
Originaltitel: Gamera: Chiisaki yûsha-tachi
Herstellungsland: Japan
Herstellungsjahr: 2006
Regisseur: Ryuta Tazaki
Darsteller: Kaho, Kanji Tsuda, Susumu Terajima, Tomorowo Taguchi, Ryo Tomioka u.a.
Die Welt der großen Gummimonster ist derzeit nur spärlich besiedelt, seit TOHO ihr brüllendes Aushängeschild GODZILLA nach seinem reichlich gefloppten letztem Streich, dem 20 Millionen US$ teuren, von Ryuhei Kitamura (AZUMI) inszenierten FINAL WARS, in den Ruhestand versetzt hat, aus dem er angeblich frühestens in 10 Jahren zurückgeholt wird.
Die Konkurrenz zu GODZILLA war nie sonderlich groß, allenfalls die Mutanten-Schildkröte GAMERA der Firma DAIEI konnte sich einen ordentlichen Happen vom Kaiju-Kuchen einverleiben. Die drei in den Neunzigern von Shosuke Kaneko inszenierten GAMERA-Filme konnten dann sogar die international bekanntere TOHO-Konkurrenz durch interessantere Geschichten und beeindruckendere Effektarbeit übertrumpfen, die Heisei-Gamera-Trilogie gilt als Meilenstein des Kaiju-Genres.
Neun Jahre nach dem letzten GAMERA veröffentlichte die renommierte japanische Filmschmiede KADOKAWA (SATOMI HAKKENDEN, G.I.SAMURAI), von welcher DAIEI kurz zuvor übernommen wurde, im Jahre 2006 ein neues Zelluloidabenteuer der Superschildkröte, im Jahre 2006 ein neues Zelluloidabenteuer der Superschildkröte, welche in ihren klassischen Abenteuern in den 60ern und 70ern als bester Freund der Kinder angepriesen worden war, sich in der Heisei-Trilogie aber eher an ein erwachseneres Publikum gerichtet hatte.
GAMERA – The Brave, so der englische Titel des neuen Projektes, sollte wieder eher bei einem jugendlichen Publikum um Sympathie buhlen, weswegen der menschliche Protagonist auch ein 11-jähriger Bube ist, welcher bei einem Abstecher auf eine nahgelegene Insel ein seltsames Ei auf einem seltsamen, rot-transparenten Podest findet. Aus dem Ei entschlüpft eine putzige kleine Schildkröte, die Taro, so der Name unseres Helden, mitsamt des Podestes kurzentschlossen mitnimmt. Zuhause freunden sich Taro, seine beiden besten Freunde und die niedliche herzkranke Nachbarstochter, mit dem panzerbewehrten Reptil an, welches zum Erstaunen aller sogar fliegen kann. Ebenso erstaunlich ist das schnelle Wachstum Totos, wie die Schildkröte von den Kindern genannt wird. Unbemerkt von diesen speit Toto beim slapstickartig aufbereiteten Spaziergang durch´s Haus sogar Feuer.

Das schnelle Wachstum kommt den Einwohnern des kleinen Dorfes, in dem Taro lebt, zugute, denn eines schönen Tages fällt ein mysteriöses Ungeheuer, von der Regierung Zedus getauft, über den Ort her, richtet ordentliche Verwüstungen an und gönnt sich einige der Einwohner als Snack. Mit diesem Treiben würde es wohl fortfahren, wenn es daran nicht vom mittlerweile auf stattliche 8 Meter gewachsenen Toto gehindert würde, welcher zwar mittlerweile nicht mehr fliegen und Feuer spucken kann, sich dem bösartigen Vieh aber selbstaufopfernd und relativ erfolgreich in den Weg stellt. Letztendlich wird Zedus von Toto von einer Brücke ins Wasser gestürzt, Toto, der mittlerweile als ein „Gamera“ identifiziert wurde, wird sodann vom Militär nach Nagoya transportiert.
Dort taucht dann auch Zedus wieder auf, Gamera stellt sich ihm wieder zum Kampf, braucht aber das rote Eierpodest, welches ihm Taro und seine Freunde in einem heroischen Staffellauf bringen, und nun endlich kann unser sympathisches Gummimonster fliegen und feurig Zunder geben, tut das auch und rettet den Tag.
Im Gegensatz zu vielen anderen Genrevertetern und ganz besonders im Vergleich zu Kitamuras GODZILLA: FINAL WARS ist GAMERA-The Brave ein eher ruhiger Familienfilm, welcher in der ersten Hälfte an Klassiker wie THE GOONIES oder, um in Japan zu bleiben, JUVENILE erinnert. Regisseur Ryuta Tazaki, bislang nur TV-Routinier mit Episoden zu den POWER RANGERS oder der SAILOR MOON-Realserie auf dem Regiekonto, inszeniert diese erste Hälfte in wunderschönen Scope-Bildern und warmen Farben, die jugendlichen Darsteller sind allesamt niedlich und sympathisch, die kleine Schildkröte besitzt einen hohen Putzigkeitsfaktor. Geschichte und Inszenierung sind zu diesem Zeitpunkt auf einem Niveau, welches jenseits des üblichen Genre-Bödsinns eine Involvierung des Zuschauers in das Geschehen ermöglicht, während man häufig in Kaiju-Filmen distanziert auf die nächste Spektakelszene wartet, erfreut man sich hier am relativ unspektakulären, aber sympathischen Treiben.

