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Wind Chill - der eisige Tod

Verfasst: 07.10.2007, 21:16
von StS
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Originaltitel: Wind Chill
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2007
Regie: Gregory Jacobs
Darsteller: Emily Blunt, Ashton Holmes, Martin Donovan, Chelan Simmons, ...

Trailer:
http://german.imdb.com/title/tt0486051/trailers


„Wind Chill“ ist ein im positiven Sinne des Wortes „altmodischer“ Grusel-Thriller, der sich wohlig von dem aktuell ohnehin abebbenden, aufgrund seines Mangels an Substanz „Torture Porn“ genannten Trends abhebt, zu welchem in erster Linie auf Gewalt und Schockwirkung ausgerichtete Werke á la „Hostel“ oder „Captivity“ zählen. Mit der Unterstützung einer Menge Talent vor und hinter der Kamera, unter anderem bestehend aus dem Cinematographer von „Silent Hill“, zwei talentierten Jungschauspieler in den Hauptrollen, dem Komponisten des „the Fountain“-Scores sowie den beiden „kreativen Kumpels“ Steven Soderbergh und George Clooney als „Executive Producer“, inszenierte Regisseur Greg Jacobs („Criminal“) eine subtil-zurückhaltende Geister-Geschichte, welche ihre Kraft strikt aus den Charakteren und der Atmosphäre schöpft…

In Folge der Trennung von ihrem Freund sowie der damit einhergehenden kurzfristigen Änderung ihrer Ferienpläne, entscheidet sich eine junge Studentin (Emily Blunt) nach Abgabe der letzten Klausur des Kalenderjahres dafür, das Angebot eines Kommilitonen (Ashton Holmes) in Anspruch zu nehmen und mit diesem eine Fahrgemeinschaft von ihrem College in Pennsylvania aus nach Delaware zu bilden, um die Weihnachtsfeiertage nun dort im Kreise der Familie zu verbringen. Obwohl sie einen Kurs zusammen belegen, ist er ihr nie zuvor aufgefallen – und auch so scheint sie kein übermäßiges Interesse an seiner Personen oder die rund sechs Stunden Fahrzeit überbrückende Konversationen zu hegen. Irgendwann fühlt er sich genügend von ihr ignoriert und macht diese Empfindung zu einem Thema, worauf sie ihr Handy erst einmal zur Seite legt und sich auf ein Gespräch mit ihm einlässt, aus dem jedoch nach und nach hervorgeht, dass er schon länger ein Auge auf sie geworfen und diese Situation mit Hilfe einiger Tricks eingefädelt hat, um mal allein in ihrer direkten Nähe sein zu können – eigentlich wohnt er nämlich ganz woanders und erhoffte sich eine Entwicklung der Dinge hin zu einer „romantischen Kennenlerntour“. Angesichts seiner herauszudeutenden Stalker-Tendezen steigen leichte Anflüge von Besorgnis und Wut in ihr auf – aber da sie ja ein toughes Mädel ist, stellt sie ihren ablehnenden Standpunkt unmissverständlich heraus und findet sich halt mit der Sachlage ab, deren Ende ja ohnehin mit jeder geschafften Meile näher rückt…

Im Anschluss an einen Raststätten-Tankstopp, der einen etwas eigenartigen Ausgang nimmt, biegt der junge Mann allerdings prompt vom Highway ab – eine angebliche Abkürzung, die zudem landschaftlich noch imposantere Impressionen aufbieten soll. Noch ehe ihre vehementen Einsprüche fruchten können, kommt ihr Wagen beim unglücklichen Passieren eines entgegenkommenden Fahrzeugs von der Straße ab und schlittert in einen Graben. Ohne Verpflegung oder Mobiltelefon-Netzabdeckung, dafür mit einer leckgeschlagenen Benzinleitung und AM-Radio-Empfang, durch welchen sie erfahren, dass die Temperaturen demnächst schon sehr deutlich unter den Nullpunkt sinken werden, bricht die Dunkelheit in dieser abgelegenen, dicht bewaldeten Bergregion schließlich über sie herein. Nur innerhalb des Wagens haben sie eine Chance, nicht zu erfrieren – doch während sie widerwillig an einem Strang zu ziehen beginnen, setzen seltsame Geschehnisse um sie herum ein: Es lassen sich keine Spuren des anderen Unfallbeteiligten finden, merkwürdige Gestalten scheinen sich zwischen den Bäumen um sie herum zu bewegen, später taucht gar ein mysteriöser State Trooper (Martin Donovan) auf – und zwar jedes Mal, wenn ein spezieller Song gespielt wird. Im Laufe dieser Nacht wird ihnen auf drastische Weise klar, dass sie nicht nur gegen die Witterung ankämpfen müssen, sondern sich ebenso bedrohlichen übernatürlichen Einwirkungen ausgesetzt sehen, die mit zahlreichen grausamen Vorfällen in Verbindung stehen, welche sich in der Vergangenheit auf genau diesem einsamen Straßenabschnitt ereigneten…

