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American Gangster

Verfasst: 17.11.2007, 21:38
von Ed Hunter
American Gangster

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Originaltitel: American Gangster
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Denzel Washington, Russel Crowe, Josh Brolin, Lymari Nadal, Ted Levine, John Hawkes, RZA, Malcolm Goodwin, Ruby Dee

12 Jahre nach dem genialen Cyberthriller „Virtuosity“ sind die Hollywood-Stars Denzel Washington und Russel Crowe wieder vor einer Kamera vereint: Im neuen Streich von Regielegende Ridley Scott, der Verbrechersaga „American Gangster“. Nach „Gladiator“ und „A Good Year“ darf der „Blade Runner“-Regisseur erneut mit seinem Lieblingsschauspieler Crowe zusammenarbeiten und Washington steht zwar das erste Mal für Sir Ridley vor der Kamera, hat dafür aber reichlich Erfahrung mit dessen Bruder Tony gesammelt, wie beispielsweise in „Crimson Tide“, „Man on Fire“ oder erst im Jahr zuvor im Sci-Fi-Actioner „Deja Vu“. Tatsächlich wäre „American Gangster“ ohne seine famosen Hauptdarsteller wohl nur halb so viel wert – so ist das auf wahren Begebenheiten fußende, die Geschichte des realen Drogenköngis Frank Lucas erzählende Werk ein gelungenes, kraftvolles Gangsterepos in Reinkultur.

Wir schreiben die frühen 70er-Jahre: Nach dem Tod einer italienischen Mafiagröße ordnen sich die Verhältnisse in der Unterwelt von New York neu. Deren früherer Fahrer Frank Lucas (Denzel Washington) nutzt die Chance, um sich ein eigenes Imperium aufzubauen und steigt bald dank des 100% reinen Rauschgifts „Blue Magic“ auf, das er direkt ohne Mittelsmänner aus Vietnam importiert. Da sein Cousin dort als GI dient, nutzt Frank US-Transportflugzeuge mit den Särgen gefallener Soldaten als Kuriere – und kann damit zu niedrigeren Preisen sensationelle Qualität anbieten. Rasch setzt sich Lucas an die Spitze des organisierten Verbrechens – gleichzeitig knallharter Geschäftsmann und liebevoller Familienmensch. Eines Tages kommt ihm jedoch der New Yorker Cop Richie Roberts (Russel Crowe) auf die Spur – ein waghalsiges Katz-und-Maus-Spiel beginnt…

Sir Ridley nimmt für seine im Grunde altbekannte Story stattliche Zweieinhalb Stunden in Beschlag, um stilvoll Aufstieg, Karriere und Fall des Frank Lucas zu portraitieren. Für Authenzitität garantiert dabei die ausgiebige Beratung der realen Person Lucas am Set, die in Denzel Washington eine denkbar großartige Leinwandverkörperung gefunden hat – sowohl sein Image des Gutmenschen als auch des Actionhelden darf der Stammstar von Ridleys Bruder Tony Scott hier einbringen, um einen differenzierten, ambivalenten Charakter zu zeichnen, der auf der einen Seite knallhart mordet und massakriert und auf der anderen jeden Sonntag mit seiner Mutter in die Kirche geht, die Großfamilie zum Essen sammelt und andächtig Tischgebete spricht. Sein Gegenspieler Russel Crowe bekommt als ehrlicher Cop in einem Sumpf der Korruption mit familiären Problemen und einem Sorgerechtsstreit zwar auch einen oberflächlichkeitspräventierenden Background verpasst, kann aber nicht gegen die Leistung Washingtons ankommen, der seinem Charakter mit Coolness, Härte und Menschlichkeit grandioses Leben einhaucht.

Das Katz-und-Maus-Spiel seiner Stars, das in eine hervorragende, intensive Verhörszene gegen Ende gipfelt, bettet Ridley Scott stets in stilvolle Optik und stimmige Atmosphäre: Egal ob im 70s-Retrolook daherkommende schmierige Cops, das Mafia-Universum New Yorks oder als Kontrast der vietnamesiche Dschungel, in dem sich Lucas während der Kriegswirren seinen Stoff direkt von der Quelle holt – stimmungsvolles Feeling ist in „American Gangster“ stets garantiert und wird auch durch einen exquisiten Retrosoundtrack unterstützt, der von R’n’B über Rock’n’Roll bis Hip-Hop und Swing aller erdenklichen Musikstile stets passend kombiniert.

