[CD] Devin Townsend - Biomech : Ocean Machine

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Sir Jay
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[CD] Devin Townsend - Biomech : Ocean Machine

Beitrag von Sir Jay » 06.10.2010, 21:58

Devin Townsend - Ocean Machine
Bild
Technische Daten:
Vertrieb: HevyDevy Records
Release: 21. Juli 1997
Laufzeit: 73:52
Anzahl Tracks: 13
Verpackung: Jewel Case

Trackliste:

01. "Seventh Wave" – 6:50
02. "Life" – 4:31
03. "Night" – 4:45
04. "Hide Nowhere" – 5:00
05. "Sister" – 2:48
06. "3 A.M." – 1:56
07. "Voices in the Fan" – 4:39
08. "Greetings" – 2:53
09. "Regulator" – 5:06
10. "Funeral" – 8:06
11. "Bastard" – 10:17
12. "The Death of Music" – 12:15
13. "Thing Beyond Things" – 4:47 (Bonus Track)

Der Ozean. Ein Strom gigantischer Ausmaße, der den Erdball mit seinen ungeheuren Massen bedeckt, die einen allein schon bei dem Gedanken an die schier unendlichen, unerforschten Tiefen vor Ehrfurcht erschaudern lassen.
Das Einzige, das das Mysterium um das Sein des Ozeans übertrifft wäre die Vorstellung von der Entstehung des Selbigen. Ein Szenario umwoben von wohl unvorstellbaren Vorgängen, die jenseits all dessen liegen, was der Mensch bisher an Flutkatastrophen erlebt hat. Solche und ähnliche Gefühle tummeln sich in mir bei dem Vernehmen des obligatorischen Titels „Ocean Machine“, der wahrhaftig schöpferische Qualitäten erahnen lässt. Eine Ozean Maschine, welch absurde und doch gleichzeitig auch faszinierende und bizarre Bezeichnung, die unweigerlich Bilder im Kopfe entstehen lässt die von unbeschreiblicher Größenordnung sind.

Das mysteriöse undefinierbare Objekt das über dem Ozeanspiegel schwebend auf dem CD Cover zu sehen ist, gibt in etwa eine vage Idee, wie man sich denn solch einen „Apparat“ vorstellen kann, doch darum geht es gar nicht. Wichtig ist nur was er tut, nämlich Musik erzeugen, denn die „Ocean Machine“ ist der eigentliche Interpret des ursprünglich getauften Werkes „Biomech“, nämlich Devin Townsend. Erst im Nachhinein sollte das Album unter Townsends eigentlichen Namen herausgebracht werden mit dem ursprünglichen Interpreten-Pseudonym als Albumtitel.
Doch ob nun Interpreten-Pseudonym oder Albumname; „Ocean Machine“, dieser Name ist Programm und verspricht etwas gewaltiges und noch nie da gewesenes. Und genau das ist es, was der bis dato für seine brachiale Härte als Frontman des Industrial Metal Acts „Strapping Young Lad“ Devin Townsend, und für mich schon so etwas wie der James Cameron unter den Metallern, hier abliefert.
Musik die scheinbar durch überirdische Kräfte geschaffen worden ist und dabei mit dem Spirit des Ozeans gesegnet wurde. Nur so lässt sich diese magische Kraft und herrliche Aura, die jeder Song ausstrahlt beschreiben.

Hart aber doch irgendwie soft. Das ist die große Kunst, die hier Herrn Townsend gelungen ist, trotz schwerer Gitarrenriffs, mächtig protziger Einlagen und seiner alles und jeden überschreienden Stimme solch wunderschöne Soundkulissen zu kreieren, das man nicht drum herum kommt, das gesamte Werk als eigenes Genre für sich zu definieren.

Bereits der Opener „Seventh Wave“ geht nach einer einleitenden Ansage in die Vollen und startet mit protzigen Riffs und einer sehr tief kratzenden Stimme von Townsend ehe dann plötzlich in epischer Melodik traumhafte Lyrics zum Vorschein treten und damit gekonnt auf das Gefühl einstimmen mit dem Ozean einen lebendigen aber auch launischen Mitgefährten an der Seite zu haben.

„Life“ präsentiert sich dann schon in weitaus freudigeren, ja fast schon poppigen Tönen und lädt mit dem Refrain „Who we are, what we are“ förmlich zum mitsingen ein, doch auch hier tritt an entscheidender Stelle ein mächtiger Brückenpart ein und sorgt für fette Stimmung.
Dieses Niveau zieht sich auch durch „Night“ mit seinen langgedehnten „Rain“'s, und schafft es an der nachfolgenden Stelle mit der Textpassage „I think I'm closer now“ richtig in den Bann zu ziehen, während „Hide Nowhere“ im Vergleich zu den bisherigen Tracks die Geschwindigkeit zwar etwas runterschraubt, die Härte aber konstant hält und besonders im finalen Part mit einem sagenhaft gelungenem Chor überwältigen kann.

