Pearl Harbor
Verfasst: 26.12.2005, 11:27
Pearl Harbor
Originaltitel: Pearl Harbor
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2001
Regie: Michael Bay
Darsteller: Ben Affleck, Josh Hartnett, Kate Beckinsale, Cary-Hiroyuki Tagawa u.a.
Am 7. Dezember 1941 war für die USA ein ähnlich einschneidendes Ereignis, wie vor 4 Jahren der 11. September. Ohne Vorwarnung attackierten etwa 400 japanische Flugzeuge den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf der Hawaii-Insel Oahu. 2400 Amerikaner ließen ihr Leben in dem unerwarteten Kugel-, Bomben- und Torpedo-Hagel, während nur 65 Japaner fielen. Ein großer Teil der US-Flotte wurde zerstört oder schwer beschädigt. Noch heute liegt das Wrack der USS Arizona in 12 Metern Tiefe in den Hafengewässern und in ihrem Bauch die Leichen von über 1100 Besatzungsmitgliedern.
Das USS Arizona Memorial, unter dem das Wrack der USS Arizona ruht, rechts ein Modell desselbigen im Pearl Harbor Visitor Center.
Gründe für den verheerenden Angriff werden von Historikern verschiedene genannt. Klar ist, dass die Friedensverhandlungen zwischen USA & Japan schon vorher am stocken waren, nicht zuletzt weil Japan stark an den Philippinnen interessiert war, dort aber aufgrund der nahen US-Flotte auf Hawaii keine Invasion starten konnte.
Schon kurz nach dem Angriff tauchten Gerüchte auf, dass die amerikanische Regierung schon lange vor der Attacke von den Plänen gewusst habe, dies aber bewusst geheim hielt, um durch einen gegnerischen Angriff der nach dem 1. Weltkrieg kriegsfaulen US-Bevölkerung einen einleuchtenden Kriegsgrund liefern zu können. Spätestens seit der zahlreichen im Irak befindlichen Massenvernichtungswaffen klingt diese Theorie gar nicht mehr so abwegig…
Verlassen wir das sonnige Hawaii und wagen einen Abstecher an die sonnige Küste Mexikos, an der Mitte der 90er der Spezialist für gigantische Actionproduktionen, meist mit Beteiligung eines sprechenden Muskels aus Österreich, einen nahezu kompletten Nachbau der unsinkbaren Titanic versenkte und mit einer gelungenen Love-Story das ganze mit der nötigen Dramatik würzte. Jeder prognostizierte einen gigantischen Flop, kostete der Film doch sagenhafte 200 Millionen Dollar und war damit der teuerste Streifen aller Zeiten.
Ein paar hundert Meilen weiter nördlich, im ebenfalls sonnigen Los Angeles regnete es einige Monate später 11 Oscars für James Camerons gigantischen Blockbuster, der auch an den Kinokassen vom Erfolg gesegnet war und bis heute unerreichte 1,8 Milliarden Dollar in die Kassen von Paramount & 20th Century Fox spülte. Cameron schrie mit dem Regie-Oscar in der Hand schließlich auf der Bühne der Verleihung „I’m the king of the world“ ins Mikrofon, was wohl auch der aufschauende Nachwuchs-Action-Spezialist Michael Bay mitbekam.
Der hatte sich gerade mit „Bad Boys“ & „The Rock“ in die Herzen der Filmstudios gefilmt, legte im Folgejahr mit „Armageddon“ noch einen drauf und dachte sich dann, dass es doch auch fein wäre, wenn er den selben Satz mal bei der Oscar-Verleihung rufen könne.
Also schaute er sich den Untergang der Titanic genauer an…..wie hatte Jimmy-Boy das Unmögliche geschafft? Es gab eine große Katastrophe, es gab eine Love-Story, es gab 2 eher unbekannte, junge Schauspieler….Michael fand mit dem Desaster von „Pearl Harbor“ seine Katastrophe, wurschtelte da eine Love-Story hinein und fand irgendwo auch besagte junge Schauspieler: Ben Affleck & Josh Hartnett….
