent zu sein scheinen. Spätestens im letzten Abschnitt spürt man förmlich in jeder Einstellung, dass Regisseur Mathieu Kassovitz sein Film von den Produzenten weggenommen und vermutlich vor allem in den ersten zwei Dritteln deutlich stärker auf den Actionaspekt getrimmt wurde, was dem Endprodukt nun gar nicht bekommt.
Und damit sind wir bei dem dritten Punkt: Regisseur Mathieu Kassovitz lieferte mit seinem Die purpurnen Flüsse einst die Initialzündung für das neue, deutlich publikumsorientiertere Blockbusterkino aus Frankreich, das auch außerhalb der arthouseverrückten Grande Nation hervorragend funktioniert und vor allem im Action- und Horrorbereich unglaublich frisch und geradezu innovativ daherkommt. Die wichtigsten Eckpunkte dieses neuen französischen Kinos bedient Kassovitz auf den Punkt. So gibt es zwar inhaltlich letztendlich nur ein wüstes Zutatenpotpourri aus Children of Men, Klapperschlange und ähnlichen Dark Future Streifen, doch die Verpackung ist hier, worauf es ankommt. So lanciert der Franzose unglaublich geniale, teils stark getrickste Bilder einer postapokalyptischen Gesellschaft, die permanent auf ihr Ende zusteuert (der Einstieg in Osteuropa), geht über in die unverbrauchten Settings des ewigen Eises, um schlussendlich in den vor optischen Reizen überlaufenden Bildern eines Großstadtmolochs zu enden. Die Kamerafahrten, die Einstellungen, die subtil eingebundenen CGI Effekte – kurzum die Schauwerte – stimmen absolut und machen Babylon A.D. zu einer dieser unglaublichen Stylebomben, wie sie derzeit anscheinend nur die Franzosen hinbekommen / hinbekommen wollen.
Doch Kassovitz hat noch mehr Probleme als nur die ihm entrissene Story: Kurz umrissen sei das Problem mit Bourne Wackeloptik. Gegen diese habe ich nichts, solange sie wie bei Bourne eben zum Grundkonzept des Filmes passt und aus dramaturgischer Sicht Sinn macht. Das Problem bei Babylon A.D. ist, dass die ruppige Bourne Wackeloptik vor allem in den Actionszenen des ersten Drittels sehr gut passt und das Dreckige und Raue der hier vorherrschenden Verhältnisse unterstreicht. Doch mit zunehmender Laufzeit reißt Babylon A.D. etwas auf und wird mehr in Richtung Hochglanzactionbombe getrimmt. Und damit konfligiert der Wackelkameraansatz dann extrem, zumal man hier irgendwann wirklich überhaupt nicht mehr erkennt, was auf der Leinwand passiert. Dies wird einem umso schmerzlicher bewusst, wenn Kassovitz auf einmal in dem vollkommen hektischen und unübersichtlichen Showdown eine Augenweide sondergleichen zündet und eine Explosion in Bullet Time präsentiert, die der puren Zerstörungskraft der Bombe fast schon poetische Züge verleiht. Hier verschenkt Kassovitz sehr viel, zumal ihm eben auch derartige Höhepunkte vorher seltsamerweise ziemlich abgehen und handfeste Action erstaunlicherweise extreme Mangelware in Babylon A.D. ist ...
Vollkommen irre ist dann die Besetzung des Streifens geraten. Vin Diesel bekommt Michelle Yeoh an die Seite gestellt. Die Asiatin bildet das emotionale Rückgrat des Streifens und funktioniert darstellerisch auf den Punkt, auch wenn man über ihre Figur leider verdammt wenig erfährt. In der miesen Actioninszenierung von Mathieu Kassovitz gehen im Übrigen leider ihre tollen Kampfsporteinlagen vollkommen unter. Vollkommen unter geht auch Mélanie Thierry als Aurora und damit Schutzbefohlene Diesels. Zum einen war sie optisch wirklich absolut nicht mein Fall und zum anderen krakeelte sie sich mit dem gleichen miesen Overacting durch den Streifen, der schon Milla Jovovichs frühe Leinwandauftritte zu echten Geduldsproben machte. Die Folge: Man wünscht sich förmlich, Toorop würde die Gute einfach irgendwo in ein Loch schmeißen, zumal einem das von den Franzosen zuletzt immer wieder lancierte „sphärische Jungfrau als Rettung für alle Probleme“ Motiv eh langsam aber sicher auf den Zeiger geht. Total neben der Spur läuft auch Charlotte Rampling als Hohepriesterin! Keine Ahnung, was Kassovitz in dieser Figur transportieren wollte, es funktioniert zu keinem Augenblick. Ist sie religiöse Eiferin? Geldgeile Schlampe? Eiskaltes Biest? Eine böse Omi? Jau, irgendwas von allem ... obendrein schlecht geschminkt. Da kommt Gerard Depardieu mit seiner vollkommen abseitigen und kaputten Performance als Russenmafioso deutlich besser weg und macht in seinen beiden Auftritten ordentlich Spaß. Beim Rest des Castes setzt sich dieses Spiel aus Licht und Schatten durchgehend fort.
