Buried – Lebend begraben
Verfasst: 08.11.2010, 11:45
Buried – Lebend begraben
Originaltitel: Buried
Herstellungsland: Spanien
Erscheinungsjahr: 2010
Regie: Rodrigo Cortés
Darsteller: Ryan Reynolds
Nach dem Vorspann, unter dem ein Score rumpelt, der jedem Actionfilm alle Ehre machen würde, ist da erst einmal gar nichts ... Dunkelheit ... Stille ... dann ... ein unregelmäßiges Atmen. Dieses steigert sich zu einem Hustenanfall und mündet in hektisches Keuchen. Dann wieder nichts. Plötzlich hört man das vertraute Klicken eines Feuerzeuges. Der Funkenflug erhellt für einen Sekundenbruchteil die Leinwand. Schemenhaft werden Umrisse sichtbar. Ein erneuter Funkenflug erhellt die Leinwand und dann erleuchtet endlich die Feuerzeugflamme die Szenerie. Wir sehen ein menschliches Auge, das sich umblickt und versucht, die Situation zu erfassen. Die Kamera zoomt aus der Einstellung heraus und gibt den Blick frei auf einen jungen Mann. Dieser ist um die 30, eher fahrlässig gefesselt und geknebelt und er befindet sich in einer Holzkiste. Durch die Holzbrettabdeckung rieselnder Sand lässt vermuten, dass der Mann unter Tage eingeschlossen ist. Der Mann befreit sich von seinen Fesseln und verfällt kurz darauf in Panik, zumal seine Versuche, aus der Kiste herauszukommen, komplett scheitern. Da hört er ein Telefon klingeln. Und wirklich, in seiner Holzkiste liegt neben einem Flachmann und einem Stift auch ein Handy. Als er ran geht, hat der Anrufer bereits aufgelegt. Schnell wählt der Mann eine ihm vertraute Nummer. Doch seine Frau geht nicht ran. Er bespricht den Anrufbeantworter, als das Handy erneut klingelt. Eine Stimme fordert daraufhin in gebrochenem Deutsch, dass der Mann bei der amerikanischen Botschaft anrufen solle, um dort fünf Millionen für seine Freilassung lockerzumachen. Gelinge ihm das nicht, werde er den irakischen Boden, unter dem er begraben sei, nicht lebend verlassen. Es beginnt ein zermürbender Kampf, in dem nicht Wassermangel, Hunger oder Platzangst die dominierenden Gegner des Mannes sind. Vielmehr ist es die Bürokratie unserer ach so zivilisierten Welt, die jedwede Rettung von Grund auf auszuschließen scheint ...
Im Vorfeld von „Buried“ wurde bereits viel über den Film bereichtet. Er konzentriere sich ausschließlich auf einen Schauplatz a la Hitchcocks „Das Rettungsboot“ und fokussiere dabei auf ausschließlich eine Person a la Zemeckis’ „Cast Away“. Diese Extremfilmerfahrungen verdichte „Buried“ ins Extrem, sprich, auf einen einzigen Schauplatz und nur eine einzige handelnde Person. Eher ungläubig ging ich daraufhin an den Film heran, denn so wirklich konnte man sich dieses Konzept nicht vorstellen. Und so ganz hält der Film es auch nicht durch, da er aufgrund eines Handyvideos eine zweite Person zeigt und auch einen anderen Schauplatz. Da die Hauptfigur auf diesen Schauplatz aber keinerlei Einfluss hat und diese Szene zudem nur wenige Sekunden dauert, kommt man letztlich doch zu dem recht verblüffenden Schluss, dass es da in „Buried“ nicht viel mehr hat als einen Mann, ein Handy und einen Sarg. Es gibt keine Flashbacks, keine Fotos anderer Personen, keine Handlungsszenen außerhalb des Sarges, selbst eine Traumsequenz zeigt nur die Hauptfigur.
