[CD] Die Toten Hosen - In aller Stille
Verfasst: 03.08.2009, 16:59
Die Toten Hosen - In aller Stille

Technische Daten:
Veröffentlichung: 14. November 2008
Label: JKP
Anzahl der Titel: 13
Laufzeit: 42 min 01 s
Produktion: Vincent Sorg, Hans Steingen
Studio: Principal Studios, Senden
Band:
Gesang: Campino
E-Gitarre: Andreas von Holst
Michael Breitkopf
E-Bass: Andreas Meurer
Schlagzeug: Vom Ritchie
Cello: Raphael Zweifel
Klavier, Akkordeon, Streichinstrumente: Hans Steingen
Tracklist:
1. Strom − 2:48 (Musik: Frege / Text: Frege)
2. Innen alles neu − 2:57 (Meurer / Frege)
3. Disco − 3:22 (Frege / Frege)
4. Teil von mir − 3:00 (v. Holst / Frege)
5. Auflösen − 3:19 (Frege / Frege, Birgit Minichmayr)
6. Leben ist tödlich − 3:27 (Meurer / Frege)
7. Ertrinken − 4:13 (Breitkopf / Frege, Weitholz)
8. Alles was war − 3:05 (Breitkopf / Frege)
9. Pessimist − 2:47 (Breitkopf/ Frege)
10. Wir bleiben stumm − 3:33 (von Holst / Frege)
11. Die letzte Schlacht − 3:03 (von Holst, Meurer / Frege)
12. Tauschen gegen dich − 3:16 (von Holst / Steingen, Frege)
13. Angst − 3:12 (von Holst / Frege)
Vier Jahre nach der grandiosen „Zurück zum Glück“ meldeten sich die Deutschpunk-Urgesteine der Toten Hosen Ende 2008 mit neuem Album „In aller Stille“ zurück und vermögen damit nahtlos an die konstant hohe Klasse ihrer Veröffentlichungen im neuen Millennium anzuknüpfen. Hatte bereits das Vorgängeralbum einen im Vergleich zu früherem Output gesteigerten Härtegrad an den Tag gelegt, bleiben Campino und co. dieser Linie auch diesmal treu, variieren den Hosen-Standard-Sound durch eine ausgesprochen düstere und emotionale Stimmung jedoch noch weiter. Hatte auf „Zurück zum Glück“ zwischen hartem Rock und gefühlvoll-traurigen Balladen auch noch immer bewährter Gute-Laune-Partykrawall der Marke „Walkampf“ Platz gehabt, sucht man auf „In aller Stille“ Feier-, Sauf- und Nonsens-Lieder vergeblich. Mit zunehmendem Alter der Bandmitglieder werden die Töne ruhiger und die Lyrics ernster – der Qualität des Albums tut diese Entwicklung keinerlei Abbruch, sondern sorgt im Gegenteil für eine atmosphärische Geschlossenheit, die das neue Opus zu einem großartigen Diskografie-Highlight der Düsseldorfer macht.
Locker-leichtem Funpunk am nächsten kommt noch der vorab als erste Single releaste Opener „Strom“ – textlich als augenzwinkernd großmäuliges „Wir sind wieder da!“-Manifest vor allem gemessen an der lyrischen Qualität der Folgesongs belanglos, musikalisch typischste, eingängige Mitgröhl-Ware nach Hosen-Art. Das ist von grundsolider, keine Wünsche offen lassender Qualität, ohne jedoch die Klasse in die gleiche Kerbe schlagender Hits der Vergangenheit zu erreichen – eine souveräne Fingerübung zum Aufwärmen, nicht mehr, nicht weniger.
Auch der zweite Track „Innen ist alles neu“ vermag noch nicht wirklich vom Hocker zu reißen, doch wie sich zeigen wird, unterliegt die Tracklist der Scheibe grob dem Prinzip der qualitativen Klimax. So vermag bereits der nächste Song „Disco“ auf ganzer Linie zu überzeugen: Passend zum Thema mit Elektronik-Beats eröffnet, spätestens im Refrain jedoch zu typischem, eingängigem Hosen-Mitgröhl-Punkrock mutierend stellt die Nummer nach „Strom“ das zweite und letzte atmosphärisch heitere bzw. ironische Lied des Albums dar und unterhält textlich mit der Beschreibung des klassischen Verhaltens des gemeinen Discopublikums in seinen möglichen Kategorisierungen (Trinker, Steher, Tänzer…). In einer noch höheren Liga spielt das Followup „Teil von mir“ – musikalisch flott und atmosphärisch exzellent markiert das nachdenkliche, düstere Liebeslied das erste echte Highlight der Scheibe.
