Stephen Kings "Desperation"
Verfasst: 23.03.2007, 00:23
Stephen Kings Desperation
Originaltitel: Desperation
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Mick Garris
Darsteller: Tom Skerritt, Steven Weber, Annabeth Gish, Ron Perlman, Shane Haboucha, Kelly Overton, Matt Frewer, Sylva Kelegian, Charles Durning, Henry Thomas, Ewan Chung, Alain Uy
Naja. Da freut man sich monatelang, dass mal wieder ein richtig gutes King-Buch verfilmt wird und letztendlich ist es doch wieder die übliche Stangenware. Wäre man nicht immer wieder aufs Neue so blauäugig, hätte man das gleich geahnt. Spätestens, als feststand, dass es Mick Garris sein sollte, der wieder einen TV-Film inszenieren würde.
Der hatte zwar zuletzt mit “Riding the Bullet” noch einen ganz ordentlichen Beitrag zum King-Filmoversum geleistet, konnte aber bisher noch nichts Bahnbrechendes zeigen; irgendwas, das mal aus dem Korsett springen würde. Und “Desperation” ist auch nicht gerade der Stoff dafür. Hier ist eher Atmosphäre gefragt.
Nun ist es zwar erfreulich, dass sich Garris das von Stephen King eigens angefertigte Skript sehr penibel vornimmt und das Resultat dementsprechend ausgesprochen nah an der Romanvorlage bleibt. Nur nutzt das nichts, wenn die Einhaltung des genauen Handlungsablaufs nicht wirklich das Wichtigste ist an einem Buch, das weniger durch die Grundidee von einem indianischen Erdgeist namens TAK überzeugt, sondern vielmehr durch eine psychedelische Wüstenstimmung voller schräger Einfälle. Ein irrational handelnder Polizist, sich merkwürdig verhaltende und irgendwie geistig verbundene Wüstentiere, Menschenleere und zuoberst eine detaillierte Beschreibung der amerikanischen Ödnis rund um die Wüstenhighways, die sich wie dünne Adern durch staubiges Fleisch ziehen.
Da ist es ernüchternd, dass zwar alles Erdenkliche getan wird, um Atmosphäre aufkommen zu lassen - Aufsicht, Untersicht, Panorama des Himmels, Carshot-Einstellungen, Überbelichtung - die Produktion des US-Senders ABC aber nicht den Gestank einer TV-Produktion losbekommt. Verheerend - so hat “Desperation” allerhand zu komprimieren.
Das gelingt auch ganz gut, so lange Ron Perlman eine aktive Rolle spielt. Collie Entragian war schon im Roman die faszinierendste, weil komplett unberechenbare Figur, welcher der erfahrene Perlman sein Gesicht verleiht, als wäre es eine Fingerübung. Ich persönlich habe mir Entragian beeinflusst durch “Terminator 2" immer als eine Art Robert Patrick vorgestellt, aber dieses eigentlich fest verankerte Bild schafft Perlman mühelos aus meinem Kopf in dem Moment, in dem er seinen Kopf neigt, um mit einem schiefen Grinsen ins Innere des Wagens hineinzusehen, das er gerade angehalten hat.
Die erste halbe bis Dreiviertelstunde lebt davon, dass man zunächst ins kalte Wasser geworfen wird und noch nichts über die Hintergründe erfährt. Erinnerungen an den von Rutger Hauer dargestellten, im höchsten Maße unbehaglichen John Ryder aus “The Hitcher” werden geweckt, denn auf ganz ähnliche Weise spielt Perlman nun mit vertrauten Konventionen, um seine Gesprächspartner zwischendurch plötzlich mit unerwarteten Äußerungen zu überraschen, von affektiven Ausrufen wie dem ständigen “TAK”, das ihm immer mal wieder wie eine schlechte Angewohnheit entfährt, bis zu bewusst ausgesprochenen Drohungen - wie das “Ich werde euch töten”, das mitten in die Verlesung der Rechte bei der Verhaftung eingestreut wird - ganz selbstverständlich. Das macht die öde Optik fürs Erste vergessen.
So wie sich jedoch schließlich die Hintergründe aufdecken, geht langsam die Intensität verloren. Was das Buch noch mit plastischen Ekelszenen abdecken konnte, weicht hier einem mühsamen Abarbeiten der wichtigsten Punkte. An den Flashbacks zur Erklärung der Geschehnisse scheinen die King-Regisseure richtig gefallen gefunden zu haben, denn sie nisten sich wie lästige Parasiten zunehmend in die Verfilmungen ein. Natürlich kann man damit nette optische Spielereien einbringen - in diesem Fall wird die Super8-Optik imitiert - aber es ist doch immer wieder ein recht billiges Mittel, Zusammenhänge herzustellen.
