
Originaltitel: Sam Cha Hau
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Benny Chan
Darsteller: Aaron Kwok, Ekin Cheng, Daniel Wu, Angelica Lee Sin Je, Gallen Lo, Ning Jing, Eric Tsang, Lau Siu Ming, Yu Rong Guang, Jan Lamb u.a.
Detective Suen hat den Auftrag, einen wichtigen Kronzeugen von Kanada nach Hongkong zu verfrachten. Bis Hongkong geht auch alles gut, doch auf einmal brechen Schüsse und Suen verliert den Kronzeugen, der gegen einen millionenschweren Industriellen namens Yiu aussagen sollte, hinter dessen gelackter Fassade die Polizei Hongkongs einen hochrangigen Gangsterboss vermutet. Suen beginnt daraufhin nachzuforschen, wer ihm den Zeugen unter den Händen weggeschossen hat und kommt dabei einem Auftragskiller namens Koo sehr nahe, mit dem ihn allerdings mehr zu verbinden scheint, als nur sein aktueller Fall. Denn der Killer offenbart dem Cop seine Freundin gekannt zu haben, die vor ca. 10 Jahren auf einmal spurlos verschwunden ist und die der ihr nach wie vor nachtrauernde Suen in letzter Zeit täglich überall zu erspähen meint. Suen, der in seinem Fall nicht voran kommt, beschattet nun den Industriellen Yiu wo es nur geht, wobei ihm dessen Anwalt To häufiger über den Weg läuft. Für diesen beginnt sich Suen mehr und mehr zu interessieren, sieht Tos Frau doch seiner verschwundenen Freundin zum Verwechseln ähnlich!
In diese verfahrene Situation platzt dann auch noch das Verschwinden von Yius Sohn und es beginnt sich abzuzeichnen, dass beide neuen "Weggefährten" Suens, also Killer Koo und Anwalt To, sowohl etwas mit dem Verschwinden von Suens Freundin als auch mit dem aktuellen Fall um Yiu und das Verschwinden seines Sohnes zu tun zu haben. Im Verlauf der weiteren Ermittlungen werden sich die Wege von Polizist, Killer und Anwalt noch häufiger kreuzen ...


Ein immer psychotischer werdender, getriebener Cop, ein Anwalt, der auf Recht und Gesetz nicht viel gibt, und ein Killer, der sich als Gutmensch entpuppt ... Hier ist kaum etwas das, was es zu sein scheint und macht damit dem Filmtitel alle Ehre: Abweichung - also Divergence - und damit hier ein deutliches Abweichen von der Norm, trifft den Grundton des Filmes sehr gut, was zum Beispiel auch eine Schlusspointe einschließt, die man rational kaum erklären kann. Warum der so treffende Titel Divergence bei uns in Hongkong Crime Scene umgewandelt wurde, kann man nur raten, könnte aber zum Beispiel damit zu tun haben, dass Verleiher Kochmedia gerne am Erfolg des CSI Franchises (Crime Scene Investigation) partizipieren wollte.
Mit Divergence durfte Benny Chan ein wirklich komplexes Thrillerdrehbuch verfilmen. Dieses lanciert immer neue Storyaspekte, wirft eventuelle Erkenntnisse über den Haufen und erschafft ein Figurengeflecht, bei dem es bis zum Schluss schwer fällt, auszuklamüsern, wer hier wie mit wem zusammenhängt. Das erfordert ein ordentliches Maß an Aufmerksamkeit und versucht erst gar nicht den Anschein zu erwecken, als sollte sich hier wirklich alles auf den ersten Blick dem geneigten Zuschauer erschließen. Dieser Fakt lässt den Zuschauer zwar ein wenig unbefriedigt zurück, kann aber nicht verhindern, dass man unumwunden zugeben muss, dass dieser Film eine gewisse Faszination auf sein Publikum ausübt und es fast sogartig in die Geschehnisse hineinzieht. Dennoch muss man konstatieren, dass einige bedeutungslose Figuren zu intensiv mit Leben gefüllt werden, dass ab und zu Hintergründe geliefert werden, die nicht wirklich dem Vorankommen des Filmes dienen, sondern ihn teils nur noch ausschweifender werden lassen und so letztendlich das Tempo ein wenig schleppend wirkt. Wirklich schaden können diese Probleme dem Film allerdings nicht.


