Windtalkers
Verfasst: 13.01.2006, 21:52
Windtalkers
Originaltitel: Windtalkers
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2002
Regie: John Woo
Darsteller: Nicolas Cage, Adam Beach, Christian Slater, Peter Stormare, Noah Emmerich, Mark Ruffalo, Brian Van Holt, Martin Henderson, Roger Willie, Frances O'Connor u.a.
Die Rolle von Informationen innerhalb der Kriegsführung sollte sich im Laufe der Geschichte stark verändern. Zunächst wurden Informationen mittels Feuerzeichen, Boten oder gar Brieftauben transportiert, was freilich ungemein "störanfällig" war. Doch schon damals nutzte man sie zur Denunziation des Gegners, zur Legitimation des eigenen politischen Anspruchs und zur Weitergabe von Information und Desinformation in bunter Mischung. Richtig ins Rollen kam der Militär-informationelle Fortschritt mit Anbruch der Neuzeit. So überzog Napoleon sein Imperium mit Balkentelegrafen der Brüder Chappe und erlangt eine bis dahin nicht da gewesene Koordinationsfähigkeit militärischer Ressourcen. 1856 wurde dann erstmals Zensur in großem Maße angewandt, um im Krimkrieg weitergegebene Informationen hinsichtlich militärischer Geheimhaltung gezielt zu beeinflussen. Auch die Fälschung von Informationen war damals keine Seltenheit. So kürzte und redigierte 1870 Kanzler Otto von Bismarck den Text eines Telegramms von H.Abekens über die Unterredungen Wilhelm des I. mit dem französischen Botschafter, Graf Benedetti in Ems vor der Veröffentlichung derart, dass dieses Dokument als sogenannte "Emser Depesche" zum Auslöser für den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurde! Informationen und Krieg war folglich schon immer eng miteinander verknüpft. Einen vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung mit dem ersten Weltkrieg: es entstehen zunächst in Frankreich und England - später auch in Deutschland umfangreiche Propagandaapparate, die Pressefreiheit wird mit Kriegsbeginn aufgehoben und Journalisten werden restriktiven Bedingungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zensur ihrer Berichte ausgesetzt. All das sollte im 2. Weltkrieg mühelos in den Schatten gestellt werden. Informationen wurden zu DEN kriegsentscheidenden Faktoren. So war Hitlers Blitzkrieg nur aus folgenden Gründen so durchschlagend:
1.deutsche Panzer führen erstmalig Funkempfänger mit sich, so dass die Besatzungen den Befehlen ihrer Kommandeure in Echtzeit gehorchen können.
2.Die Informationstechnik-Wunderwaffe der Deutschen war eine Chiffriermaschine namens ENIGMA, die nach einem Zufallsprinzip arbeitend, für die Allierten kaum zu entschlüsseln war, wenn sie die zugrundeliegenden Codebücher nicht kannten.
3.Hitlers umfangreicher Propagandaapparat
Im Verlauf des 2. WK sollten sich die westlichen Alliierten aber als die erfolgreicheren Informationskrieger herausstellen. Sie erfanden Radar und Sonar für die Feindobjekterkennung, Operations-Research zur Bewältigung militärischer Versorgungsprobleme (eine Art Projektmanagement fürs Militär) und erkannten die militärische Bedeutung programmierbarer Rechenautomaten (=Erfindungen des deutschen Computerpioniers Konrad Zuse). Gezielte Desinformation wurde ein kriegsentscheidendes Moment: So das in die Irre führen der gegnerischen Kommandeure, als die Alliierten die Überzeugung nährten, sie würden in Calais landen, aber den wahren Angriff an der Normandieküste durchführten.
