Marvels Iron Man
Was in amerikanischen Comicheften seit Ewigkeiten gang und gäbe ist, gestaltet sich auf der großen Leinwand hingegen relativ schwierig. Die Rede ist natürlich von Crossovern. Zwei oder mehrere Superhelden, die sonst alleine für sich existieren treffen in einem Comicband aufeinander und vereinen sich, um eine größere Bedrohung zu bekämpfen. Um dieses Prinzip doch irgendwie angemessen ins Lichtspielhaus übertragen zu können, hatte Marvel-Produzent Kevin Feige die Idee, ein fiktives Universum lauter Einzelfranchises zu erschaffen, in welchem man dementsprechend einiges an Spielraum für etwaige Zusammenführungen hätte. Nach Jahre langer Planung sollte Regisseur Jon Favreau mit der Verfilmung des eher unbekannteren Superhelden Iron Man 2008 den Anfang machen und das "Marvel Cinematic Universe" eröffnen. Ein geglücktes Unterfangen oder eine qualitative Bruchlandung?
Um sich dem Charakter von Tony Stark alias Iron Man anzunähern, erzählt Favreau eine Origin-Geschichte, die auf dem Papier recht einfach und simpel erscheint und deren einzige überraschende Wendung in der Tat genau genommen gar keine ist, da man dererlei "Twists" schon gefühlt hunderte Male in Filmen erlebt hat. Dennoch erfüllt das Drehbuch seinen Zweck und bietet für ungeübte Zuschauer auch reichlich oberflächliche Spannung in weiten Passagen. Es sind aber andere Dinge die aus "Marvels Iron Man" den großartigen Film machen, der er geworden ist. Und dafür muss man sich die Besetzung genauer angucken. Robert Downey Jr. als exzentrischer Milliardär, der vom Schicksal auf den Pfad des richtigen geführt wird ist eine Idealbesetzung und eine großartige darstellerische Leistung, deren Ausmaß so gewaltig ist, dass er allein den Film tragen kann. Nicht genug damit, dass er überlebensgroß auftritt und jeden Charakterzug sowie die Wandlung seiner Rolle perfekt trifft, so werden ihm auch wundervoll spritzige Bemerkungen in den Mund gelegt. Ob er sich mit dem schauspielerisch begnadeten Jeff Bridges als hinterhältigen Firmenleiter, Terrence Howard als typische Buddy-Figur oder der bezaubernden Gwyneth Paltrow als Love Interest unterhält, aus allem wird ein Gag-Feuerwerk erster Güte, das durch die gelungene Interaktion der Charaktere noch besser funktioniert und trotzdem offen genug bleibt, um immer wieder auch einen Schuss Ernsthaftigkeit zu vertragen.
Dies ist selbstverständlich auch für die Actionszenen nicht unwichtig. Doch auch hier versteht Favreau es, ungewohnte Wege zu gehen. So gibt es praktisch nur 3 größere Actionszenen im Film, die aber alle nicht zu einem Overkill an Effekten mutieren, sondern in ihrem Bombast stets den Eindruck erwecken, eher überschaubar zu geraten und in denen auch die Charaktere nie zu kurz kommen. Filmisch macht Favreau ohnehin fast alles richtig, ob es die Inszenierung der beeindruckenden Flugsequenzen oder das Filmen eher intimerer Momente seine Protagonisten ist, er weiß genau, welche Stimmung er beim Publikum erzeugen will und geht seinen Weg konsequent bis zum Ende. Nebenbei hat er aber natürlich noch eine kleine andere Mission: Die Einführung des fiktiven Marvel-Universums für kommende Filme. Und dabei ist er erstaunlich still. Zwar wird durch Clark Greggs Agent Coulson, der in einer kleinen Nebenhandlung seinen Platz findet, bereits eine mysteriöse Regierungsbehörde eingeführt, die in kommenden Filmen noch eine tragende Rolle spielen wird, aber ansonsten gibt es noch keine wirklich großen Anspielungen oder Ankündigungen auf Dinge, die noch folgen werden. Dafür hat die Regie auch keine Zeit, denn zwischen all den Blödeleien von Stark und der schwungvoll erzählten Handlung finden sich immer sogar noch kleine Verweise auf den Kampf gegen den Terror vermengt mit leiser Kritik an der amerikanischen Kriegsführung und dem einflussreichen Waffenlobbyismus in den Staaten. Damit erreicht "Marvels Iron Man" nicht nur, sein Publikum vortrefflich zu unterhalten, sondern versteht es auch noch, den Zuschauer ein wenig zum Nachdenken anzuregen, in einem Film, in dem dieser es gar nicht vermutet hätte. Ein überraschender, aber durchaus willkommener Anspruch, den man hier wählt.
Zwei Aspekte wollen aber nicht ungenannt bleiben. Zum einen ist da der Soundtrack, der zum einen aus kräftigen Instrumentalstücken besteht, die sofort ins Ohr gehen, aber zum anderen mit zahlreichen ACDC-Liedern angereichert wurde. Hierbei hat man es mit einem Geniestreich zu tun, denn diese passen kurioserweise stets wie die Faust auf das Auge und reißen mehr mit, als man vorher vielleicht gedacht hätte. Und dann bleiben natürlich noch die Effekte übrig. Ein Held wie Iron Man muss natürlich per CGI am Rechner erstellt werden, doch auch hier stimmt das Maß und der Look selbst, denn die Special Effects-Abteilung leistet tolle Arbeit und lässt zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel aufkommen, dass irgendetwas nicht echt sein könnte. Realistisch eingebettet ins Gesamtbild, einwandfrei in der Umsetzung. Was will der Comicfan eigentlich mehr?
Fazit: Für die weiteren Franchises, die sich im Marvel Cinematic Universe versammeln werden, legt "Marvels Iron Man" die Messlatte unfassbar hoch. Eine simple, aber zweckdienliche Handlung mit leisen Bezügen zu brisanten politischen Thematiken, ein einmaliger Protagonist, der sowohl perfekt gespielt als auch hervorragend geschrieben ist und sich vom unsympathisch-arrogantem Arschloch zur Identifikationsfigur entwickelt, eine seichte und zart-romantische Liebesgeschichte, gut dosierte Action und eine gewaltige Prise an ironischem Humor klingen zwar allesamt nicht nach innovativen oder neuen Elementen, wurden aber selten so harmonisch vereint, wie hier der Fall. Jon Favreau und Kevin Feige tun zwar insgesamt nicht viel mehr, als die klassische Blockbuster-Rezeptur zu verwenden, sind dabei aber mit so viel Herzblut und Spaß an der Sache, dass diese an sich eingefahrene Struktur unter ihrer Führung zu einem frischen und mutig erscheinenden Abenteuer wird, dessen Sogkraft sich sogar die härtesten Comicfilm-Atheisten wohl nur schwerlich entziehen werden können.
Iron Man I - III
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