Und selbst im musikalischen Bereich regiert dieser seltsame Mix aus hervorragenden und unterirdischen Momenten. Atli Örvarsson, ein Hans Zimmer (der den Score auch produzierte) Zögling, findet vor allem in der ersten halben Stunde keine klare Linie. Französischstämmiger, fetter Hip Hop trifft auf nicht vorhandene Scorethemen und seltsame Rocknummern. Im Mittelteil fängt sich Atli Örvarsson kurz, um dann mit der Ankunft in New York ganz groß aufzutrumpfen. Danach lässt er einfach ein Hans Zimmer Thema auf uns einprasseln und verschwindet wieder im Elektronikgeblubber.
Man sieht, Babylon A.D. ist auf allen Ebenen ein seltsam unausgegorener Mix aus Elementen, die einerseits sehr gut funktionieren und andererseits dann wiederum so gar nicht ineinander greifen wollen. Sei es auf der Ebene des Drehbuches, der Darsteller, der Optik, der Musik ... Babylon A.D. ist alles mögliche, nur kein rundes Filmerlebnis. Dabei gibt es einfach geniale Ideen (Limousinentransfer per Hubschrauber, auf cool gepimpte Militärfahrzeuge), macht vor allem die temporeiche erste Stunde ganz ordentlich Spaß, stimmen die Bilder der apokalyptischen Zustände auf den Punkt und gibt es mit der Szene um das „Boot“ im ewigen Eis auch einen richtig beklemmenden Moment. Doch im letzten Drittel fällt der Film in sich zusammen und bekommt auf die harte Tour beigebracht, dass man mit einem so miesen Story- und Figurenunterbau nur verlieren kann. Schade drum ...
In diesem Sinne:
freeman
Originaltitel: Babylon A.D
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: Frankreich
Regie: Mathieu Kassovitz
Darsteller: Vin Diesel, Michelle Yeoh, Mélanie Thierry, Gérard Depardieu, Charlotte Rampling, Lambert Wilson
Während Kollege The Rock nur noch in Komödien und Familienfilmen unterwegs zu sein und seine so vielversprechend begonnen habende Actionstarkarriere zugunsten genrefremder Rollen an den Nagel gehängt zu haben scheint, findet „The Fast and the Furious“-Star Vin Diesel vier Jahre nach David Twohys stylishem Sci-Fi-Krawall „Riddick“ nun mit „Babylon A.D.“ wieder zurück ins Actiofach, nachdem er mit der billigen „Kindergartencop“-Kopie „Der Babynator“ und dem Gerichtsfilm „Find Me Guilty“ ebenfalls in genrefremde Sphären exkursiert war. Unter der Regie des nach dem eher schwachen US-Ausflug „Gothika“ wieder nach Frankreich zurückgekehrten „Die purpurnen Flüsse“-Regisseurs Mathieu Kassovitz darf Diesel in der 2008er Produktion einmal mehr die (diesmal nicht allzu ferne) Zukunft zerlegen und schlägt sich folglich mehr oder weniger im „Riddick“-Modus durch ein düsteres Endzeitspektakel, das insgesamt solide unterhält, aber auch mit zahlreichen Schwächen zu kämpfen hat.