Eine weitere, bisher eher unbekannte Geschichte des Information Warfare erzählt John Woos Kriegsfilm Windtalkers. Es geht um Joe Enders, ein Marine, der bei einem Angriff auf den Salomoninseln sein ganzes Platoon und fast auch sein Leben verliert. Seine Genesung geht überraschend schnell vonstatten. Angetrieben von seinem Willen wieder ins Feld zu kommen und unterstützt durch die Tricksereien einer Krankenschwester wird er schnell wieder tauglich geschrieben. Kaum wieder in einem militärischen Stützpunkt angekommen, erhält er seinen neuen Auftrag. Er soll einen Navajo namens Ben Yahzee bei dem Sturm auf die Insel Saipan beschützen. Dieser ist ein junger Rekrut und die neue Geheimwaffe in dem Krieg gegen die Japaner. Diese können nämlich die Sprache der Navajo nicht deuten und so fungiert Ben als Windtalker, als Codesprecher, für die Amerikaner. Dieser Babysitterjob gestaltet sich für Enders gefährlicher als angenommen, fliegen Enders und Yahzee doch bald die blauen Bohnen nur so um die Ohren, muss sich das "Pärchen" mit rassistischen Anfeindungen auseinandersetzen und müssen sich die grundverschiedenen Charaktere überhaupt erst einmal zusammenraufen. Dies gestaltet sich ungemein problematisch, will doch Enders keine engere Beziehung zu Enders aufbauen, hat er doch einen grausamen Befehl erhalten: Der Navajo darf UM KEINEN PREIS den Japanern in die Hände fallen. Dies gilt es MIT ALLEN MITTELN zu verhindern.
Bück dich, befehl ich dir, wende dein Antlitz ab von mir ...
Enders fegt mal heiß durch ...
Was für ein großer, tragischer Stoff, der geradezu nach der Handschrift des Meisters epischer Männerfreundschaften schreit. Denn freilich raufen sich Enders und Yahzee zusammen, bricht der Navajo den erkalteten Marine auf und kann Enders seinen Auftrag nicht mehr reinen Gewissens erledigen. Denn für ihn ist Yahzee bald mehr als nur ein Befehl ... er wird zu einem Kamerad, ja sogar zu einem Freund. Dementsprechend verstört reagiert Yahzee auf die Neuigkeit, dass Enders den Befehl hat ihn zu töten, bevor er in Gefangenschaft geraten könnte. Dein bester Freund und Kamerad könnte gleichzeitig dein Mörder sein. Yahzee ist bald umgeben von lauter Feinden. Diese grandiose Ausgangssituation hätte ein gigantischer Woo werden können, doch leider zündelt dieser Konflikt die ganze Zeit nur im Hintergrund und wird von martialischem Getöse übertüncht. Erst kurz vor Schluss bricht der Konflikt offen aus und sorgt für mehrere emotional befremdliche Szenen. So wird der sonst so besonnene Yahzee zum wahnsinnigen Einzelgänger, der weiß, dass er niemanden mehr vertrauen kann. Und der sonst so wagemutige Joe Enders agiert fast schon zurückhaltend, nicht mehr wissend, wie er mit der Situation umgehen soll, will er Yahzee doch längst nicht mehr töten ...
So wird der Film erst in den letzten 30 Minuten zu dem, was er hätte von Anfang an sein können. Doch das soll keineswegs heißen, dass der Einstieg irgendwie langweilig wäre. Nein, denn Woo beschränkt sich hier auf das, was er am besten kann. Die durchgeplante und brillant choreographierte Inszenierung von Chaos. Denn was Woo in Windtalkers an Action abbrennt sucht bislang noch seinesgleichen. Gigantische, weitläufige Scharmützel wechseln sich mit fast schon intimen Mano a Mano Duellen ab. Im Sekundentakt steigen gigantische Explosionswolken gen Himmel und gehen diverse Panzer und Artilleriestellungen in Feuer auf. Dabei kennt Woo keine Zurückhaltung und obwohl er ja nun wahrlich noch nie Kleinkindergeburtstage inszeniert hat, liefert er mit Windtalkers meines Erachtens sein bisher brutalstes Werk ab. Selten wurde in einem Kriegsfilm so viel aufgeschlitzt, erschlagen, erschossen, gesprengt und verbrannt wie in diesem Film. Hierbei fährt Woo seine Manierismen auf ein Minimum herunter. Kein beidhändiges Geballer, keine Tauben, keine übertriebenen Zeitlupenstudien. Dies lässt die Gewalt weniger stilisiert und verspielt wirken als in seinen "Mozart der Zerstörung Hochzeitmeisterwerken" wie Killer oder Hardboiled. Klar gibt es Pattsituationen, Blutwolken, mitten in Explosionen stehende und dennoch überlebende Menschen und einige religiöse Motive (die hier etwas unmotiviert wirken), aber sie nehmen niemals überhand. Der jetzt erschienene Windtalkers Director's Cut verstärkt den harten Eindruck des Filmes noch, fuhr Woo den Gewaltpegel doch noch einmal deutlich hoch und lässt manche Gewaltszene fast schon unerträglich hart wirken.
