Besser nie als spät, kann ich da nur sagen...
Fast and Furious 10
Jetzt haben sie uns auch noch die „Fast & Furious goes to Space“-Witze genommen. Da haben die das mit dem Weltraum doch tatsächlich voll durchgezogen. Tja, schade. Nun kann man sich höchstens noch über das Corona-Bier lustig machen. Ansonsten ist die Franchise längst jenseits von Meta angekommen. Sie lacht ab sofort für sich alleine, nur eben nicht im Keller, sondern fern von allem.
Aber die Show muss trotzdem weitergehen. Da man inzwischen schon überall auf (sowie über) dem Erdball war, stellt sich natürlich die Frage: Wo darf's denn als nächstes hingehen? Zum Mittelpunkt der Erde? Ins Marvel-Multiversum? Aber nein; zurück zur Basis, lautet die Devise, per Rückblende in die allerbeste Zeit der Franchise. Genauer gesagt, mitten in die Tresor-Actionszene des fünften Teils. Um dort nachträglich noch ein paar Löcher zu bohren und die letzten guten Erinnerungen auch noch zu versauen.
Während der Weltraum als Sinnbild für die Überzüchtung steht, wie sie fast allen teuren Blockbustermarken Hollywoods irgendwann droht, wenn sie zu lange laufen, passt die Rückbesinnung auf goldene Zeiten irgendwie zum Mindset der Toretto-Bande. Respektiert wurde schon immer nur, wer sich bereits ein gewisses Standing erarbeitet hatte. Und weil auch Villains respektiert werden müssen, um überhaupt ernst genommen zu werden, gaukelt man uns einfach vor, dass Jason Momoa irgendwie immer schon mit dabei war, lauernd aus dem Untergrund, um im richtigen Moment zuzuschlagen.
Doch ein fauler Apfel, den man nachträglich in der Baumkrone platziert, bleibt ein fauler Apfel. Das Drehbuch ist sich dabei nicht einmal zu schade, die vormalige Villainess Cipher (Charlize Theron) unterwürfig bei den Torettos an die Tür klopfen zu lassen, einzig mit dem Ziel, den neuen Widersacher als noch viel größere Bedrohung zu dämonisieren, die wohl größte überhaupt in den mehr als 20 Jahren. Dumm nur, dass sich die Dämonenhörner als Narrenkappe entpuppen, als Momoa aus dem Schatten tritt, nur eine Vorstufe von dem aufgedunsenen Kobold entfernt, den der Trailer zur kommenden Videospielverfilmung „Minecraft“ verspricht.
Nicht selten bekommt man zu hören, Momoa sprühe vor Spielfreude bei der Verkörperung seines exzentrischen Psychopathen. Tatsächlich wirkt er müde, ausgelaugt, als sollten die hampelnden Ärmchen und Beinchen von dem ausdruckslosen Holzkopf ablenken, der darüber schwebt. Die Energie, die er aussendet, verpufft ziellos in Over-the-Top-Krawallsequenzen mit Selbstzitatequalität. Das, was Heath Ledgers Joker gelegentlich vorgeworfen wurde, ist hier in der ganzen bitteren Wahrheit zu beäugen. Exaltiert und affektiert steigert er sich in einen Wahn, der in einer Unterredung am Pool mit zwei Leichen mündet, die sogar den unheiligen Grund des Michael-Bay-Humors betritt. Wenn eine Gut-gegen-Böse-Story mit dem Bösen steht und fällt, dann ist das hier ein übler Verkehrsunfall.
Der hätte aber wohl auch mit einem anderen Übeltäter am Steuer nicht verhindert werden können, denn „Fast & Furious X“ hat schlichtweg nichts mehr zu erzählen. Immer noch wird der Familienpathos mit heiligem Ernst dargeboten, stets begleitet von der Blutorangenstimmung des nahenden Sonnenuntergangs. Helen Mirren wird sogar eigens reaktiviert, bloß um mit Vin Diesel für einen Moment auf Rom zu schauen. So wie die gesamte Handlung im Grunde nur eine Aneinanderreihung von Cameos ehemaliger Weggefährten ist, die für eine Szene vorbeischauen und dann wieder abdüsen. Einige von ihnen wissen oft nicht einmal, wie ihnen geschieht, sie kämpfen sich aus ihren gepanzerten Metalllauben und sind dann verwundert, dass sie sich in London, Rio de Janeiro, Neapel oder in der Antarktis befinden. Man kann sie gar nicht mehr zählen, die ganzen Cenas, Larsons, Stathams, Almeidas und Eastwoods, die irgendwo in der Peripherie des harten Toretto-Kerns ihre Zelte aufgeschlagen haben. Und ehrlich gesagt, abgesehen von Cena, der ein bisschen Wärme reinbringt, und Statham, der für die Coolness verantwortlich ist, möchte man sie alle in der Pfeife rauchen.
In der Konsequenz ist „Fast X“ mangels Inhalt und gut sitzendem Humor eine stinklangweilige Angelegenheit, zumal Louis Leterrier mit der gleichen grauen Asphalt-und-Chrom-Ästhetik inszeniert wie seine beiden Vorgänger Justin Lin und F. Gary Gray. Man kann die ganzen Computerzentralen und Hi-Tech-Garagen bald nicht mehr sehen, ganz zu schweigen von purzelnden Gefahrenherden, mit denen die idyllische Ordnung mediterrane Städte aus den Angeln gehoben wird (man ersetze die rollende Metallkugel mit einem Dino und prompt ist man in der Jurassic-World-Franchise). Zu allem Überfluss hält auch die Figurenzeichnung an den Grauzonen fest, so dass man nicht einmal überrascht wäre, wenn auch Momoa im letzten (?) Teil der Saga die Seiten wechseln würde („… denn alles, was im fehlte, war Familie“).
Man fragt sich letztlich, wie viele der Zuschauer, die seit Teil 1 an Bord sind, hier einfach nur noch ihre familiäre Pflicht erfüllen. Einige nehmen es mit den Pflichten ja schon nicht mehr so genau, sinken die Zahlen am Box Office doch seit Paul Walkers Abschied in Teil 7 exponentiell. Der Knödel heißer Luft, der hier als Rampe für das Grande Finale fungieren soll, lässt allerdings nichts Würdiges für den Abschluss vermuten.