In finsterer Zukunft herrscht auf Erden Anarchie, Terrorismus, Armut und Angst. Söldner Toorop (Vin Diesel) vegetiert im düsteren Kasachstan vor sich hin. Als er von Verbrechergröße Gorsky (Gerard Depardieu) den Auftrag angeboten bekommt, ein Mädchen namens Aurora aus einem osteuropäischen Kloster nach New York zu eskortieren, sagt er ob stattlicher Bezahlung und der Aussicht auf einen Einreisepass in die Vereinigten Staaten nicht Nein. Unterwegs stellt sich jedoch heraus, dass eine geheimnisvolle Sekte Interesse an Aurora hat und auch das Mädchen selbst erweist sich als mit rätselhaften Kräften ausgestattet. Auf der gefährlichen Reise bleibt Toorop nichts anderes übrig, als sich damit auseinanderzusetzen, wer sein Schützling wirklich ist…
Eine für die Zukunft der Menschheit bedeutende Frau muss in düsterem Endzeitambiente von Punkt A nach Punkt B gebracht werden – originell ist die bewährte Storybasis von „Babylon A.D.“, derer sich schon so viele Genreproduktionen unterschiedlichster Machart bedienten, wirklich nicht, doch tatsächlich funktioniert Kassovitz’ Streifen am besten, solange er ebenjenes klassische Konzept als traditionelle Mixtur düsterer Atmosphäre und rasanter Action als Verfolgungsjagd über mehrere Kontinente verfolgt. Angekommen in New York versuchen die Autoren jedoch, dem althergebrachten Plotkonstrukt ein mit eigenen Ideen angereichertes Finale anzuhängen und verzetteln sich in einem fürchterlich konfusen , so einfalls- wie ziellosen und banalen Sektenplot, dessen Inhalt sich als genauso schwach erweist wie die Umsetzung. Funktionierte „Babylon A.D.“ als konventionelle Endzeithatz über weite Strecken recht souverän, so gerät er auf der Zielgeraden gehörig ins Schleudern und evoziert allgemein den Eindruck, weitaus intelligenter und epischer sein zu wollen als er auch nur im Ansatz ist.
Dass Kassovitz die Chose dafür visuell jederzeit im Griff hat, beweist er mit chicer Optik und stylisher Inszenierung, die düstere Ostblock-Tristesse genauso überzeugend transportiert wie hochglanzpolierten CGI-Actionkrawall inklusive gängigem Stilmitteleinsatz von Slow-Motion bis Gewackel und Schnittstakkatos. „Babylon A.D.“ bietet im Grunde drei große Actionszenen, die sich aus einer Hand-to-hand-Combat-gespickten Fußverfolgungsjagd, einer Motorschlitten-Hatz durch eine Eiswüste sowie einem sehr ästhetikorientierten Shootout in den Straßen des futuristischen New York rekrutieren. Während erst- und letztgenannte Sequenz unter allzu hektischer Inszenierung und Schnitt-Overkill zu leiden haben, gleichzeitig jedoch auch mit toller Kameaarbeit auftrumpfen und aus ihrem Konzept immer noch ansprechendere Action extrahieren als die beispielhaften und völlig ruinierten „Bourne“-Filme, kristalliert sich die Motorschlitten-Jagd als klares Highlight heraus, das mit reichlich Explosionen, spektakulären Stunts und den coolsten Raketenabschuss-Einstellungen seit „Stealth“ gefällt.
Vin Diesel spielt seine Heldenrolle auf erwartet souveräne Art im bewährten „Riddick“-Modus, post als coole Sau und scheitert lediglich am in der Schlussszene präsentierten Versuch, Emotionen zu zeigen und Schauspielerisches zu leisten, beeindruckend kläglich, während die scheinbar nur noch als Supportcast-Zierde hochkarätiger US-Produktionen agierende HK-Actionqueen Michelle Yeoh, erst vor kurzem im dritten Teil der „The Mummy“-Franchise und zuvor Danny Boyles „Sunshine“ zu sehen, als Auroras Begleiterin eine solide Leistung erbringt, ihre Martial-Arts-Darbietungen aber leider vom inszenatorischen und Schnitt-Overkill verschluckt werden. Gerard Depardieu, „Matrix“-Merowinger Lambert Wilson und eine als Karikatur ihrer eigenen Figur daherkommende Charlotte Rampling verleihen der Besetzung darüber hinaus in Nebenrollen prominenten Glanz.