Wer sich beim Lesen der Inhaltsangabe vielleicht gewundert hat: Keine der in „Wind Chill“ vorkommenden Protagonisten besitzt einen Namen – eine Tatsache, die mir persönlich erst beim Überfliegen des Nachspanns bewusst wurde. In der weiblichen Hauptrolle ist die aufstrebende Britin Emily Blunt („the Young Victoria“) zu sehen, welche nach ihrem einprägsamen Auftritt in „the Devil wears Prada“ erneut eindrucksvoll auf sich bzw ihr unübersehbares Talent aufmerksam macht. Sie ist weder ein Klischee-Blondchen (in jeglicher Ausprägung des Begriffs) noch eine typische Scream-Queen, sondern eine intelligente junge Frau, der man das Meistern von Herausforderungen (auch umfassender Art) problemlos zutraut. Wir lernen sie als eine selbstbewusste Person kennen, die sich ihrer (intellektuellen wie optischen) Vorzüge voll bewusst ist, sich aber unterhalb der Oberfläche nach Geborgenheit sehnt. Vergangene Erfahrungen haben sie eine „bitchy“ Attitüde, quasi als Schutzschild vor den gängigen und regelmäßigen Annäherungen des anderen Geschlechts, aufbauen lassen, die im ersten Augenblick abschreckt – manche Zuschauer sicher inbegriffen. Da aufmerksamen Betrachtern die feinen Nuancen ihrer Verhaltenweisen allerdings nicht entgehen sollten, ist sie einem trotzdem sympathisch, noch bevor ihre Wärme in der zweiten Hälfte berührende Züge annimmt. Obgleich sie sich regelmäßig über dies und jenes beschwert, dringt ihr Auftritt nie erwähnenswert in nerviges Terrain vor – stattdessen kann man sich an ihren überlegten Reaktionen sowie dem authentisch klingenden amerikanischen Akzent erfreuen, den Emily hier so treffend meistert. Ashton Holmes („Peaceful Warrior”), wohl am besten bekannt für seinen Part in Cronenberg´s „A History of Violence”, spielt einen dieser unscheinbaren, zurückhaltenden Typen, die sich einfach nicht von der Masse abheben: Bislang hat er sich nie getraut, das Mädchen seiner Wünsche anzusprechen, weshalb er diese ganze Mühe auf sich genommen hat, nur um eine Gelegenheit zu arrangieren, die ihm mal ihre unabgelenkte Aufmerksamkeit gewährt – in der Hoffnung, dass der Mut seiner persönlichen Überwindung belohnt wird. Eingangs ist er einem unheimlich, die Tragweite seiner Absichten lässt sich kaum einschätzen – bis man ihn weitestgehend durchschaut und gar ein gewisses Maß an Mitleid für ihn entwickelt, zumal sie ihn fortan nur noch schlechter bzw stärker von oben herab behandelt. Holmes liefert eine zurückhaltende, gute Leistung ab – er und seine Partnerin strahlen eine harmonische Chemie aus, was dem Gesamteindruck spürbar zugute kommt. Beide Figuren weisen Fehler und kantige Eigenheiten auf – die entstehende Zwangslage gleicht ihre bis dato in unterschiedliche Richtungen tendierenden Ausprägungen ein deutliches Stück weit an, was die von den Umständen forcierte Verbundenheit nährt. Der Rest der (ohnehin nicht sehr umfangreichen) Besetzung ist, mit Ausnahme des gestandenen Mimen Martin Donovan („the Quiet“/„Insomnia“), nicht wirklich erwähnenswert – und in seinem Fall habe ich mich ohnehin ernsthaft gefragt, was ihn überhaupt dazu bewogen hat, die weder reichhaltige noch fordernde Rolle des brutalen, in den 50ern ums Leben gekommenen Cops anzunehmen…