Mit „Auflösen“ präsentieren die Hosen im Anschluss eine Premiere: Erstmals ist ein Duett auf einer DTH-Scheibe vertreten, das Campino mit Birgit Minichmayr, seiner Bühnenpartnerin aus der 2006er „Dreigroschenoper“-Aufführung, in der er sich seiner schauspielerischen Ader widmete, bestreitet. Der akustische Track ist dabei ein positiv gesagt höchst gewöhnungsbedürftiges Ballädchen geworden, dessen weiblicher Gesangspart mir großteils eher auf den Wecker geht.
Doch dafür starten die Hosen nun in ein nicht mehr abreißendes Feuerwerk herausragender Großtaten, die das bisher Gehörte weit hinter sich lassen: „Leben ist tödlich“ ist einer der besten DTH-Songs des neuen Millenniums, ein gerade durch seine musikalische Straightness grandioser, klassischer Uptempo-Punkrock-Kracher: Vom intelligenten Text bis zur in melodische Eingängigkeit kanalisierten Aggressivität ist der Track eine rundum perfekte Angelegenheit, die Single-Ehren wie keine zweite Nummer der Scheibe verdient hätte. Die verhältnismäßig düstere Atmosphäre behält auch der Folgesong „Ertrinken“ bei: Nach ruhigem Beginn wird es im Refrain flotter, während die philosophisch-tiefgründigen, nachdenklichen Lyrics eine Klasse für sich sind.
„Alles was war“ ist die zweite Single und das nicht ohne Grund: Inhaltlich melancholische Vergangenheits-Reflexion mit hier einmal erleichternd optimistischer Marschrichtung gibt es musikalisch allerbeste DTH-Mitgröhl-Ware. Ein formidabler Hit der alten Schule. Bei „Pessimist“ regieren Härte, Düsternis, Tempo und die „In aller Stille“ eigene lyrische emotionale Nachdenklichkeit, ehe „Wir bleiben stumm“ textlich und atmosphärisch diesem Konzept weiterhin treu bleibt, es allerdings weitaus ruhiger und balladesker angehen lässt.
Für „Die letzte Schlacht“ wird wieder in straightesten Punk-Modus geschaltet: Flott und eingängig fetzt Systemkritik an der bedenklichen Entwicklung zum Überwachungsstaat aus den Boxen, die gemeingefährliche Gestalten à la Schäuble hierzulande ja gerade leidenschaftlich vorantreiben. Insofern ein politisch hochaktueller, wichtiger und im Oppositionsaufruf hoffnungsvoller Song.
Sehr ruhig und emotional wird es nun mit der akustischen Überballade „Tauschen gegen dich“: Ein gefühlvoller Gänsehaut-Lovesong, den ich beinahe als beste diesbezügliche Hosen-Komposition seit „Alles aus Liebe“ werten möchte.
„Angst“ packt zum Abschluss noch einmal die Härtekäule aus und beschließt das Album als düster grollendes, würdiges Finish mit wunderbaren Gitarrenriffs und kraftvollem Refrain.
Fazit: Die Hosen anno 2009 geben sich vollends erwachsen und lassen Sauf- und Partylieder auf „In aller Stille“ komplett links liegen. So geschlossen düster, emotional und tiefgründig war bislang noch kein DTH-Album, was der Scheibe enorme atmosphärische Klasse verleiht und sie auch ohne Walkampf, Jägermeister und Bommerlunder zu einem neuen Highlight der Diskografie der Düsseldorfer macht. Musikalisch wird dem Hörer von Mitgröhlen über Abrocken bis zu melancholisch daliegen und in den Himmel blicken das gesamte Spektrum der Reaktions- und Rezeptionsoptionen offeriert, textlich vollbringt Campino abgesehen von „Strom“ und „Disco“ ausschließlich nachdenkliche, melancholische, emotionale Glanztaten erwachsener Tiefgründigkeit. Groß!