Die Handlung selbst varriiert gängige Schemata des Gangsterfilms zwar nicht wirklich, aufgrund der getreuen Nacherzählung der Historie kann man ihm das aber kaum zum Vorwurf machen – zumal Sir Ridley es stets spannend und packend inszeniert. Lediglich die Ereignisse, die schlussendlich zu Frank Lucas’ Verhaftung führen, fußen allzu sehr auf einem für die Polizei glücklichen Zufall.
Action gibt es wenig, aber wenn, ist sie von Sir Ridley gewohnt souverän inszeniert: Als einzige größere Sequenz lässt sich wohl die Stürmung eines von Lucas’ Heroinlagern durch ein Polizeikommando anführen, das mit angemessener Härte, krachenden Soundeffekten und nicht wie bei den zu Tode gewackelten „Bourne“-Filmen störender, sondern die Unübersichtlichkeit der Situation transportierender Handkamera eine furiose Häuserkampf-Atmosphäre aufkommen lässt.

Fazit: Für seine Frank-Lucas-Biografie „American Gangster“ vereint Regielegende Sir Ridley Scott die Topstars Russel Crowe und Denzel Washington vor einer Kamera, die sich ein Katz-und-Maus-Spiel der Extraklasse liefern. Getragen von den grandiosen Leistungen seiner Stars und atmosphärischer Inszenierung wird das klassisch gestrickte Gangsterdrama trotz einer Laufzeit von über Zweieinhalb Stunden kaum langweilig – ein wenig straffen hätte man das Werk wie so oft bei derartigen Filmen zwar durchaus noch können, alles in allem ist Sir Ridley aber erneut ein famoses Werk gelungen.

:liquid8:

"American Gangster" läuft seit 15. November 2007 in den deutschen Kinos.

Verfasst: 17.11.2007, 22:53
von MysteryBobisCREEPY
Schmuckes Review, mal sehen ob ich jemanden finde, der sich den Film im Kino mit mir ansieht.

Verfasst: 24.06.2008, 16:45
von Vince
Auch mal gesichtet.

Er hat nicht gezündet. Vielleicht ist es die Überfütterung mit ähnlich gestrickten Filmen, die das Kino in den letzten Jahren reich an Qualität überschwemmte. Aber irgendwie breitet Ridley Scott (übrigens ist mir erst im Abspann wieder bewusst geworden, dass Scott der Regisseur ist, das hatte ich während des Films vollkommen vergessen - was dafür spricht, dass das durchaus ein untypischer Film für ihn ist) ein riesiges Tischtuch zum Picknick aus und hat letzten Endes nicht genug zu Essen zu bieten. In der Anlage ist das nämlich zweifellos einer dieser großen, wichtigen Filme, die auszogen, um gute Qualität zu lehren. Dafür spricht der Cast, die fantastisch ausgestattete und sehr authentische 70s-Ausstattung und die fast beiläufige Kunstfertigkeit, die folgende Worte spricht: "ich weiß, dass ich einen verdammt guten Film mache, aber es interessiert mich einen Dreck".
Mit zunehmender Spieldauer aber wächst das Gefühl, dass die (based on a true) Story zuguterletzt doch gar nicht so viel zu erzählen weiß, und man steht schließlich mit leeren Händen da. Ich jedenfalls komme ohne nennenswerte Horizonterweiterung aus diesem edlen Stück Gangsterkino und das ist schon sehr schade.
:liquid6:

Verfasst: 25.06.2008, 07:56
von Montana
Bin in etwa selber meinung wie da Vince :D
@Ed natürlich schönes Review 8-)

Verfasst: 25.06.2008, 08:51
von McClane
Ich mochte ihn... fügt dem Gangstergenre zwar nicht viel Neues zu und ist einen Tacken zu lang, aber sehr stilvoll inszeniert und großartig besetzt. Sicherlich kein Opus Magnum von Ridley Scott, nach dem eher belanglosen "A Good Year" aber wieder interessanter.

Knappe :liquid8: