Breaking Dawn - Teil 2
"Breaking Dawn 2" gilt ja bisweilen als bester/brauchbarster/erträglichster Film der Reihe, was ich nicht bestätigen kann, das bleibt für mich weiterhin "Eclipse", der über weite Strecken sowas wie ein echter Film mit Handlung und Konflikt und so war. Das Interessante ist, dass die meisten Beteiligten, wie Regisseur Bill Condon, Drehbuchautorin Melissa Rosenberg oder Stunt Coordinator Jeff Imada, es ja besser können, wie man anderen ihrer Arbeiten sieht, aber anscheinend ist die Romanvorlage von Stephanie Meyer stark genug, um jede Kompetenz zu ersticken oder runterzudimmen. So wie Bella diesen Film fast alleine wuppt und die Rollen im Vergleich zu Teil eins getauscht sind - dieses Mal steht Edward die ganze Zeit mit offenem Mund daneben und man ihn fast aus dem Film herausschreiben könnte. Dass Bella jetzt die stärkste Vampirin unter der Sonne ist, soll wohl einen "Harry Potter"-Vibe haben, doch wo es bei Potter darum ging, dass Harry der Auserwählte ist, wird es hier im Nebensatz festgestellt und dann einfach so stehen gelassen.
Im Gegensatz zum direkten Vorgänger ist den Machern eingefallen, dass es auch sowas wie eine Handlung braucht, nur tut sich Meyer erneut schwer damit so etwas zu schreiben. Schon der erste "Konflikt" des Films ist der Knaller: Da wollen Edward und Bella samt im Schnelltempo wachsenden Vampirkind ins Exil, weil Bella ja vermeintlich tot ist und ihr Vater das nicht erfahren darf. In direkt der nächsten Szenen stapft Jacob dann zu Daddy, erklärt ihm ansatzweise alles, der danach vollkommen an Bord ist, weshalb man nicht mehr wegziehen muss. Danach kommt die Haupthandlung in Nichtschwung, wenn die Volturi wieder aktiviert werden, aber trotz Vampirgeschwindigkeit erst im letzten Drittel bei Bella und Edward eintreffen, weil sie zwischendurch noch 25 Kaffeepausen einlegen oder so. Also gibt es noch jede Menge Storyansätze (etwa um Wendell Pierce als Reiseticketbeschaffer), die aber nirgendwo hinführen. Außerdem noch diverse "Zeugen" für Nessies Menschlichkeit auf, die aber eigentlich nur als Kämpfer für die Endschlacht da sind, das kann der Film gar nicht verbergen. Die bekommen dann zu viel Screentime für Statisten, sind aber zu unterentwickelt für vollwertige Charaktere, aber da kann man dem Film ausnahmsweise mal keinen Vorwurf machen, denn das wäre auch schwer umzusetzen gewesen.
Und dann kommt die Endschlacht, wo, mein lieber Herr Gesangsverein, für Young-Adult-Verhältnisse im Allgemeinen und für "Twilight" im Speziellen ganz schön am Metzelregler gedreht wird. Da werden Köppe abgerissen, Leute verbrannt und Hauptfiguren gehen über den Jordan. "Eclipse" war im Vergleich dazu besser choreographiert und übersichtlicher, mal ganz abgesehen davon, dass Jeff Imada bei anderen Filmen noch wesentlich Besseres abgeliefert hat. Es gibt auch schwere Versäumnisse, etwa wenn Lateef Crowder auf Vampirseite mitmacht, aber seine Martial-Arts-Kenntnisse in der Endschlacht kein einziges Mal zeigen darf. Aber man will ja nicht gierig sein, das ist schon für "Twilight"-Verhältnisse alles regelrecht aufregend. Und dann:
Ist das alles nur eine Zukunftsvision, die Alice Cullen projeziert hat. Die echte Endschlacht fällt aus, (fast) alle gehen lebend wieder nach Hause und fertig ist die Lauge.
WOLLT. IHR. MICH. VERARSCHEN?
"Natürlich wollen wir dich verarschen", antwortet der Film. Denn nach dem großen, epischen Finale werden noch mal dicke Ansätze für einen weiteren Film ausgelegt, falls irgendwer noch mal Knete braucht. Danach kommt noch eine ungeheuer schlecht inszenierte Kitsch-Szene, die mit Rückblenden zu den Vorgängern noch mal klar macht: Jetzt ist Ende Gelände. Also falls man in ein paar Jahren nicht doch wieder Knete mit "Twilight" machen will. Der ca. 15 Minuten lange Abspann beginnt dann auch noch mal mit einer Nennung aller, wirklich aller Darsteller, die mal eine größere Rolle in einem "Twilight"-Film hatten, auch wenn sie in "Breaking Dawn 2" nicht vorkamen.
Was kann man sonst noch sagen? Inszenatorisch holpert der Film vor sich hin, oft folgen die Szenen aufeinander, weil es so im Drehbuch steht, nicht weil es sich dramaturgisch so ergibt, aber das ist ja ein Dauerproblem der Reihe. Außerdem muss man sich vielleicht für manche Anfeindung gegen Darsteller wie Taylor Lautner entschuldigen, denn Jamie Campbell Bower zeigt hier, was richtig schlechtes Schauspiel ist. Als Caius chargiert er sich dermaßen durch den Film, dass er auch bei Jim Wynorski oder Fred Olen Ray Auftrittsverbot bekäme. Wobei: "Twilight" kann auch gestandene Schauspieler brechen - Stefan erwähnte ja bereits Michael Sheens Lache in einem bestimmten Moment.
Ein guter Film ist es nicht, aber immerhin kann die Endschlacht was, in Sachen Handlung hat man sich redlich bemüht, die Kriegernebenfiguren machen trotz charakterlicher Entwicklung was her und man versucht den Fans der Reihe einen Abschluss zu bieten.
Nebenbei bemerkt: Nachdem ich mir das Finale mit fast zehnjähriger Verspätung angesehen habe, habe ich das Gefühl, dass man Popkulturphänomen "Twilight" nicht mehr viel geblieben ist. Weder die Twihard-Fans noch die entschiedenen Gegner mit ihren dauernden "Hihi, Glitzervampire"-Sprüchen hört man noch groß, im Vergleich zu "Harry Potter" oder "Hunger Games" scheint sich wenig ins popkulturelle Gedächtnis eingebrannt zu haben und Teil 5 (den es in Buchform anscheinend ja gibt, wenn ich Stefans Eingangspostings richtig lese) hat dann doch keiner gedreht.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]
Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]