Non-Stop
Kammerspiele mit einem bevorstehenden Verbrechen und vielen Verdächtigen auf engstem Raum haben eine lange Tradition, die bis in die Zeit der Klassiker der Kriminalliteratur von Agatha Christie zurückgehen. Sicherheit gibt es keine, die Möglichkeit zur Flucht besteht ebenso wenig wie die des Selbstschutzes, es sei denn, man versucht mit aller Macht, den Täter aufzuspüren und damit der Situation ein Ende zu setzen. Das dieses Prinzip des Spannungsaufbaus auch heute, in der Ära von lärmenden und bombastischen Effektblockbustern, noch aufzugehen weiß, versucht Regisseur Jaume Collet-Serra mit "Non-Stop" unter Beweis zu stellen und steigert die Ausweglosigkeit für seine Charaktere auch noch, in dem er statt eines eingeschneiten Schlosses oder eines liegengebliebenen Zugwaggons seine Protagonisten hoch über die Wolken an Bord eines Flugzeuges verfrachtet. Das die Rechnung letzten Endes tatsächlich voll und ganz aufgeht, hat er allerdings noch jemand ganz anderem zu verdanken: Hauptdarsteller Liam Neeson!
Inhalt: Um in einem terroristischen Notfall schnell und unmittelbar eingreifen zu können, fliegt der Air Marshall Bill Marks (Liam Neeson) unerkannt zwischen ganz normalen Passagieren auf gewöhnlichen Linienflügen mit. Auf seinem Flug von New York nach London tritt dann tatsächlich ein Notfall ein. Die Art dieses "Angriffes" hat aber vorher so wohl niemand erwartet. Über ein streng abgesichertes Funknetz enthält Marks auf seinem Smartphone plötzlich ominöse Nachrichten von einem unbekannten Erpresser, welcher droht, alle 20 Minuten einen Passagier an Bord des Flugzeuges zu töten, sollten nicht 150 Millionen US-Dollar auf ein angegebenes Konto übersetzt werden. Empört und erschrocken nimmt Marks die Sache in die Hand und versucht so schnell wie möglich herauszufinden, welcher andere Passagier an Bord sich hier ein perfides Spielchen mit ihm erlauben will. Mit der Hilfe seiner Sitznachbarin (Julianne Moore) glaubt er, den möglichen Attentäter ohne großes Aufsehen auszumachen und festnehmen zu können. Doch falsch gedacht: Als er auf eine falsche Fährte geführt wird, muss er aus Notwehr heraus einen angreifenden Drogenbesitzer umbringen - und just in dem Moment klingelt seine Uhr. 20 Minuten sind um. Und alle Indizien deuten nur auf einen möglichen Täter: ihn selbst.
Der muss als vom Leben gezeichneter Air Marshall Bill Marks so einiges in den atemberaubend spannenden 105 Minuten über sich ergehen lassen, denn Collet-Serra denkt gar nicht daran, auch nur eine dieser Minuten sinnlos verstreichen zu lassen und legt nach einer kurzen und stimmungsvollen Exposition ein Tempo vor, dass seines gleichen sucht. Das er sich dabei nicht viel Zeit nimmt, seine unterschiedlichen Passagiere genauer zu charakterisieren, versteht sich auf der einen Art und Weise von selbst, doch Collet-Serra ist sich dieses Umstandes nicht nur bewusst, viel mehr nutzt er den Mangel an Informationen geschickt, um mit dem Schnüren von Vorurteilen den Verdacht der Zuschauer immer in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. So ist beispielsweise mit dem vom Omar Metwally gespielten islamischen Doktor eine Figur an Bord, die natürlich allein durch die Optik unbewusst Assoziationen mit den Anschlägen vom 11. September wecken soll. Umso schöner daher auch, wenn die wahre Enthüllung des Täters am Ende sehr differenziert bleibt und auch das Motiv, dass auf den ersten Blick müde und banal hätte erscheinen können, erstaunlich gelungen vorbereitet wird und weniger abgehoben ist, als man vielleicht glauben mag.