Die beiden agieren als die besten Kumpels Ray und Danny, die bei der Navy zu den besten Piloten gehören. Eines Abends lernt Ray Evelyn kennen, zieht aber bald darauf freiwillig in den Krieg, der gerade in Europa tobt, um endlich Kampferfahrung sammeln zu können. Danny bleibt zurück und muss Evelyn bald darauf die traurige Nachricht von Ray’s Absturz überbringen. Dann kommen die beiden sich näher, verlieben sich ineinander und plötzlich steht Ray vor der Tür, der den Absturz besser überstanden hat, als angenommen. Er lebt, ist tierisch sauer auf Danny…doch zu einer Aussprache kommt es nicht, denn am nächsten Morgen reißen die Japaner die träumerische Insel-Idylle mit einem vernichtenden Bombenteppich äußerst unsensibel aus dem Schlaf…
„Titanic“ von Michael Bay beginnt im Vergleich zum Vorbild langsam und belanglos vor sich hinplätschernd. Die für ihn typische Sonnenuntergangs-Ästhetik verarbeitet er zuhauf, führt die Charaktere ein und startet in die erfolgsversprechende Love-Story. Während die auf der Titanic größtenteils überzeugen konnte, hat Mr. Bay die Jungschauspieler scheinbar per Zufallsgenerator gefunden. Das blasse Schauspiel von Ben Affleck, Josh Hartnett und Kate Beckinsale, dem hinreißenden Objekt der Begierde, sorgt dafür, dass das erste Drittel zwar ordentlich unterhält, aber nicht über das Niveau von Telenovelas hinauskommt.
Das Einspiel gab der recht einfallslosen Kopier-Taktik allerdings Recht, denn auch die Zahnspangen-Fraktion wollte sich den Film angesichts der beiden Milchbubbies und der schönen Liebesgeschichte anschauen.
Auch der Rest des recht prominenten Casts (Alec Baldwin, Cuba Gooding Jr., Jon Voight…) haut nicht um, alle spielen routiniert, wohl aber mit dem Bewusstsein gegen die kommende Materialschlacht eh keine Chance zu haben.
Die Männer sitzen also müde grinsend, bzw. bei Kate Beckinsale’s Screentime sabbernd im Kinosessel, während die Frauen angesichts der GZSZ-Dramatik im Nachbarsessel geradezu vor sich hin schmelzen.
Den Pluspunkt, der nun an James Cameron und seine funktionierende Love-Story ging, musste Michael Bay also wieder irgendwie zurückholen, so borgte er sich von Touchstone läppische 135 Millionen Dollar, flog ins sonnige Honolulu, ließ ein paar Schiffsrümpfe nachbauen und die Show konnte beginnen.
Durfte man im ersten Drittel nur in kurzen Gefechtseinblendungen erahnen, was bald in Pearl Habor lossein werde, gabt Mr. Bay schließlich dem „The Rock“-Komponisten Hans Zimmer das Startsignal, um den vor sich hinsäuselnden Soundtrack aufzudrehen und mit Pauken & Posaunen den Angriff einzuläuten. Die Frauen im Kinosaal begannen sich gelangweilt um die Länge ihrer Fingernägel zu kümmern, während den sabbernden Männern die Taschentücher zum Sabber-Wegwischen ausgingen.
In Zeitlupe binden sich die Japaner ihre Flagge um den Kopf, steigen langsam in ihre Flugzeuge, werfen die Motoren an. Mit treibenden Paukenschlägen hebt ein Meer von Kampf-Flugzeugen von den Flugzeugträgern ab. Das sind die Bösen, keine Frage. Bei soviel audiovisueller Wucht (und das, obwohl noch keine Bombe gefallen ist) sperrt das männliche Geschlecht grundsätzlich so böse Worte wie „Schwarz-weiß-Malerei“ oder „Patriotismus“ in die kleine imaginäre Holzkiste, schließt ab und wirft den Schlüssel weit, weit weg…
400 Flugzeuge fliegen auf Oahu zu, tauchen durch die Wolken hindurch, die grüne Insel taucht auf dem Bildschirm auf. Wie Kinder zu Weihnachten rutscht man ungeduldig von einer Po-Backe zur anderen. Lange hat der Michael uns hingehalten und jetzt geht’s endlich los!
