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Heißer Asphalt (Boulevard)

Verfasst: 18.02.2009, 07:20
von StS
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Originaltitel: Boulevard
Herstellungsland: Kanada
Erscheinungsjahr: 1994
Regie: Kari Wuhrer, Rae Dawn Chong, Lou Diamond Phillips, Lance Henriksen, Joel Bissonnette, …

Trailer:
http://www.spout.com/films/Boulevard/91 ... ilers.aspx


Bei „Boulevard“, einer kanadischen Low-Budget-Produktion aus dem Jahre 1994, welche hierzulande unter dem Titel „Heißer Asphalt“ veröffentlicht wurde, handelt es sich um ein ebenso düsteres wie gefühlskaltes Straßenstrich-Drama, das in mannigfacher Hinsicht unverkennbar feministische Züge trägt – ein wesentliches Stück weit Resultat der Gegebenheit, dass die Vorlage aus der Feder einer Drehbuchautorin stammt sowie eine für ihre Beherztheit bekannte Regisseurin bei der Verwirklichung des Projekts das Kommando innehielt. Obgleich ambitioniert und ungeschönt in Szene gesetzt, stellt sich das Werk mit fortschreitender Spieldauer jedoch zunehmend als eine überaus unebene Angelegenheit heraus, welche einen am Ende eher unbefriedigt sowie mit einem relativ zwiespältigen (fast schon unangenehmen) Beigeschmack versehen zurücklässt…

Der Film eröffnet damit, dass Jennefer (Kari Wuhrer), eine junge Frau aus der Provinz, unmittelbar nachdem sie im Krankenhaus ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht hat, ihr Kind schweren Herzens zur Adoption freigibt – es ist nämlich so, dass der Vater, ihr aktueller Lebensgefährte J-Rod (Joel Bissonnette), ein ungemein gewalttätiger Zeitgenosse ist, vor dem sie das unschuldige kleine Wesen unter allen Umständen zu beschützen gedenkt. Nicht nur aufgrund der aussagekräftigen Spuren an ihrem Körper ist sie sich unmissverständlich über seine Reaktion sowie allen daraus hervorgehenden Konsequenzen im Klaren, sollte er von ihrer Entscheidung mitbekommen, weshalb sie sich sogleich im Anschluss mit ihrem letzten Geld (einige Münzen, die sie heimlich angespart hat) ein Busticket nach Toronto kauft – dort erhofft sie sich, einen Job zu finden und sich auf diese Weise ein geregeltes Leben aufzubauen, denn nur innerhalb von 90 Tagen ist es ihr möglich, die Adoption rückgängig zu machen und so ihr Kind fortan selbst aufziehen zu können…

In der winterlichen Großstadt eingetroffen, mittellos und ohne Zufluchtsort, sieht sich Jennefer unweigerlich dazu gezwungen, die Nacht auf der Straße in einem Hauseingang zu verbringen. Im Zuge dessen dauert es allerdings nicht lange, bis der Zuhälter Hassan (Lou Diamond Phillips) auf sie aufmerksam wird: Augenblicklich erkennt er einen möglichen Ansatzpunkt, um sie als „lukrativen Neuzugang“ für sich bzw. „seinen Stall“ zu gewinnen – doch bevor es dazu kommen kann, nimmt die eigenständig arbeitende Prostituierte Ola (Rae Dawn Chong) die hungrige und unterkühlte Obdachlose stattdessen lieber bei sich auf, u.a. weil sie genau weiß, wie Hassan „seine Mädchen“ allgemein so behandelt…