Selbstverständlich dürfen auch die üblichen menschlichen Grüppchenbildungen gegen die dunkle Macht nicht fehlen und in Ansätzen vergeht sich Garris auch wieder an eher belanglosen Dialogsalven, wobei vor allem der Junge mit seiner Vernarrtheit in Gott irgendwann ziemlich auf den Wecker geht (obgleich er eine schauspielerisch ganz beachtliche Leistung zeigt). Das Klischeepotenzial hält sich aber zum Glück mehr oder weniger in Grenzen, in den meisten Fällen kann man doch sagen, dass die Äußerungen der Figuren in der jeweiligen Situation psychologisch mehr oder weniger rational sind. So sitzt man wenigstens nicht da und ist damit beschäftigt, sich ob der Dialoge zwei Stunden lang die Hand vor den Kopf zu klatschen - auch das hat es unter der Marke King schon gegeben.
Dass sich der andeutende Psychoterror durch Entragian so schnell in Luft auflöst und die Gefangenen schon sehr rasch wieder in die Freiheit gelangen, ist dramaturgisch ein ziemlicher Totschläger. An dieser Stelle wären nun eigentlich raffinierte perspektivische Tricks zum Einsatz gekommen, nur kann man eben schlecht auf der Leinwand die Gedanken eines Pumas beim Schleichen um ein Haus visualisieren. So muss es genügen, dass man lediglich eine objektive Einstellung sieht, wie der Puma ums Haus schleicht. Hier kann und will man Garris auch gar keine Vorwürfe machen, doch hätte er entsprechenden Ersatz finden müssen, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Denn so entwickelt sich das Ganze schnell zum simplen Hide & Seek-Spiel, während TAK auf der anderen Seite der Wüste einen auf “Fallen” macht und von einem Lebewesen ins nächste schlüpft.
Hier stimmen wenigstens zum Teil die Make Up-Effekte. Die Besessenen zerfallen quasi live in ihre Bestandteile und ein Schlag aufs Kinn kann mal schnell die ganze Wange mitreißen. Auch die Wüstentiere haben Verluste zu vermelden, werden sie doch bei jeder Gelegenheit aufs Korn der Flinte genommen oder, im Falle der Spinnen, mit Hand und Fuß zerquetscht. Wer aber infolgedessen wenigstens ein paar beeindruckende Dressurszenen mit Tieren erwartet hat, wo man schon nicht in deren faszinierende Gedankengänge schauen kann, der sieht sich auch getäuscht. Ein paar säuberlich am Highwayrande aufgestellte Kojoten sind da schon das Höchste der Gefühle. Kurzum: Je länger der Film andauert, desto sicherer wird es, dass man keine nachhaltig beeindruckende Szene mehr bekommen wird, an die man sich vielleicht zurückerinnern könnte.
Garris hat aus “Desperation” eben doch nur wieder relativ solide TV-Arbeit gefrickelt, die man sicher bedenkenlos konsumieren kann und die schon alleine aufgrund des Settings ihren Zweck erfüllt. Auch Ron Perlman zum Dank beginnt der Film trotz visueller Defizite sehr stark, fällt vor allem durch schön subtil vorgetragenen Surrealismus positiv auf, verliert dann aber mit zunehmender Dauer seine Wirkung. Als das Finale in der Höhle TAKs steigt, ist die Luft schon längst raus. Zu schade um den Stoff und auch die weitgehend ordentlich agierenden Schauspieler neben dem überragenden Perlman, darunter der aus “The Shining” (1997) bekannte Steven Weber, “Picket Fences”-Sheriff Tom Skerritt oder Annabeth “Agent Reyes” (X-Files) Gish. Es ist selten geworden, dass man die Entscheidung, eine Produktion ins TV zu verfrachten, aus optischen und produktionstechnischen Gründen bemängelt - in diesem Fall könnte die TV-Herkunft von “Desperation” aber tatsächlich dessen Pferdefuß sein.
Warner bringt eine aufs nötigste reduzierte Backkatalog-DVD: Amaray, kein Booklet, Standmenüs, keine Extras, allerdings drei Sprachen, diverse Untertitel und uncut. Eine DVD-Kritik gibt es hier.
