Flags of Our Fathers / Letters from Iwo Jima
Verfasst: 29.06.2007, 18:19
Flags of Our Fathers
Originaltitel: Flags of Our Fathers
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Ryan Phillippe, Jesse Bradford, Adam Beach, Jamie Bell, Robert Patrick, Barry Peppers, Neal McDonough, Paul Walker, Joseph Cross, Ken Watanabe, Patrick Dollaghan, Jon Kellam, Andri Sigurðsson, Michael Ahl
Ein auf den ersten Blick und für sich alleine betrachtet konventioneller, typisch amerikanischer Antikriegsfilm. Das Epos leitet in der Gegenwart ein, als ein Veteran im hohen Alter auf der Treppe einen Herzanfall erleidet und dabei unentwegt ruft “Wo bist du? Wo bist du?” Wer gemeint ist, wird dann am Ende aufgeklärt, nachdem man zwischenzeitlich für zwei Stunden ins Jahr 1945 entführt wurde und anschließend um einiges schlauer ist; allerdings bei weitem noch nicht schlau genug, denn zu diesem Zeitpunkt fehlt noch ein Baustein und man möchte nicht so recht zu dem Folgeschluss kommen, dass Clint Eastwood tatsächlich das Meisterwerk auf die Leinwand gebracht hat, das im Vorfeld überall erwartet wurde.
Dem vor allem durch die Anfangssequenz aus “Der Soldat James Ryan” entstandenen Trend zur Darstellung von totalem Realismus, den zuletzt erfolgreiche Genrefilme des grundsätzlich dem Drama unterzuordnenden Genres verfolgten, geht Eastwood aus dem Weg. Die niedrige Freigabe dokumentiert diese Entscheidung, obwohl freilich trotzdem nicht auf explizite Szenen verzichtet wird, wo sie sich ergeben (die FSK 12 kann zumindest stark angezweifelt werden). Aber der Verzicht auf das Mitbewerben um die unverblümtesten Kriegsszenen, die ja einen Gegenentwurf zu den Off-Screen-Toden der Schergen und heldenhaften Untergängen der Helden aus der John-Wayne-Ära darstellen, bedeutet keinesfalls einen Kompromiss; vielmehr haben sich bei “Flags” die Prioritäten verlagert, und obgleich Eastwood in Sachen Aufbau und Struktur einen geradezu gewöhnlichen, in der Masse der zuletzt aufgekommenen (Anti-)Kriegsfilme sogar fast unnötigen Film gedreht hat, scheint genau hier bereits das erste Indiz dafür hinaus, dass das Werk doch nicht ganz so gewöhnlich ist wie es sich zunächst anfühlt. Die Bestätigung wird man in diesem ersten Teil jedoch nicht mehr bekommen.
Eastwood bewegt sich vom Schlachtfeld oft ebenso weit weg wie von den stets nur am Horizont als graue Masse dargestellten Japanern, so dass im Grunde beide Anti-Elemente - die Japaner und der Krieg selbst - wie bösartige Geschwulste dastehen, die in ihrer Verbohrtheit kein Erbarmen kennen. In Bezug auf den Gegner kennt man dieses Schema der Darstellung und oft genug hasst man es; neu hingegen ist, dass auch das Wesen des Krieges selbst scheinbar erstmals hundertprozentig als das Monster gezeichnet wird, das es ist - eine von Nationalität und Gegnerseite unabhängige dunkle Macht, ein dem Menschen innewohnendes, dunkles Naturell ohne Aspekte, die man ihm positiv abgewinnen könnte wie Stolz, Moral oder Ehre. Denn wo bisherige Referenzen den Krieg durch realitätsnahen Splatter und Gore bestialisierten, nur um alles wieder durch unnötigen Pathos einzureißen, konserviert Eastwood den Krieg von jeglicher Versuchung, pathetische Elemente die Vorherrschaft übernehmen zu lassen.