Mittendrin statt nur dabei ...
Aaaaargl ...
Do the Limbo Dance ... oder the Ketchup Song?
Insbesondere die Figur des Joe Enders gewinnt durch den Dir's Cut deutlich und somit wertet die neue Schnittfassung Nicolas Cages ohnehin gute Performance noch einmal deutlich auf. Enders wirkt hier noch weniger heldenhaft und gewinnt eine zusätzliche, vom Krieg verkrüppelte Dimension, die ihn selbst einsehen lässt: "Ich habe verlernt zu leben." Wenn Joe Enders bei der Landung auf Saipan wie im Rausch die Reihen der Gegner lichtet, ist Woo auf dem Höhepunkt seines Schaffens, die dem Zuschauer einen kalten Schauer nach dem anderen den Rücken hinunterjagt. Unbegreiflich, wie man das bisher rausschneiden konnte, denn hier wird der wahre Irrsinn des Krieges erst richtig greifbar und der Film erhält durchaus auch die Berechtigung sich selbst Antikriegsfilm zu nennen.
Die anderen Darsteller und Figuren erfahren keine derartige Aufwertung, allerdings waren ihre Figuren eh nicht weiter von Belang für Woo. So bleiben sie nach wie vor recht eindimensional, werden aber durch die sympathischen Darsteller zu echten Typen. Adam Beach als fast schon naiver Yahzee ist ein tolles Gegenstück zu dem verbitterten Joe Enders, Christian Slaters Rolle des Henderson inklusive seines Navajo Sidekicks Whitehorse bildet den menschlichen Background des Filmes, denn seine Freundschaft zu Whitehorse und ihr abruptes Ende geht wirklich nahe und weiß zu berühren. Mark Ruffalo (Collateral), Martin Henderson (Ring) und Peter Stormare (Brothers Grimm) runden den Cast ab. Ein Ärgernis ist mal wieder die Tatsache, dass Woo mit der einzigen Frau im Cast (Frances McDormand) NICHTS anfangen kann. Sie kann Enders keine zusätzliche menschliche Dimension verpassen, ist er doch zu verbittert und abweisend im Umgang mit ihr. Von daher erschließt sich der Sinn ihrer Figur NULL und es stellt sich die Frage, warum Woo nicht einfach konsequenterweise ihre Rolle vollkommen gecancelt hat, es hätte den Film deutlich aufgewertet!
Optisch ist Woo wie immer unantastbar. Er liefert starke Bilder, erdige, kräftige Farben, übersichtliche Kriegszenarien, tolle Kamerafahrten und bleibt seinen Wurzeln immer treu: Wenn es hart wird, muss man das sehen und dementsprechend wird hier immer voll draufgehalten und kein einziger überflüssiger Schnitt zerstört den choreographischen Gesamteindruck. Auch James Horner beweist hier, dass er einst gute Soundtracks stemmen konnte, eine Gabe, die er in letzter Zeit ja ein wenig verloren zu haben scheint. Und so bleibt ein gelungener, übergroßer Actionfilm, der durch den Dir's Cut eine deutliche Aufwertung erfährt, aber nach wie vor nicht verschleiern kann, dass er unglaublich viele Möglichkeiten verschenkt hat und somit zwar actiontechnisch ein echter Woo sein mag, emotional aber nicht fesseln kann und von einem Antikriegsfilm mehr als nur ein bisschen entfernt ist.
Die DVD von MGM kommt in einem netten Schuber daher und wurde extratechnisch deutlich aufgewertet. Obendrein gibt es ultrastylishe Menüs, eine satte Tonspur und ein überdurchschnittlich gutes Bild und ist mir eine klare Kaufempfehlung wert.