Der erste Torpedo löst sich mit einem Klicken vom Flugzeug, taucht mit einer dumpfen Meldung vom Subwoofer ins Hafenwasser ein. Die Kamera hängt am Ende der Waffe, verfolgt sie, bis sie in einem lauten Knall die erste Schiffswand in Stücke reißt.
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Mr. Bay hier alle Erwartungen um ein weites übertrifft. Der Angriff der Japaner wird mit unzähligen Cinemascope-füllenden Feuerbällen zu einem audiovisuellen Inferno voller Zerstörung, wie man es noch nie auf einer Kinoleinwand betrachten durfte. In ausgefeilten Kameraperspektiven werden Bomben von den hochfliegenden Flugzeugen bis zur Detonation verfolgt, während man in der nächsten Szene halsbrecherisch zwischen den brennenden Schiffen hindurchfliegt und links und recht die Zeros vorbei rauschen.
Die Katastrophe, bei der ca. 2500 Menschen ums Leben kamen entwickelt sich makaberer-weise zum effektgeladenen Unterhaltungskino. Immer wieder werden – zumindest im Director’s Cut – die schrecklichen Verletzungen der Opfer gezeigt, abgerissene Köpfe, Gedärme, Blut…die ganze Palette. Nichtsdestotrotz erreicht diese Materialschlacht zu keinem Zeitpunkt die abschreckende Intensität eines „Soldat James Ryan“. Stattdessen sitzt man(n) von der optischen Wucht überwältigt tiefverkrallt im Kinosessel, hat längst Cola & Popcorn vergessen. Mitgerissen verfolgt man, wie ein einfacher Koch voller Wut auf die bösen Japaner in Zeitlupe und dramatischer Musik ans MG geht, selbiges in die Kamera dreht und mit lautem Gebrüll, wovon selbst Rambo beeindruckt wäre, das Feuer eröffnet. Jubelnd zuckt man(n) zusammen, als die erste japanische Maschine mit einem tösenden Knall abgeschossen ist. Nach der ersten Zerstörungswelle steigen schließlich unsere beiden Milchbubbis in die Flugzeuge und versuchen wenigstens nicht ganz tatenlos die Katastrophe über sich ergehen zu lassen. Die beiden zischen zwischen Hangars durch, sausen in Höhen von 1-2m über den Boden, verfolgt von gegnerischen Flugzeugen und hektisch nach links und rechts neigend sitzt der männliche Zuschauer neben der verstört zu ihrer besseren Hälfte rüberschauenden Frau.
Nach einer guten Dreiviertel-Stunde ist der Spuk dann schließlich vorbei, der Mitfieber-Schweiß wird von der Stirn gewischt und während die Regierung schon am Gegenschlag am planen ist, konzentriert sich Michael wieder auf seine Dreiecks-Liebesgeschichte…Gott sei Dank nur kurz, denn nach dieser beinahe einstündigen Zerstörungsorgie ist Bay immer noch in seinem Element und reiht bei dem Training zum anstehenden sog. Dolittle-Angriff untermalt vom militärisch antreibenden Orchestersound einen Werbeclip-Ästhetik-Shot an den nächsten. Zur obligatorischen Präsidentenansprache wird schließlich auch noch der Gegenangriff auf Tokio in einem kurzen Effektgeplänkel zelebriert, bevor das tragische Ende der Dreierbeziehung eingeläutet wird. Auch das musste schließlich hierein, heulen sollte man hier wie im großen Vorbild ja auch…
Ärgerlicherweise hat die Frau nebenan die Suche nach dem Schlüssel aufgegeben und öffnet die abgeschlossene Holzkiste schließlich mit der weiblichen Brechstange. Zugegeben, der Film trieft nur so vor Patriotismus, verschleiert ungeniert alles, was zu dem Angriff führte und ebenso alles, was noch danach passieren sollte. Im Off spricht Evelyn stolz davon, dass die Amerikaner trotz des furchtbaren Angriffs an Stärke gewonnen haben…..dass sich diese Stärke knappe 4 Jahre später in zwei gigantischen Atompilzen über Nagasaki & Hiroshima entladen wird, darüber verliert die gute kein Wort, darüber breitet man sozusagen politisch korrekt den Mantel des Schweigens. Objektiv analysiert also ein Film, der hervorragend ins aktuelle Bild der USA passt, patriotisch, manipulierend, Schwarz-weiß-Vorstellungen, Krieg als anspruchsloses Entertaiment. Bush wird begeistert gewesen sein, doch ein 9-stelliges Einspielergebnis zeigt, dass nicht nur er sich an der Bay’schen Materialschlacht erfreut hat. Auch wenn der erhoffte Übererfolg ausblieb, der James Cameron’s Untergangsepos vom Einspiel-Thron kicken sollte, konnte man doch zufrieden sein. Auch nur 2 Oscars (Best Effects, Sound Effects Editing) wanderten in die Hände der Filmemacher. Der Oscar für die besten Effekte ging auf jeden Fall an die Richtigen, denn in Zeiten von ständig negativ auffallender CGI-Unterstützung sticht „Pearl Harbor“ überraschend positiv hervor.
