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Hand of Death

Verfasst: 02.01.2006, 19:38
von Vince
Hand of Death

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Originaltitel: Shao Lin Men
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 1976
Regie: John Woo
Darsteller: Tan Tao Liang, James Tien, Sammo Hung, Jackie Chan, Paul Chang Chung, John Woo, Yuen Biao, Yuen Wah, Wilson Tong, Chu Ching, Gam Kei Chu, Ko Keung, Yeung Wai u.a.

Ja, “John Woo” steht anbiedernd auf jedem Plakat, in jeder Werbezeile und auf jedem DVD-Cover der jüngeren Vergangenheit. “An Amazing Kung Fu Spectacle From The Director Of The Killer & Hard Boiled”, das wäre das einzige, was noch fehlt. Was man sich jedoch von vornherein denken kann: Es wird natürlich keine weißen Tauben geben, die mit hypnotischen Schmetterschlägen in Zeitlupe durch das Bild fliegen, und, um Gottes Willen, schon mal gar keine zweihändigen Schussduelle. “Hand of Death” ist ein thematisch urkonventioneller Kung Fu-Film mit dem klassischen Hintergrund eines Shaolin, der seinen getöteten Meister rächen will. Speziell, wenn der Film dem Ende entgegengeht, ist er auch inszenatorisch nicht mehr von seinen unzähligen Artverwandten zu unterscheiden.

Eine weitere von schlauen Marketingleuten bewegte Schachfigur neben dem Regisseur und Drehbuchautoren Woo ist der junge Jackie Chan, der hier erstmals zusammen mit Sammo Hung und Yuen Biao in einem Film auftrat. Womit John Woo mehr zufällig als gewollt einen Zweig der Hongkong-Filmgeschichte vorbereitete, denn Chan, Hung und Biao sollten später noch unzählige Erfolge miteinander feiern. Schon interessant, wenn man bedenkt, dass Chans Rolle ursprünglich für einen anderen Darsteller reserviert war, der Woo aber zu alt erschien und ihn schließlich gegen Chan ersetzte.

Obwohl “Hand of Death” nun ziemlich ordinär ausklingt und der Plotverlauf an sich keinerlei Überraschungen beinhaltet, gestaltet sich Woos frühes Werk zu Beginn wider Erwarten stilistisch doch recht speziell und individuell - freilich nicht in dem Licht, in dem man heute Woos Gesamtwerk betrachtet, aber von der trockenen, unexperimentellen Erzählweise mancher Kollegen ist er hier erfreulicherweise meilenweit entfernt. Die Art und Weise, wie einzelne Handlungsstränge aufbereitet, weitergeflechtet und teilweise im späteren Verlauf wieder aufgreift, kann den Zuschauer in Erstaunen versetzen, sofern er ohne Erwartungen, was den Stil des Gründers des “Heroic Bloodshed”-Genres betrifft, an den Film herangeht.