In diesem Sinne:
freeman
Originaltitel: Windtalkers
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2002
Regie: John Woo
Darsteller: Nicolas Cage, Adam Beach, Christian Slater, Peter Stormare, Noah Emmerich, Mark Ruffalo, Brian Van Holt, Martin Henderson, Roger Willie, Frances O'Connor u.a.
Die Rolle von Informationen innerhalb der Kriegsführung sollte sich im Laufe der Geschichte stark verändern. Zunächst wurden Informationen mittels Feuerzeichen, Boten oder gar Brieftauben transportiert, was freilich ungemein "störanfällig" war. Doch schon damals nutzte man sie zur Denunziation des Gegners, zur Legitimation des eigenen politischen Anspruchs und zur Weitergabe von Information und Desinformation in bunter Mischung. Richtig ins Rollen kam der Militär-informationelle Fortschritt mit Anbruch der Neuzeit. So überzog Napoleon sein Imperium mit Balkentelegrafen der Brüder Chappe und erlangt eine bis dahin nicht da gewesene Koordinationsfähigkeit militärischer Ressourcen. 1856 wurde dann erstmals Zensur in großem Maße angewandt, um im Krimkrieg weitergegebene Informationen hinsichtlich militärischer Geheimhaltung gezielt zu beeinflussen. Auch die Fälschung von Informationen war damals keine Seltenheit. So kürzte und redigierte 1870 Kanzler Otto von Bismarck den Text eines Telegramms von H.Abekens über die Unterredungen Wilhelm des I. mit dem französischen Botschafter, Graf Benedetti in Ems vor der Veröffentlichung derart, dass dieses Dokument als sogenannte "Emser Depesche" zum Auslöser für den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurde! Informationen und Krieg war folglich schon immer eng miteinander verknüpft. Einen vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung mit dem ersten Weltkrieg: es entstehen zunächst in Frankreich und England - später auch in Deutschland umfangreiche Propagandaapparate, die Pressefreiheit wird mit Kriegsbeginn aufgehoben und Journalisten werden restriktiven Bedingungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zensur ihrer Berichte ausgesetzt. All das sollte im 2. Weltkrieg mühelos in den Schatten gestellt werden. Informationen wurden zu DEN kriegsentscheidenden Faktoren. So war Hitlers Blitzkrieg nur aus folgenden Gründen so durchschlagend:
1.deutsche Panzer führen erstmalig Funkempfänger mit sich, so dass die Besatzungen den Befehlen ihrer Kommandeure in Echtzeit gehorchen können.
2.Die Informationstechnik-Wunderwaffe der Deutschen war eine Chiffriermaschine namens ENIGMA, die nach einem Zufallsprinzip arbeitend, für die Allierten kaum zu entschlüsseln war, wenn sie die zugrundeliegenden Codebücher nicht kannten.
3.Hitlers umfangreicher Propagandaapparat
Im Verlauf des 2. WK sollten sich die westlichen Alliierten aber als die erfolgreicheren Informationskrieger herausstellen. Sie erfanden Radar und Sonar für die Feindobjekterkennung, Operations-Research zur Bewältigung militärischer Versorgungsprobleme (eine Art Projektmanagement fürs Militär) und erkannten die militärische Bedeutung programmierbarer Rechenautomaten (=Erfindungen des deutschen Computerpioniers Konrad Zuse). Gezielte Desinformation wurde ein kriegsentscheidendes Moment: So das in die Irre führen der gegnerischen Kommandeure, als die Alliierten die Überzeugung nährten, sie würden in Calais landen, aber den wahren Angriff an der Normandieküste durchführten.
