Aubrey Powell – Vinyl. Album. Cover. Art. (Hipgnosis – Das Gesamtwerk)
Verlag: Ear Books
ISBN: 978-3-8419-0608-3
Preis: 35,00 €
Seitenzahl: 320
Übersetzer: Sonja Kerkhoffs
Format: circa 21 cm x 25 cm, gebunden, Fotohochglanzdruck
Bis Mitte der 60iger Jahre des vorherigen Jahrhunderts spielte das Album als kreatives Medium für Musiker keine Rolle sondern war lediglich als Sammlung der Hitsingles und deren B-Seiten gedacht. Mit der Verbesserung der Studiotechnik mit Mehrspuraufnahmen und dem nachbearbeiten einzelner Musikspuren sowie der Erfindung von neuen elektronischen Musikinstrumenten wurde das Album ab diesem Zeitpunkt zu einer kreativen Spielwiese. Doch die Kreativität machte nicht bei zwei Vinylseiten und 40 Minuten Spielzeit halt, auch das Plattencover wurde Teil des Künstlerischen Ausdrucks und wichtiger Bestandteil der Musik. Fotografen wie Robert Mapplethorpe oder Richard Avedon schufen Ikonenhafte Fotos der Musiker, Künstler wie Roger Dean, H.R. Giger oder Mati Kleinwein malten extra Bilder und selbst Comiczeichner Robert Crumb zeichnete Plattencover im Comicstil.
In dieser Zeit gründeten die beiden Fotografen Storm Thorgerson und Aubrey Powell die Grafikagentur Hipgnosis, später stieg noch Peter Christopherson ein. Dieses Kerntrio sollte zusammen mit einer Mannschaft aus Grafikern und Künstlern für die nächsten knapp zwanzig Jahre die Musikwelt mit ihren Ideen zum Coverdesign einer Schallplatte komplett auf den Kopf stellen. Hipgnosis sollte mit seinen teilweise sehr radikalen Designideen die Verbindung zwischen Musik und Kunst auf ein neues Level heben. Viele Hipgnosis Cover sind Weltbekannt, auch wenn vielen eventuell die Musik hinter den Covern kein Begriff sein sollte, man kennt einfach die Kuh auf der grünen Weide (Pink Floyd „Atom Heart Mother“), die nackten Kinder die einen Berg erklimmen (Led Zeppelin „Houses of the Holy“) und natürlich das Prisma auf schwarzen Grund (Pink Floyd „the Dark Side of the Moon“). Die Liste der Klienten liest sich wie das Who-is-Who der Rock und Popmusik der 70iger Jahre: Pink Floyd, Genesis, Yes, Peter Gabriel, AC/DC, 10cc, Alan Parsons Project, Renaissance und viele mehr – lediglich Queen fehlen, trotz Bemühungen von beiden Seiten kam es nie zu einer Zusammenarbeit. Und sogar Deutsche Künstler vertrauten der Edelcover-Designer: die Scorpions, Birth Control oder Novalis sind im Katalog zu finden.
Laurel Aitken „Says Fire“
Das erste Hipgnosis Cover, fotografiert mit einer betagten Rolleiflex, bearbeitet in einer Amateurdunkelkammer und Abreibebuchstaben aus dem nahegelegenden Schreibwarenladen.
In diesem schweren edlen Prachtband erinnert sich der einzig noch lebende Fotograf des Hipgnosis Trios Audrey Powell an diese Zeit und rollt Chronologisch den gesamten Katalog auf der sich in der Zeit der Existenz von Hipgnosis angesammelt hat....und das ist eine ziemlich große Menge an LP Covern (Singlecover hat Hipgnosis offensichtlich nicht hergestellt). Zu sehen sind aber nur die Vorderseiten - die Rückseiten, das Gatefold oder die bedruckten Innenhüllen werden nur bei besonderen Stücken gezeigt. Grund dürfte schlichtweg der Platz sein, denn alleine die Abbildung der gesamten Voderseiten der Covers nimmt mal eben 270 Seiten des Buches ein und dabei sind sehr oft vier Cover pro Seite zu sehen.
