Paparazzi
Verfasst: 16.01.2006, 22:21
Originaltitel: Paparazzi
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2004
Regie: Paul Abascal
Darsteller: Cole Hauser, Tom Sizemore, Robin Tunney, Dennis Farina, Kevin Gage, Daniel Baldwin, Mel Gibson, Chris Rock, Vince Vaughn, Matthew McConaughy, …
Im Jahre 2004 (A.D.), in welchem Mel Gibson mit seinem kontroversen Erfolgsfilm „the Passion of the Christ“ endgültig zu einer der einflussreichsten Personen Hollywoods avancierte, produzierte er im Rahmen seiner „Icon“-Filmschmiede auch den Selbstjustiz-Thriller „Paparazzi“, mit welchem der TV-Serien-Regisseur Paul Abascal (“Viper“/“Sentinel“/“Nash Bridges“) sein Kinodebüt feiern konnte, das aber letztendlich weit weniger Aufsehen seitens der Presse, des Publikums oder in Sachen Einspielergebnis erregte als Gibsons „Herzensprojekt“…
Schauspieler Bo Laramie (Cole Hauser: „Tears of the Sun“) hat es in Hollywood geschafft: Mit der Hauptrolle in einem aufwändigen Action-Blockbuster steht er nun im absoluten Blickpunkt der Öffentlichkeit und wird als aufgehender Mega-Star gefeiert – was er auch in vollen Zügen genießt, obwohl ihm der ganze Rummel um seine Person noch sehr ungewohnt erscheint. Selbstverständlich ist ihm bewusst, dass sein neuer Status diese „Begleiterscheinungen“ zwangsläufig mit sich bringt, doch ein Eindringen der Medien in sein Privatleben ist er nicht gewollt zu akzeptieren, weshalb er eines Tages den aufdringlichen Fotographen Rex Harper (Tom Sizemore: „Heat“) niederschlägt, als dieser Fotos seines Sohnes Zach (Blake Bryan) bei einem Fußballspiel schießt. In Folge dessen wird Laramie verhaftet und zu „Anger Management“-Sitzungen verurteilt.
Eines Abends verfolgen Harper und drei seiner Kollegen (Daniel Baldwin, Tom Hollander, Kevin Gage) Laramie und dessen Frau Abby (Robin Tunney: „the Craft“) mit ihren Fahrzeugen nach einem Empfang, wobei sie Bo durch ihre aggressive Fahrweise sowie ständiges Fotografieren mit Blitzlicht derart bedrängen, dass dieser in einen schweren Unfall verwickelt wird, aus dem Abby und Zach schwer verletzt hervorgehen. Bevor die Paparazzi Fahrerflucht begehen, machen sie noch Aufnahmen der Verletzten und verkaufen diese später an die Regenbogenpresse, doch da keine konkreten Beweise für deren Beteiligung am Unfall existieren, kann man sie dafür auch nicht belangen…
Als einer jener Fotographen (Gage) wenige Tage später ein weiteres Foto von Bo in einer privaten Situation schießt, rast dieser wütend davon und verwickelt seinerseits den Paparazzo aus Versehen in einen Unfall, in Folge dessen ihn Laramie nach einer unglücklichen Bemerkung bewusst sterben lässt. Das Hochgefühl dieses Erlebnisses auskostend, macht er sich daraufhin ans Werk, auch die andern drei Beteiligten aus dem Weg zu räumen, während der ermittelnde Detektive (Dennis Farina: „Get Shorty“) die zurückgelassenen Spuren verfolgt und allmählich einen konkreten Verdacht entwickelt…
Man könnte meinen, hinter der Idee zu „Paparazzi“ würde Hollywoods Wunschdenken stehen, es den realen Vertretern jener Zunft mal so richtig heimzuzahlen (wenn auch nur in filmischer Form), doch in Wirklichkeit artet der Thriller keineswegs zu einer bloßen Rachephantasie dieser Art aus, sondern nutzt die Idee des Showbusiness-Hintergrunds nur, um eine „standard“-Selbstjustizstory in einem „unverbrauchten“ Umfeld zu präsentieren.