Eine weitere, bisher eher unbekannte Geschichte des Information Warfare erzählt John Woos Kriegsfilm Windtalkers. Es geht um Joe Enders, ein Marine, der bei einem Angriff auf den Salomoninseln sein ganzes Platoon und fast auch sein Leben verliert. Seine Genesung geht überraschend schnell vonstatten. Angetrieben von seinem Willen wieder ins Feld zu kommen und unterstützt durch die Tricksereien einer Krankenschwester wird er schnell wieder tauglich geschrieben. Kaum wieder in einem militärischen Stützpunkt angekommen, erhält er seinen neuen Auftrag. Er soll einen Navajo namens Ben Yahzee bei dem Sturm auf die Insel Saipan beschützen. Dieser ist ein junger Rekrut und die neue Geheimwaffe in dem Krieg gegen die Japaner. Diese können nämlich die Sprache der Navajo nicht deuten und so fungiert Ben als Windtalker, als Codesprecher, für die Amerikaner. Dieser Babysitterjob gestaltet sich für Enders gefährlicher als angenommen, fliegen Enders und Yahzee doch bald die blauen Bohnen nur so um die Ohren, muss sich das "Pärchen" mit rassistischen Anfeindungen auseinandersetzen und müssen sich die grundverschiedenen Charaktere überhaupt erst einmal zusammenraufen. Dies gestaltet sich ungemein problematisch, will doch Enders keine engere Beziehung zu Enders aufbauen, hat er doch einen grausamen Befehl erhalten: Der Navajo darf UM KEINEN PREIS den Japanern in die Hände fallen. Dies gilt es MIT ALLEN MITTELN zu verhindern.
Bück dich, befehl ich dir, wende dein Antlitz ab von mir ...
Enders fegt mal heiß durch ...
Was für ein großer, tragischer Stoff, der geradezu nach der Handschrift des Meisters epischer Männerfreundschaften schreit. Denn freilich raufen sich Enders und Yahzee zusammen, bricht der Navajo den erkalteten Marine auf und kann Enders seinen Auftrag nicht mehr reinen Gewissens erledigen. Denn für ihn ist Yahzee bald mehr als nur ein Befehl ... er wird zu einem Kamerad, ja sogar zu einem Freund. Dementsprechend verstört reagiert Yahzee auf die Neuigkeit, dass Enders den Befehl hat ihn zu töten, bevor er in Gefangenschaft geraten könnte. Dein bester Freund und Kamerad könnte gleichzeitig dein Mörder sein. Yahzee ist bald umgeben von lauter Feinden. Diese grandiose Ausgangssituation hätte ein gigantischer Woo werden können, doch leider zündelt dieser Konflikt die ganze Zeit nur im Hintergrund und wird von martialischem Getöse übertüncht. Erst kurz vor Schluss bricht der Konflikt offen aus und sorgt für mehrere emotional befremdliche Szenen. So wird der sonst so besonnene Yahzee zum wahnsinnigen Einzelgänger, der weiß, dass er niemanden mehr vertrauen kann. Und der sonst so wagemutige Joe Enders agiert fast schon zurückhaltend, nicht mehr wissend, wie er mit der Situation umgehen soll, will er Yahzee doch längst nicht mehr töten ...
So wird der Film erst in den letzten 30 Minuten zu dem, was er hätte von Anfang an sein können. Doch das soll keineswegs heißen, dass der Einstieg irgendwie langweilig wäre. Nein, denn Woo beschränkt sich hier auf das, was er am besten kann. Die durchgeplante und brillant choreographierte Inszenierung von Chaos. Denn was Woo in Windtalkers an Action abbrennt sucht bislang noch seinesgleichen. Gigantische, weitläufige Scharmützel wechseln sich mit fast schon intimen Mano a Mano Duellen ab. Im Sekundentakt steigen gigantische Explosionswolken gen Himmel und gehen diverse Panzer und Artilleriestellungen in Feuer auf. Dabei kennt Woo keine Zurückhaltung und obwohl er ja nun wahrlich noch nie Kleinkindergeburtstage inszeniert hat, liefert er mit Windtalkers meines Erachtens sein bisher brutalstes Werk ab. Selten wurde in einem Kriegsfilm so viel aufgeschlitzt, erschlagen, erschossen, gesprengt und verbrannt wie in diesem Film. Hierbei fährt Woo seine Manierismen auf ein Minimum herunter. Kein beidhändiges Geballer, keine Tauben, keine übertriebenen Zeitlupenstudien. Dies lässt die Gewalt weniger stilisiert und verspielt wirken als in seinen "Mozart der Zerstörung Hochzeitmeisterwerken" wie Killer oder Hardboiled. Klar gibt es Pattsituationen, Blutwolken, mitten in Explosionen stehende und dennoch überlebende Menschen und einige religiöse Motive (die hier etwas unmotiviert wirken), aber sie nehmen niemals überhand. Der jetzt erschienene Windtalkers Director's Cut verstärkt den harten Eindruck des Filmes noch, fuhr Woo den Gewaltpegel doch noch einmal deutlich hoch und lässt manche Gewaltszene fast schon unerträglich hart wirken.
