
Originaltitel: The Wolf Man
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1941
Laufzeit: ca. 67 Min.
Regie: George Waggner
Darsteller: Lon Chaney Jr., Claude Rains, Warren William, Ralph Bellamy, Patric Knowles, Bela Lugosi, Maria Ouspenskaya, Evelyn Ankers, J.M. Kerrigan, Fay Helm, Forrester Harvey
So sehr das Feld der Lykanthropie auch in der Lage ist, mit all seinen Mythen und Fakten zu faszinieren, so ist der von Universal daraus fabrizierte Wolfsmensch leider nur das “Monster Light” im direkten Vergleich mit seiner mitunter 10 Jahre älteren Konkurrenz aus dem gleichen Hause. Zwar ist George Waggners “The Wolf Man” nach wie vor ein Klassiker mit allerlei Sehwert, aber gegen die nachhaltige Produktqualität von “Dracula” und “Frankenstein” sieht er kein Land.
Trotzdem ist es mehr als ein reines Verwandlungsspektakel bei Vollmond, mehr als ein mechanischer Gruselfilm. “The Wolf Man” ist der Archetyp des Werwolffilms, auf den sämtliche Genrebeiträge zwangsläufig immer wieder zurückkommen (siehe “The Howling”) - obwohl er keinesfalls der erste seiner Gattung war. Aber er war der erste, der dem Menschen hinter dem Monster die Möglichkeit zur Charakterentfaltung bot. Das ist vor allem Curt Siodmak zu verdanken, der sich in Vorbereitung auf seine Arbeit am Drehbuch ausgiebig mit der Lykantrophie beschäftigte, sie studierte, um sie in sein Skript einfließen zu lassen.


Was das betrifft, ist die Mission ohne Zweifel als erfolgreich ausgeführt zu bezeichnen. Von einer Versiertheit auf die Effekte ist wohl kaum zu sprechen, bedenkt man, dass die erste Verwandlung bei 67 Minuten Laufzeit rund 40 Minuten auf sich warten lässt und dann nur bedingt aktiv auf dem Bildschirm gezeigt wird. Die Sequels (Lon Chaney Jr. spielte seine berühmte Rolle fünf Mal) weiteten den technischen Aspekt der Figur später noch massiv aus, wozu ihnen das Original auch genug Freiraum zugestand. Ganz im Gegenteil ist es aber die ausgiebige Beschäftigung mit der Figur des Larry Talbot, die diesmal herausragt.
Dabei ist zu bedenken, dass die Lykanthropie nicht nur die physische Verwandlung eines Menschen in einen Werwolf bezeichnet, sondern auch eine melancholische Art von Geisteskrankheit, bei welcher der Betroffene schlicht glaubt, ein Werwolf zu sein. Siodmaks Skript bietet demnach ein duales Muster zwischen der realen physischen Beschaffenheit des Wolfswesens und einer psychologischen Komponente, die als Scheinbeschaffenheit zu kennzeichnen ist. Ursprünglich war auch angedacht, durch eine subtilere Inszenierung bis zum Ende offen zu lassen, ob die Verwandlung im Film real stattfindet oder nur eine Einbildung Talbots ist, was aber mit Drehbeginn wieder verworfen wurde zugunsten der aufwändigen Werwolfsmaske.
Larry Talbot sollte also in erster Linie als Mensch zur Geltung kommen, der sich mit einem Fluch quält, der ihn vom Rest der Gesellschaft isoliert. Lon Chaney Jr., Sohn des Horrorfilmstars Lon Chaney Sr. (u.a. Quasimodo in “Der Glöckner von Notre Dame, 1923), wurde dazu auserkoren und feierte mit dieser Rolle seinen Durchbruch. Als er später gefragt wurde, welche seine wichtigste Rolle gewesen sei, nannte er ohne Zögern den Wolfsmenschen; vor allem deswegen, weil wirklich gute Monster Mitleid erregen müssten, was Larry Talbot mit seiner dunklen Seite zweifellos getan habe. Für Chaney war es aber auch eine Rolle, die ihm damals vortrefflich ins Konzept passte, hatte er doch mit seiner ersten wichtigen Rolle 1939 im oscarnominierten “Von Mäusen und Menschen” genau hiermit Lob bei Kritik und Publikum geerntet - mit einer von Trauer gezeichneten Figur.
