Wir sind die Nacht
Verfasst: 19.04.2011, 06:45
Originaltitel: Wir sind die Nacht
Deutschland 2010
Regie: Dennis Gansel
Drehbuch: Dennis Gansel & Jan Berger (basierend auf einem Treatment von Dennis Gansel)
Darsteller: Nina Hoss („Louise“) , Karoline Herfurth („Lena“) , Jennifer Ulrich („Charlotte“) , Anna Fischer („Nora“) , Max Riemelt („Tom Serner“) u.v.a.m.
Laufzeit: circa 95 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Handlung
Lena ist ein Berliner Straßenkind welches sich sein Geld durch diverse Raubzüge beschafft. Eines Abends entdeckt sie durch Zufall einen Underground Technoclub wo sie auf die Charismatische Louise trifft. Louise ist ein 200 Jahre alter Vampir & so beist sie Lena direkt am ersten Abend – vor allen weil sich Louise in Lena verliebt hat.
Lena muß sich am Anfang erst einmal an das neue Leben als „Nachtmensch“ gewöhnen , findet aber schnell (trotz einiger Probleme) doch Gefallen an dem Luxuriösen Leben welches Louise & ihre beiden Freundinnen Charlotte & Nora führen. In Lenas Kopf schwirrt aber auch der Polizist Tom rum , der Lena beinahe einmal festgenommen hätte. Tom kommt auf der Suche nach Lena auch auf die Spur des Weiblichen Vampirquartetts.
Kritik
Kaum eine andere Horrorgestalt hat in den letzten Jahren einen solchen Megaerfolg gehabt wie der Vampir. Früher eher in Zweitklassigen Filmen zu Hause wurde durch den großen Erfolg der „Twilight“ Reihe der in der Nacht lebende Blutsauger Salonfähig. Das Vampire nicht immer In waren musste auch Filmemacher Dennis Gansel („Napola“ , „Die Welle“) erfahren , als er 1998 die Idee zu einem Vampirfilm hatte – Jahrelang suchte er nach Leuten die ihm diesen Traum finanzieren & Jahrelang hagelte es Absagen – bis zum Erfolg von eben „Twilight“. Im Herbst 2009 konnte Gansel sein Traumprojekt in Angriff nehmen.
Ähnlich wie in der US Serie „True Blood“ sucht Gansel für seine Vampire einen neuen , etwas anderen Ansatz. Zwar haben die Vampire in „Wir sind die Nacht“ auch Übermenschliche Kräfte , ihre Verletzungen heilen selbstständig & sie können nicht im Spiegel gesehen werden , auf andere Utensilien wie Weihwasser oder Kruzifix verzichtet er völlig. Die größte Neuerung ist sicherlich das es in dieser Filmwelt nur Weibliche Vampire gibt (Weltweit so ungefähr 200 Stück) – Männliche Vampire gab es auch mal , doch die sind im Laufe der Jahre ausgestorben („Zu schwach , zu laut“ sagt Louise einmal). Die Weiblichen Vampire übernachten auch nicht im Sarg sondern leben im Luxushotel , fahren teuere Sportwagen & frönen ganz allgemein das ganz große Luxusleben (wie sie das ganze bezahlen bzw wie sie an das viele Geld kommen darüber schweigt der Film sich aus).
Das Vampirtrio kann von Wesen & Charakter unterschiedlicher kaum sein: Louise , mit 200 Jahren die älteste der Drei & somit so was wie die Anführern wurde im Hofe zu Preußen zum Vampir gebissen - von Nina Hoss sehr geheimnisvoll & zurückhaltend aber mit einer gewissen Aura die faszinierend wirkt gespielt. Das krasse Gegenteil ist Charlotte (sehr kühl: Jennifer Ulrich) , ein ehemaliger Stummfilmstar aus den 20iger Jahren , die vor ihrer Vampirwerdung einen Ehemann & ein Kind hatte. Sie scheint der alten Zeit nachzutrauern , sie liest ständig in alten Büchern , raucht ihre Zigaretten mit Spitze & hört auf dem I-Pod die alte Schlagermusik der 20iger Jahre. Einst war sie die Geliebte von Louise , doch die Jahre haben Charlotte ziemlich depressiv gemacht & das Verhältnis zwischen den beiden ist abgekühlt. Dritte im Bunde ist die quirlige Nora (ziemlich überdreht: Anna Fischer) , ein Ravegirl aus den 90igern die Louise auf der Love Parade in Berlin kennen gelernt hat
Überhaupt Berlin: Der Film ist ganz auf die Hauptstadt zugeschnitten. Das merkt man schon in der Eingangssequenz wo es eine Reise in die Geschichte unseres Landes geht – vom berühmten Club „Berghain“ über den Mauerfall über Kriegsende , die goldenen Zwanziger bis hin zum alten Preußen. Und überall mittendrin: Die Vampirdamen , die wirklich gut & verblüffend in die Bilder eingearbeitet wurden.
Die verschiedenen Schauplätze sind auch Nichtberlinern ein Begriff: Bahnhof Zoo , Teufelsberg oder U-Bahn Station Alexanderplatz – das der Film ganz bewusst auf Berlin zugeschnitten wurde gibt Gansel im Audiokommentar auch zu.