Die Ausgangslage mag dabei auf den ersten Blick extrem oder überspitzt wirken, aber es ist ja inzwischen allgemein bekannt, dass Paparazzi für gute Geschichten sehr weit gehen, es mit der Wahrheit nicht immer genau nehmen sowie dass ihre Aktionen tatsächlich mal unglücklich ausarten können (man betrachte nur mal den tragischen Tod Prinzessin Dianas).
Regisseur Abascals Inszenierung ist solide und hochwertig, aber auch unspektakulär sowie im Aufzeigen der (Rache-) Taten erstaunlich zurückhaltend – diese werden nie explizit gezeigt oder ausgeschlachtet, wie man es bei einem Werk dieser Art hätte vermuten können (obwohl die „Suicide by Cop“-Szene schon cool war).
Cole Hauser („Pitch Black“) kann in seiner ersten richtigen Hauptrolle durchweg punkten. Seine Figur und Darstellung erweckt gegenüber den „schmierigen“ Fotographen auf Anhieb Sympathie. Darüber hinaus kann er sowohl bei den Actionszenen als auch als liebender Vater und Ehemann überzeugen. Sein Charakter wird zudem nie als perfekter Stratege dargestellt, sondern begeht bei seinen Taten amateurhafte Fehler (nimmt eine Waffe vom Set, vergisst seinen Stift etc).
Ihm gegenüber steht Tom Sizemore („Strange Days“) als besonders unsympathischer und rücksichtsloser Paparazzo Harper. Es ist schön, Sizemore (der nicht nur im Rahmen seiner „Beziehung“ zu Heidi Fleiss im realen Leben ja genügend Erfahrungen mit jener Berufsgruppe sammeln konnte) mal wieder außerhalb von Gerichtssälen in einem unterhaltsamen Film zu sehen. Als Bösewicht hat er ja schon immer überzeugen können, und auch hier macht es Freude, ihm bei seinem Spiel zuzusehen, obwohl er sich dabei nahe an der Grenze zur Selbstparodie bewegt. Dennis Farina („Snatch“) hat sich bei seiner Rolle des Det.Burton offenkundig Inspector Columbo zum Vorbild genommen, denn sein Charakter ist ebenfalls immer freundlich und zurückhaltend (wodurch man ihn leicht unterschätzt), hinter der Fassade aber extrem kompetent. Die restliche „Paparazzi“-Crew hat man gleichwohl treffend besetzt, und zwar mit Daniel Baldwin („King of the Ants“), Tom Hollander („Gosford Park“) und Kevin Gage („Strangeland“). Einzig Robin Tunneys („Supernova“) Rolle fiel im Gesamtbild auffallend unbedeutend und nebensächlich aus.
In letzter Zeit kamen eine Reihe altmodischer Selbstjustiz-Filme (wie etwa „the Punisher“ oder „Man on Fire“) auf den Markt, zu denen „Paparazzi“ trotz des verminderten Härtegrades zweifelsohne gezählt werden muss – schließlich ist der Sympathieträger im Endeffekt ein Killer an der Schwelle zum Psychopathen, der zudem die moralische Instanz verkörpert.
Leider gibt es jedoch eine Reihe von Logikschwächen, die das Sehvergnügen etwas trüben, genauso wie die allgemeine Vorhersehbarkeit (kleiner Tipp: im Vorfeld nicht den Trailer anschauen!). Man hätte das Konzept in meinen Augen gerne satirischer oder gar parodistischer ausrichten können – quasi in Richtung „der Preis des Ruhmes oder amerikanischen Traums“. Trotzdem kann man sich über einige nette Anspielungen und Cameos (wie Mel Gibson, Chris Rock, Vince Vaughn, Matthew McConaughy) amüsieren. Nur bei der Namensgebung hat man zum Teil kräftig daneben gegriffen: Die Hauptfigur heißt Bo Laramie (!), sein Hit-Streifen „Adrenalin Force“ – leider bestenfalls unfreiwillig komisch!