Nicht dass man hier auf Computer verzichtete, ganz im Gegenteil, aber es waren offensichtlich Leute am Werk, die wirklich was von ihrem Job verstanden. So sind die unzähligen Effektaufnahmen hier so gut wie gar nicht als solche auszumachen. Wo sich Computer-Einsatz vermeiden ließ, arbeitete man mit herkömmlichen Effekten. So ist ein Großteil der atemberaubenden Explosionen echt, ebenso die untergehenden Schiffsrümpfe, die Michael Bay getreu seinem titanischen Vorbild ebenfalls in großen Wasserbecken errichten ließ.
Die Entscheidung Hans Zimmer auf den Soundtrack loszulassen kann auch wiedereinmal nur als goldrichtig bezeichnet werden. Seine wuchtigen, schwergängigen Orchestermelodien passen sich perfekt dem Bay’schen Bilderrausch an. Der Titelsong „There’ll you be“ von Faith Hill passt übrigens auch wie die Faust auf’s Auge, wirkt er doch offensichtlich von Celine Dion’s „My Heart will go on“ abgekupfert.
„Pearl Harbor“ ist einer dieser Filme, die man sich immer wieder anschaut. Das liegt nicht an der belanglosen Liebesgeschichte, die genauso austauschbar wie unnötig wirkt und auch nicht an den hölzernen Hauptdarstellern. Der wahre Star des Films ist der Angriff auf den US-Flottenstützpunkt und der begeistert mit seiner optischen Brachialgewalt jedes mal auf’s neue. Wenn ein Schiff nach dem anderen in gleißenden Explosionen zerfetzt wird vergisst man gern die Defizite, die der Film allzu offensichtlich hat. Dazu zählt auch die geradezu unverschämt oberflächliche Betrachtungsweise der Ereignisse, sowie die zweifelhafte Entwicklung des Krieges zum begeisternden Unterhaltungsgegenstand.
Demnach sollte man(n) auch bei diesem Bay-Film das Hirn auf Sparflamme stellen, sich von der gigantischen Visualisierung des Desasters umhauen lassen und nicht zu sehr über Hintergründe & Anspruch dieses Möchtegern-Epos nachdenken. Aus den nicht übersehbaren Mängeln resultieren immer noch recht großzügige…
Vom sonnigen Honolulu bewegen wir uns nun zu guter letzt noch in den eiskalten atlantischen Ozean, vor der US-Ost-Küste, in dem irgendwo der König der Welt mit seinen 11 Oscars in einem engen U-Boot sitzt und zum x-ten mal um das Wrack der Titanic kreist. Der Film-Monarch hat seinen Thron nahezu kampflos verteidigen können…
Zur DVD
Zu empfehlen ist der dt. Director’s Cut, der in einem ansprechenden Digipack mit 3 DVDs von Buena Vista erschienen ist. Sowohl Ton-, als auch Bildqualität sind grandios, die Extras gestalten sich sehr ausführlich, werbefrei und gehen sogar objektiver an die Katastrophe heran, als es der Film tut. Der Director's Cut selbst ist unwesentlich länger als die Kinofassung, bietet aber einige derbe Gewalteinstellungen, die im Kinocut nicht zu sehen sind. Kaufempfehlung!