Dementsprechend muss der Darsteller dieser Figur den gesamten Film komplett alleine tragen. Eine Aufgabe, die man dem Hauptdarsteller Ryan Reynolds vermutlich eher weniger zugetraut hätte, schaut man sich seinen bisherigen filmischen Output an. Doch Reynolds brilliert in der Rolle des verzweifelten Jedermanns. Er entwirft eine immer glaubwürdige Figur, die zwischen Demut und Aufmüpfigkeit, Verzweiflung und Hoffnung, Aufgabe und Kampfeslust hin und herwechselt. Seiner herkulischen Meisterleistung verdankt „Buried“ eine unvergleichliche Involvierung des Zuschauers, der förmlich am eigenen Leibe spürt, wie es sich anfühlen muss, da unter der Erde zu liegen und zwischen Hilflosigkeit und Hoffnung lavierend zur weitgehenden Untätigkeit verdammt zu sein.
Diese enorme Involvierung könnte so manchem Klaustrophobiker im Publikum zum echten Verhängnis werden, vor allem, da der Handlungsspielraum der Hauptfigur von Minute zu Minute kleiner wird, ist sein Gefängnis doch alles andere als ein abgeschlossenes „Gefäß“. Glücklicherweise lanciert Regisseur Rodrigo Cortés immer wieder Szenen, die einen kurzfristig „vergessen“ lassen, dass der Schauplatz so extrem begrenzt ist. Auf engstem Raum gelingen dem Regisseur Suspensemomente, die durch und durch gehen, stemmt er Actionszenen, die mitreißender kaum sein könnten, und türmt er Wendung auf Wendung, was zum einen den Spannungsbogen durchweg oben hält und zum anderen eben der Platzangst im Kinosaal mit ordentlich Ablenkung etwas Vorschub leistet. Obendrein stemmt der Regisseur auf dem engen Raum des Holzsarges ein optisches Konzept, das nur Staunen macht. Häufig regiert komplette Dunkelheit die Leinwand. Lichtquellen liefern nur das Feuerzeug, Knicklichter, das Handydisplay und eine mehr als defekte Taschenlampe. Auf engstem Raum setzt es Kamerafahrten, die man so nie erwartet hätte. 360 Grad Kameradrehungen und intelligente Zoomvarianten variieren das optische Konzept obendrein. Dazu kommen die kühnsten Einstellungen und Perspektiven des laufenden Kinojahres, die in Verbindung mit dem großartigen Score immer wieder eindrucksvolle Momente generieren.
Und dann, nach etwa 80 Minuten, zündet „Buried“ seinen Showdown und verdichtet den bisherigen Mix aus Hoffnung und Verzweiflung, Überlebenswille und Resignation zu einer brutalen Spannungsbombe, die einem förmlich den Atem abschnürt, in den Sessel knüppelt und erdrückt, da man stetig das ungewisse Gefühl hat, dass sich eine Ahnung erfüllen wird. Dann ... Schwarzbild … Abspann ... und die Gewissheit, einem ganz ganz großen kleinen Film beigewohnt zu haben, der den Begriff Spannungskino ganz neu definiert. Klar, der Hauptcharakter agiert nicht immer zwingend logisch (Zugute halten muss man „Buried“ aber, dass man, so lange man nicht in solch einer Situation war, nicht weiß, wie man selbst agieren würde), echter Sauerstoffmangel kommt niemals auf (obwohl Reynolds Charakter sehr offensiv agiert und heftig atmet), die obligatorische Fingerabschneidszene wirkt bemüht und bleibt vor allem komplett frei von Konsequenzen, ist also arg sinnlos, und das Telefon des Filmes scheint ein echtes Wunderwerk der Technik zu sein. Aber andererseits schauen wir hier keiner Entführungsdokumentation zu. Wir schauen einem Stück Fiktion zu, das mitreißt, aktuellen Thrillervertretern durchweg die lange Nase dreht, auf beengtestem Raum unglaubliche Action-, Suspense- und Dramamomente zündet, hervorragend gespielt ist, optisch brillant daherkommt und mit einem irre schwarzem und bitterem Humor versehen wurde. Obendrein kann man in dem Film auch diverse Kommentare zur aktuellen Irakpolitik der USA ausmachen. Allerdings muss man das nicht, denn die 90 Minuten „Nicht Auflegen“ in der Horizontalen vergehen auch ohne große Sendungsmaschinerie wie im Fluge. Großartiges Extremkino.