Ein Beispiel dafür ist die Einflechtung von Chans Charakter in den Plot. Am Weg des Hauptdarstellers Dorian Tan orientiert, tritt Chan als unterwürfiger Bauerntölpel kurzfristig in dessen Leben, begleitet ihn ein Stück und verlässt ihn wieder, nachdem er ihm eine Binsenweisheit untergejubelt hat (sinngemäß: “Es gibt zwei Arten von Leuten, die früh sterben: Leute, die neugierig sind, und Shaolin.”). Der unbedachte Eastern-Fan wird sich bei dieser Figur nichts weiter denken und sie möglicherweise schnell wieder vergessen, doch dann taucht sie wieder auf - und zeigt ein ganz anderes Gesicht.
So auch bei Chan Chung, der den Schwertmeister Zorro spielt. Dessen Vorgeschichte wird unabhängig vom Weg der Hauptfigur Yun Fei (Dorian Tan) in einer ausgiebigen Rückblende erzählt. Hier nimmt die Story Züge eines Dramas an; zwar lange nicht so intensiv und tief erzählt wie Ang Lees “Tiger & Dragon”, aber doch mitnehmend und recht emotional erleben wir das grauenvolle Schicksal des Schwertmeisters mit, der seit dem Vorfall aus der Rückblende nie wieder sein Schwert im Kampf erhoben hat. Chan Chung erschafft hier eine Figur mit ungewöhnlicher psychologischer Tiefe, wie man sie in einem Martial Arts-Film dieser Art nur selten antrifft. Seine Darstellung hat mich wirklich beeindruckt, sicherlich auch ein wenig aus dem Überraschungseffekt heraus; zu verdanken hat Chung seine darstellerischen Fähigkeiten ganz offensichtlich Woo, der sich ausreichend Zeit nimmt, diesem Kämpfer an der Seite der zentralen Figur eine Motivation zu verleihen, ihr einen Grund zu geben, sich dem nach Rache gierenden Shaolin anzuschließen. Auf eine ähnliche Art und Weise wird beim zweiten Antreffen auch Chans Figur einer Vertiefung unterzogen - die farbverfremdete Rückblende um dessen Beziehung zu seinem Bruder ist leider nicht ganz so packend wie diejenige von Chan Chung, dennoch ist auch Chan erfrischend besetzt, wobei der Speerkämpfer, den er spielt, seine Faszination vor allem daraus bezieht, dass man nicht sofort weiß, was man von ihm halten soll.

Bei dieser höchst innovativen Einführung der beiden Sidekicks ist es zu schade, dass ausgerechnet dem Hauptdarsteller zu wenig Charakterentwicklung zuteil wird. Das liegt nicht einmal an Dorian Tan selbst, der für die Hauptrolle durchaus geeignet ist, und zwar, was seine Fähigkeiten als Kämpfer und als Charakterdarsteller betrifft. Nur leider wird ihm die altbackene Story zum Verhängnis. Konnte Woo bei den Rollen von Chan und Chung noch variieren und experimentieren, was dem Ergebnis sichtlich gut getan hat, erstickt der “Räche deinen Meister”-Plot alle Ambitionen im Keim. Man kann die These vertreten, dass “Hand of Death”, würde ihm ein brillanter Hauptplot zugrunde liegen, ein Meilenstein des Martial Arts-Films hätte werden können - nur hilft die beste Art der Inszenierung nichts, wenn es der Hauptfigur in ihrer Motivation an neuen Ideen mangelt. So kann sich Dorian Tan nur durch seine Fighter-Qualitäten beweisen sowie daraus, was er schauspielerisch halt aus dem abgestandenen Quark quetschen kann. Schade - denn als Regisseur schien Woo für einen großen Film bereit zu sein - nur als Drehbuchautor war er noch sehr weit entfernt.

Und doch gefällt die Dreier-Konstellation rund um den Shaolin Yun Fei, den Schwertmeister Zorro und den Speerkämpfer Tan Feng, die sich in so erfrischender Art und Weise ergeben hatte. Die jeweils speziell ihren Waffen zugeteilten Kämpfer haben dabei ihren eindeutigen Sehwert in der Individualität; der eine kennt sich mit dieser Waffe aus, der andere mit einer anderen. Das ist ein Muster, das später in US-Projekten mit Anlehnung an Eastern (z.B. “Teenage Mutant Hero Turtles” oder das Videospielgenre des Beat’em’Ups mit dem Genrepionier “Street Fighter”) übernommen wurde und welches Quentin Tarantino in dem Dialog über die gescheiterte Pilotserie in “Pulp Fiction” zitierte. Auf der anderen Seite haben wir ebenfalls eine klassische Konstellation - den eigentlichen Bösewicht (wirklich nicht gerade nett: James Tien), einen ihm nahestehenden, fiesen Handlanger (Klischeeasiate mit Überbiss: Sammo Hung), und darunter eine ganze Garde von Leibwächtern (vergleichbar mit den “Foot Soldiers”), deren Leben nicht allzu viel wert ist. In den zahlreichen Kämpfen ist die Faust- und Waffengewalt daher auch relativ hoch - der Gore/Splattergehalt tendiert Genre-typisch zwar gen null, aber hin und wieder gibt es doch ein wenig Blut, gebrochene Knochen und von Lanzen durchstoßene Körper.

