I Spit On Your Grave (1978)
Da mag aufs Grab gespuckt werden, bis ein Bach entsteht, “Day Of The Woman” wäre der weitaus kraftvollere Titel gewesen. Und er hätte die wahre Identität des Films als durchaus feministisch motivierte Gewaltspirale stärker in den Vordergrund gestellt. So wird Meir Zarchis Indie-Klassiker, wie so viele Filme, die Wagnisse eingehen, immer wieder als voyeuristische Sauerei missverstanden und die Feinheiten angesichts des groben Ganzen übersehen. Dass die Vergewaltigungssequenz so sehr ausgeschlachtet wird, immer wieder unterbrochen wird, um dann unverhofft fortgeführt zu werden, treibt die Darstellung zwar zwangsläufig ins Exploitation-Feld, der Sinn der Vorgehensweise ist aber keineswegs Selbstzweck, sondern die pandiabolistische Interpretation des Bösen. Die Entstehung der Vergewaltigung lässt sich zwar aufgrund der seltsamen Verhaltensweisen der Einheimischen vorausahnen, sie ergibt sich aber durch ein anfangs harmlos erscheinendes Spiel und schließlich durch die Gelegenheit. Die Vergewaltiger verkörpern nicht im herkömmlichen Sinne das Böse, sondern sind eher Opfer ihrer Triebe. Zarchi macht das durch ihre intensiven Charakterisierungen vollkommen klar und stellt sie als verlorene, desorientierte Wesen dar, die kaum wissen, was sie tun – was auch ihre Verhaltensweisen in der zweiten Filmhälfte erklärt, die mitunter unlogisch erscheinen, müssten sie bei eingeschaltetem Verstand doch viel argwöhnischer reagieren, als sie es tun.
In dieser zweiten Hälfte verwandelt sich der Film, der bis dahin noch die gleiche Sprache spricht wie „Straw Dogs“ (1971) und „Deliverance“ (1972), in eine symbolträchtige Machtwechselfantasie, bei der das Opfer plötzlich alle Fäden in der Hand hält und ausgerechnet ihre größte Schwäche zu ihrer Stärke macht. Der naturalistische Ansatz ist dahin, als Camille Keaton ihr verschmutztes, von Verletzungen übersätes Adamskostüm gegen ein blütenweißes Kleid tauscht und zum Racheengel stilisiert wird. Dieser radikale Stilbruch wird allerdings durch das Subgenre legitimiert, ebenso wie die antiklimatische Abfolge der Tötungen der Peiniger, die flach und überhastet abgeschlossen wird. Ein guter, weil schockierender und bisweilen auch unterschätzter Genrebeitrag, bei dem man aber natürlich trefflich über die Grundaussage streiten kann.
I Spit On Your Grave (2010)
Steven Monroe zollt dem Original mit vereinzelten 1:1-Szenennachstellungen (u.a. bei der Titeleinblendung) und einem insgesamt eher billigen, aber doch von interessanten Einstellungen durchzogenen Indie-Look Tribut, ist aber ansonsten auch um Variation bemüht. Diese findet er leider zum Teil an den falschen Stellen: Die vom gemeinen Rollentypus divergierende Charakterzeichnung der männlichen Besetzung aus dem Original wird zugunsten einer deutlicheren Frontenklärung verlagert. Die Vergewaltiger erscheinen diesmal eher als Monster denn als schwache Kreaturen, nimmt man einmal Chad Lindberg, der den leicht zurückgebliebenen Matthew zwar deutlich berechenbarer anlegt als sein 1978er Pendant, aber wie im Original schon den interessantesten Charakter spielen darf. Andrew Howard, dessen Rolle die größte Abweichung zum Original darstellt, ist sogar das größte Monster von allen; durch seinen Sheriffs-Beruf lässt er für die vergewaltigte Frau auch noch den letzten Schutz wegbröckeln, ein Kniff, der im Terrorfilm der letzten Jahre und Jahrzehnte Methode hat und immer wieder gerne aufgegriffen hat.
Sarah Butler ist in der Hauptrolle nicht ganz so überzeugend wie ihre Vorgängerin, macht ihre Sache aber dennoch sowohl in der Opfer- als auch Jägerrolle sehr gut. Allerdings überstrapaziert das Drehbuch das Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ und schreibt ganze Sequenzen zu Beginn nur deswegen, um Butler in der Retoure einen vermeintlich schlagfertigen Oneliner in den Mund zu legen, der die Vergewaltiger ihre eigene Medizin kosten lässt. Bei den Foltersequenzen hat man sich was einfallen lassen, nach „Saw“ geht man solche Dinge eben wesentlich einfallsreicher an als in den vergleichsweise spontanen 70ern, allerdings sind das nur technische Details, die den Gesamteindruck nicht mehr weiter aufwerten.
I Spit On Your Grave 2 (2013)
Das Sequel zum Remake verabschiedet sich nun endgültig von jeder Moral, scheißt auf Subtilitäten und greift im Zeichen eines waschechten Exploitationers offensiv an. „I Spit On Your Grave 2“ ist schonungslos, brutal und bisweilen widerwärtig, sowohl vom psychischen als auch vom physischen Faktor her. Allerdings ist er gleichzeitig in allen Disziplinen deutlich filmischer angelegt als sein Vorgänger, der sich dem 1978er Film noch verpflichtet fühlte. Die Freiheit, mit der grundsätzlich wenig dehnbaren Prämisse machen zu können, was man möchte, führt Monroe zu wendungsreichen Drehbuchkniffen und einem echten Underground-Hunting-Torture-Porn im letzten Teil. Die mitunter krassen Gewaltspitzen, die teilweise wirklich ungemütlich anzusehen sind (selbst für abgebrühte Naturen), werden aber abgemildert durch konventionelle Subplots, wie man sie aus Mainstream- oder B-Filmen kennt (v.a. der Priester, der versucht, ein verlorenes Schaf in seine Herde zu integrieren). So lässt sich die Fortsetzung trotz der herberen Gewalt besser konsumieren als die die 1978er- und 2010er Varianten. Das macht ihn natürlich zugleich fragwürdiger.