Originaltitel: Pearl Harbor
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2001
Regie: Michael Bay
Darsteller: Ben Affleck, Josh Hartnett, Kate Beckinsale, Cary-Hiroyuki Tagawa u.a.
Am 7. Dezember 1941 war für die USA ein ähnlich einschneidendes Ereignis, wie vor 4 Jahren der 11. September. Ohne Vorwarnung attackierten etwa 400 japanische Flugzeuge den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf der Hawaii-Insel Oahu. 2400 Amerikaner ließen ihr Leben in dem unerwarteten Kugel-, Bomben- und Torpedo-Hagel, während nur 65 Japaner fielen. Ein großer Teil der US-Flotte wurde zerstört oder schwer beschädigt. Noch heute liegt das Wrack der USS Arizona in 12 Metern Tiefe in den Hafengewässern und in ihrem Bauch die Leichen von über 1100 Besatzungsmitgliedern.
Das USS Arizona Memorial, unter dem das Wrack der USS Arizona ruht, rechts ein Modell desselbigen im Pearl Harbor Visitor Center.
Gründe für den verheerenden Angriff werden von Historikern verschiedene genannt. Klar ist, dass die Friedensverhandlungen zwischen USA & Japan schon vorher am stocken waren, nicht zuletzt weil Japan stark an den Philippinnen interessiert war, dort aber aufgrund der nahen US-Flotte auf Hawaii keine Invasion starten konnte.
Schon kurz nach dem Angriff tauchten Gerüchte auf, dass die amerikanische Regierung schon lange vor der Attacke von den Plänen gewusst habe, dies aber bewusst geheim hielt, um durch einen gegnerischen Angriff der nach dem 1. Weltkrieg kriegsfaulen US-Bevölkerung einen einleuchtenden Kriegsgrund liefern zu können. Spätestens seit der zahlreichen im Irak befindlichen Massenvernichtungswaffen klingt diese Theorie gar nicht mehr so abwegig…
Verlassen wir das sonnige Hawaii und wagen einen Abstecher an die sonnige Küste Mexikos, an der Mitte der 90er der Spezialist für gigantische Actionproduktionen, meist mit Beteiligung eines sprechenden Muskels aus Österreich, einen nahezu kompletten Nachbau der unsinkbaren Titanic versenkte und mit einer gelungenen Love-Story das ganze mit der nötigen Dramatik würzte. Jeder prognostizierte einen gigantischen Flop, kostete der Film doch sagenhafte 200 Millionen Dollar und war damit der teuerste Streifen aller Zeiten.
Ein paar hundert Meilen weiter nördlich, im ebenfalls sonnigen Los Angeles regnete es einige Monate später 11 Oscars für James Camerons gigantischen Blockbuster, der auch an den Kinokassen vom Erfolg gesegnet war und bis heute unerreichte 1,8 Milliarden Dollar in die Kassen von Paramount & 20th Century Fox spülte. Cameron schrie mit dem Regie-Oscar in der Hand schließlich auf der Bühne der Verleihung „I’m the king of the world“ ins Mikrofon, was wohl auch der aufschauende Nachwuchs-Action-Spezialist Michael Bay mitbekam.
Der hatte sich gerade mit „Bad Boys“ & „The Rock“ in die Herzen der Filmstudios gefilmt, legte im Folgejahr mit „Armageddon“ noch einen drauf und dachte sich dann, dass es doch auch fein wäre, wenn er den selben Satz mal bei der Oscar-Verleihung rufen könne.
Also schaute er sich den Untergang der Titanic genauer an…..wie hatte Jimmy-Boy das Unmögliche geschafft? Es gab eine große Katastrophe, es gab eine Love-Story, es gab 2 eher unbekannte, junge Schauspieler….Michael fand mit dem Desaster von „Pearl Harbor“ seine Katastrophe, wurschtelte da eine Love-Story hinein und fand irgendwo auch besagte junge Schauspieler: Ben Affleck & Josh Hartnett….
