Deadpool 2
Der alte Belohnungstrick greift immer noch: Beklatsche ein Kunststück und der Artist wird die gleiche Nummer beim nächsten Mal noch spektakulärer ausführen, um sich unserer Anerkennung ein zweites Mal sicher zu sein. Bei der metareferentiellen Hüpferei durch die vierte Wand, mit der Deadpool sein zahlendes Publikum bei der Stange zu halten pflegt, bedeutet das, hinter dem aufgestoßenen Meta-Türchen des ersten Films noch ein zweites zu finden, ein drittes vielleicht... um sich letztlich so weit von der Basis eines gewöhnlichen Superheldenfilms zu entfernen, dass man gar nicht mehr weiß, worum es bei der ganzen Nummer eigentlich geht. Oder wo man überhaupt gerade ist.
Das ist dann auch das vorbestimmte Schicksal von "Deadpool 2", der mit seinem "höher, weiter, schneller, besser" einerseits alle Klischees einer übermotivierten Fortsetzung zu einem Überraschungserfolg erfüllt, sich damit andererseits aber so sehr in seine Rolle als Off-Kommentator des großen Marvel-Buches hineinsteigert, dass eine Spaltung des Publikums unumgänglich wird. Wie könnte man es ihm auch verübeln; es wird immerhin von Gagsalven getroffen, die zu schnell abgefeuert werden, als dass man sie alle verarbeiten könnte. Filmgesetze werden nach außen gekehrt, um sich über ihr Innerstes lustig zu machen (alleine, wie im Einstieg der Noir-Comicfilm "Logan" zerfleddert wird, um den Funken eines Gags aus ihm zu ziehen, ist beispiellos). Reale Geschichte der Filmproduktion wird in die fiktive Handlung eingebunden, so dass insbesondere Hauptdarsteller Ryan Reynolds mit Selbstironie glänzen kann. Ständig wird irgendwas in Zeitlupe zu Opernmusik massakriert oder ein geschmackloser Witz für zwischendurch kommt zum Schuss. Kurz, es vergeht kaum eine Sekunde, in der man nicht versuchen würde, den ersten Teil mit allen erdenklichen Mitteln zu toppen.
Diese permanente Ablenkung durch autonome Witzbomben, zu denen auch so mancher Sekunden-Cameo gehört, beansprucht unsere unmittelbare Aufmerksamkeit so stark, dass das Langzeitgedächtnis einfach mal zwei Stunden Urlaub macht. Der übergreifende Story Arc um einen orientierungslosen Jungen mit Feuerkräften (eine der schlechtesten Kinder-Darstellungen, die man in den letzten Jahren zu sehen bekam: Julian Dennison als Firefist) und einen humorlosen Kabelmann (eigentlich viel zu viel Charisma für eine platte Sketchparade wie diese: Josh Brolin als Cable) lohnt die Aufmerksamkeit ohnehin nicht. Man ist also besser damit bedient, die Kabinettstücken einfach auf sich niederprasseln zu lassen, auch wenn das bedeutet, dass man am Ende nicht mehr weiß, was am Anfang passiert ist.
Schwer zu sagen also, was man von "Deadpool 2" halten soll, einem Film, der sich schlüssigen Argumenten entzieht wie ein glitschiger Aal. Ohne Frage lässt David Leitchs Fortsetzung die Ungezwungenheit des ersten Films vermissen. Mit starker kreativer Beteiligung des Hauptdarstellers und Produzenten hockt die wandelnde Superhelden-Parodie im roten Strampler diesmal sinnbildlich mit Verstopfung auf dem Klo. Als diese sich endlich löst, schwindet der verkrampfte Gesichtsausdruck hinter der Maske reiner Erleichterung, aber die Schüssel ist prall gefüllt mit allerhand Gekröse, von dem man mehr als die Hälfte niemals hätte sehen wollen. Und doch, irgendwie muss man dem konsequent zu Tage gebrachten Endresultat ob seiner Konsequenz Respekt zollen.