Ohne auf einen um Aufmerksamkeit buhlenden Prolog zurückzugreifen, schlägt die Story umgehend einen mustergültigen Verlauf ein: Passend zu den Temperaturen draußen sowie den gewählten Farben, in welche die Verantwortlichen die Optik des Werks getaucht haben, ist die Stimmung im Umfeld der sich mehr oder minder fremden Insassen spürbar unterkühlt, einzelne Dialogfragmente fördern interessante, dem Suspense-Aufbau zuträgliche Hinweise und gar Lügen zutage – etwa ein Kommentar bezüglich ihrer Brille, bloß dass sie diese ausschließlich innerhalb ihres Dorms trägt. Dann ein befremdender Vorfall in der Räumlichkeit der Raststättentoilette, das Abweichen von der eingeschlagenen Route, der Anblick einiger Kreuze am Fahrbahnrad sowie das Verunglücken mitten im nächtlichen Nirgendwo – wohlgemerkt mit einem eventuell psychisch ungefestigten Menschen an der Seite. Die Charakterentwicklung und der Aufbau einer unheilschwangeren Atmosphäre entpuppt sich bis dato als absolut vorbildlich – ein aufgrund seiner begrenzten Location sowie der Fokussierung auf die zwischenmenschlichen Konflikte fast wie ein intimes Kammerspiel anmutendes Szenario, bei dem nichts weiter als die Natur an sich die gravierendste Gefahr darstellt, welche darüber hinaus auch noch konstant zunimmt. Diesen Grundton eines psychologischen Thrillers verlässt der Film jedoch wenig später weitestgehend – primär zugunsten von Elementen einer althergebrachten Geistergeschichte. Basierend auf Nietzsche´s „Eternal Recurrence“-Theorie, welche man nicht mit dem Gedankenkonstrukt der „Reinkarnation“ verwechseln sollte und ihrerseits besagt, dass wir unser Leben nach dem Tod im Prinzip immerzu in einer ähnlichen Form zu wiederholen verdammt sind, hält eine übernatürliche Komponente Einzug, die sich leider nie optimal mit dem Vorangegangen zu verbinden vermag. Von dem Moment an wird nämlich alles relativ vage, ruft einen unausgegoren erscheinenden Eindruck hervor: Der schleichende, reale Horror der Hypothermie wird um einige rastlose Seelen Verstorbener ergänzt, was unerwartete Storyschlenker sowie augenfällig der Abwechslung dienende Konfrontationen zulässt – inklusive gängiger Präsentationsformen wie Halluzinationen und Hintergründe preisgebende Flashbacks. Glücklicherweise ändert sich der handwerkliche Stil nicht, sondern nur der inhaltliche – meiner Meinung nach in eine ungünstige Richtung, was diejenigen aber gewiss anders sehen werden, denen die erste Hälfte zu ruhig und unaufregend war, nur weil sie das Subtile nicht zu schätzen wissen. Wie auch immer: Eine rastlose, bösartige Seele, die stets dann auftaucht, wenn ein bestimmter Song im Radio läuft, ist keinesfalls eine innovative Zugabe – genauso wenig wie die anderen Gestalten, deren Geister seit ihrem Dahinscheiden mit diesem speziellen Straßenabschnitt verbunden sind. Die sorgsam aufgebaute psychologische Ausgewogenheit wird demnach von diversen oberflächlichen Spuk-Horror-Ausprägungen ersetzt. Ein konsequenteres Vorgehen entlang des eingeschlagenen Pfades, ohne jene ergänzende Zugeständnisse an eine stärkere Massenkompatibilität – das hätte mit Sicherheit einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen.

„Wind Chill“ erinnert einen permanent (angenehm) an klassisches „Twilight Zone“-Material – von der Handlung sowie dem alles umhüllenden Grundgefühl her. Hätte man die Geschehnisse (natürlich in den richtigen Bereichen) komprimiert, sagen wir mal auf eine Lauflänge von rund einer Stunde, also dem gängigen Umfang einer „Masters of Horror“-Folge entsprechend, wäre das Ergebnis mit Sicherheit wesentlich effektiver ausgefallen, da die ursprüngliche Idee im Grunde nicht reichhaltig genug war, um 90 Minuten bestmöglich auszufüllen. Regisseur Jacobs, der „First Assistant Director“ diverser Soderbergh-Produktionen (u.a. bei „Solaris“ und „Ocean´s 11“), lieferte handwerklich kompetente Arbeit ab. Ohne je einer „flashy“-Präsentationsart zu verfallen, konzentrierte er sich auf den wesentlichen Kern der Dinge: Er verzichtete auf schnelle Schnittfolgen, auffällige Special Effects und unnötiges „Eye Candy“, was bei manchen im Publikum sicher wiederum zu Enttäuschungen führen dürfte, da sich zum einen in der Dunkelheit kaum Details ausmachen lassen, auf der anderen Seite es ebenso kaum Gewalt zu goutieren gibt – alles schön „old school“, ganz ohne dass der Soundtrack alles überdramatisch unterstreicht. Die vereinzelten Schock-Momente wurden sorgsam platziert und erfüllen ihren Zweck prächtig. Intensive Hochspannung kommt leider dennoch nicht wirklich auf, doch zumindest ist die dargebotene Atmosphäre zum Schneiden dicht – man kann die beißende Kälte förmlich spüren: Von Clint Mansell´s („Suspect Zero“) gelungenem Score adäquat zurückhaltend untermalt, fing Dan Lautsen („Darkness Falls“) eisige Impressionen der frostig-imposanten Landschaft ein (gedreht wurde übrigens in Kanada), was die ungekünstelt bedrohliche Natur der weiten, einsamen Region perfekt widerspiegelt – im Gegenzug bannte er die Enge und Verzweiflung im Innern des Wagens per Close-Ups auf Film, während sich gelegentlich dunkle Schatten draußen langsam an den beschlagenen Fenstern vorbeibewegen. Das Skript aus der Feder der beiden Autoren Joe Gangemi („Mirrors“) und Steven Katz („Shadow of the Vampire“), welches leichte Ähnlichkeiten zum „After Dark“-Streifen „Penny Dreadful“ aufweist, funktioniert am besten ohne den „Gespenster-Zusatz“ – sprich: Wenn die Figuren und ihre klaustrophobische Lage (mitten im Nirgendwo dieser unwegsamen, verschneiten, pechschwarzen Wildnis) im Zentrum der Betrachtung stehen. Von ihren Differenzen am Anfang bis hin zur Schlusssequenz, die aufgrund der bis dato zurückgelegten Entwicklung keineswegs kitschig anmutet (dank ihres vom Schicksal bedingten Zusammenwachsens, u.a. in Form eines unglaublich zarten Augenblicks), hielt die Verbindung zwischen den zwei Protagonisten mein Interesse unentwegt aufrecht. Charaktere in einem Film dieses Genres, die einem mal nicht egal sind – auch eine Seltenheit heutzutage…

