Die Südkoreaner und ihr unersättlicher Hunger nach einer Revolution des Actionfilms, er geleitet uns diesmal in den Kopf einer perfekt ausgebildeten Killerin und offeriert uns ihre Augen als Sichtfenster. Wir sehen reihenweise Schurken zu Boden gehen und haben den Eindruck, wir sind der Grund dafür. Der uns gebotene Tunnelblick ist so atemberaubend, dass wir nur am Rande wahrnehmen, dass die überschüssigen Gegner im Hintergrund brav warten, bis sie an der Reihe sind. Ein altes Klischee, das in Anbetracht der brachialen Wirkung zu vernachlässigen ist. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass wir das Blickfeld einer uns fremden Person einnehmen, aber noch selten hatte eine Ego-Simulation ein derart ausgefeiltes Design. Die Ohren wurden quasi zu Türflügeln ausgebaut, was bedeutet, dass wir uns auch einfach mal nahtlos aus der Ich-Perspektive lösen und in die dritte Person wechseln können. Plötzlich hängen wir, hilflos wie ein Baby in einem Rucksack, Wange an Wange mit der Kampfexpertin, die nach wie vor unsere Bewegungen koordiniert, während wir ihren tödlichen Vorstoß aus nächster Nähe miterleben.
The Villainess? Ach so, der mit der First-Person-Klopperei... er wird wohl in die Ahnengalerie jener Actionfilme aufgenommen werden, an die man sich wegen dieser einen bestimmten Sequenz erinnern wird, die als Eyecatcher aus dem gesamten Rest herausragt. Ach, da hängt noch ein Film dran? Egal. Das verhält sich anders als beispielsweise noch bei "Oldboy", der zwar ebenfalls eine von der Restinszenierung völlig losgelöste Kampfeinstellung zu bieten hatte (sozusagen das 2D-Sidescroller-Pendant zur hier gebotenen Egoshooter-Variante), der heute aber doch eher als Gesamtkomposition aus Bildern und Handlung gefeiert wird.
Auch "The Villainess" hätte das verdient, ist der furiose Auftakt doch eng verknüpft mit der von Flashbacks durchsetzten, puzzle-artigen Erzählung, die sich nicht nur im Action-Bereich niederlässt, sondern einen Drift nach dem anderen ins dramatische Fach einlegt. Man traut ihm allerdings keine vergleichbare Ausgeglichenheit von Form und Substanz zu. Dazu beginnt er eine Spur zu spektakulär. Das Publikum erblindet früh und erkennt dann die fein gewobenen Verbindungen nicht mehr, die sich zwischen dem Agenten-Plot und den Geistern der Vergangenheit ergeben, psychologisiert durch surreale Trips ins Unterbewusstsein und ausstaffierte Szenenbilder.
Das ist das Unglückliche im Aufbau eines ambitionierten Actiondramas, das wesentlich mehr bietet als neuartige Action-Choreografie, wenn vielleicht auch nicht genug, damit die Umleitung ins Inhaltliche lückenlos gelingt.
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