Mittendrin statt nur dabei ...
Aaaaargl ...
Do the Limbo Dance ... oder the Ketchup Song?
Insbesondere die Figur des Joe Enders gewinnt durch den Dir's Cut deutlich und somit wertet die neue Schnittfassung Nicolas Cages ohnehin gute Performance noch einmal deutlich auf. Enders wirkt hier noch weniger heldenhaft und gewinnt eine zusätzliche, vom Krieg verkrüppelte Dimension, die ihn selbst einsehen lässt: "Ich habe verlernt zu leben." Wenn Joe Enders bei der Landung auf Saipan wie im Rausch die Reihen der Gegner lichtet, ist Woo auf dem Höhepunkt seines Schaffens, die dem Zuschauer einen kalten Schauer nach dem anderen den Rücken hinunterjagt. Unbegreiflich, wie man das bisher rausschneiden konnte, denn hier wird der wahre Irrsinn des Krieges erst richtig greifbar und der Film erhält durchaus auch die Berechtigung sich selbst Antikriegsfilm zu nennen.
Die anderen Darsteller und Figuren erfahren keine derartige Aufwertung, allerdings waren ihre Figuren eh nicht weiter von Belang für Woo. So bleiben sie nach wie vor recht eindimensional, werden aber durch die sympathischen Darsteller zu echten Typen. Adam Beach als fast schon naiver Yahzee ist ein tolles Gegenstück zu dem verbitterten Joe Enders, Christian Slaters Rolle des Henderson inklusive seines Navajo Sidekicks Whitehorse bildet den menschlichen Background des Filmes, denn seine Freundschaft zu Whitehorse und ihr abruptes Ende geht wirklich nahe und weiß zu berühren. Mark Ruffalo (Collateral), Martin Henderson (Ring) und Peter Stormare (Brothers Grimm) runden den Cast ab. Ein Ärgernis ist mal wieder die Tatsache, dass Woo mit der einzigen Frau im Cast (Frances McDormand) NICHTS anfangen kann. Sie kann Enders keine zusätzliche menschliche Dimension verpassen, ist er doch zu verbittert und abweisend im Umgang mit ihr. Von daher erschließt sich der Sinn ihrer Figur NULL und es stellt sich die Frage, warum Woo nicht einfach konsequenterweise ihre Rolle vollkommen gecancelt hat, es hätte den Film deutlich aufgewertet!
Optisch ist Woo wie immer unantastbar. Er liefert starke Bilder, erdige, kräftige Farben, übersichtliche Kriegszenarien, tolle Kamerafahrten und bleibt seinen Wurzeln immer treu: Wenn es hart wird, muss man das sehen und dementsprechend wird hier immer voll draufgehalten und kein einziger überflüssiger Schnitt zerstört den choreographischen Gesamteindruck. Auch James Horner beweist hier, dass er einst gute Soundtracks stemmen konnte, eine Gabe, die er in letzter Zeit ja ein wenig verloren zu haben scheint. Und so bleibt ein gelungener, übergroßer Actionfilm, der durch den Dir's Cut eine deutliche Aufwertung erfährt, aber nach wie vor nicht verschleiern kann, dass er unglaublich viele Möglichkeiten verschenkt hat und somit zwar actiontechnisch ein echter Woo sein mag, emotional aber nicht fesseln kann und von einem Antikriegsfilm mehr als nur ein bisschen entfernt ist.
Die DVD von MGM kommt in einem netten Schuber daher und wurde extratechnisch deutlich aufgewertet. Obendrein gibt es ultrastylishe Menüs, eine satte Tonspur und ein überdurchschnittlich gutes Bild und ist mir eine klare Kaufempfehlung wert.
In diesem Sinne:
freeman