X-Men: Dark Phoenix
Mit Continuity hatte es die Reihe ja noch nie so, gerade mit dem Jungmutantentum kamen dann ja einige Fragen auf. "Days of Future Past" versuchte sich dann am Ende mit einer Retcon-Lösung, die schon von "Apocalypse" ins Wanken gebracht wurde, ehe "Dark Phoenix" mit dem Arsch wirklich jeden Anflug von Kontinuität einreißt. Aber vielleicht war es auch die Fuck-Off-Mentalität der Macher angesichts des finalen Kapitels. Letzere dürfte auch zwei Darsteller ergriffen haben, denn zwei Figuren scheiden schon früh durch Tod oder filmlangen Krankenhausaufenthalt aus.
Simon Kinberg darf erstmals als Regisseur ran und lenkt die "X-Men" ja seit Jahren als Drehbuchautor, weshalb es verwundert, dass ausgerechnet das Script sich danach anfühlt als hätte es jemand ohne Ahnung von der Materie oder filminterner Logik geschrieben.
Jean Grey wirbelt bei einem Ausraster drei Streifenwagen durch die Gegend und schon ist auf einmal die ganze Welt den Mutanten skeptisch gegenüber? Nach all dem, was sie schon in den Vorgängern gesehen haben? Während alle anderen Mutanten, selbst Magneto, ganz klar gegen sie stehen? Wenig glaubwürdig.
Oder die Szene, in der Magneto sich mitten im Kampfgeschehen die Zeit nimmt einen U-Bahn-Wagon durch die Straßendecke zu holen. Sieht cool aus, klar. Aber er vollbringt das in großer Gefahr (und gefährdet die Insassen des Wagons und damit den Ruf der Mutanten) und dann? Dann macht er nichts mit dem Wagon.
Ähnlich ärgerlich ist die Einbringung der Alien-Bösewichte. Deren Motivation wird unbefriedigend am Rande abgefrühstückt, das Solarnebel-artige Wesen wird zum reinen MacGuffin, der aber einige Fragen offen lässt.
Hat es die Heimat der Aliens wirklich zerstört oder ist das nur eine Lüge der Aliens, um Jean auf ihre Seite zu kriegen. Was wollen sie damit, also außer "Weltherrschaft" bzw. "Weltzerstörung"?
Die Geschichte ist eine reine Hatz auf die ausrastende Jean, was für einige Scharmützel und den x-ten Mix aus Verbrüderung bzw. Richtungsstreit zwischen Xavier und Magneto sorgt. Immerhin: In seinen Subplots hat "Dark Phoenix" seine Stärken, denn am Saubermann-Image von Professor X wird heftig gekratzt, während man ausnahmsweise mal fast nur die positiven Seiten Magnetos betont, ohne seine dunke Vergangenheit und seine Zerrissenheit auszusparen. Die Darstellerriege leistet durchweg Gutes, auch wenn Jennifer Lawrence nicht mehr ganz so motiviert gewesen scheint. Dafür ist Alexandra Shipp in der dankbaren ausgebauten Storm-Rolle sowas wie eine Entdeckung.
Ein echter Knaller ist die Zugactionsequenz, die famos inszeniert wurde und den Mutanten auch Raum für Kooperationen im Kampf gegen ihre Gegner gibt - da werden die Fähigkeiten toll ausgestellt und Special Moves bei der Kombination zweier Fähigkeiten gezeigt, da sind unglaublich dynamische Konfrontationen zu sehen und da werden die Möglichkeiten der X-Men so gut ausgestellt wie selten. Dummerweise gibt es in den anderen Actionszenen viel zu oft schwer bis kaum besiegbare Superwesen, die alle anderen Teilnehmer zu Statisten degradieren, weshalb viele nicht so mächtige Mutanten wie Statisten erscheinen (siehe auch "Apocalypse").
Und sonst? Das 1990er-Setting wird quasi vollends verschenkt; abgesehen von vermutlich dokumentarischen Bildern eines Space-Shuttle-Starts verortet nichts, aber auch wirklich gar nichts den Film in der Dekade, was angesichts des Konzepts der Vorgänger ärgerlich ist. Die im Vorgänger angeteaserte Jubilee glänzt mit Abwesenheit, aber das passt zu einem Film, an dem wirklich nichts durchdacht erscheint - außer der geilen Zugsequenz. Mein erster Eindruck ist minimal besser als der bei "Apocalypse", aber an letzteren hatte ich auch deutlich mehr Erwartungen. Verbockt mit ein paar Lichtblicken sind sie beide.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
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