Seine Endzeit hat Kassovitz solide im Griff, präsentiert eine von der völligen Verwüstung à la „Mad Max“-Sequels noch weit entfernte, dafür aber von Terrorismus, Angst, Kälte und tief klaffendem Arm/Reich-Kontrast dominierte Zukunft und verpackt sie in zumeist kühl-triste Bilder sowie einige schöne Landschaftsaufnahmen. Einen großen Pluspunkt verschaffen „Babylon A.D.“ darüber hinaus Score und Soundtrack, da sowohl Hip-Hop- als auch Metal-Klänge sowie optimal platzierte Musikuntermalung der Actionszenen stets stimmig und atmosphärisch zu gefallen wissen.
Fazit: Vin Diesel ist zurück auf der Actionbühne und stapft im bewährten Heldenmodus durch eine düstere Zukunftsvision: „Babylon A.D.“ erfindet das Endzeitgenre wahrlich nicht neu, hat mit einer schwachen, weil so unoriginellen wie gegen Ende leicht abstrusen Story zu kämpfen und ruiniert seine Actionszenen teils durch die üblichen neumodischen Inszenierungsunsitten, abseits davon liefert Mathieu Kassovitz aber solide Unterhaltung, die atmosphärisch passabel ist, einige Schauwerte zu bieten hat und über chice Optik sowie hervorragende Musikuntermalung verfügt. Kein Fehler, aber auch kein großer Wurf.
Während sich die Amis mit einer zugunsten eines PG-13-Ratings gekürzten Version zufrieden geben müssen, läuft in Deutschland seit 11.9.08 die europäische uncut-Fassung mit einer FSK-16 im Kino.
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freeman dieselt:
Irgendwann in der Zukunft. Toorop, ein Berg von einem Mann, lebt einsam sein Leben in einem von diversen Kriegen gezeichneten osteuropäischen Landstrich und kommt mit seiner Fuck the World Attitüde hervorragend klar. Da steht auf einmal ein Einsatzkommando vor ihm und „bittet“ ihn, sich mit einem Gauner namens Gorsky zu treffen. Diese osteuropäische Pate für Arme Variante hat für Toorop ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. Eine halbe Million winkt, wenn er es schafft, ein junges Mädchen - namens Aurora - binnen sechs Tagen nach New York zu bringen. Einen echten Haken gäbe es nicht und wenn, habe er Toorop bei dem „Gehalt“ nicht zu interessieren. Toorop willigt ein, winkt doch obendrein die Möglichkeit, mit einem neuen Pass und einer neuen Identität in den USA, aus denen er einst verjagt wurde, wieder sesshaft zu werden. Doch recht schnell muss er bemerken, dass seine Schutzbefohlene alles andere als ein normales Mädchen ist, ahnt sie doch im Voraus, wenn Gefahr droht und erweist sie sich als deutlich empathischer, als es gesund sein kann ...
Babylon A.D. oder Children of Men in prollig ist ein Streifen, der es einem nicht leicht macht, ihn zu mögen, der es einem aber genauso unmöglich macht, ihn zu hassen. Dabei ist es nicht ein einzelner Punkt, der einem negativ aufstößt und eventuell durch einen anderen Hervorragenden abgefedert werden könnte. Nein. Vielmehr ist der Streifen in der Summe all seiner Teile ein höchst durchwachsener Mix aus guten und weniger guten Elementen.
Nehmen wir Hauptdarsteller Vin Diesel. Einst mit Pitch Black unverhofft in den Stardom aufgestiegen, schob er mit The Fast and the Furious, Riddick und Tripple xXx Streifen nach, die seinen Status als neuer Actionheld zementierten. Doch dann folgte eine ganze Latte an seltsamen Karriereentscheidungen, die in Verbindung mit untragbaren Gehaltsvorstellungen die Actionhoffnung Vin Diesel allmählich zur Witzfigur geraten ließen. Dementsprechend geriet das verbliebene Fandom in helle Aufregung, als es hieß, es sei demnächst eine actionorientiertere Produktion zu erwarten. Durch diese stapft Vin Diesel nun recht stoisch und immer im Pitch Black Rasselbassmodus, ohne auch nur ansatzweise von dem Riddickrollentypus abzuweichen. Das ist über weite Strecken einfach nur rotzencool, in genau den Szenen, wo es mal darauf ankäme, die Darstellung zu variieren - was Diesel nicht tut – wird die zur Schau getragene Übercoolness dann allerdings hochnotpeinlich und führt obendrein zu einer ganzen Packung an unfreiwilligem Humor.