Dies geschieht anhand der berühmten Fotografie von der ikonischen Stemmung einer amerikanischen Flagge durch sechs Soldaten, ein Sinnbild für den amerikanischen Siegeswillen, eine Idee, die für eine Wende sorgen sollte. Die Fotografie ist historisch gesehen ein totales Faszinosum, da es die niemals zu unterschätzende Macht der menschlichen Vorstellungskraft in einem schier unendlich erscheinenden Bezugsrahmen aufzeigt. Auf seine Materialität reduziert ist eine Fotografie ein belichtetes Stück Papier; seine Macht erhält es durch die Projektion menschlicher Schlussfolgerungen. Die belichtete Struktur wird mit einer Semantik behaftet, sie ist nun nicht länger ein Stück Papier, sondern ein Etikett für einen Gedanken, eine Idee oder einen Wunsch.
Man hätte dies leicht wieder für die Darstellung von amerikanischem Pathos einspannen können - Durchhaltevermögen, Siegeswillen, Attribute, denen ein strahlender Glanz gut zu Gesicht gestanden hätte. Doch Eastwood macht das genaue Gegenteil und perversiert die Hintergründe um das Bild. Er zeigt, wie sich die Rädchen auf abscheuliche Art in den amerikanischen Obrigkeiten drehen, mit dem absurden Höhepunkt, dass drei der Soldaten vom Foto, die aus dem Krieg zurückzukehren vermochten, in einer absurden Parade die Szene auf einem Berg aus Pappmaché rekonstruieren müssen. Einer von ihnen gar ein amerikanischer Ureinwohner, der hier noch vom anonymen Volk bejubelt, aber anschließend nicht einmal in die Kneipe an der Ecke eingelassen wird.
Dabei sind dem Zuschauer die Themen nicht ganz fremd. “Flags” zeigt zum Beispiel zwei unterschiedliche Arten der Diskriminierung von Indianern durch die “neuen” Amerikaner, nämlich einmal die offene, konfrontierende Beleidigung (der verbotene Zutritt zum Lokal), und einmal die subversive, in geheucheltes Lob oder Interesse an der Person verpackte Variante (ein Rangoberer stammelt einen Satz in Indianisch und fragt, ob der Soldat einen Tomahawk in den Rücken eines Japaners geworfen habe). Beides kennt man durch unzählige Beiträge des Antikriegsfilms und anderer Genrebereiche. Die Perversität der Nachstellung der Fotografie wird mitunter zu offensichtlich, zu plakativ vorgetragen und die zaghaften Pfade, die tief im Inneren das Ungewöhnliche umwehen, werden kurzzeitig wieder verlassen, um auf die Hauptstraße zurückzukehren, die vor Eastwood schon so viele betreten haben.
Auch bei der Wahl der Darsteller scheint es, man habe nicht immer das Optimum herausgeholt. Ryan Phillippe ist ganz einfach damit überfordert, die Hauptrolle zu tragen; Adam Beach wird, da er eine charakterlich fast identische Figur bereits in “Windtalkers” spielte, langsam auf einen Stereotypen festgeklopft; und sonst kann überhaupt niemand wirkliche Akzente setzen, auch wenn natürlich anzumerken ist, dass viele Darsteller dies gar nicht sollen. Paul Walker beispielsweise leiht einem im Endeffekt eher “unwichtigen” Soldaten nur deswegen für ausgesprochen kurze Zeit sein prominentes Gesicht, um zu verdeutlichen, dass das Individuum im Krieg keine Bedeutung hat. Hier ähnelt die Vorgehensweise des Regisseurs derjenigen von Terrence Malick bei “Der schmale Grat” auffallend.
Inhaltlich und auch visuell - “Flags” lebt wieder von der schmutzig-klaren, mit kalten Blautönen versehenen Atmosphäre - ist Eastwood schon hier ein Meisterwerk gelungen, nur gelegentliche Unpässlichkeiten beim Aufzeigen der Wege, die das Foto hin zur Unsterblichkeit (über die Einzelschicksale der auf ihm zu sehenden überlebenden Soldaten) vollzog und eher durchschnittliche Schauspielleistungen lassen es absinken. Als Einzelwerk wäre "Flags" deswegen "nur" gut...