Im Folgenden entsteht eine innige Freundschaft zwischen ihnen, die beiden merklich gut tut – nur gestaltet sich Jennefer´s Jobsuche schwierig, schreckliche Erinnerungen suchen sie regelmäßig heim und (weniger als) drei Monate sind alles in allem nicht gerade lang, um ein stabiles Fundament einer neuen Existenz aufzubauen. Widerwillig beginnt sie daher, angesichts der Aussicht auf „schnelles Geld“, schon bald selbst anschaffen zu gehen – eine gefährliche Entscheidung, welche sie zusätzlich (nicht nur seelisch) belastet, simultan aber auch innerlich abhärtet. Das Milieu ist gleichermaßen unschön wie brutal – und die ohnehin angespannte Lage spitzt sich gar noch weiter zu, als Ola dabei Zeuge wird, wie Hassan eine ihrer „Kolleginnen“ tötet, deren Fluchversuch (aus der Stadt sowie dem Geschäft an sich) zuvor gescheitert war. Zwar weigert sie sich, ihn per Aussage zu belasten, bloß glaubt jener dennoch fest daran, sie hätte ihn verraten – spätestens als ihn der für den Fall und Bezirk zuständige Cop McClaren (Lance Henriksen) kurzerhand verhaftet und für einige Tage hinter Gitter bringt. Diese fälschliche Einschätzung Hassans lässt Ola nun fortan in akuter Lebensgefahr schweben – und parallel dazu gelingt es J-Rod, der Jennefer seit ihrem Verschwinden fieberhaft (und wutentbrannt) gesucht hatte, zu allem Überfluss, sie tatsächlich auf dem Straßenstrich aufzuspüren…

„Boulevard“ profitiert ungemein von seinem nüchtern-bodenständigen Inszenierungsstil, welcher frei von Hochglanz und Kameraspielchen daherkommt und dem Streifen auf diese Weise (optisch) eine zu der bedrückenden Materie passende „realistisch-kühle“ Atmosphäre verleiht. Zum Teil wird dies mit Sicherheit eine (unterm Strich positiv zu wertende) Begleiterscheinung der geringen Budgethöhe sein, die den Verantwortlichen damals nur zur Verfügung stand, aber auch unabhängig dessen bewies Regisseurin Penelope Buitenhuis ein gutes Gespür dafür, das überaus raue „Feeling“ des betreffenden Milieus für ihr Werk nachzustellen (bzw. zu arrangieren) und im nächsten Schritt dann ebenso authentisch anmutend einzufangen. Aufgewachsen in Kanada, zog Buitenhuis nach ihrem Studium (einst) erst einmal nach Europa, wo sie u.a. in Berlin lebte und dort einige Shorts, eine TV-Produktion über den Fall der Mauer sowie ihr 1993er Spielfilmdebüt „Trouble“ (eine Beleuchtung der musikalischen Punk-Szene der heutigen deutschen Hauptstadt) realisierte – angesichts dieser Vorerfahrungen erwies sich ihre Verpflichtung auf jeden Fall (zumindest meiner Meinung nach) als eine ersprießliche Wahl für ein Projekt in der Art des hier vorliegenden.

Dem Publikum wird ein Einblick in den (vorwiegend auf ihre Profession bezogenen) Alltag einer kleinen Gruppe „Working Girls“ geboten, welcher letzten Endes allerdings einen eher flüchtigen wie oberflächlichen Eindruck hinterlässt: Der von Andrea Wilde verfassten Geschichte mangelt es nämlich schlichtweg an Tiefe und emotionaler Nachhaltigkeit – grob gestrickte Ereignisfolgen und abgegriffene Klischees überschatten die sensibleren dramatischen Elemente der Story in konstanter Regelmäßigkeit, weshalb es einem schwer fällt, eine echte Verbindung zu den präsentierten Geschehnissen (mitsamt der involvierten Personen) aufzubauen bzw. herzustellen. Als Mann (unter den Zuschauern) hat man es da sogar noch weitaus schwieriger, denn das eigene Geschlecht wird im Prinzip über die komplette Laufzeit hinweg (nahezu ausnahmslos) in ein negatives Licht getaucht: Jennefer wurde früher von ihrem streng religiösen Vater „gezüchtigt“… J-Rod hat sie (physisch wie psychisch) erniedrigt und misshandelt … die in Erscheinung tretenden Freier sind allesamt merkwürdige bis abstoßende Gestalten … während ihrer Arbeit werden die Frauen des Öfteren beleidigt, mit Lebensmittel beworfen, überfallen, verletzt, manche gar durch die Hände gestörter Kunden getötet – und obendrein sind ihre eigenen Zuhälter gefährlich, schlagen und beuten sie aus, geben ihnen Drogen und erhöhen so (auf einer zusätzlichen Ebene) ihre Abhängigkeit von ihnen. Wie heißt noch gleich eine der offiziellen Taglines? „On the Boulevard, Survival is the Rule!

