Und hier kommt die sechste
, ein absoluter Konsensfilm, wie es scheint:
Bei “Snitch” stehen sich Ausgangslage im Plot und die Ansprüche bei der realistischen Charakterzeichnung gegenseitig ein wenig auf den Füßen. Einerseits ist es in der dargestellten Form schwer nachvollziehbar, weshalb ein mehr oder weniger gewöhnlicher Familienvater es mit einem ganzen Drogennest aufnehmen sollte. Immerhin bringt er folglich sich und seine Familie in Lebensgefahr, um seinem Sohn zehn Jahre im Gefängnis zu ersparen, die zwar als statuiertes Exempel unverhältnismäßig erscheinen, andererseits aber selbst verschuldet sind. In vielen Gelegenheiten macht sich das Drehbuch sogar die Mühe, bei Johnsons Charakter auf die Unerfahrenheit und Unsicherheit im Umgang mit kriminellen Dingen hinzuweisen, wenn er etwa Respekt vor Waffen zeigt (vergleichbar mit Russell Crowes Handeln in „72 Stunden“). Das sorgt einerseits für einen sehr realistischen Anstrich bei dem routinemäßigen Actionstar, der diesmal regelrecht geerdet wirkt, lässt aber eben auch Fragezeichen bezüglich seiner Motivation zurück, zumal er als eher vorsichtig agierender Mensch vorgestellt wird. Die ebenfalls glaubwürdig demonstrierte Liebe zu seinem Sohn kann den Ablauf der Geschehnisse jedenfalls nur unzureichend erklären.
Doch der Realismus ist trotzdem die größte Stärke des Films, dem selbst ein, zwei größer angelegte Actionszenen (Schießereien und Autoverfolgungsjagden) nichts von ihrer Wirkung nehmen können. Sowohl Johnson-Sohn Rafi Gavron als auch seinem Szene-Kontaktmann Jon Bernthal wird jeweils ein glaubwürdiger, emotional komplexer Background spendiert. Comic-Reliefs verbieten sich in diesem Film; Auch Michael K. Williams profitiert als Gangsterboss wieder von der Differenziertheit, die ihm bereits in Serien wie „The Wire“ und „Boardwalk Empire“ vergönnt war. Auf Seiten der Polizei sorgen Barry Pepper und Susan Sarandon für die notwendigen Grauzonen, die es schwer machen, eine Figur anhand ihres Äußeren zu verurteilen, sowohl im Positiven wie im Negativen.
Der hohe Teil an Drama und Charakterzeichnung lässt das Tempo eher gedrosselt erscheinen, ist aber so sorgfältig aufbereitet, dass dieser Umstand nicht als störend, sondern als passend empfunden wird. Das lässt die angeblich aus dem Leben gegriffene Undercover-Story unter dem Strich positiv dastehen, selbst wenn sich einige Ungereimtheiten durch die reine Motivation der Figuren nicht von der Hand weisen lassen.