In diesem Sinne:
freeman
Originaltitel: Buried
Herstellungsland: Spanien
Erscheinungsjahr: 2010
Regie: Rodrigo Cortés
Darsteller: Ryan Reynolds
Nach dem Vorspann, unter dem ein Score rumpelt, der jedem Actionfilm alle Ehre machen würde, ist da erst einmal gar nichts ... Dunkelheit ... Stille ... dann ... ein unregelmäßiges Atmen. Dieses steigert sich zu einem Hustenanfall und mündet in hektisches Keuchen. Dann wieder nichts. Plötzlich hört man das vertraute Klicken eines Feuerzeuges. Der Funkenflug erhellt für einen Sekundenbruchteil die Leinwand. Schemenhaft werden Umrisse sichtbar. Ein erneuter Funkenflug erhellt die Leinwand und dann erleuchtet endlich die Feuerzeugflamme die Szenerie. Wir sehen ein menschliches Auge, das sich umblickt und versucht, die Situation zu erfassen. Die Kamera zoomt aus der Einstellung heraus und gibt den Blick frei auf einen jungen Mann. Dieser ist um die 30, eher fahrlässig gefesselt und geknebelt und er befindet sich in einer Holzkiste. Durch die Holzbrettabdeckung rieselnder Sand lässt vermuten, dass der Mann unter Tage eingeschlossen ist. Der Mann befreit sich von seinen Fesseln und verfällt kurz darauf in Panik, zumal seine Versuche, aus der Kiste herauszukommen, komplett scheitern. Da hört er ein Telefon klingeln. Und wirklich, in seiner Holzkiste liegt neben einem Flachmann und einem Stift auch ein Handy. Als er ran geht, hat der Anrufer bereits aufgelegt. Schnell wählt der Mann eine ihm vertraute Nummer. Doch seine Frau geht nicht ran. Er bespricht den Anrufbeantworter, als das Handy erneut klingelt. Eine Stimme fordert daraufhin in gebrochenem Deutsch, dass der Mann bei der amerikanischen Botschaft anrufen solle, um dort fünf Millionen für seine Freilassung lockerzumachen. Gelinge ihm das nicht, werde er den irakischen Boden, unter dem er begraben sei, nicht lebend verlassen. Es beginnt ein zermürbender Kampf, in dem nicht Wassermangel, Hunger oder Platzangst die dominierenden Gegner des Mannes sind. Vielmehr ist es die Bürokratie unserer ach so zivilisierten Welt, die jedwede Rettung von Grund auf auszuschließen scheint ...
Im Vorfeld von „Buried“ wurde bereits viel über den Film bereichtet. Er konzentriere sich ausschließlich auf einen Schauplatz a la Hitchcocks „Das Rettungsboot“ und fokussiere dabei auf ausschließlich eine Person a la Zemeckis’ „Cast Away“. Diese Extremfilmerfahrungen verdichte „Buried“ ins Extrem, sprich, auf einen einzigen Schauplatz und nur eine einzige handelnde Person. Eher ungläubig ging ich daraufhin an den Film heran, denn so wirklich konnte man sich dieses Konzept nicht vorstellen. Und so ganz hält der Film es auch nicht durch, da er aufgrund eines Handyvideos eine zweite Person zeigt und auch einen anderen Schauplatz. Da die Hauptfigur auf diesen Schauplatz aber keinerlei Einfluss hat und diese Szene zudem nur wenige Sekunden dauert, kommt man letztlich doch zu dem recht verblüffenden Schluss, dass es da in „Buried“ nicht viel mehr hat als einen Mann, ein Handy und einen Sarg. Es gibt keine Flashbacks, keine Fotos anderer Personen, keine Handlungsszenen außerhalb des Sarges, selbst eine Traumsequenz zeigt nur die Hauptfigur.