Zu einigen Covern gibt Powell einiges an Information preis. Powell ist aber eben Fotograf und so ist das sehr oft Kameratechnischer Kram, also Blende, Belichtungszeit, Kameratyp, Objektivbrennweite oder wie er die ISO des Films verändert hat. Wer sich nicht mit den Geheimnissen des Chemischen Films auskennt wird bei diesem ganzen Fachchinesisch sicherlich bald abwinken. Aber es gibt auch einige Blicke hinter die Kulissen. So erfährt man das das Bild des „I Robot“ Albums vom Alan Parsons Project ohne Genehmigung auf den Charles-de-Gaules Flughafen in Paris gemacht wurde. Oder das Powell mit der Familie der zwei Kinder für das „Houses of the Holy“ Album Tagelang in einer Farm festsaß weil es in einer Tour regnete und das das Shooting innerhalb weniger Stunden ohne große Vorbereitung von statten gehen mußte als es mal mit dem Regen aufhörte. Oder man reiste mit zweihundert aufblasbaren Bällen in die Sahara, blies die Bälle auf und drapierte diese in der Wüste um dann in der Abenddämmerung das Foto zu schießen (Album „the Elegy“ von the Nice). Und selbstverständlich fehlt auch nicht die Berühmte Anekdote vom aufgeblasenen Schwein für das „Animals“ Cover von Pink Floyd das sich losriss und dadurch für „etwas“ Chaos am Nahegelegenden Flughafen Heathrow sorgte.
Pink Floyd „Ummagumma“
Die Umsetzung kritisiert Powell als nicht perfekt, vor allen stören ihn die Styrophorbuchstaben am Boden die dem Umstand geschuldet waren das in der Anfangszeit von Hipgnosis noch kein Grafiker im Team war. Der Gigi Soundtrack hat keinerlei Bedeutung, das David Gilmour vorne ist und Roger Waters erst an zweiter Stelle sei ein Zufall
Es fällt schnell auf das Hipgnosis sich sehr viel Mühe bei seinen Bilder machte und auch keinen Aufwand scheute dies dann auch umzusetzen – obwohl dies zu Anfang ziemlich schlecht bezahlt wurden (Powell macht sich am Anfang des Buches darüber öfters mal Luft das die Plattenfirmen immer viel zu wenig Budget bereitstellten). Ebenso auffällig ist das viele (genauer – fast alle) Bilder aufwendige Collagen sind die in Handarbeit zusammengesetzt wurden. Was heute im Digitalzeitalter ohne Problem mit ein paar Mausklicks mit Photoshop erledigt wird war bei Hipgnosis eben Schere, Cuttermesser und Klebestift sowie viel Zeit und Geduld. Die berühmten Kratzspuren von Peter Gabriels zweiten Soloalbum waren simple weiße Papierstreifen die in tagelanger Puzzelarbeit zurechtgeschnitten, angepasst und aufgeklebt wurden. Oder das „Animals“ Cover wurde aus verschiedenen Aufnahmen zusammenmontiert. Und ganz extrem wurde es bei dem dritten Soloalbum von Peter Gabriel wo Gabriels Gesicht weggeschmolzen ist: Hier wurde ein Polaroidfoto beim Entwicklungsprozess mit den Fingern berührt und darübergefahren so das die Emulsion des Bildes verwischt wurde und es eben diesen Melt Effekt ergab. Auf solche Ideen muß man erst einmal kommen.....
the Alan Parsons Project „Pyramid“
Aubrey Powell gibt zu hier bewusst bestimmte NERDs die immer nach irgendwelchen Querverweisen und tieferen Bedeutungen in Bildern suchen aufs Glatteis geführt zu haben. Die Story vom Hotelzimmer in Kairo und der sichtbar gemachten „außerkörperlichen Erfahrung“ inklusive Wecker der auf 03:14 Uhr steht (= die Zahl Pi) sei einfach nur ein Witz für eben diese Personengruppe gewesen....die natürlich voll darauf angesprungen ist
Irgendwelche Outtakes oder Konzeptzeichnungen gibt es nicht, ebenso keine Alternativecovers oder was unveröffentlichtes (sieht man davon ab das ein Cover für die Heavy Metal Kids ein abgelehnter Entwurf für Pink Floyd war). Bei den Informationen zu den einzelnen Covers werden aber hier im Buch die wirklichen Fotografen genannt, während auf dem Plattencovern immer nur kurz „Coverdesign by Hipgnosis“ stand. So sieht man das viele Bilder die ich eher Storm Thorgerson zugeschrieben habe tatsächlich von Aubrey Powell stammten (bzw der brennende Mann vom „Wish you were here“ Cover).