Die beiden agieren als die besten Kumpels Ray und Danny, die bei der Navy zu den besten Piloten gehören. Eines Abends lernt Ray Evelyn kennen, zieht aber bald darauf freiwillig in den Krieg, der gerade in Europa tobt, um endlich Kampferfahrung sammeln zu können. Danny bleibt zurück und muss Evelyn bald darauf die traurige Nachricht von Ray’s Absturz überbringen. Dann kommen die beiden sich näher, verlieben sich ineinander und plötzlich steht Ray vor der Tür, der den Absturz besser überstanden hat, als angenommen. Er lebt, ist tierisch sauer auf Danny…doch zu einer Aussprache kommt es nicht, denn am nächsten Morgen reißen die Japaner die träumerische Insel-Idylle mit einem vernichtenden Bombenteppich äußerst unsensibel aus dem Schlaf…
„Titanic“ von Michael Bay beginnt im Vergleich zum Vorbild langsam und belanglos vor sich hinplätschernd. Die für ihn typische Sonnenuntergangs-Ästhetik verarbeitet er zuhauf, führt die Charaktere ein und startet in die erfolgsversprechende Love-Story. Während die auf der Titanic größtenteils überzeugen konnte, hat Mr. Bay die Jungschauspieler scheinbar per Zufallsgenerator gefunden. Das blasse Schauspiel von Ben Affleck, Josh Hartnett und Kate Beckinsale, dem hinreißenden Objekt der Begierde, sorgt dafür, dass das erste Drittel zwar ordentlich unterhält, aber nicht über das Niveau von Telenovelas hinauskommt.
Das Einspiel gab der recht einfallslosen Kopier-Taktik allerdings Recht, denn auch die Zahnspangen-Fraktion wollte sich den Film angesichts der beiden Milchbubbies und der schönen Liebesgeschichte anschauen.
Auch der Rest des recht prominenten Casts (Alec Baldwin, Cuba Gooding Jr., Jon Voight…) haut nicht um, alle spielen routiniert, wohl aber mit dem Bewusstsein gegen die kommende Materialschlacht eh keine Chance zu haben.
Die Männer sitzen also müde grinsend, bzw. bei Kate Beckinsale’s Screentime sabbernd im Kinosessel, während die Frauen angesichts der GZSZ-Dramatik im Nachbarsessel geradezu vor sich hin schmelzen.
Den Pluspunkt, der nun an James Cameron und seine funktionierende Love-Story ging, musste Michael Bay also wieder irgendwie zurückholen, so borgte er sich von Touchstone läppische 135 Millionen Dollar, flog ins sonnige Honolulu, ließ ein paar Schiffsrümpfe nachbauen und die Show konnte beginnen.
Durfte man im ersten Drittel nur in kurzen Gefechtseinblendungen erahnen, was bald in Pearl Habor lossein werde, gabt Mr. Bay schließlich dem „The Rock“-Komponisten Hans Zimmer das Startsignal, um den vor sich hinsäuselnden Soundtrack aufzudrehen und mit Pauken & Posaunen den Angriff einzuläuten. Die Frauen im Kinosaal begannen sich gelangweilt um die Länge ihrer Fingernägel zu kümmern, während den sabbernden Männern die Taschentücher zum Sabber-Wegwischen ausgingen.
In Zeitlupe binden sich die Japaner ihre Flagge um den Kopf, steigen langsam in ihre Flugzeuge, werfen die Motoren an. Mit treibenden Paukenschlägen hebt ein Meer von Kampf-Flugzeugen von den Flugzeugträgern ab. Das sind die Bösen, keine Frage. Bei soviel audiovisueller Wucht (und das, obwohl noch keine Bombe gefallen ist) sperrt das männliche Geschlecht grundsätzlich so böse Worte wie „Schwarz-weiß-Malerei“ oder „Patriotismus“ in die kleine imaginäre Holzkiste, schließt ab und wirft den Schlüssel weit, weit weg…
400 Flugzeuge fliegen auf Oahu zu, tauchen durch die Wolken hindurch, die grüne Insel taucht auf dem Bildschirm auf. Wie Kinder zu Weihnachten rutscht man ungeduldig von einer Po-Backe zur anderen. Lange hat der Michael uns hingehalten und jetzt geht’s endlich los!