Im Endeffekt bleibt der Eindruck eines oberflächlichen, aber unterhaltsamen Rache-Films zurück, den man wenigstens in einem bislang noch nicht ausgereizten Ambiente angesiedelt hat.
Fazit: „Paparazzi“ ist ein harmloser, unspektakulärer Selbstjustiz-Thriller vor dem Hintergrund des Showbusiness, der zwar kurzweilig zu unterhalten vermag, nach dem Sichten aber mindestens genauso schnell wieder vergessen ist …
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Vince ist auch net so begeistert...
Es wird immer etwas grundsätzlich Falsches an sich haben, wenn ein Mediziner die Obduktion am eigenen Ehepartner vornimmt. Der Grat zwischen tiefster Zusammengehörigkeit und dem Übertreten ethischer Grenzen ist sehr schmal und sobald das Skalpell die Haut durchbohrt, könnte man davon sprechen, dass eine solche Grenze mit diesem Akt durchstoßen wurde.
Ähnlich verhält es sich mit “Paparazzi”, ein sehr merkwürdiger Actionthriller wie der verzogene Rahmen eines Fahrzeugs, das gerade einen schweren Unfall hatte. Produziert von Mel Gibson und mit Gastauftritten nicht nur von ihm selbst, sondern auch manch anderem Star (z.B. Matthew Conaughey) versehen, muss man zwangsläufig mutmaßen, dass es sich hier um den Aufstand der (Hollywood-)Marionetten handelt, die gegen die direkte Bedrohung on the rampage gehen, nämlich gegen die fliegenhaft lästige Presse. Sie obduzieren ihre Beziehung zum unliebsamen Partner, ignorieren aber wissentlich, dass auch die Presse frei nach Darwin ums Überleben kämpft. Der wahre Feind ist größer und vor allem ist er ungreifbar, da gesichtslos: es ist die Natur, die in der Sache liegt. Aber daraus lässt sich kein Film basteln. Unsere tugendhaften Filmhelden würden ja hilflos durch die Pampa irren und Luftlöcher in den Himmel schlagen, immer auf der Suche nach dem Lucky Punch gegen “die Natur, die in der Sache liegt”.
Und das ist sie, die Natur: Der Mensch ist sensationslüstern und Star und Paparazzi befriedigen gemeinsam diese Lüsternheit. Sie sind ein symbiotisches Paar, das sich gegenseitig ebenso sehr hasst wie es sich braucht. Wie der Mungo mit der Kobra ringen die beiden Interessengruppen in einer Grauzone zwischen dem Privatbereich und der Öffentlichkeit. Das eine soll schließlich ins andere übertragen werden. Der Star gehört der Öffentlichkeit, dafür wird er in erster Linie mit Millionengagen gestillt wie das Baby von der Muttermilch.
Was soll man also davon halten, wenn sich Filmstars öffentlich und komplett offensiv gegen ihren größten natürlichen Feind verbünden und ihm ordentlich eins auf die Kanne geben? Der Ansatz ist so sehr rosa Filmstarbrille wie nur möglich und wenn man schon so tief unter das Mindestniveau geht und sich in einem thematischen Rahmen aufhält, der jeglicher Weitsicht entbehrt, ist es ja nicht einmal das Schlechteste, was hier unter den gegebenen Umständen gebastelt wurde. “Paparazzi” ist ein komplett überzogener Rachethriller, der so unrealistisch ist, wie er nur sein kann. Paul Abascal, der früher mal Actionstars wie Bruce Willis, Sylvester Stallone und - Überraschung - Mel Gibson die Haare gemacht hat, inszeniert einen Film, der in der gleichen Klasse wie ein “The Punisher” boxt und sich scheinbar nicht die Spur dafür schämt. Mit dick Selbstironie wie Sahne draufgeklatscht, hätte das ein schönes, zynisches Statement mit Augenzwinkern gen Filmpresse werden können. Auch Teile des Publikums hätten Genugtuung erfahren können, denn nicht jeder Filmfreund verfolgt die Klatschpresse. Beim Gedanken an das Craig-Bashing während der Dreharbeiten zum 21. Bond kommt manch einem noch heute die Galle hoch und mal ehrlich, wer hat noch nicht davon geträumt, der gesamten BILD-Belegschaft mal ordentlich den Hintern zu versohlen?