Aubrey Powell geht aber auch durchaus kritisch mit dem Werk seiner eigenen Firma um, nicht alles was den Hipgnosis-Stempel trug ist automatisch gut. Viele Cover kritisiert er, einige mag er sogar gar nicht und gibt dies auch unumwunden zu.
Laut A. Powell drei Beispiele für schlechte Arbeiten von Hypgnosis (von links nach rechts)
Die Toe Fat ist „ein grässliches Cover und keines von denen auf die wir bei Hipgnosis besonders Stolz waren“. Die Clifford T. Ward ist „das belangloseste im ganzen Katalog“ und die Bunk Dogger ist „einfach nur vulgär“ und „das peinlichste im Hipgnosis Katalog“
Nun stellt sich natürlich die Frage: Für wen ist das Buch geeignet ?
Da ist natürlich der Musikfan der sich auch für die Verpackung interessiert und mit Sicherheit einige Cover von Hipgnosis im Schrank stehen hat und einfach wissen will was die Designagentur sonst noch so gemacht hat. Der Infogehalt ist leider dann doch etwas dünn, die Bilder / Designs stehen im Vordergrund. Neben den bereits erwähnten Statements zu bestimmten Covern gibt es ein kurzes Vorwort von Peter Gabriel (nur eine Seite lang aber dafür prominent auf dem Cover beworben), einen Text über die Entstehung des 10cc Covers „Deceptive Bends“ mit allen Hintergrundinfos von Storm Thorgerson (offensichtlich ein etwas älterer Text) sowie ein Vorwort von Aubrey Powell und ein Nachwort von Marcus Bradbury (Grafikdesigner) über die Arbeitsbedigungen und dem Vibe (es wurde offensichtlich viel gekifft) der damals im Büro von Hipgnosis herrschte – das war es dann leider auch schon. Im Grunde ist es ein großes, dickes Bilderbuch für erwachsene Musikfans.
Barry Gibb „Now Voyager“
Das letzte Cover das Hipgnosis produziert hat aus dem Jahre 1984 – man sieht schon das man hier keine große Lust mehr hatte...
Trotzdem gefällt mir das Buch weil es eine Reise in eine längst vergangene Zeit ist, eine Zeit wo man nur mit Hilfe eines Plattencovers das gesamte Image eines Musikers / Stars lenken konnte. Hipgnosis ist es zB. „Schuld“ das man auf einmal weder Titel noch Interpret auf ein Cover drucken mußte – man sah das Bild und man wußte womit man es zu tun hatte.
Mit dem Wechsel in die 80iger verschoben sich dann die Parameter in der Musikindustrie. Auf einmal war nicht mehr das Cover wichtig sondern das Musikvideo mit dem die Musiker noch gezielter ihr Image in der Öffentlichkeit steuern konnten. Bis 1984 hielt Hipgnosis durch, die Cover wurden immer belangloser und schließlich machte man nach dem Auftrag von Barry Gibb die Schotten dicht – Hipgnosis wurde zur Legende.
Die drei Fotografen blieben aber der Musikszene weiter treu und machten weiterhin Fotos und CD Cover. Storm Thorgerson verstarb im Jahre 2017, Peter Christoperson bereits im Jahre 2010. In den Herzen der Musikfans lebt Hipgnosis aber bis heute weiter.
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Und hier noch ein paar Hipgnosis Cover
[Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
[Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: [Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
Echt interessant. Hab mir zuletzt ein Buch gekauft gehabt, in dem werden die Cover von 80er Jahre Videothekenkrachern abgefeiert. Kurze Inhaltsangabe, wer macht mit und dann das Cover. Und das macht einen Bock, die Dinger zu sehen. Irre. Kann mir vorstellen, dass es hier in eine ähnliche Richtung geht. Man die Alben also quasi hört, während man guckt.
In diesem Sinne:
freeman
In diesem Sinne:
freeman
Re: [Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
Es ist dahingehend interesant weil auch wirklich viel unbekanntes dabei ist, denn neben den damaligen Big Names hatte Hipgnosis auch ein Herz für kleine eher unbekannte Bands / Künstler. Da tauchen Namen auf von denen habtte ich vorher noch nie gehört....
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
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- Disney Fan
- Beiträge: 2
- Registriert: 04.02.2019, 17:48
Re: [Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
Guten Tag.
Vielen Dank für interessante Themen und Bilder.
Schöne Grüße
James
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Schöne Grüße
James
Re: [Review] Aubrey Powell - Vinyl. Album. Cover. Art.
Hey Geil - Feedback
Danke schön !
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