Es brauchte dann doch einen Eli Roth für die längst nötige Revitalisierung eines Horror-Subgenres, das in den 70ern zum Sterben zurückgelassen wurde. Nötig vor allem, um eine Differenzierung zwischen Tiersnuff und dem Thema Kannibalismus auszuarbeiten. Denn obwohl sich Roth von den Klassikern stark inspiriert zeigt, verzichtet er im Rahmen neuer Tierschutzrechte nicht etwa nur auf Tiertötungsszenen, sondern gar auf deren Nachstellung durch CGI oder handgemachte Effekte. Und dass „The Green Inferno“ nicht die eigenwillige, ultrarealistische Wirkung etwa des Deodato-Werkes „Cannibal Holocaust“ erreicht, liegt nicht am Fernbleiben der inakzeptablen Zutat, die einem potenziellen Meisterwerk etwas Unverzeihliches anhängen – ohne dabei zwischen Exploitation und allgemein akzeptierten Filmen wie „Kingdom Of The Spiders“ oder „Apocalypse Now“ differenzieren zu wollen.
Mit kräftigen Farbfiltern und grellen Splattereffekten versteht sich „The Green Inferno“, nicht umsonst nach einem Film-im-Film aus „Cannibal Holocaust“ benannt, als metafilmische Betrachtung auf sein Sujet. Die gar nicht so dumme Konstellation, dass ausgerechnet eine Gruppe von Aktivisten zu Opfern eines Stammes wird, den sie eigentlich beschützen wollten, hebt sich angenehm vom üblichen Vergeltungsprinzip des Horrorfilms ab und ist Zeichen von Originalität eines Filmes, der momentan völlig alleine dasteht - in einer Zeit, da der vor über zehn Jahren gestartete Zombie-Boom längst begonnen hat, sich selbst zu verschlingen.
In der Aktivistengruppe finden sich keinerlei Typen, die sich nicht auch bequem in einen Slasher verirren könnten, genauso wie der Ablauf ihrer Dezimierung kaum von jenem abweicht, das von Einzeltätern wie Jason, Michael & Co. bestimmt wird. Ramón Llao und Antonieta Pari spielen auf der Gegenseite in einem Meer aus rot gefärbten Statisten wiederum die einzigen Individualisten, deren Kostüm und Maske karnevalistisch übertriebene Züge bis hin zu Jack Sparrow aufweisen und die mit ihrem schrillen Auftreten sicher auch Höhepunkte für ein modernes Publikum bieten. Thematisch jedoch kann Roth aus dem Vollen schöpfen, ohne sich mit anderen aktuellen Filmen zu überschneiden, und weiß oft gar nicht, wohin mit all den Möglichkeiten. Den gemächlichen Aufbau scheint er regelrecht auszukosten, um relativ unverhofft das Gore-Inferno einzuläuten, stets abgesetzt gegen das wunderschöne Grün des Dschungels, das die Reinheit der unberührten peruanischen Wildnis spiegelt. Strukturell interessant wird es dadurch, dass die Gefangennahme durch die Kannibalen nicht einfach eine Abfolge vorhersehbarer Abschlachtungen einläutet, sondern dass Humorspitzen eingebaut werden, dass einige Dinge offscreen geschehen und so zu späteren Überraschungen führen, dass auch immer wieder Verweise auf menschliche Grundbedürfnisse gesetzt werden, die manch unsicheren Zuschauer dazu bringt, das Gesehene als lächerlich einzuordnen, um es auf diese Weise verarbeiten zu können.
Gerade weil „The Green Inferno“ die alten Filme und deren Wirkung nicht imitiert und weil er Fortführungspotenzial zeigt (nicht zuletzt durch die Andeutung einer Fortsetzung), weil er sich nicht zu schade ist, mit fragwürdigen Szenen zu experimentieren und weil er dennoch Tiersnuff außen vor lässt, ist er durchaus härter, spannender, subversiver, unterhaltsamer, eben besser als sein Ruf.