Dabei ist vor allem die erste Stunde Diesels Sternstunde, denn hier reicht die blanke Coolness locker aus, da der Streifen hier wahrlich nicht viel zu erzählen hat und im Grunde nicht mehr als ein Fluchtstreifen mit vereinzelten, recht unspektakulären Actioneinlagen darstellt. In dieser Phase pfeift das Drehbuch auf eine logische Storyentwicklung, gibt einen Pfifferling auf seine Figuren und lanciert einige echte Schwachmatendialoge, bleibt aber immer temporeich und lässt in Verbindung mit genialen Bildern keinerlei Form von Langeweile aufkommen. Doch dann wird das Enddrittel eingeleitet und auf einmal zerfasert der Streifen in ein seltsames Etwas voll von pseudophilosophischem Seinsgeschwafel (witzigerweise vom Matrix Merowinger Lambert Wilson vorgetragen), türmt sich Plothole auf Plothole und werden auf einmal Charakterzüge an den Figuren interessant, die vorher niemanden gejuckt haben ... auch und vor allem das Drehbuch nicht.
In dieser Phase geht hier gar nichts mehr zusammen. Der Showdown wird 20 Minuten vor Schluss gezündet und dann noch ein Ende angehangen, das erstens, kein Ende nehmen will und zweitens, nicht wirklich logisch ist, vor allem, wenn auf einmal alle Parteien, die Diesel und Co. bisher jagten, nicht mehr existent zu sein scheinen. Spätestens im letzten Abschnitt spürt man förmlich in jeder Einstellung, dass Regisseur Mathieu Kassovitz sein Film von den Produzenten weggenommen und vermutlich vor allem in den ersten zwei Dritteln deutlich stärker auf den Actionaspekt getrimmt wurde, was dem Endprodukt nun gar nicht bekommt.
Und damit sind wir bei dem dritten Punkt: Regisseur Mathieu Kassovitz lieferte mit seinem Die purpurnen Flüsse einst die Initialzündung für das neue, deutlich publikumsorientiertere Blockbusterkino aus Frankreich, das auch außerhalb der arthouseverrückten Grande Nation hervorragend funktioniert und vor allem im Action- und Horrorbereich unglaublich frisch und geradezu innovativ daherkommt. Die wichtigsten Eckpunkte dieses neuen französischen Kinos bedient Kassovitz auf den Punkt. So gibt es zwar inhaltlich letztendlich nur ein wüstes Zutatenpotpourri aus Children of Men, Klapperschlange und ähnlichen Dark Future Streifen, doch die Verpackung ist hier, worauf es ankommt. So lanciert der Franzose unglaublich geniale, teils stark getrickste Bilder einer postapokalyptischen Gesellschaft, die permanent auf ihr Ende zusteuert (der Einstieg in Osteuropa), geht über in die unverbrauchten Settings des ewigen Eises, um schlussendlich in den vor optischen Reizen überlaufenden Bildern eines Großstadtmolochs zu enden. Die Kamerafahrten, die Einstellungen, die subtil eingebundenen CGI Effekte – kurzum die Schauwerte – stimmen absolut und machen Babylon A.D. zu einer dieser unglaublichen Stylebomben, wie sie derzeit anscheinend nur die Franzosen hinbekommen / hinbekommen wollen.
Doch Kassovitz hat noch mehr Probleme als nur die ihm entrissene Story: Kurz umrissen sei das Problem mit Bourne Wackeloptik. Gegen diese habe ich nichts, solange sie wie bei Bourne eben zum Grundkonzept des Filmes passt und aus dramaturgischer Sicht Sinn macht. Das Problem bei Babylon A.D. ist, dass die ruppige Bourne Wackeloptik vor allem in den Actionszenen des ersten Drittels sehr gut passt und das Dreckige und Raue der hier vorherrschenden Verhältnisse unterstreicht. Doch mit zunehmender Laufzeit reißt Babylon A.D. etwas auf und wird mehr in Richtung Hochglanzactionbombe getrimmt. Und damit konfligiert der Wackelkameraansatz dann extrem, zumal man hier irgendwann wirklich überhaupt nicht mehr erkennt, was auf der Leinwand passiert. Dies wird einem umso schmerzlicher bewusst, wenn Kassovitz auf einmal in dem vollkommen hektischen und unübersichtlichen Showdown eine Augenweide sondergleichen zündet und eine Explosion in Bullet Time präsentiert, die der puren Zerstörungskraft der Bombe fast schon poetische Züge verleiht. Hier verschenkt Kassovitz sehr viel, zumal ihm eben auch derartige Höhepunkte vorher seltsamerweise ziemlich abgehen und handfeste Action erstaunlicherweise extreme Mangelware in Babylon A.D. ist ...