Nach der Eingangssequenz fängt der Film auch ganz stark an – in einem Flugzeug. Eine schöne lange Plansequenz , perfekt gefilmt mit einer Steadycam führt den Zuschauer in die Handlung der drei Vampirdamen ein. Danach wechselt die Perspektive auf Lena , von Karoline Herfurth mit Mut zur Hässlichkeit (kurze schwarze Haare , Piering , ziemlich dreckig) gespielt. Leider ist Frau Herfurth in den Anfangsszenen eher so hässlich das man sich als Zuschauer kaum vorstellen kann das sich direkt zwei Personen (Polizist Tom & Vampirchefin Louise) in sie verlieben.
Und hier liegt auch leider das Hauptproblem des Films: Er ist Streckenweise etwas Unlogisch. Viele Szenen ergeben kaum einen Sinn – wie z.B. gegen Ende Louise Lena im Gefängnis findet wird überhaupt nicht erklärt. Dabei gibt es diese Szenen , denn Gansel erzählt von ihnen im Audiokommentar & sie sollen bei den Deleted Scenes zu finden sein (konnte ich nicht nachprüfen da diese auf DVD fehlen). Das ist natürlich Ärgerlich.
Ebenfalls sehr schade ist das die Figuren kaum eine Tiefe besitzen – auch hier ist die Schere tätig gewesen & hat schon im Vorfeld im Drehbuchstadium einiges gekillt , wie man ebenfalls im AK hören kann. Dabei ist ja gerade das hohe Alter von Vampiren der Reiz , die haben unglaublich viel erlebt & zu erzählen. Die ein oder andere Rückblende in die Vergangenheit der drei Figuren hätte dem Film wirklich gut getan.
Und die Liebesgeschichte ? Ach ja , die haben wir ja auch noch , diesmal in der Variante Vampirfrau liebt normalen Mann. Die nimmt keinen großen Raum ein sondern wird eher nebenbei erzählt – leider auch nicht sehr tief & erklärend. Irgendwelchen Liebeskitsch gibt es (Gott-sei-Dank) nicht. Das Hauptaugenmerk liegt auf Tempo & Action , eine ausführliche Liebesgeschichte hätte da nur gebremst.
Doch der Film hat eine ganz große Stärke: Er ist Handwerklich extrem gut gemacht. Die sehr unruhige Kameraführung (meist Steadycam , manchmal Handkamera) gibt dem ganzen viel Dynamik , der Schnitt gibt viel Tempo vor & darüber liegt ein wirklich guter , sehr hörenswerter Soundtrack , sowohl beim Score als auch bei den rausgesuchten Tracks (lediglich bei den Clubszenen hätte ich mir etwas nicht so Kommerzielles gewünscht). Ebenfalls gelungen sind die CGI Effekte , die sehr sorgfältig & ohne groß aufzufallen in den Film eingearbeitet wurden (die Verwandlungsszene von Karoline Herfurth in der Badewanne ist wunderbar geworden). Und an den Schauspielleistungen des Damenquartetts gibt es eh nix zu meckern. In diesen Punkten muß sich „Wir sind die Nacht“ zu keinem Zeitpunkt hinter Hollywoodfilmen mit wesentlich höheren Budget verstecken.
Trotz der berechtigten Kritik in Sachen Handlungslogik & fehlender Figurentiefe ist „Wir sind die Nacht“ ein guter , sehenswerter Genrefilm geworden der imo zu Unrecht an der Kinokasse baden gegangen ist. Anscheinend will das hiesige Publikum doch nur verliebte Vampire in „Twilight“ sehen.
Fazit
Schlecht ist „Wir sind die Nacht“ wirklich nicht , hätte aber durchaus besser sein können wenn das Drehbuch etwas ausgereifter gewesen wäre bzw man den Mut gehabt hätte die im Audiokommentar angesprochenen Erklärszenen im entgültigen Film drin zu behalten. So bleibt letztendlich ein solider , für Deutsche Verhältnisse sogar ordentlicher Genrebeitrag , der in Sachen Ausstattung & Kameraführung ohne Probleme mit Big Budget Hollywoodware mithalten kann & die ein oder andere wirklich sehenswerte Szene hat.
Die DVD – die technischen Details
Menü
Starres Menü mit Filmausschnitten & Musik , sehr einfache & klare Navigation
Bild
Für eine brandneue Produktion selbstverständlich auf höchsten Niveau – perfekte Schärfe , keinerlei Störungen , natürliche Farben. Das manchmal einige Bilder extrem hell wirken ist ein Stilmittel.
Ton
Die dts Spur ist sehr Basslastig (wer empfindliche Nachbarn hat sollte den Nachtmodus am AV Reciever einstellen oder runterregeln – besonders bei den Discoszenen) & klingt sehr räumlich mit einigen schönen Effekten , vor allen bei den Actionszenen. Die Off-Stimmen sind teilweise etwas stark nach vorne gemischt worden.
Extras
Informativer Audiokommentar von D. Gansel & J. Berger , Making-of mit vielen Interviews , Alternative Enden , Videotagebuch , Erklärung der CGI Effekte , Darstellerinfos , Trailer sowie die Möglichkeit in den Soundtrack & die Hörbücher reinzuhören. Alles sehr informativ & fast Werbefrei – nur fehlen leider die Deleted Scenes (die gibt es nur auf der Blu-Ray).
Verpackt ist die DVD in einer Amaray Hülle , leider kein Wendecover dafür aber im Innern ein Kapitelverzeichnis
ofdb Eintrag
Webseite zum Film
Trailer Nummer 1
Trailer Nummer 2