Der erste Torpedo löst sich mit einem Klicken vom Flugzeug, taucht mit einer dumpfen Meldung vom Subwoofer ins Hafenwasser ein. Die Kamera hängt am Ende der Waffe, verfolgt sie, bis sie in einem lauten Knall die erste Schiffswand in Stücke reißt.
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Mr. Bay hier alle Erwartungen um ein weites übertrifft. Der Angriff der Japaner wird mit unzähligen Cinemascope-füllenden Feuerbällen zu einem audiovisuellen Inferno voller Zerstörung, wie man es noch nie auf einer Kinoleinwand betrachten durfte. In ausgefeilten Kameraperspektiven werden Bomben von den hochfliegenden Flugzeugen bis zur Detonation verfolgt, während man in der nächsten Szene halsbrecherisch zwischen den brennenden Schiffen hindurchfliegt und links und recht die Zeros vorbei rauschen.
Die Katastrophe, bei der ca. 2500 Menschen ums Leben kamen entwickelt sich makaberer-weise zum effektgeladenen Unterhaltungskino. Immer wieder werden – zumindest im Director’s Cut – die schrecklichen Verletzungen der Opfer gezeigt, abgerissene Köpfe, Gedärme, Blut…die ganze Palette. Nichtsdestotrotz erreicht diese Materialschlacht zu keinem Zeitpunkt die abschreckende Intensität eines „Soldat James Ryan“. Stattdessen sitzt man(n) von der optischen Wucht überwältigt tiefverkrallt im Kinosessel, hat längst Cola & Popcorn vergessen. Mitgerissen verfolgt man, wie ein einfacher Koch voller Wut auf die bösen Japaner in Zeitlupe und dramatischer Musik ans MG geht, selbiges in die Kamera dreht und mit lautem Gebrüll, wovon selbst Rambo beeindruckt wäre, das Feuer eröffnet. Jubelnd zuckt man(n) zusammen, als die erste japanische Maschine mit einem tösenden Knall abgeschossen ist. Nach der ersten Zerstörungswelle steigen schließlich unsere beiden Milchbubbis in die Flugzeuge und versuchen wenigstens nicht ganz tatenlos die Katastrophe über sich ergehen zu lassen. Die beiden zischen zwischen Hangars durch, sausen in Höhen von 1-2m über den Boden, verfolgt von gegnerischen Flugzeugen und hektisch nach links und rechts neigend sitzt der männliche Zuschauer neben der verstört zu ihrer besseren Hälfte rüberschauenden Frau.
Nach einer guten Dreiviertel-Stunde ist der Spuk dann schließlich vorbei, der Mitfieber-Schweiß wird von der Stirn gewischt und während die Regierung schon am Gegenschlag am planen ist, konzentriert sich Michael wieder auf seine Dreiecks-Liebesgeschichte…Gott sei Dank nur kurz, denn nach dieser beinahe einstündigen Zerstörungsorgie ist Bay immer noch in seinem Element und reiht bei dem Training zum anstehenden sog. Dolittle-Angriff untermalt vom militärisch antreibenden Orchestersound einen Werbeclip-Ästhetik-Shot an den nächsten. Zur obligatorischen Präsidentenansprache wird schließlich auch noch der Gegenangriff auf Tokio in einem kurzen Effektgeplänkel zelebriert, bevor das tragische Ende der Dreierbeziehung eingeläutet wird. Auch das musste schließlich hierein, heulen sollte man hier wie im großen Vorbild ja auch…
Ärgerlicherweise hat die Frau nebenan die Suche nach dem Schlüssel aufgegeben und öffnet die abgeschlossene Holzkiste schließlich mit der weiblichen Brechstange. Zugegeben, der Film trieft nur so vor Patriotismus, verschleiert ungeniert alles, was zu dem Angriff führte und ebenso alles, was noch danach passieren sollte. Im Off spricht Evelyn stolz davon, dass die Amerikaner trotz des furchtbaren Angriffs an Stärke gewonnen haben…..dass sich diese Stärke knappe 4 Jahre später in zwei gigantischen Atompilzen über Nagasaki & Hiroshima entladen wird, darüber verliert die gute kein Wort, darüber breitet man sozusagen politisch korrekt den Mantel des Schweigens. Objektiv analysiert also ein Film, der hervorragend ins aktuelle Bild der USA passt, patriotisch, manipulierend, Schwarz-weiß-Vorstellungen, Krieg als anspruchsloses Entertaiment. Bush wird begeistert gewesen sein, doch ein 9-stelliges Einspielergebnis zeigt, dass nicht nur er sich an der Bay’schen Materialschlacht erfreut hat. Auch wenn der erhoffte Übererfolg ausblieb, der James Cameron’s Untergangsepos vom Einspiel-Thron kicken sollte, konnte man doch zufrieden sein. Auch nur 2 Oscars (Best Effects, Sound Effects Editing) wanderten in die Hände der Filmemacher. Der Oscar für die besten Effekte ging auf jeden Fall an die Richtigen, denn in Zeiten von ständig negativ auffallender CGI-Unterstützung sticht „Pearl Harbor“ überraschend positiv hervor.