Vollkommen irre ist dann die Besetzung des Streifens geraten. Vin Diesel bekommt Michelle Yeoh an die Seite gestellt. Die Asiatin bildet das emotionale Rückgrat des Streifens und funktioniert darstellerisch auf den Punkt, auch wenn man über ihre Figur leider verdammt wenig erfährt. In der miesen Actioninszenierung von Mathieu Kassovitz gehen im Übrigen leider ihre tollen Kampfsporteinlagen vollkommen unter. Vollkommen unter geht auch Mélanie Thierry als Aurora und damit Schutzbefohlene Diesels. Zum einen war sie optisch wirklich absolut nicht mein Fall und zum anderen krakeelte sie sich mit dem gleichen miesen Overacting durch den Streifen, der schon Milla Jovovichs frühe Leinwandauftritte zu echten Geduldsproben machte. Die Folge: Man wünscht sich förmlich, Toorop würde die Gute einfach irgendwo in ein Loch schmeißen, zumal einem das von den Franzosen zuletzt immer wieder lancierte „sphärische Jungfrau als Rettung für alle Probleme“ Motiv eh langsam aber sicher auf den Zeiger geht. Total neben der Spur läuft auch Charlotte Rampling als Hohepriesterin! Keine Ahnung, was Kassovitz in dieser Figur transportieren wollte, es funktioniert zu keinem Augenblick. Ist sie religiöse Eiferin? Geldgeile Schlampe? Eiskaltes Biest? Eine böse Omi? Jau, irgendwas von allem ... obendrein schlecht geschminkt. Da kommt Gerard Depardieu mit seiner vollkommen abseitigen und kaputten Performance als Russenmafioso deutlich besser weg und macht in seinen beiden Auftritten ordentlich Spaß. Beim Rest des Castes setzt sich dieses Spiel aus Licht und Schatten durchgehend fort.
Und selbst im musikalischen Bereich regiert dieser seltsame Mix aus hervorragenden und unterirdischen Momenten. Atli Örvarsson, ein Hans Zimmer (der den Score auch produzierte) Zögling, findet vor allem in der ersten halben Stunde keine klare Linie. Französischstämmiger, fetter Hip Hop trifft auf nicht vorhandene Scorethemen und seltsame Rocknummern. Im Mittelteil fängt sich Atli Örvarsson kurz, um dann mit der Ankunft in New York ganz groß aufzutrumpfen. Danach lässt er einfach ein Hans Zimmer Thema auf uns einprasseln und verschwindet wieder im Elektronikgeblubber.
Man sieht, Babylon A.D. ist auf allen Ebenen ein seltsam unausgegorener Mix aus Elementen, die einerseits sehr gut funktionieren und andererseits dann wiederum so gar nicht ineinander greifen wollen. Sei es auf der Ebene des Drehbuches, der Darsteller, der Optik, der Musik ... Babylon A.D. ist alles mögliche, nur kein rundes Filmerlebnis. Dabei gibt es einfach geniale Ideen (Limousinentransfer per Hubschrauber, auf cool gepimpte Militärfahrzeuge), macht vor allem die temporeiche erste Stunde ganz ordentlich Spaß, stimmen die Bilder der apokalyptischen Zustände auf den Punkt und gibt es mit der Szene um das „Boot“ im ewigen Eis auch einen richtig beklemmenden Moment. Doch im letzten Drittel fällt der Film in sich zusammen und bekommt auf die harte Tour beigebracht, dass man mit einem so miesen Story- und Figurenunterbau nur verlieren kann. Schade drum ...
In diesem Sinne:
freeman