[Konzert] Lordi - Stadthalle Saarburg

Eindrücke, Klangchecks aktueller aber auch älterer Scheiben im Review. Dazu Musik DVDs und Konzertberichte.

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Hannibal
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[Konzert] Lordi - Stadthalle Saarburg

Beitrag von Hannibal » 01.10.2006, 18:29

Eurovision: Satanisten singen für Finnland

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Helsinki
„Während die Schweiz mit Six4One eine Wohlfühltruppe an den Eurovision Song Contest nach Athen entsendet, schickt Finnland eine bitterböse Black Metal-Truppe an den Start: Die Band Lordi singt über Massenmörder und den Teufel, ihre Mitglieder sind als Monster verkleidet und auf der Bühne werden bluttriefende Fleischstücke zersägt.[…]“
Zitat aus einer Apotheken-Zeitschrift

Als ob es auf der Welt noch nicht genug Leid und Übel gab, stand wohl ganz Europa am 20. Mai Kopf, als die üble Satanistentruppe, deren Siegeszug ins Finale schon niemand verstand, mit 44 Punkten Abstand den Eurovision Song Contest gewann. Von den „hässlichsten Sieger aller Zeiten“ war die Rede, es gab allerlei furchterregende Berichte über Opferungen, getötete Tiere und Folter-Sex bei Live-Konzerten.
Als die Tourdaten für die Europa-Tournee unter dem sexistischen Motte „Bringing back the balls to Europe“ feststanden, entdeckte ich mit skeptischem Blick das Örtchen „Saarburg“, welches ca. 70 km entfernt von meinem Wohnort liegt. So machte ich mich gestern auf, um diesem satanischen Ereignis beizuwohnen. Um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, nahm ich Handschellen wegen dem Folter-Sex ebenso mit wie zwei Lämmer, die im Fall der Fälle geopfert werden würden. Ich war auf alles vorbereitet!
Schließlich in Saarburg angekommen, standen schon Unmengen langhaariger Ungetüme vor der Stadthalle, in der das unmoralische Treiben in wenigen Stunden beginnen würde. Sie waren schwarz gekleidet, teilweise im Gesicht angemalt, hatten furchterregende Bärte…es gab keinen Zweifel, sie wollten alle zu den bitterbösen Black Metallern „Lordi“!
Das die Gewaltbereitschaft unter den Satanisten groß war, konnte ich mir denken, aber es spielten sich makabere Szenen vor der unschuldig im Abendlicht schimmernden Stadthalle ab. Kinder! Die Unmenschen hatten tatsächlich Kinder dabei…und ich Idiot hatte Lämmer im Kofferraum. Hier würden in wenigen Stunden Nägel mit Köpfen gemacht und Kinder geopfert. Mein Gott…ich überlegte mir gerade aufgrund moralischer Bedenken das Gelände zu verlassen, als sich die Türen zur Stadthalle öffneten. Ich wurde vom Sog der zahlreichen Satanisten gepackt und in die Halle regelrecht hineingezogen. Im Foyer wurden die Eintrittskarten kontrolliert und mit geradezu dämonischem Grinsen schauten die Kontrolleure den Kindern ins Gesicht, als ob sie sagen wollten „Hier kommt ihr nicht mehr raus.“
Jetzt war der Karren im Dreck, ich war drin, da musste ich jetzt durch. Also schnell in die eigentliche Halle…welche Halle? Die Räumlichkeit in der die Bühne aufgebaut war, war kaum größer wie unsere Gemeindehalle in der unschuldigen Eifel. Ich war doch überrascht, dass nach dem Grand Prix-Erfolg nur eine solch kleine Halle gebucht worden war. Auf den Tour-T-Shirts stand beim heutigen Datum groß der Name „Saarbrücken“. Mir ging ein Licht auf…in der aufgeschlossenen Großstadt hatte man wohl mehr Ahnung von den satanistischen Machenschaften und wollte die große Halle nicht für ein Massaker freigeben.
Worauf hatte ich mich hier nur eingelassen?
Um 20h begann dann die Vorgruppe „The Dogma“ zu spielen, die gut hörbaren Metal ablieferten. Ich hatte als gesundheitsbewusster Eifeler natürlich Ohrenstöpsel im Ohr. Neben mir nahm ein Vater seinen geschätzt 10-jährigen Sohn auf den Rücken, damit er besser sah. Traurig, wahrscheinlich sein erstes und gleichzeitig letztes Konzert. Hinter ihm standen langhaarige Gestalten, die düster zu dem Kind aufschauten. Um nicht aufzufallen, lenkte ich meinen Blick wieder zurück zur Bühne. Nach 40 Minuten waren „The Dogma“ fertig und die Spannung stieg. Dicht gedrängt stand das Publikum vor der Bühne und die Umbauarbeiten begannen…eine unheimliche Friedhofsszenerie entstand, Lichteffekte wurden getestet, die Gitarren gestimmt. Nach beinahe 70 Minuten Wartezeit erklang dann endlich das Intro des aktuellen Albums „The Arockalypse“. Hunderte Hände schossen in die Höhe und plötzlich standen die furchterregenden Monster auf der Bühne. Mit pompösen Pyroeffekten, die laut krachend erst mal den ganzen Bühnenaufbau in Rauch hüllten. Die Menge war sofort am in Bewegung, ruhig stehen war nicht mehr möglich.