Als Hassan, der langhaarige, exzentrische, aggressiv-sadistische, gelegentlich aber auch (hinterhältig-)charmante sowie „geradezu natürlich“ mit einem eleganten Gehstock ausgestattete örtliche „Pimp“, ist Lou Diamond Phillips („Young Guns“/„the Big Hit“) zu sehen, welcher den leider recht stereotyp konzipierten Part immerhin hervorragend darbietet – und das mit sichtlicher Spielfreude daran, abstoßend fies und bösartig aufzutreten. Hassan unterdrückt die für ihn „arbeitenden“ Damen vehement, knüpft ihnen 75% ihres Verdienstes ab, behandelt sie schlecht und kennt kein Pardon, wenn es ums Geschäft geht: Einer (versuchten) Aussteigerin zerschneidet er beispielsweise das Gesicht – was sie infolge dessen (allerdings eher „aus Versehen“) zudem nicht überlebt. Er ist keiner dieser Zuhälter, die im „Hip-Hop-Umfeld“ gern mal glorifiziert werden (vgl. „Hustle & Flow“ oder den bekannten Song von Curtis „5 Groschen“ Jackson) – nein, er ist unsympathischer, kaltblütiger sowie nur auf den eigenen Profit bzw. Vorteil ausgerichteter Abschaum der Gesellschaft. Ähnlich effektiv mimt Joel Bissonnette („Zodiac“/„Darkman 3“) Jennefer´s (seitens des Skripts ebenso schlicht gestrickten) „Ex“ – bloß ist seine Rolle insgesamt noch kleiner und eindimensionaler geraten, weshalb sie rein ihren (äußerst simplen) Zweck erfüllt, nichts weiter. Der stets verlässliche Lance Henriksen („Appaloosa“/„Hard Target“) verkörpert den Milieu-kundigen Polizisten McClaren, seines Zeichens übrigens der einzige „gute Mann“ innerhalb der Handlung, gewohnt solide: Er tritt überwiegend am Rande des Geschehens auf, trägt aber besonders zum Schluss hin (aufgrund seines Ausübens von Druck auf verschiedene Beteiligte) nicht unerheblich zur Zuspitzung der allgemeinen Lage bei – und dass der Film (auf die eine oder andere Weise) tragisch endet, dürfte sich wohl jeder von Anfang an relativ leicht denken können…

In der Hauptrolle stellt Kari Wuhrer (TV´s „Sliders“/„Eight Legged Freaks“) eine der besten Performances ihrer Karriere zur Schau: Sie überzeugt als unter Angstpsychosen leidende sowie von quälenden Erinnerungen verfolgte Jennefer in nahezu allen Belangen – man fühlt mit ihr, selbst wenn man so manch eine ihrer Entscheidungen nur schwerlich nachvollziehen kann. Ihr zur Seite steht Rae Dawn Chong („Soul Man“), welche einen ähnlichen Part bereits 1984 in Abel Ferrara´s „Fear City“ gespielt hat und hier (von der Qualität der darstellerischen Leistung her) mit ihrer Screen-Partnerin weitestgehend auf einer Höhe ist: Ola geht „für sich allein“ anschaffen, ganz ohne dem Schutz und/oder der Abhängigkeit eines Zuhälters, was entsprechend des Öfteren zu offenen Konflikten zwischen ihr und Hassan führt – erst recht, als Jennefer zu einem entscheidenden Faktor innerhalb dieser brenzligen Konstellation wird. Inmitten dieser eisig-brutalen Umgebung finden die beiden Frauen einzig beienander menschliche Wärme und ehrlich-echte Zuneigung: Danach haben sie sich jeweils so lange gesehnt, worauf eine zarte „Liebe“ erkeimt, die (nachvollziehbar) bestimmte Sehnsüchte erfüllt und Bedürfnisse befriedigt – nur schien mir diese, wenn man sie denn mal im Kontext der vorherrschenden Umstände betrachtet, eher auf den Moment beschränkt, ohne einer realistischen Perspektive. Vergleichbar damit, ruht der Fokus des Streifens in dieser Phase des Verlaufs im Prinzip ebenfalls nur auf einer Stelle: Anfangs strebte Jennefer aktiv einer besseren Zukunft entgegen, bloß wird diese (eigentlich ja zentrale) Bestrebung im Kernstück ein wenig zu sehr vernachlässigt – erst kurz vorm Abspann wird der Kreis erneut geschlossen, während ihr Kind (inklusive der heruntertickenden 90-Tage-Frist) zuvor hingegen kaum mehr Erwähnung gefunden hat bzw. dieser Story-Strang geradezu im Hintergrund verblasste sowie auf diesem Wege beinahe sogar in Vergessenheit geriet…