Und schließlich lenkt die Scheibe in ihre erste Ruhepause ein und bietet ein wahres Ohren-Balsam mit dem immer wiederkehrenden „Sister“, das von einer angenehmen Melodie begleitet wird, die man am liebsten jedes mal abspielen wollte um die eigene aufgebrachte Schwester mit einer liebevollen Stimme wieder zum lächeln zu bringen.
Und nachdem „3 A.M.“ wohl endgültig eine idyllische Oase der Ruhe geschaffen hat, hebt „Voices in the Fan“ wieder langsam ab und schafft den vielleicht wundervollsten Moment des ganzen Albums, wenn Townsend mit einer himmlischen Stimme zu seicht gedämpften Gitarren von den grauen Tagen singt, an die er sich am ehesten erinnert. Eigentlich ist das Feeling in diesen entscheidenden Momenten unbeschreiblich, eine wahre Sternstunde des akustischen Feel-Good-Erlebnisses.

„Greetings“ ist eine Art epische Einleitung für das dann anschließende „Regulator“ das auch wieder einen ganz klaren Höhepunkt von „Ocean Machine“ markiert, denn was Townsend hier abliefert ist phänomenal. Mit seiner gigantischen Stimme widmet er sich einem simplen Leitsatz, und schreit sich mit „I'm regulated“ förmlich die Seele aus dem Leibe, nicht jedoch durch Aggression, sondern viel mehr durch Euphorie. Die Kraft mit der er dieser Erkenntnis gesanglichen Ausdruck verleiht, sucht seines Gleichen und lässt unweigerlich irrwitzige Bilder im Kopfe entstehen, wie Townsend im Studio vor dem Mikro getobt haben muss. Dieser alles durchdringende Refrain von „Regulator“ ist wahrlich ein Erlebnis der besonderen Art und das anschließende in zwei Tonlagen gesteuerte „Aaaaaahaaaa“ setzt dem Ganzen die Krone auf. Es ist einer dieser Momente wo nun wirklich alles andere völlig bedeutungslos erscheint, da diese eine entscheidende Passage in monumentaler Art und Weise erklingt wie die langersehnte Befreiung der Menschheit von allem Bösen dieser Welt.

Damit hat sich die Scheibe nun längst auf ein ganz hohes Niveau katapultiert, befindet sich aber beim Neuten von insgesamt 13 Tracks gerade mal bei der Hälfte der Laufzeit, denn es folgen nun Longplayer, einer länger, als der vorherige, die für sich dank fließender Übergänge ein eigenes Kapitel bilden, angefangen mit „Funeral“, der nach dem gewaltigen „Regulator“ nun wie eine friedvolle Fahrt in die See wirkt. Hier wurden die Instrumente so abgemischt, das die erzeugte Stimmung von solch einer ergebenen Herrlichkeit ist, die das wohlwollende Gefühl mit einem höchst zufriedenen Gesichtsausdruck über ruhige, breite Gewässer zu segeln treffend ausdrückt. Es ist quasi die Ruhe vor dem Sturm, denn dieser angenehme wohltuende Hauch einer entspannten Fahrt durch den stillen Ozean mündet in einen sich unheimlich verdunkelnden Horizont, bei dem sich die Wolken zusammen ziehen und das Wasser plötzlich beginnt Wellen zu schlagen. Bei aller Härte, die einem bisher begegnet sein mag, findet der eigentliche apokalyptische Überlebenskampf erst jetzt mit „Bastard“ statt.

Dieses Monstrum von einem epischen Longplayer stellt die so ziemlich höchste Stufe der Dramatik da, und gleicht durch Komposition und der erzeugten Stimmung endgültig einem überirdischen Ozean-Spektakel, bei dem es wie verrückt stürmt ,unzählige Wellen unvorstellbarer Größen über die Wasseroberfläche rasen, gigantische Wasserstrudel sich bilden und sich zu unheimlichen Abwärtsspiralen entwickeln während gleichzeitig chaotische Winde aus dem Wasser Wurmlöcher erzeugen, die bis in den Himmel ragen und wie Tentakel wild um sich schlagen; und mittendrin steht Devin Townsend einsam auf einer fest verankerten Bühne und singt um sein Leben.