Eine solche ist Larry Talbot schon vor seiner schicksalhaften Begegnung mit dem Wolf, der ihn mit dem Fluch belegen würde. Als Rückkehrer in die alte Heimat ist die Figur bereits laut Drehbuch isoliert von der Gesellschaft, was sehr dezent zum Tragen kommt durch Schauspiel und Dialoge. Abweisungen vom Volk sind nicht im eigentlichen Sinne da, nicht plump oder direkt, aber eine abschottende Gefühlskälte ist durchweg vorhanden. Sehr interessant wirkt in diesem Zusammenhang der unbeirrte Versuch Talbots, die Gunst von Gwen (Evelyn Ankers) zu gewinnen, die sich zu Anfang sehr ziert, ihn dann aber bei einem Date mit einer zweiten Frau und viel guter Laune überrumpelt, was einen Moment der Unsicherheit bei Talbot zur Folge hat, als ein Weg in die Gesellschaft hinein gefunden scheint.


Atmosphärisch überragend sind dann die folgenden Ereignisse im Zigeunerlager. Bela Lugosi hält sich mit nur wenigen Dialogzeilen dezent zurück und beschwört somit die mystische Zurückgezogenheit des bereits vom Fluch Befallenen. Schauspielerisch im Vordergrund steht neben Hauptdarsteller Chaney (dem man zwar eine gewisse Ausstrahlung nicht absprechen will, der schauspielerisch aber merklich limitiert ist) Maria Ouspenskaya, die als weises Zigeuneroberhaupt, obendrein Filmmutter des im wahren Leben nur sechs Jahre jüngeren Lugosi (wobei die Quellen zum Alter Ouspenskayas variieren, sie war vielleicht sogar ein paar Jahre jünger als Lugosi) allen anderen Darstellern die Schau stiehlt. Das hilft über einige vorkommende Klischees und auch Filmfehler hinweg, die sich in diesen Passagen im Minutentakt eingeschlichen haben. Zu deren berühmtesten Vertretern gehört die ungeklärte Frage, weshalb Lugosi sich bei Vollmond in einen richtigen Wolf verwandelt, Chaney aber mit seiner Maske eine Mischform zwischen Mann und Wolf darstellt. Elegant zu beantworten wäre die Frage allerhöchstens damit, dass Lugosi den Urwolf darstellen sollte, während Chaney nach dem Biss nur ein Ableger war, was sich dann auch auf die genetisch abgeschwächte Verformung auswirkte - allerdings ist es unwahrscheinlich, dass dieser Gedanke verfolgt wurde, vielmehr sollte wohl mit Maske und Make Up ein ähnlicher Sehwert erreicht werden wie es bei Frankensteins Monster schon der Fall war. Des weiteren war die Verwandlung in ein Tier selbstverständlich technisch noch nicht möglich. Wäre es möglich gewesen, so wäre auch wieder wie einst bei “Frankenstein” und “Dracula” mit Protest von religiöser Seite zu rechnen gewesen. Denn wo “Frankenstein” angeblich Blasphemie am Schaffungsgedanken war und “Dracula” an der Auferstehungsgeschichte, da wäre die Metamorphose des Menschen in ein Tier ein Verbrechen an der Artenvielfalt und an der erhabenen Position des Menschen gegenüber dem Tier gewesen.
Die Schwächen von Waggners Film liegen vermehrt in der technischen Umsetzung. Visuell bleibt alles relativ unaufregend, der reine Schauwert aus heutiger Sicht liegt klar unter demjenigen der internen Konkurrenzprodukte. Bei den Streifzügen scheint der Werwolf vollkommen auf eine Stätte fixiert zu sein, und das sich wiederholende Muster (eine Kameraeinstellung der schleichenden Wolfsbeinprothesen wird 1:1 wiederholt) ermüdet den Zuschauer, der mit dem ewig gleichen Erzählschema klar unterfordert ist. Abwechslung würde man in diesen Momenten willkommen heißen. Attraktiver zeigt sich wirklich die Substanz der Hauptfigur - ihre Schizophrenie zwischen Tag und Vollmond und die unübersehbare “Es”- (Werwolf als primitiver Urtrieb), “Ich”- (Talbot) und “Über-Ich” (Talbots Gewissen)-Konstellation.
Es ist also in erster Linie Curt Siodmaks sorgfältig verfasstem Drehbuch zu verdanken, dass “Der Wolfsmensch” noch heute ein sehenswertes Stück Filmgeschichte ist, auch wenn es den anderen Monstern kaum eine ernstzunehmende Konkurrenz bietet - was durch die nur bedingt unterhaltsame Inszenierung nicht gerade erleichtert wird. Trotzdem zieht die Isolation und die daraus folgende Verdammung der Hauptfigur nach wie vor in ihren Bann, wenngleich sich der Diskurs diesmal nicht ganz so weit entfachen lässt wie von Universal in den Dreißigern gewohnt.