Technische Daten:
Veröffentlichung: 14. November 2008
Label: JKP
Anzahl der Titel: 13
Laufzeit: 42 min 01 s
Produktion: Vincent Sorg, Hans Steingen
Studio: Principal Studios, Senden
Band:
Gesang: Campino
E-Gitarre: Andreas von Holst
Michael Breitkopf
E-Bass: Andreas Meurer
Schlagzeug: Vom Ritchie
Cello: Raphael Zweifel
Klavier, Akkordeon, Streichinstrumente: Hans Steingen
Tracklist:
1. Strom − 2:48 (Musik: Frege / Text: Frege)
2. Innen alles neu − 2:57 (Meurer / Frege)
3. Disco − 3:22 (Frege / Frege)
4. Teil von mir − 3:00 (v. Holst / Frege)
5. Auflösen − 3:19 (Frege / Frege, Birgit Minichmayr)
6. Leben ist tödlich − 3:27 (Meurer / Frege)
7. Ertrinken − 4:13 (Breitkopf / Frege, Weitholz)
8. Alles was war − 3:05 (Breitkopf / Frege)
9. Pessimist − 2:47 (Breitkopf/ Frege)
10. Wir bleiben stumm − 3:33 (von Holst / Frege)
11. Die letzte Schlacht − 3:03 (von Holst, Meurer / Frege)
12. Tauschen gegen dich − 3:16 (von Holst / Steingen, Frege)
13. Angst − 3:12 (von Holst / Frege)
Vier Jahre nach der grandiosen „Zurück zum Glück“ meldeten sich die Deutschpunk-Urgesteine der Toten Hosen Ende 2008 mit neuem Album „In aller Stille“ zurück und vermögen damit nahtlos an die konstant hohe Klasse ihrer Veröffentlichungen im neuen Millennium anzuknüpfen. Hatte bereits das Vorgängeralbum einen im Vergleich zu früherem Output gesteigerten Härtegrad an den Tag gelegt, bleiben Campino und co. dieser Linie auch diesmal treu, variieren den Hosen-Standard-Sound durch eine ausgesprochen düstere und emotionale Stimmung jedoch noch weiter. Hatte auf „Zurück zum Glück“ zwischen hartem Rock und gefühlvoll-traurigen Balladen auch noch immer bewährter Gute-Laune-Partykrawall der Marke „Walkampf“ Platz gehabt, sucht man auf „In aller Stille“ Feier-, Sauf- und Nonsens-Lieder vergeblich. Mit zunehmendem Alter der Bandmitglieder werden die Töne ruhiger und die Lyrics ernster – der Qualität des Albums tut diese Entwicklung keinerlei Abbruch, sondern sorgt im Gegenteil für eine atmosphärische Geschlossenheit, die das neue Opus zu einem großartigen Diskografie-Highlight der Düsseldorfer macht.
Locker-leichtem Funpunk am nächsten kommt noch der vorab als erste Single releaste Opener „Strom“ – textlich als augenzwinkernd großmäuliges „Wir sind wieder da!“-Manifest vor allem gemessen an der lyrischen Qualität der Folgesongs belanglos, musikalisch typischste, eingängige Mitgröhl-Ware nach Hosen-Art. Das ist von grundsolider, keine Wünsche offen lassender Qualität, ohne jedoch die Klasse in die gleiche Kerbe schlagender Hits der Vergangenheit zu erreichen – eine souveräne Fingerübung zum Aufwärmen, nicht mehr, nicht weniger.
Auch der zweite Track „Innen ist alles neu“ vermag noch nicht wirklich vom Hocker zu reißen, doch wie sich zeigen wird, unterliegt die Tracklist der Scheibe grob dem Prinzip der qualitativen Klimax. So vermag bereits der nächste Song „Disco“ auf ganzer Linie zu überzeugen: Passend zum Thema mit Elektronik-Beats eröffnet, spätestens im Refrain jedoch zu typischem, eingängigem Hosen-Mitgröhl-Punkrock mutierend stellt die Nummer nach „Strom“ das zweite und letzte atmosphärisch heitere bzw. ironische Lied des Albums dar und unterhält textlich mit der Beschreibung des klassischen Verhaltens des gemeinen Discopublikums in seinen möglichen Kategorisierungen (Trinker, Steher, Tänzer…). In einer noch höheren Liga spielt das Followup „Teil von mir“ – musikalisch flott und atmosphärisch exzellent markiert das nachdenkliche, düstere Liebeslied das erste echte Highlight der Scheibe.