Liam Neeson macht unterdessen einen hervorragenden Job. Zwar bekommt auch er nur wenig Spielraum für seine mimischen Fähigkeiten, nutzt diesen aber voll und ganz aus und wird in seinen wenigen Szenen, die er sich meist mit der bezaubernden Julianne Moore teilt und in denen auf seine Hintergründe eingegangen wird, zur tragischen Identifikationsfigur, die er in dem Katz- und Mausspiel für das Publikum auch sein muss. Denn, auch wenn es jetzt möglicherweise nicht so klingen mag, trotz der intelligenten Herangehensweise und der teilweise vorhandenen Charakterisierung sind sämtliche Passagiere an Bord des Flugzeuges, ob nun ein glatzköpfiger NYPD-Officer oder ein schmieriger Staatsanwalt, einzig und allein Schachfiguren auf dem Brett des Regisseurs, die er immer wieder so aufstellt oder opfert, dass der Zuschauer in eine weitere Falle tappt und auf die nächste falsche Fährte reinfällt.
Was dieses "Wer-ist-der-Mörder"-Spiel aber noch einmal um einiges interessanter macht, ist die herausgearbeitete Location, nämlich das Flugzeug selber. Nach dem Betreten dieses Schauplatzes verlassen weder unser Protagonist noch wir als Zuschauer es bis zum erlösenden Ende wieder. Selbst dann, wenn Marks mit einem Agenten der zuständigen Behörde telefoniert, sehen wir keinen Blick in das hektische Durcheinander am Boden und auch von den Nachforschungen der örtlichen Polizei erfahren wir nur durch eine Nachrichtensendung am Bord der Maschine. Das ist insofern von großer Bedeutung, als dass die Regie das Flugzeug dafür nutzt, um eine klaustrophobische (An-)Spannung aufzubauen. Die Enge und die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten spielen daher nicht nur innerhalb der Handlung eine große Rolle, sie sind genauso auch für den Betrachter jederzeit spürbar, was ein Maximum an Authenzität mit sich bringt. Erst im späteren Verlauf bekommen wir ein paar Außenansichten des Flugzeuges geboten und besonders zum Ende hin wünscht man sich aufgrund der mittelmäßigen Effekte, man hätte das ganze weiterhin nur aus Passagierssicht verfolgt. Überhaupt entsteht im Finale etwas der Eindruck, dass plötzlich alles ganz schnell gehen musste und man der Wirkung der Situation an sich nicht vertraut hat. Insgesamt hat der Film in den letzten 15 Minuten leider immer genau einen Höhepunkt zu viel und es gibt stets ein weiteres Hindernis zu überwinden, bis der Albtraum für die Besatzung endlich zu Ende ist. Das ist auf der einen Seite zwar teilweise deutlich zu übertrieben, allerdings fällt einen das bei der Erstsichtung aufgrund des enormen Tempos kaum auf, da man keine Zeit dazu hat, alles zu hinterfragen und der bis dahin unauffällige Score von John Ottman einen hier mit seinen dramatischen Klängen überrascht.
Fazit: "Non-Stop" ist ein ungemein spannend konstruierter Hochgeschwindigkeits-Thriller, der es versteht, seine Atmosphäre und das Interesse am Fortlauf der Handlung die komplette Laufzeit lang aufrecht zu erhalten und immer mit einem weiteren unvorhersehbaren Twist überraschen kann, den er vorher durch geschickte Publikumsmanipulation bestens vorbereitet hat. Dabei gelingt es der Regie überraschenderweise besonders gut, die (weiß Gott nicht neue) Handlung radikal auf die Thrilleraspekte der Geschichte zu reduzieren und trotz kaum vorhandener ausführlicher Charakterisierung ein Mitfiebern mit Neesons stark gespieltem Anti-Helden zu erzeugen. Statt die Nerven der Zuschauer überzustrapazieren, ist man stets aufmerksam beobachtend und lauert auf den Fehler, den der unsichtbare Feind machen könnte, um ihn zu enttarnen. Zwar strapaziert Collet-Serra die dramaturigisch raffinierte Struktur zum Ende hin ein Stückweit zu sehr aus, aber dennoch gelingt ihm hier ein wichtiger Beweis dafür, dass auch in einem Zeitalter des Bombastes immer noch die Filme die besten sind, die einen mit den einfachsten Mitteln zu fesseln und zu unterhalten wissen. Alles andere ist Nebensache!