Anders lässt sich diese unglaubliche Stimmung nicht beschreiben, hier scheint die besagte Ozean Maschine nun tatsächlich in Betrieb genommen worden zu sein und macht dabei ihrem Namen alle Ehre. Natürlich gibt es auch eine Ruhe nach dem Sturm und diese tritt ein mit „The Death of Music“, dem poetischen Opus Magnum des Albums, das absolute Finsternis über den Ozean legt, ihn aber auch gleichzeitig beinahe starr werden lässt vor Stille. Ein Wispern ist immer wieder zu vernehmen, Townsends Stimme wirkt nun schüchtern, ja gar verängstigt und genau damit offenbart sich in den dramatisch aufbrausenden Momenten dieser Ballade die volle Schönheit bei den Textzeilen „...Death becomes Musical...“, die quasi wie seichte Wellen aus einem wirklich ruhigen Wasserspiegel mal herausragen und damit schließlich auch den einfühlsamen und wunderschön traurigen Abschluss einer außergewöhnlichen Reise durch einen zur Musik gewordenen Ozean bilden.

Mit dem Epilog „Things beyond Things“ weicht die Vorstellung eines Ozeans einem Baum auf einem einsamen Hügel, wo Townsend nochmal seine letzten Worte der Sehnsucht zum Ausdruck bringt und dabei wieder eine wohlwollende Aura erzeugt, die sich wirklich bis zum letzten Moment durchzieht, ehe sich das Album schließlich mit einem kräftigen, schrillen Schrei von dem Zuhörer verabschiedet.

Das reist gehörig aus dem Flow, doch damit ist man definitiv am Ende angelangt, und bringt einen quasi wieder zurück in das reale Leben, denn auch wenn das Album von Townsend persönlich als „Easy Listening“ bezeichnet wird, und der direkte Vergleich zu „Terria“ macht deutlich warum, ist die Essenz und die volle Pracht der Musik wirklich erst beim bewussten und konzentrierten Zuhören zu begreifen; nur so kann man in diese Traumwelt auch wirklich eindringen. Wurde ich nach dem ersten Durchhören zumindest schonmal gut unterhalten, entwickelte sich mit der Zeit wahre Liebe und man stellt fest, wie jedes einzelne Sample hier schon unglaublich begeistern und faszinieren kann. Mit „Ocean Machine“ habe ich jedenfalls unerwartet ein wahres Meisterwerk entdeckt, das von solch überlebensgroßer Kraft wie ich sie noch nie vorher erlebt erlebt hatte. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis, man muss es einfach selber hören, bzw. fühlen. Der Spagat, der hier zwischen harten Riffs und wunderschönen Melodien gelingt ist absolut einzigartig, die facettenreiche Stimme, die das Spektrum sämtlicher Lebenslagen authentisch abdeckt, darf als ein von Gott gegebenes Talent gewertet werden, und die Kunst dabei laufend im Kopfe Bilder von einem Ozean zu erzeugen, der von allen Perspektiven in allen Zuständen beleuchtet wird ist eine Leistung, die Devin Townsend ganz hoch anzurechnen ist. Sein erstes Soloprojekt ist ein wahrer Meilenstein, der wohl leider nie so ganz von der breiten Metal-Gemeinde wegen Publikationsschwierigkeiten aufgenommen wurde. Doch bei allem Respekt vor klassischen Metal Acts, so ziemlich jede Form von Musik verblasst gegen die „Ocean Machine“. Dieses Album ist wie „Terminator 2“, „Lord of the Rings : Return of the King“ und „The Abyss“ auf einmal, der große epische Monumental Blockbuster unter den Metal-Alben.
Wären Ohrläppchen gleich Daumen, würde ich sagen: „Both Thumbs up!!“

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Beitrag von Vince » 07.10.2010, 21:59

Sehr geile Kritik. Auch für mich eine der größten Platten meiner Sammlung und auch bei mir funktioniert sie in erster Linie über Bilder. Kann da nur ja und Amen sagen.

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Sir Jay
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Beitrag von Sir Jay » 07.10.2010, 23:02

Vince hat geschrieben:und auch bei mir funktioniert sie in erster Linie über Bilder.
So funktioniert bei mir generell Musik, aber bei dem Album wars halt besonders krass...übrigens hab ich auch gehofft, den Hanni etwas anzustacheln, und ihm den Townsend mit dem Album hier schmackhaft zu machen :D

Ich habe es btw, noch ein paar mal mit der Accelerated Evolution probiert, um meinen Ersteindruck gegebenenfalls zu korrigieren, aber mehr als unterhaltsam finde ich sie nach wie vor nicht; maximal :liquid8: sind drin.
Typischer Townsend, aber eben ohne die außergewöhnliche Klasse eines Terria oder eben Ocean Machine, aber naja jetzt bin ich mal gespannt, was die Ziltoid so für Stärken aufzeigen kann :)

ich müsste btw mal meine Alltime-Alben Top 10 hier im Forum aktualisieren; ich habe gerade in diesem jahr erst einige Alben (teilweise sehr alte) nachgeholt, die zu meinen Lieblingen geworden sind, da ist die Ocean Machine natürlich ganz klar mit dabei :shock:

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