Mit „Auflösen“ präsentieren die Hosen im Anschluss eine Premiere: Erstmals ist ein Duett auf einer DTH-Scheibe vertreten, das Campino mit Birgit Minichmayr, seiner Bühnenpartnerin aus der 2006er „Dreigroschenoper“-Aufführung, in der er sich seiner schauspielerischen Ader widmete, bestreitet. Der akustische Track ist dabei ein positiv gesagt höchst gewöhnungsbedürftiges Ballädchen geworden, dessen weiblicher Gesangspart mir großteils eher auf den Wecker geht.
Doch dafür starten die Hosen nun in ein nicht mehr abreißendes Feuerwerk herausragender Großtaten, die das bisher Gehörte weit hinter sich lassen: „Leben ist tödlich“ ist einer der besten DTH-Songs des neuen Millenniums, ein gerade durch seine musikalische Straightness grandioser, klassischer Uptempo-Punkrock-Kracher: Vom intelligenten Text bis zur in melodische Eingängigkeit kanalisierten Aggressivität ist der Track eine rundum perfekte Angelegenheit, die Single-Ehren wie keine zweite Nummer der Scheibe verdient hätte. Die verhältnismäßig düstere Atmosphäre behält auch der Folgesong „Ertrinken“ bei: Nach ruhigem Beginn wird es im Refrain flotter, während die philosophisch-tiefgründigen, nachdenklichen Lyrics eine Klasse für sich sind.
„Alles was war“ ist die zweite Single und das nicht ohne Grund: Inhaltlich melancholische Vergangenheits-Reflexion mit hier einmal erleichternd optimistischer Marschrichtung gibt es musikalisch allerbeste DTH-Mitgröhl-Ware. Ein formidabler Hit der alten Schule. Bei „Pessimist“ regieren Härte, Düsternis, Tempo und die „In aller Stille“ eigene lyrische emotionale Nachdenklichkeit, ehe „Wir bleiben stumm“ textlich und atmosphärisch diesem Konzept weiterhin treu bleibt, es allerdings weitaus ruhiger und balladesker angehen lässt.
Für „Die letzte Schlacht“ wird wieder in straightesten Punk-Modus geschaltet: Flott und eingängig fetzt Systemkritik an der bedenklichen Entwicklung zum Überwachungsstaat aus den Boxen, die gemeingefährliche Gestalten à la Schäuble hierzulande ja gerade leidenschaftlich vorantreiben. Insofern ein politisch hochaktueller, wichtiger und im Oppositionsaufruf hoffnungsvoller Song.
Sehr ruhig und emotional wird es nun mit der akustischen Überballade „Tauschen gegen dich“: Ein gefühlvoller Gänsehaut-Lovesong, den ich beinahe als beste diesbezügliche Hosen-Komposition seit „Alles aus Liebe“ werten möchte.
„Angst“ packt zum Abschluss noch einmal die Härtekäule aus und beschließt das Album als düster grollendes, würdiges Finish mit wunderbaren Gitarrenriffs und kraftvollem Refrain.
Fazit: Die Hosen anno 2009 geben sich vollends erwachsen und lassen Sauf- und Partylieder auf „In aller Stille“ komplett links liegen. So geschlossen düster, emotional und tiefgründig war bislang noch kein DTH-Album, was der Scheibe enorme atmosphärische Klasse verleiht und sie auch ohne Walkampf, Jägermeister und Bommerlunder zu einem neuen Highlight der Diskografie der Düsseldorfer macht. Musikalisch wird dem Hörer von Mitgröhlen über Abrocken bis zu melancholisch daliegen und in den Himmel blicken das gesamte Spektrum der Reaktions- und Rezeptionsoptionen offeriert, textlich vollbringt Campino abgesehen von „Strom“ und „Disco“ ausschließlich nachdenkliche, melancholische, emotionale Glanztaten erwachsener Tiefgründigkeit. Groß!