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Exkurs
Definition: Black Metal

Der Gesang ist in der Regel eine Art Gekrächze oder Geschrei, während das Gitarrenspiel sich durch überwiegend monotone Riffs auszeichnet. Am Schlagzeug dominieren Double Bass und Blastbeats. Vereinzelt werden auch Keyboards zum Aufbau eher orchestraler Momente verwendet.
(Wikipedia)

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Lordi mögen böse aussehen und ihre Show wie einen Horrorstreifen in den 80ern aufziehen aber mit Black Metal haben sie so viel zu tun, wie Daniel Kübelböck mit guter Musik, liebe Boulevard Presse!
Von Anfang an bot die Band eine krachende Entertaiment-Show der Extraklasse. Weder die Songtexte, noch die Musik sind in irgendeiner Form anspruchsvoll. Maximal 7-8 Akkorde wechseln sich ab, immer rhythmisch simpelst angeschlagen, das Schlagzeug spielt einen rockigen Standart-Beat dazu, das Keyboard verdichtet den Klangteppich und Sänger Lordi gibt tiefgründige Texte a la „Rock `n Roll angels bring them hard rock hallelujah“ zum besten. Lordi machen reine Fun-Musik im typischen 80er-Hard Rock-Gewand im Stil von „Alice Cooper“, „Kiss“ & „Twisted Sister“. Die Lieder sind auf Anhieb eingängig, der meist mehrstimmige Chorus hat sich dem Zuschauer schon bei der ersten Wiederholung erschlossen, so kann auch der Nichtkenner kann schnell mitgröhlen. Alle Songs bewegen sich in dem selben Schema, machen aber einen Riesenspaß und bringen in Zeiten des Nu Metals eine erfrischende Abwechslung und werden wirklich einwandfrei live präsentiert. Die Fun-Ausrichtung wird unterstrichen von der Bühnenshow. Oft verschwindet die Band in ihren detaillierten Horrorkostümen hinter ganzen Rauchschwaden von Pyroeffekten. Der Bassist macht sich einen Spaß daraus zwischen zwei Songs mit einer Panzerfaust ins Publikum zu schießen, deren Feuerball dicht vor der ersten Reihe zündet, Lordi schießt mit einem tragbaren Nebelwerfer angenehm kühle Nebelschwaden in die tobende Menge und bei der Ballade „It snows in hell“ fallen über die gesamte Laufzeit Unmengen von Kunstschnee von der Decke, so dass die Band am Ende des Songs auf unzählige weiße Köpfe blickt. Darüber hinaus werden die Songs beinahe wie bei einem Theater-Stück aufbereitet. So gibt’s zu beinahe jedem Lied Requisiten, die auf der Bühne postiert werden und mit denen meistens auch interagiert wird. Beim Song „Blood Red Sandman“ ist das bspw. eine Kinderwiege, in der ein Baby schreit, welches der Bassist dann mit einem gezielten Schlag seiner Bassgitarre ruhig stellt. Opferung Nummer 1…;-)

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Die Band achtet dabei stets darauf, dass das Publikum permanent in die Show einbezogen wird, bei jedem Song wird mitgeklatscht, mit angefeuert, losgesprungen. Nach ca. 70 Minuten verlässt die Band die Bühne und gibt nach nicht enden wollenden Zugabe-Chören noch 3 weitere Songs zum besten, als großen Abschluss mit großem Konfettiregen und Pyro-Feuerwerk dann den Grand Prix-Hit „Hard Rock Hallelujah“.
Nach 1 ½ Stunden ist der satanistische Spuk vorbei. Alle Kinder im Publikum sind noch am leben, die meisten allerdings ziemlich platt. Die Altersstruktur geht von schätzungsweise 10 Jahren bis zu den Fünfzigern, was mich doch überrascht hat. Durch den Grand Prix-Erfolg ist der Kinderanteil ungewöhnlich hoch…allerdings sind von den Kiddies in der Menge oft nur die Hände zu sehen. Die 15-30 Jährigen bilden den größten Teil des Publikums, aber auch ältere Semester sind anwesend und sie alle hatten ihren Spaß und das ist die Hauptsache.