Originaltitel: Desperation
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Mick Garris
Darsteller: Tom Skerritt, Steven Weber, Annabeth Gish, Ron Perlman, Shane Haboucha, Kelly Overton, Matt Frewer, Sylva Kelegian, Charles Durning, Henry Thomas, Ewan Chung, Alain Uy
Naja. Da freut man sich monatelang, dass mal wieder ein richtig gutes King-Buch verfilmt wird und letztendlich ist es doch wieder die übliche Stangenware. Wäre man nicht immer wieder aufs Neue so blauäugig, hätte man das gleich geahnt. Spätestens, als feststand, dass es Mick Garris sein sollte, der wieder einen TV-Film inszenieren würde.
Der hatte zwar zuletzt mit “Riding the Bullet” noch einen ganz ordentlichen Beitrag zum King-Filmoversum geleistet, konnte aber bisher noch nichts Bahnbrechendes zeigen; irgendwas, das mal aus dem Korsett springen würde. Und “Desperation” ist auch nicht gerade der Stoff dafür. Hier ist eher Atmosphäre gefragt.
Nun ist es zwar erfreulich, dass sich Garris das von Stephen King eigens angefertigte Skript sehr penibel vornimmt und das Resultat dementsprechend ausgesprochen nah an der Romanvorlage bleibt. Nur nutzt das nichts, wenn die Einhaltung des genauen Handlungsablaufs nicht wirklich das Wichtigste ist an einem Buch, das weniger durch die Grundidee von einem indianischen Erdgeist namens TAK überzeugt, sondern vielmehr durch eine psychedelische Wüstenstimmung voller schräger Einfälle. Ein irrational handelnder Polizist, sich merkwürdig verhaltende und irgendwie geistig verbundene Wüstentiere, Menschenleere und zuoberst eine detaillierte Beschreibung der amerikanischen Ödnis rund um die Wüstenhighways, die sich wie dünne Adern durch staubiges Fleisch ziehen.
Da ist es ernüchternd, dass zwar alles Erdenkliche getan wird, um Atmosphäre aufkommen zu lassen - Aufsicht, Untersicht, Panorama des Himmels, Carshot-Einstellungen, Überbelichtung - die Produktion des US-Senders ABC aber nicht den Gestank einer TV-Produktion losbekommt. Verheerend - so hat “Desperation” allerhand zu komprimieren.
Das gelingt auch ganz gut, so lange Ron Perlman eine aktive Rolle spielt. Collie Entragian war schon im Roman die faszinierendste, weil komplett unberechenbare Figur, welcher der erfahrene Perlman sein Gesicht verleiht, als wäre es eine Fingerübung. Ich persönlich habe mir Entragian beeinflusst durch “Terminator 2" immer als eine Art Robert Patrick vorgestellt, aber dieses eigentlich fest verankerte Bild schafft Perlman mühelos aus meinem Kopf in dem Moment, in dem er seinen Kopf neigt, um mit einem schiefen Grinsen ins Innere des Wagens hineinzusehen, das er gerade angehalten hat.
Die erste halbe bis Dreiviertelstunde lebt davon, dass man zunächst ins kalte Wasser geworfen wird und noch nichts über die Hintergründe erfährt. Erinnerungen an den von Rutger Hauer dargestellten, im höchsten Maße unbehaglichen John Ryder aus “The Hitcher” werden geweckt, denn auf ganz ähnliche Weise spielt Perlman nun mit vertrauten Konventionen, um seine Gesprächspartner zwischendurch plötzlich mit unerwarteten Äußerungen zu überraschen, von affektiven Ausrufen wie dem ständigen “TAK”, das ihm immer mal wieder wie eine schlechte Angewohnheit entfährt, bis zu bewusst ausgesprochenen Drohungen - wie das “Ich werde euch töten”, das mitten in die Verlesung der Rechte bei der Verhaftung eingestreut wird - ganz selbstverständlich. Das macht die öde Optik fürs Erste vergessen.
So wie sich jedoch schließlich die Hintergründe aufdecken, geht langsam die Intensität verloren. Was das Buch noch mit plastischen Ekelszenen abdecken konnte, weicht hier einem mühsamen Abarbeiten der wichtigsten Punkte. An den Flashbacks zur Erklärung der Geschehnisse scheinen die King-Regisseure richtig gefallen gefunden zu haben, denn sie nisten sich wie lästige Parasiten zunehmend in die Verfilmungen ein. Natürlich kann man damit nette optische Spielereien einbringen - in diesem Fall wird die Super8-Optik imitiert - aber es ist doch immer wieder ein recht billiges Mittel, Zusammenhänge herzustellen.