Hätte, würde, sollte... scheiß der Hund drauf, ist aber eben nicht. Obwohl unser Hauptdarsteller in so illustren Film-im-Filmchen namens “Adrenaline Force 2" mitspielt und Regisseur Abascal sogar hier in einer Gastrolle den Regisseur mimt, obwohl die Aktionen der Paparazzi lachhaft überzogen sind und im Himmel nicht ernstgemeint sein können und obwohl der Wandel des Actiondarstellers Bo Laramie (Cole Hauser) zum selbstjustizelnden Psychopathen höchst unglaubwürdig ist, bleibt die Ironie, sofern denn überhaupt welche angepeilt war, total auf der Strecke. Mit einem etwas anderen Hintergrund könnte das ein stinknormaler Einzelkämpferfilm à la “Stirb Langsam” sein. Klassische Inszenierung und teilweise ziemlich harte Schicksalsschläge der Protagonisten sorgen dafür, dass sich ein ironisches Zwinkern gar nicht erst einstellt, sondern man irgendwann beginnt, den Film als Thriller statt als Satire zu verstehen.
Genau hier liegt der Hund begraben, denn als Thriller ist die Handlung ja viel zu überzogen. Das betrifft nicht einmal die Geschehnisse selbst, denn mit dem Autounfall wird gewissermaßen ein bestimmtes Ereignis aus dem Jahr 1997 wieder aufgenommen, das die Gemüter bis heute beschäftigt. Es geht vielmehr darum, was speziell Tom Sizemore für eine Figur spielen muss. Sie geht zwar in Dialogen hin und wieder auf die “fressen oder gefressen werden”-Problematik ein, gar ist ein brauchbarer Vergleich mit dem Verspeisen von Fleisch dabei, der die Situation ganz kurz mal kritisch beäugt. Getrieben wird der skrupellose Fotograf aber durch reinen Hass, Neid und Schadenfreude seinem Objekt gegenüber, noch nicht einmal als Reaktion auf die Abwehrhaltung des Stars, als die Familie belagert wird, sondern aus reinem Spaß an der Freude und ohne Grund. In einem ernstgemeinten Thriller funktioniert sowas nicht, da man die Figuren nicht ernstnehmen kann. Das Gefühl der Bedrohung / Belästigung bleibt unterentwickelt, die Identifikation mit dem “Helden” bleibt aus, die Beweggründe dafür, dass er später mehr oder weniger Amok läuft, sind nur schwach nachzuvollziehen. Der einzige Ausweg wäre die Satire, aber die will ja wiederum auch nicht funktionieren.
Nebensächlich, dass “Paparazzi” kurzweilig ist, leidlich spannend bleibt und sämtliche Schauspieler wie für ihre Rollen gemacht scheinen. Irgendwo hat man an der falschen Schraube gedreht und wie man’s auch dreht und wendet, der Motor will einfach nicht anspringen. Und so durchlebt man die 80 Minuten damit, sich die quälende Frage zu beantworten, ob das alles nun ernst gemeint ist oder nur ein Witz sein soll - und verpasst darüber hinaus den Film. Nächstes Mal: Ganz oder gar nicht.