Nicht dass man hier auf Computer verzichtete, ganz im Gegenteil, aber es waren offensichtlich Leute am Werk, die wirklich was von ihrem Job verstanden. So sind die unzähligen Effektaufnahmen hier so gut wie gar nicht als solche auszumachen. Wo sich Computer-Einsatz vermeiden ließ, arbeitete man mit herkömmlichen Effekten. So ist ein Großteil der atemberaubenden Explosionen echt, ebenso die untergehenden Schiffsrümpfe, die Michael Bay getreu seinem titanischen Vorbild ebenfalls in großen Wasserbecken errichten ließ.
Die Entscheidung Hans Zimmer auf den Soundtrack loszulassen kann auch wiedereinmal nur als goldrichtig bezeichnet werden. Seine wuchtigen, schwergängigen Orchestermelodien passen sich perfekt dem Bay’schen Bilderrausch an. Der Titelsong „There’ll you be“ von Faith Hill passt übrigens auch wie die Faust auf’s Auge, wirkt er doch offensichtlich von Celine Dion’s „My Heart will go on“ abgekupfert.
„Pearl Harbor“ ist einer dieser Filme, die man sich immer wieder anschaut. Das liegt nicht an der belanglosen Liebesgeschichte, die genauso austauschbar wie unnötig wirkt und auch nicht an den hölzernen Hauptdarstellern. Der wahre Star des Films ist der Angriff auf den US-Flottenstützpunkt und der begeistert mit seiner optischen Brachialgewalt jedes mal auf’s neue. Wenn ein Schiff nach dem anderen in gleißenden Explosionen zerfetzt wird vergisst man gern die Defizite, die der Film allzu offensichtlich hat. Dazu zählt auch die geradezu unverschämt oberflächliche Betrachtungsweise der Ereignisse, sowie die zweifelhafte Entwicklung des Krieges zum begeisternden Unterhaltungsgegenstand.
Demnach sollte man(n) auch bei diesem Bay-Film das Hirn auf Sparflamme stellen, sich von der gigantischen Visualisierung des Desasters umhauen lassen und nicht zu sehr über Hintergründe & Anspruch dieses Möchtegern-Epos nachdenken. Aus den nicht übersehbaren Mängeln resultieren immer noch recht großzügige…
Vom sonnigen Honolulu bewegen wir uns nun zu guter letzt noch in den eiskalten atlantischen Ozean, vor der US-Ost-Küste, in dem irgendwo der König der Welt mit seinen 11 Oscars in einem engen U-Boot sitzt und zum x-ten mal um das Wrack der Titanic kreist. Der Film-Monarch hat seinen Thron nahezu kampflos verteidigen können…
Zur DVD
Zu empfehlen ist der dt. Director’s Cut, der in einem ansprechenden Digipack mit 3 DVDs von Buena Vista erschienen ist. Sowohl Ton-, als auch Bildqualität sind grandios, die Extras gestalten sich sehr ausführlich, werbefrei und gehen sogar objektiver an die Katastrophe heran, als es der Film tut. Der Director's Cut selbst ist unwesentlich länger als die Kinofassung, bietet aber einige derbe Gewalteinstellungen, die im Kinocut nicht zu sehen sind. Kaufempfehlung!