Das ganze präsentiert Benny Chan in dem von ihm gewohnten, absolut perfekten Hochglanzlook, den er mit einem permanenten, leichten Grünfilter überzieht und mit diversen Spielereien wie Jumpcuts, Zeitlupen und Zeitraffereinstellungen anreichert. Dem Konzept des Filmes entsprechend, lässt Benny Chan eher selten seine präzisen, harten und sehr um Realismus bemühten Actioneinlagen auf den Zuschauer niedergehen, zieht dann aber wahrlich ordentlich vom Leder. Es gibt einige seiner berühmt berüchtigten Autostunts und dem Konzept des Bemühens um mehr Realismus folgend, verwehrt Chan seinen Ballereien jegliche ästhetische Note und präsentiert kurze, extrem effektive und in gerütteltem Maße sehr harte Ballereien, bei denen die Endballerei freilich am meisten hervorsticht. Doch nicht nur die Actioneinlagen gehen Chan leicht von der Hand, er erschafft auch eine Menge sehr ruhiger, teils hochemotionaler Momente, die auf den Punkt funktionieren. So die Szene, in der Suen erfährt, was wirklich mit seiner Freundin geschehen ist. Auch seinen Charakteren räumt Benny Chan viel Raum zur Entfaltung ein und kann sich hier auch voll auf sein toll aufspielendes Ensemble verlassen.


Der Film wird im Grunde dominiert durch die Figur des Detective Suen, gespielt von Aaron Kwok (Storm Riders, China Strike Force), der Suen als eher kaputten Cop zeichnet, dessen Suche nach seiner verschollenen Freundin zu einer wahren Obsession geworden ist und die das einzige zu sein scheint, was ihn wirklich noch antreibt. Mit viel Zurückhaltung und präzisem, sehr nuanciertem Spiel füllt Kwok diesen Charakter mit Leben und bekommt viele Momente, in denen er richtig glänzen darf. Daniel Wu (New Police Story) als Auftragskiller Koo spielt seine Figur mit enorm viel Understatement und scheint in jedem Moment in sich zu ruhen. Er verliert nicht einmal die Contenance, bleibt immer unglaublich souverän und entwirft einen in seinem Job wahrlich eiskalten Killer mit Köpfchen. Ekin Cheng als Anwalt ist am Anfang wieder in der Rolle gefangen, die seine Karriere fast schon sklavisch vorzugeben scheint: Der ruhige Gutmensch, ohne jegliche Ecken und Kanten. Zum Ende hin darf er dann aber deutlich mehr zeigen und sich von seinem ewig gleichen Rollenschema lossagen. Sein Hauptproblem ist aber, dass er unglaublich wenig Screentime abbekommen hat, was ein wenig zu Lasten der Antriebe und Motive seiner Figur geht. Der Rest des Castes schlägt sich wacker und immer im Rahmen der durchs westliche Mainstreamkino vorgegebenen Schauspielerführung, die eben das gefürchtete Overacting per se ausschließt.
Somit gelang Benny Chan mit Divergence ein faszinierendes Thrillerpuzzle mit starken Darstellern in gewohnt souveräner Optik, das aber nicht immer schlüssig daherkommt und teilweise ein wenig zu kompliziert angelegt wurde, was insbesondere ein Mainstreampublikum stark verschrecken dürfte.

Die DVD von Kochmedia ist mit einer FSK 16 Freigabe uncut, bietet solide Bild- und Tonqualität und immerhin ein paar Extras, wie ein Making of und ein Feature über die Premierenfeier.
In diesem Sinne:
freeman