Originaltitel: Flags of Our Fathers
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Ryan Phillippe, Jesse Bradford, Adam Beach, Jamie Bell, Robert Patrick, Barry Peppers, Neal McDonough, Paul Walker, Joseph Cross, Ken Watanabe, Patrick Dollaghan, Jon Kellam, Andri Sigurðsson, Michael Ahl
Ein auf den ersten Blick und für sich alleine betrachtet konventioneller, typisch amerikanischer Antikriegsfilm. Das Epos leitet in der Gegenwart ein, als ein Veteran im hohen Alter auf der Treppe einen Herzanfall erleidet und dabei unentwegt ruft “Wo bist du? Wo bist du?” Wer gemeint ist, wird dann am Ende aufgeklärt, nachdem man zwischenzeitlich für zwei Stunden ins Jahr 1945 entführt wurde und anschließend um einiges schlauer ist; allerdings bei weitem noch nicht schlau genug, denn zu diesem Zeitpunkt fehlt noch ein Baustein und man möchte nicht so recht zu dem Folgeschluss kommen, dass Clint Eastwood tatsächlich das Meisterwerk auf die Leinwand gebracht hat, das im Vorfeld überall erwartet wurde.
Dem vor allem durch die Anfangssequenz aus “Der Soldat James Ryan” entstandenen Trend zur Darstellung von totalem Realismus, den zuletzt erfolgreiche Genrefilme des grundsätzlich dem Drama unterzuordnenden Genres verfolgten, geht Eastwood aus dem Weg. Die niedrige Freigabe dokumentiert diese Entscheidung, obwohl freilich trotzdem nicht auf explizite Szenen verzichtet wird, wo sie sich ergeben (die FSK 12 kann zumindest stark angezweifelt werden). Aber der Verzicht auf das Mitbewerben um die unverblümtesten Kriegsszenen, die ja einen Gegenentwurf zu den Off-Screen-Toden der Schergen und heldenhaften Untergängen der Helden aus der John-Wayne-Ära darstellen, bedeutet keinesfalls einen Kompromiss; vielmehr haben sich bei “Flags” die Prioritäten verlagert, und obgleich Eastwood in Sachen Aufbau und Struktur einen geradezu gewöhnlichen, in der Masse der zuletzt aufgekommenen (Anti-)Kriegsfilme sogar fast unnötigen Film gedreht hat, scheint genau hier bereits das erste Indiz dafür hinaus, dass das Werk doch nicht ganz so gewöhnlich ist wie es sich zunächst anfühlt. Die Bestätigung wird man in diesem ersten Teil jedoch nicht mehr bekommen.
Eastwood bewegt sich vom Schlachtfeld oft ebenso weit weg wie von den stets nur am Horizont als graue Masse dargestellten Japanern, so dass im Grunde beide Anti-Elemente - die Japaner und der Krieg selbst - wie bösartige Geschwulste dastehen, die in ihrer Verbohrtheit kein Erbarmen kennen. In Bezug auf den Gegner kennt man dieses Schema der Darstellung und oft genug hasst man es; neu hingegen ist, dass auch das Wesen des Krieges selbst scheinbar erstmals hundertprozentig als das Monster gezeichnet wird, das es ist - eine von Nationalität und Gegnerseite unabhängige dunkle Macht, ein dem Menschen innewohnendes, dunkles Naturell ohne Aspekte, die man ihm positiv abgewinnen könnte wie Stolz, Moral oder Ehre. Denn wo bisherige Referenzen den Krieg durch realitätsnahen Splatter und Gore bestialisierten, nur um alles wieder durch unnötigen Pathos einzureißen, konserviert Eastwood den Krieg von jeglicher Versuchung, pathetische Elemente die Vorherrschaft übernehmen zu lassen.
