Dass die Kreaturen der Leinwand völlig dem Schöpferwillen des Menschen ausgeliefert sind, beweist kaum ein Film der jüngeren Geschichte nachdrücklicher als die 2017er Reanimation des größten Affen der Welt. Um ihn Franchise-tauglich werden zu lassen, machte man ihn kurzerhand noch größer – in einem derart grotesken Ausmaß, dass es an Universals Monster-Sequels der Vierziger Jahre und deren kindliche Naivität erinnern muss.
„Kong“ leidet also grundsätzlich unter den gleichen Symptomen wie fast alle leinwandfüllenden Blockbuster seiner Zeit. Seine gesamte Präsentation, seine Einbindung in ein „Cineversum“, das marketingtechnisch als Kundenbindungsinstrument zu verstehen ist, all das suggeriert unterschwellig, dass man während der Produktion in Gedanken bereits beim nächstgrößeren Ding weilte. Mit dem Ergebnis, dass sich eine Aura der Abstinenz breitmacht. Filme, die nicht mehr dem Film zuliebe gemacht werden, sondern Mittel zum Zweck darstellen und in dem Moment bereits wieder vergessen sind, in dem sie entstehen – eine grausige Vorstellung, die sich in den ersten Minuten zu bewahrheiten scheint.
Völlig unerwartet verändern sich die Eindrücke jedoch mit Durchbruch der passgenau an den visuellen Stil von Gareth Edwards' „Godzilla“ angepassten Wolkendecke, die letztlich unter Blitz und Donner Skull Island freilegt. Das Drehbuch lässt die zivilisierte Welt – und damit alle teuflischen Franchise-Pläne – im Unsichtbaren zurück und konzentriert sich ganz und gar auf die phantastischen Regeln des autonomen Eilands, ungeachtet aller biologischen Wahrscheinlichkeiten, ungeachtet des Anspruchs auf ein Minimum an Realismus, der im Post-Nolan-Kino normalerweise selbst beim absurdesten Monster-Kino als Grundversorgung verlangt zu werden scheint. Nicht so mit Vogt-Roberts: Unter seiner Regie kloppt sich ein 30-Meter-Affe mit ähnlich großen Kreaturen anderer Gattungen die Köpfe ein, während ameisengroße Menschen versuchen, nicht im Weg zu stehen. So primitiv kann Kino sein. Und so soll es manchmal auch sein.
Zwar erreicht keiner der zahlreichen (und im Vergleich mit „Godzilla“ viel besser sichtbaren) Monster Mashs die anmutige Eleganz, die der Filmromantiker Peter Jackson bewies, als er seinen Kong vor zwölf Jahren unter anderem in einen Kampf gegen zwei T-Rex-Artige schickte. Es steckt kaum Poesie in den Auftritten von dessen voluminösem Nachfolger, keine Freude am Fluss der Dynamik, weniger Gesten, mit denen die animalische Natur des Hünen entlarvt wird – so wie Jacksons Kong den ausgerenkten Kiefer eines toten Sauriers aus funktionaler Neugier auf- und zuklappen ließ. Stattdessen herrscht die pure Machtdemonstration. Dieser Kong wird wahrlich inszeniert wie ein König, oder mehr noch, ein gottgleiches Wesen, dessen Tötung einem unverzeihlichen Verbrechen an der Macht der Schöpfung gleichkäme. Die Lossagung des Tiers von der ihm nachgesagten Faszination für eine kreischende Blondine zeigt eine befreiende Wirkung: „Skull Island“ lässt pure Energie auf Makroebene walten und alle kleinen Probleme der Zivilisation für einen kurzen Moment bedeutungslos erscheinen, genau so wie es sich für Monsterkino gehört.
Man muss dabei eben in Kauf nehmen, dass vom menschlichen Casting kaum Nennenswertes übrig bleibt. Nun springt also Tom Hiddleston mit Brie Larson über Stock und Stein. Wären es Jim Carrey und Tina Fey gewesen, es hätte das Treiben der Ungetüme nur am Rande tangiert. Ironisch, dass ausgerechnet Vielfilmer Samuel L. Jackson noch einmal ein wenig aus seiner Schauspiellethargie findet und mal wieder leicht über den Durchschnitt hinauskommt. Auch der Vietnamkriegs-Kontext ist in erster Linie Stilmittel und wird für eine saftige optische Verbeugung vor „Apocalypse Now“ genutzt.
Und das ist dann auch schon alles, was man sich von diesem Film erhofft hat: Exotische Monsteraction mit reichlich Schauwerten und spürbarem Wumms, die sich völlig auf die Abwegigkeit des Phantastik-Kinos einlässt. Erst am Ende eines langen Abspanns übernehmen die Marvelismen wieder das Regiment.