Selbstverständlich dürfen auch die üblichen menschlichen Grüppchenbildungen gegen die dunkle Macht nicht fehlen und in Ansätzen vergeht sich Garris auch wieder an eher belanglosen Dialogsalven, wobei vor allem der Junge mit seiner Vernarrtheit in Gott irgendwann ziemlich auf den Wecker geht (obgleich er eine schauspielerisch ganz beachtliche Leistung zeigt). Das Klischeepotenzial hält sich aber zum Glück mehr oder weniger in Grenzen, in den meisten Fällen kann man doch sagen, dass die Äußerungen der Figuren in der jeweiligen Situation psychologisch mehr oder weniger rational sind. So sitzt man wenigstens nicht da und ist damit beschäftigt, sich ob der Dialoge zwei Stunden lang die Hand vor den Kopf zu klatschen - auch das hat es unter der Marke King schon gegeben.
Dass sich der andeutende Psychoterror durch Entragian so schnell in Luft auflöst und die Gefangenen schon sehr rasch wieder in die Freiheit gelangen, ist dramaturgisch ein ziemlicher Totschläger. An dieser Stelle wären nun eigentlich raffinierte perspektivische Tricks zum Einsatz gekommen, nur kann man eben schlecht auf der Leinwand die Gedanken eines Pumas beim Schleichen um ein Haus visualisieren. So muss es genügen, dass man lediglich eine objektive Einstellung sieht, wie der Puma ums Haus schleicht. Hier kann und will man Garris auch gar keine Vorwürfe machen, doch hätte er entsprechenden Ersatz finden müssen, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Denn so entwickelt sich das Ganze schnell zum simplen Hide & Seek-Spiel, während TAK auf der anderen Seite der Wüste einen auf “Fallen” macht und von einem Lebewesen ins nächste schlüpft.
Hier stimmen wenigstens zum Teil die Make Up-Effekte. Die Besessenen zerfallen quasi live in ihre Bestandteile und ein Schlag aufs Kinn kann mal schnell die ganze Wange mitreißen. Auch die Wüstentiere haben Verluste zu vermelden, werden sie doch bei jeder Gelegenheit aufs Korn der Flinte genommen oder, im Falle der Spinnen, mit Hand und Fuß zerquetscht. Wer aber infolgedessen wenigstens ein paar beeindruckende Dressurszenen mit Tieren erwartet hat, wo man schon nicht in deren faszinierende Gedankengänge schauen kann, der sieht sich auch getäuscht. Ein paar säuberlich am Highwayrande aufgestellte Kojoten sind da schon das Höchste der Gefühle. Kurzum: Je länger der Film andauert, desto sicherer wird es, dass man keine nachhaltig beeindruckende Szene mehr bekommen wird, an die man sich vielleicht zurückerinnern könnte.
Garris hat aus “Desperation” eben doch nur wieder relativ solide TV-Arbeit gefrickelt, die man sicher bedenkenlos konsumieren kann und die schon alleine aufgrund des Settings ihren Zweck erfüllt. Auch Ron Perlman zum Dank beginnt der Film trotz visueller Defizite sehr stark, fällt vor allem durch schön subtil vorgetragenen Surrealismus positiv auf, verliert dann aber mit zunehmender Dauer seine Wirkung. Als das Finale in der Höhle TAKs steigt, ist die Luft schon längst raus. Zu schade um den Stoff und auch die weitgehend ordentlich agierenden Schauspieler neben dem überragenden Perlman, darunter der aus “The Shining” (1997) bekannte Steven Weber, “Picket Fences”-Sheriff Tom Skerritt oder Annabeth “Agent Reyes” (X-Files) Gish. Es ist selten geworden, dass man die Entscheidung, eine Produktion ins TV zu verfrachten, aus optischen und produktionstechnischen Gründen bemängelt - in diesem Fall könnte die TV-Herkunft von “Desperation” aber tatsächlich dessen Pferdefuß sein.
Warner bringt eine aufs nötigste reduzierte Backkatalog-DVD: Amaray, kein Booklet, Standmenüs, keine Extras, allerdings drei Sprachen, diverse Untertitel und uncut. Eine DVD-Kritik gibt es hier.