Fazit: „Wind Chill“ ist ein altmodischer, stimmungsvoller, zurückhaltender Grusel-Thriller, der all die richtigen Zutaten aufweist, allerdings letzten Endes an den zu oberflächlich und uneben eingebundenen übernatürlichen Komponenten krankt, welche schlichtweg zu konventionell und uninspiriert konzipiert anmuten…

glatte :liquid5:


Unter dem Titel "der Eisige Tod" wird der Film am 18.10.07 in den Deutschen Kinos anlaufen - unter anderem sind
aber bereits jetzt RC1- und RC3-DVDs zu haben.

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Verfasst: 08.10.2007, 00:15
von freeman
Wow, sehr krass. Beginnt man dein Review zu lesen, meint man, da kommt ein Gottfilm! Die Namen der Leute hinter den Kulissen, Adjektive, die aufhorchen lassen und dann macht es irgendwann *bump* und es springen letztendlich nur 5 Punkte raus? Sehr krass! Feine Kritik wie immer, und bei den Leuten, die da so dran mitgewirkt haben, wird der sicher nochmal meinen Weg kreuzen ...

In diesem Sinne:
freeman

Verfasst: 08.10.2007, 06:16
von StS
:lol: Hat man bei den Narren auch festgestellt - hab ich aber bewusst so gemacht, da es mir beim Sichten ähnlich ging:
Der Geisterzusatz, obgleich keineswegs wirklich schlecht, reißt den Gesamteindruck (zumindest für mich) klar in den durchschnittlichen Bereich zurück. Kann sein, dass ich die Negatipunkte nicht überdeutlich hervorgehoben habe, aber ich denke, es geht eigentlich auch so...

Ansehen kann man sich den Film auf jeden Fall - nur ins Kino muss man dafür halt nicht unbedingt... :wink:

Verfasst: 09.10.2007, 00:23
von freeman
Der wirds im Kino schon allein wegen der Konkurrenz recht schwer haben ... also bei uns, da rollt ja noch einiges auf uns zu ... Halloween, 30 Nights to Day oder so und alle kommen ja fast zur gleichen Zeit ... Das gesamte Genre ist ja derzeit eh recht ordentlich im Kino besetzt ...

In diesem Sinne:
freeman

Verfasst: 06.07.2009, 09:06
von freeman
Der Film ist imo ganz großes Gruselkino, genau bis zu dem Zeitpunkt, wo Martin Donovan das erste Mal im Film auftaucht! Und so isses letztlich wie beim Lesen deiner Review: Alles passt, es fühlt sich richtig an und dann machts *bump* und aus ... mit dem greifbar werden der Bedrohung, eben den Geistern, verliert der Film komplett an Faszination und Dichte und imo geht auch die geniale Atmosphäre - die Clint Mansell ganz groß mitaufbaut - weitgehend über Bord. Zwar packt der herrlich ruhig und entspannt inszenierte Film noch ein zweimal ordentlich zu, dennoch fühlt sich alles auf einmal 0815 an ... Gehe mit deiner Wertung absolut konform:
:liquid5:

In diesem Sinne:
freeman