Wie bereits angesprochen, erfordert der unkreative Plot zugleich ein klassisches Finale, das leider keine Preise gewinnt. Diesmal am Strand wird der böse Meister-Töter vom entschlossenen Meister-Schüler in die Knie gezwungen. Der Kampf ist schön choreografiert, attraktiv zu verfolgen, aber dass es sich hier um alten Wein in neuen Kelchen handelt, bleibt nun mal nicht aus. Im Endeffekt ist John Woos “Hand of Death” leider doch nur ein gewöhnlicher Kung Fu-Film, denn alles steht und fällt mit der Haupthandlung, und diese bleibt zu gewöhnlich, um überzeugen oder gar herausragen zu können. Das ist traurig vor allem deswegen, weil Woo Ansätze seines Könnens zeigt, indem er die drei guten Kämpfer narrativ höchst anschaulich zusammenführt, einigen von ihnen Zeit zur Charaktervertiefung gibt und sogar hin und wieder optische Akzente setzt, die den späteren Meister der poetischen Bildsprache in Ansätzen erahnen lässt (in einer Sekunde wird sogar ein durchs Bild fliegender Vogel aufgenommen). Der Plot ist und bleibt aber das wichtigste Element des Films.
:liquid6:

"Hand of Death" erschien als zwölfter und letzter Teil der "Jackie Chan Collection". Trotz FSK18-Einstufung und Anmerkung "Uncut" auf dem Cover ist der Film nicht hundertprozentig ungeschnitten; das liegt jedoch nicht am Gewaltgrad, sondern an einem verschmutzten Master, dem zwei eher unbedeutende Szenen zum Opfer gefallen sind. Diese "Schnitte" (insg. 4 Sekunden; einmal tritt Dorian Tan einen Gegner, einmal gibt es eine Nahaufnahme von Sammo Hungs Gesicht) sollten dabei keinen Grund zum Nicht-Kauf darstellen.

Screens

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Yun Fei ist wild entschlossen, seinen Meister zu rächen

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Ihm zur Seite stehen ein als Heuwagenfahrer getarnter Speerkämpfer...

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... und ein verzweifelter Schwertmeister.

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Alle drei wollen auf diese Szene hinaus...

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Dazu müssen sie aber erst an ihm vorbei.

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Aber wer John Woo auf seiner Seite hat, der schafft das schon!

Verfasst: 06.01.2006, 23:21
von freeman
LOL, geile Sache. Der Film ist irgendwie ... komisch ... alleine wer das Gebiss von Sammo Hung erfunden hat, gehört gevierteilt. Was sollte denn das bitte? Im Oeuvre von beiden "Künstlern" empfinde ich den Film aber als eher schlecht ...

In diesem Sinne:
freeman

Verfasst: 07.01.2006, 00:18
von Vince
LOL, in der Tat, ich hab das Gefühl, den Sammo Hung hat der Morris beim Erfinden seiner Chinesen in den Lucky Luke-Heften als Vorbild genommen. :wink:

Und der Film... na ja, als Kung Fu-Film war der eigentlich schon überdurchschnittlich gut - halt was die Inszenierung betrifft, da ist er vielen seiner Artgenossen überlegen. Der junge John Woo (der war ja früher nen echtes Klappergestell) hatte auch schon was drauf.

Verfasst: 20.03.2006, 23:13
von John Woo
Vince hat geschrieben:Der junge John Woo (der war ja früher nen echtes Klappergestell) hatte auch schon was drauf.
Woher hast du die Info? N' Bild vielleicht?

Verfasst: 20.03.2006, 23:14
von Vince
John Woo hat geschrieben:
Vince hat geschrieben:Der junge John Woo (der war ja früher nen echtes Klappergestell) hatte auch schon was drauf.
Woher hast du die Info? N' Bild vielleicht?
Ähm John? Guck dir mal das letzte gepostete Bild an. Was meinste denn, wer da sitzt? :wink:

Der hat im Film ne kleine Nebenrolle.