Abschließend bin ich mir, selbst nach mehrmaligem Sichten, noch immer nicht wirklich darüber im Klaren, was genau für ein Film bzw. Statement Wilde und Buitenhuis letzten Endes überhaupt abliefern wollten: Was als ein einigermaßen bewegendes Drama beginnt, entwickelt sich rasch zu einer oberflächlichen sowie randvoll mit Klischees gefüllten (Rotlicht-) Milieustudie – deren Integrität im finalen Akt von einer immer stärker in den Vordergrund rückenden (feministischen) Exploitation- und Selbstjustiz-Ausrichtung zusätzlich untergraben wird. Die sensibleren und anspruchsvolleren Elemente der Geschichte, wie die psychischen Auswirkungen von (männlichen) Gewaltformen (auf Frauen) oder die natürliche Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, stehen in einem krassen Gegensatz zu diversen derben Gewaltausbrüchen sowie (vor allem) der speziell in diesem Kontext unvorteilhaft befremdlich grob anmutenden Präsentationsweise der meisten Gegebenheiten – á la besonders freizügige Sex-Szenen, eine erstaunlich (unnötig) hohe Anzahl von Duschsequenzen oder verschiedene brutale Flashbacks Schrägstrich veranschaulichte Befürchtungen Jennefers. Die Kombination wirkt einfach nicht sonderlich homogen, lässt das nötige Feingefühl vermissen (Prostitution als Mittel zur Selbstfindung?) und enttäuscht dementsprechend merklich auf breiter Flur – gerade in Anbetracht des evidenten Ausgangspotentials der Materie. Nichtsdestotrotz ist „Boulevard“ beileibe kein schlechter Film – nur halt einer mit viel zu wenig Tiefgang und Feinfühligkeit, den man (unterm Strich betrachtet) durchaus legitim in die Tradition solcher Genre-Werke wie die Teile der recht beliebten „Angel“-Reihe (1984-93) einordnen kann, welche (zu ihrer Zeit) bekanntermaßen eher auf einen reinen Unterhaltungswert als eine effektive Form dramatischer Nachhaltigkeit abzielten…

:liquid4:


In Deutschland ist der Film unter dem Titel "Heißer Asphalt" auf Video (von "Ascot", FSK 18) veröffentlicht worden und läuft gelegentlich immer mal wieder im TV. Wer eine DVD des Streifens haben möchte, kann zum Beispiel in Holland oder HK fündig werden...

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Verfasst: 18.02.2009, 09:05
von freeman
Den Film hab ich schon mehrmals im TV angefangen aber nie so wirklich zu einem Ende gebracht ... nicht mal ein später Einsteigen usw. brachte Abhilfe. Jetzt hab ich ja zumindest ansatzweise ne Erklärung, warum dem so ist :lol: Danke fürs Review!

In diesem Sinne:
freeman