Fazit:
Eine herrlich anspruchslose Old-School-Show, die wohl jeden, der auch nur ansatzweise was mit „AC/DC“, „Alice Cooper“ & Co was anfangen kann erstklassig unterhält.

MFG
Hannibal, auf die Wiese zu den beiden grasenden Lämmern schauend...;-)

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Beitrag von freeman » 02.10.2006, 01:54

Muhar har har ... wie PÖSE ;-)

Hammergeil, danke Hanni ...

In diesem Sinne:
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Beitrag von Vince » 02.10.2006, 12:18

LOL da hat sich aber einer was von freemans Review-Epos abgeguckt. :wink:

Sehr schöner Bericht, obwohl ich persönlich mit Lordi null anfangen kann. Finde es trotzdem ebenfalls witzig, wie die von der Presse immer fehlinterpretiert werden.

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Beitrag von Hannibal » 02.10.2006, 12:38

Ist glaub ich die einzige Band, wo ich sagen kann, sozusagen Fan der ersten Stunde zu sein. Debutalbum damals sofort gekauft und sofort liebgewonnen, lange vor dem Grand Prix...ist halt vollkommen anspruchslos und so richtig schön Old School ;-)
War mit en paar Kumpels auf dem Konzert und einer davon war tool-Fan, dem war das auch alles zu simpel gestrickt ;-)

MFG
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Beitrag von EatenAlive » 02.10.2006, 18:26

Schöner Bericht, aber mit Black Metal haben Lordi nicht wirklich was zu tun, in diese sparte gehören eher Bands wie Marduk,Mayhem,Endstille,Dissection usw.
Auch wenn mir die Musik von Lordi nicht wirklich viel sagt, Live machen sie immer eine gute Show.
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Beitrag von Hannibal » 02.10.2006, 18:45

EatenAlive hat geschrieben:Schöner Bericht, aber mit Black Metal haben Lordi nicht wirklich was zu tun, in diese sparte gehören eher Bands wie Marduk,Mayhem,Endstille,Dissection usw.
Auch wenn mir die Musik von Lordi nicht wirklich viel sagt, Live machen sie immer eine gute Show.
Ähm...
>
Lordi mögen böse aussehen und ihre Show wie einen Horrorstreifen in den 80ern aufziehen aber mit Black Metal haben sie so viel zu tun, wie Daniel Kübelböck mit guter Musik, liebe Boulevard Presse!
MFG
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Beitrag von EatenAlive » 02.10.2006, 18:58

Ich weiß hab ich gelesen, habs nur noch mal so geschrieben, um ein paar Beispiele für Black Metal Bands zu geben. Ich weiß ja auch noch was Abging als Lordi den Eurovision Songtest gewonnen haben, war schlecht von mir ausgedrückt. Meine Aussage war mehr auf die Presse bezogen und ein paar andere Moralaposteln, nicht auf den von dir geschriebenen Bericht. :wink:
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Beitrag von Hannibal » 02.10.2006, 19:02

I see ;-)
Hab bisher den Black Metal immer nur tangiert, u.a. Marduk & Cradle of Filth, bin aber immer mit einer 180°-Kurve wieder aus dem Gebiet rausgeschossen, weil ich absolut nix damit anfangen kann...die einzige Black Metal-Band, die ich mag sind Lordi ;-)

MFG
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Beitrag von EatenAlive » 02.10.2006, 22:42

:wink: Lordi ist halt so eine Band bei mir, von denen ich zwar nie ein Album kaufen würde, weil mir auf Albumlänge einfach die Abwechslung und Tiefe fehlt. Aber wenn mal ein Lied von denen in irgendeinem Club oder so gespielt wird, find ich es Hammer mäßig gut, denn dafür ist ihre Musik wie geschaffen.
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Beitrag von Hannibal » 02.10.2006, 23:54

Yo, lang hören kann man die Alben nicht, aber ich glaub das wissen die Jungs auch selbst. Is halt ein reines Fun-Vehikel, ohne Abwechslung und ohne Tiefe...fast wie ein Seagal-Film ;-)

MFG
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Beitrag von nerös » 03.10.2006, 18:55

Fand Lordi auch scho lange vor dem Grand Prix cool. Die Musik klingt so richtig schön nach den 80ern und sollte aus diesem Grund schon hier ins Forum passen 8-)

Geil auch das Video zu Blood Red Sandman, eine hommage an den Horrorklassiker "Tanz Der Teufel"
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Beitrag von Carcass77 » 03.10.2006, 19:06

*lol*, klasse Bericht, Hanni! :yeah:

Wenn man ehrlich ist, sind Lordi für die Rock-/Metal-Musik kaum von Belang, was sie aber in Helsinki geschafft haben, ist aller Ehren wert.

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