Dementsprechend muss der Darsteller dieser Figur den gesamten Film komplett alleine tragen. Eine Aufgabe, die man dem Hauptdarsteller Ryan Reynolds vermutlich eher weniger zugetraut hätte, schaut man sich seinen bisherigen filmischen Output an. Doch Reynolds brilliert in der Rolle des verzweifelten Jedermanns. Er entwirft eine immer glaubwürdige Figur, die zwischen Demut und Aufmüpfigkeit, Verzweiflung und Hoffnung, Aufgabe und Kampfeslust hin und herwechselt. Seiner herkulischen Meisterleistung verdankt „Buried“ eine unvergleichliche Involvierung des Zuschauers, der förmlich am eigenen Leibe spürt, wie es sich anfühlen muss, da unter der Erde zu liegen und zwischen Hilflosigkeit und Hoffnung lavierend zur weitgehenden Untätigkeit verdammt zu sein.
Diese enorme Involvierung könnte so manchem Klaustrophobiker im Publikum zum echten Verhängnis werden, vor allem, da der Handlungsspielraum der Hauptfigur von Minute zu Minute kleiner wird, ist sein Gefängnis doch alles andere als ein abgeschlossenes „Gefäß“. Glücklicherweise lanciert Regisseur Rodrigo Cortés immer wieder Szenen, die einen kurzfristig „vergessen“ lassen, dass der Schauplatz so extrem begrenzt ist. Auf engstem Raum gelingen dem Regisseur Suspensemomente, die durch und durch gehen, stemmt er Actionszenen, die mitreißender kaum sein könnten, und türmt er Wendung auf Wendung, was zum einen den Spannungsbogen durchweg oben hält und zum anderen eben der Platzangst im Kinosaal mit ordentlich Ablenkung etwas Vorschub leistet. Obendrein stemmt der Regisseur auf dem engen Raum des Holzsarges ein optisches Konzept, das nur Staunen macht. Häufig regiert komplette Dunkelheit die Leinwand. Lichtquellen liefern nur das Feuerzeug, Knicklichter, das Handydisplay und eine mehr als defekte Taschenlampe. Auf engstem Raum setzt es Kamerafahrten, die man so nie erwartet hätte. 360 Grad Kameradrehungen und intelligente Zoomvarianten variieren das optische Konzept obendrein. Dazu kommen die kühnsten Einstellungen und Perspektiven des laufenden Kinojahres, die in Verbindung mit dem großartigen Score immer wieder eindrucksvolle Momente generieren.
Und dann, nach etwa 80 Minuten, zündet „Buried“ seinen Showdown und verdichtet den bisherigen Mix aus Hoffnung und Verzweiflung, Überlebenswille und Resignation zu einer brutalen Spannungsbombe, die einem förmlich den Atem abschnürt, in den Sessel knüppelt und erdrückt, da man stetig das ungewisse Gefühl hat, dass sich eine Ahnung erfüllen wird. Dann ... Schwarzbild … Abspann ... und die Gewissheit, einem ganz ganz großen kleinen Film beigewohnt zu haben, der den Begriff Spannungskino ganz neu definiert. Klar, der Hauptcharakter agiert nicht immer zwingend logisch (Zugute halten muss man „Buried“ aber, dass man, so lange man nicht in solch einer Situation war, nicht weiß, wie man selbst agieren würde), echter Sauerstoffmangel kommt niemals auf (obwohl Reynolds Charakter sehr offensiv agiert und heftig atmet), die obligatorische Fingerabschneidszene wirkt bemüht und bleibt vor allem komplett frei von Konsequenzen, ist also arg sinnlos, und das Telefon des Filmes scheint ein echtes Wunderwerk der Technik zu sein. Aber andererseits schauen wir hier keiner Entführungsdokumentation zu. Wir schauen einem Stück Fiktion zu, das mitreißt, aktuellen Thrillervertretern durchweg die lange Nase dreht, auf beengtestem Raum unglaubliche Action-, Suspense- und Dramamomente zündet, hervorragend gespielt ist, optisch brillant daherkommt und mit einem irre schwarzem und bitterem Humor versehen wurde. Obendrein kann man in dem Film auch diverse Kommentare zur aktuellen Irakpolitik der USA ausmachen. Allerdings muss man das nicht, denn die 90 Minuten „Nicht Auflegen“ in der Horizontalen vergehen auch ohne große Sendungsmaschinerie wie im Fluge. Großartiges Extremkino.
In diesem Sinne:
freeman