Ich mochte den ersten dann doch deutlich lieber...
Der Titelzusatz „Uncaged“ sagt so einiges aus über die Fortsetzung zum 2017er Haifisch-Knusperspektakel „47 Meters Down“. Zum einen lenkt er davon ab, dass immer noch die Zahl „47“ im Titel steht – reine Markenbildung, denn so tief geht’s nicht mehr unter Wasser. Den Maßen nach wird diesmal in einem Becken für Anfänger fröhliches Brustschwimmen veranstaltet, aber wer würde schon ins Kino gehen, wenn man weniger Meter für sein Ticket bekommt?
Weiterhin verrät „Uncaged“ das neue Konzept: Nicht länger sollen Gitterstäbe den Hai von seinem Opfer trennen, diesmal ist ein Freischwimmer-Buffet angerichtet. Zudem klingt es aus Marketing-Perspektive einfach gut: Wie ein explodierter Käfig, als wären nun alle Hürden freigeräumt und es könne endlich so richtig losgehen.
Vor allem aber lässt sich „Uncaged“ als Selbsteinschätzung des Regisseurs und Drehbuchautors lesen. Er, Johannes Roberts, der als kreativer Kopf fungiert, ist ein Freidenker, dessen Geist von keinem Käfig der Welt in Zaum gehalten werden könnte. Diesen Anspruch unterstrich er spätestens mit dem von Twists und Turns geschüttelten Finale des ersten Teils. Dass er nun nicht einfach den nächsten Bratrost mit abgelaufener TÜV-Plakette auf den Meeresboden fallen lässt, versteht sich von selbst.
Tatsächlich weiß Roberts weitaus mehr Neues zu bieten als vergleichbare Fortsetzungen für das schnelle Geld. Alleine die antike Unterwasserkulisse, die in den „Underwater Studios“ 30 Meilen nordöstlich von London gelegen zum Leben erweckt wurde, sorgt neben einer spürbaren Künstlichkeit trotzdem für abwechslungsreiche Schauwerte.
Der Weg in das Unterwasserlabyrinth führt über eine einfache, mit College-Klischees ausgestopfte Geschichte über eine Patchwork-Familie, die um zwei Adoptivgeschwister herum gestrickt ist. Der Main Cast ist besetzt mit jugendlich-nichtssagenden Gesichtern, unter anderem den Töchtern von Jamie Foxx und Sylvester Stallone in ihren jeweiligen Filmdebüts. Dazu Sophie Nélisse in der Hauptrolle, die eigentlich viel zu hübsch ist für ein Mauerblümchen und dennoch ein solches spielt. Eine Wohltat, dass wenigstens John Corbett in einer Nebenrolle als engagierter Familienvater etwas Gegerbtes in die Besetzung einbringt, in der es ansonsten viel zu kükenhaft zugehen würde; wo bleibt schließlich der Spaß für den Hai, wenn seine Gegner bloß schutzlose Nichtschwimmer sind?
Bevor es in die Höhle geht, warnt eine der erfahreneren Damen (verfügt auch schon über einiges an Schauspielerfahrung: Brianne Tju) noch davor, den Sand unter Wasser aufzuwühlen. Ein Rat, den die Regie leider nicht befolgt: In seinem Hauptakt ist „Uncaged“ ausgesprochen unübersichtlich, und das nicht nur, weil das Quartett aus aufgeschreckten Unterwasserhühnern nach nur wenigen Minuten dafür sorgt, dass Jahrtausende alte Säulen im Dominoeffekt auf den Meeresboden prallen (und schuld war die ruckartige Bewegung eines durchsichtigen Höhlenfisches, der so comichaft aussieht, als sei er vom „Findet Dorie“-Set entflohen). Roberts nutzt wiederholt eine reduzierte Weitsicht, um die Bedrohung als Jump Scare immer wieder unvermittelt im kurzsichtigen Schein der Taschenlampen auftauchen zu lassen. Hinzu kommt ein teilweise nicht nachvollziehbarer Schnitt, mit dem die Darsteller getrennt oder wieder zusammengeführt werden. So schön die Unterwasserfotografie auch geworden ist, sie wird schlichtweg wie Perlen vor die Säue geworfen, denn schöne Weitwinkel und lange Einstellungen, mit denen sich sehr wohl auch Horror erzeugen ließe, werden schlichtweg nicht genutzt.
Mit den Haien hat man sich mal wieder etwas einfallen lassen, um sie optisch von der Masse abzuheben, denn wir haben es hier mit blinden Exemplaren zu tun. Ob die weißen Kugeln über den Zahnreihen nun furchteinflößender aussehen als die toten, schwarzen Löcher des gewöhnlichen Exemplars, sei mal dahingestellt; in jedem Fall sind die Animationen im Gesamten etwas schlampiger geraten als noch im ersten Teil, zumal die vielen Close-Ups jeden Mangel gnadenlos offenlegen.
Vor allem aber gelangt die Fortsetzung nur als zweiter Sieger ins Ziel, wenn es um Thrill und Suspense geht. Nutzte der Vorgänger seine minimalistische Prämisse noch effektiv aus und spielte effektiv mit Zeitdruck und dem Gefühl der Schutzlosigkeit, so besteht die Überlebensstrategie diesmal hauptsächlich darin, kreischend von der Gefahrenquelle wegzuschwimmen. Der kontinuierlich abnehmende Sauerstoff-Vorrat kann seine Countdown-Funktion somit nicht mehr effektiv ausführen, denn letztlich wird sowieso alles von der um sich greifenden Panik angesteckt. Neue Möglichkeiten, die aussichtslose Lage zu überleben, ergeben sich eher zufällig und werden dann zumeist durch schiere Dummheit wieder zunichte gemacht. Insofern überrascht auch nicht die Reihenfolge, in der die Figuren zwischen den Zahnreihen verschwinden: Sie richtet sich zumeist entweder nach der Wichtigkeit für die Handlung oder nach dem jeweiligen IQ.
Wieder schließt Roberts seine Vorstellung mit einer Abfolge von Nägelkauer-Paukenschlägen, die noch einmal mächtig Adrenalin durch den Körper jagen, und man könnte meinen, all das Vorspiel sei nur dazu da, diese letzte Triple-Pointe zu setzen. Das lässt uns aber nicht vergessen, dass „47 Meters Down: Uncaged“ über weite Strecken trotz seiner Alternation durch schicke neue Unterwassser-Sets relativ fahrig geschrieben und ungeschickt inszeniert ist. Mehr Augenmerk auf ein flüssiges Konzept für die Haiattacken und die daraus resultierenden Fluchtstrategien und man wäre mindestens auf einer Höhe mit dem Original gelandet.