Mit dem Auftauchen des Monsters Zedus geht der Film dann aber einen eher konventionellen Weg, die typischen Rubbersuits und die mäßige Effektarbeit leisten das ihrige, um die gediegene Atmosphäre der ersten Hälfte durch trashig angehauchte Monsterfights zu schmälern. Erschreckend ist dabei, dass die Effekte zwar nur selten richtig schlecht sind, aber eigentlich immer unter dem Niveau des 10 Jahre älteren GAMERA 2 bleiben, vom 1999er GAMERA 3 gar nicht erst zu reden. Nur selten findet die Kamera den optimalen Winkel, um die kämpfenden Viecher einzufangen, das Compositing ist teilweise jämmerlich (man achte auf die Trauerränder bei einkopierten Qualmwolken), auch manche der CGI sind eher daneben, zum Beispiel die des fliegenden Gameras.
Auch beim durchaus wichtigen Monsterdesign gibt es nicht all zuviel Herausragendes, Gamera wirkt auch im ausgewachsenen Zustand immer noch viel zu putzig, die Augen sind bei den Nahaufnahmen zu steif , das ganze Kostüm zu unbeweglich. Zedus ist ordentlich gemacht, gegenüber ausgefallenen Monstrositäten wie Legion oder Iris aber sehr einfallslos.
Erwähnt werden sollen aber die liebevoll gestalteten Zerstörungsszenen, bei denen immer viele kleine und große Trümmer über die Leinwand segeln und die jeden Sturz der Monster zu einem kleinen Höhepunkt machen.
Da in der zweiten, kampfintensiven Filmhälfte wahrscheinlich eher der FX-Supervisor als Regisseur Ryuta Tazaki selbst die Optik des Filmes bestimmt, wundert es nicht, dass diese um einiges ordinärer ausfällt als die der ersten Hälfte, allerdings blitzt in einigen Handlungsszenen noch die visuelle Stärke des Regisseurs durch.
Durchgängig gelungen ist dagegen der Soundtrack zum Film, mit ethno-lastigen Passagen und Choreinlagen hebt er sich sehr angenehm von der genreüblichen Marschmusik a la Akira Ifukube (Godzilla-Thema) ab.
Schlussendlich muss man auch den Film als Gesamtkunstwerk durchaus positiv beurteilen, die sympathischen und von ihren Darstellern äquivalent verkörperten Charaktere, die gute Inszenierung, die interessante Geschichte und der atmosphärische Score wiegen glücklicherweise schwerer als die nur mäßig begeisternden Effekte, so dass die Wiederbelebung Gameras im neuen Jahrtausend durchaus als gelungenes Experiment zu verbuchen ist.

Noch ein Wort zur HK-DVD von Universe, diese bietet ein gutes bis sehr gutes anamorphes Scope-Bild (kein vergleich zu den alten Godzilla-DVDs von Universe), druckvollen DD5.1-Ton, ordentliche, nur manchmal zu schnell verschwindende engl. UT, und als Extras eine Bildergallerie sowie den engl.untertitelten Trailer. Für 10 € sicher eine sehr lohnende Investition.