Dies geschieht anhand der berühmten Fotografie von der ikonischen Stemmung einer amerikanischen Flagge durch sechs Soldaten, ein Sinnbild für den amerikanischen Siegeswillen, eine Idee, die für eine Wende sorgen sollte. Die Fotografie ist historisch gesehen ein totales Faszinosum, da es die niemals zu unterschätzende Macht der menschlichen Vorstellungskraft in einem schier unendlich erscheinenden Bezugsrahmen aufzeigt. Auf seine Materialität reduziert ist eine Fotografie ein belichtetes Stück Papier; seine Macht erhält es durch die Projektion menschlicher Schlussfolgerungen. Die belichtete Struktur wird mit einer Semantik behaftet, sie ist nun nicht länger ein Stück Papier, sondern ein Etikett für einen Gedanken, eine Idee oder einen Wunsch.
Man hätte dies leicht wieder für die Darstellung von amerikanischem Pathos einspannen können - Durchhaltevermögen, Siegeswillen, Attribute, denen ein strahlender Glanz gut zu Gesicht gestanden hätte. Doch Eastwood macht das genaue Gegenteil und perversiert die Hintergründe um das Bild. Er zeigt, wie sich die Rädchen auf abscheuliche Art in den amerikanischen Obrigkeiten drehen, mit dem absurden Höhepunkt, dass drei der Soldaten vom Foto, die aus dem Krieg zurückzukehren vermochten, in einer absurden Parade die Szene auf einem Berg aus Pappmaché rekonstruieren müssen. Einer von ihnen gar ein amerikanischer Ureinwohner, der hier noch vom anonymen Volk bejubelt, aber anschließend nicht einmal in die Kneipe an der Ecke eingelassen wird.
Dabei sind dem Zuschauer die Themen nicht ganz fremd. “Flags” zeigt zum Beispiel zwei unterschiedliche Arten der Diskriminierung von Indianern durch die “neuen” Amerikaner, nämlich einmal die offene, konfrontierende Beleidigung (der verbotene Zutritt zum Lokal), und einmal die subversive, in geheucheltes Lob oder Interesse an der Person verpackte Variante (ein Rangoberer stammelt einen Satz in Indianisch und fragt, ob der Soldat einen Tomahawk in den Rücken eines Japaners geworfen habe). Beides kennt man durch unzählige Beiträge des Antikriegsfilms und anderer Genrebereiche. Die Perversität der Nachstellung der Fotografie wird mitunter zu offensichtlich, zu plakativ vorgetragen und die zaghaften Pfade, die tief im Inneren das Ungewöhnliche umwehen, werden kurzzeitig wieder verlassen, um auf die Hauptstraße zurückzukehren, die vor Eastwood schon so viele betreten haben.
Auch bei der Wahl der Darsteller scheint es, man habe nicht immer das Optimum herausgeholt. Ryan Phillippe ist ganz einfach damit überfordert, die Hauptrolle zu tragen; Adam Beach wird, da er eine charakterlich fast identische Figur bereits in “Windtalkers” spielte, langsam auf einen Stereotypen festgeklopft; und sonst kann überhaupt niemand wirkliche Akzente setzen, auch wenn natürlich anzumerken ist, dass viele Darsteller dies gar nicht sollen. Paul Walker beispielsweise leiht einem im Endeffekt eher “unwichtigen” Soldaten nur deswegen für ausgesprochen kurze Zeit sein prominentes Gesicht, um zu verdeutlichen, dass das Individuum im Krieg keine Bedeutung hat. Hier ähnelt die Vorgehensweise des Regisseurs derjenigen von Terrence Malick bei “Der schmale Grat” auffallend.
Inhaltlich und auch visuell - “Flags” lebt wieder von der schmutzig-klaren, mit kalten Blautönen versehenen Atmosphäre - ist Eastwood schon hier ein Meisterwerk gelungen, nur gelegentliche Unpässlichkeiten beim Aufzeigen der Wege, die das Foto hin zur Unsterblichkeit (über die Einzelschicksale der auf ihm zu sehenden überlebenden Soldaten) vollzog und eher durchschnittliche Schauspielleistungen lassen es absinken. Als Einzelwerk wäre "Flags" deswegen "nur" gut...