Denn stell ik meins auch mal ein...
“Masters of Horror” nennt sich die neue Kreation von Stephen King-Stammregisseur Mick Garris und serviert sein vielversprechendes Konzept, indem er den potenziellen Zuschauer beinahe so persönlich ins Gebet nimmt wie es William Castle bei seinen dreidimensionalen Kinoveranstaltungen tat. Man hört seine Stimme fast schon unheilverkündend durch ein Megafon zittern: “Shocking Terror, The Scariest Thing You’ve Ever Seen, You Will Never Forget This Day.”
Einige der besten Horrorregisseure unserer Zeit sollen sich verbündet haben, um frei von jeglichen Auflagen 13 erschreckende Geschichten jenseits unserer Vorstellungskraft zu realisieren. Wenn das nicht einen automatischen Reflex bei jedem Horrorfilmfan auslöst, was dann?
Nun liest sich die Darstellerriege nicht unbedingt als das Who is Who des modernen Horrorlexikons. John McNaughton, Lucky McKee... wer ist das? John Landis? Hat der nicht “Blues Brothers” und “Die Glücksritter” gedreht? Und William Malone... Moment mal... ist das nicht der Mann, der für “House on Haunted Hill” und “Feardotcom” ordentlich Kritikerschelte bekommen hat?
Aber wenn man sich schon auf Artenvielfalt bei der Realisierung der Folgen einigte, sollte man vielleicht - trotz der fragwürdigen Bezeichnung der vorliegenden Anthologie - auch dieses Dogma ausblenden. Die stärksten Impulse kommen schließlich oft aus jenen Regionen, die man vorher nicht auf der Rechnung hatte...
Cigarette Burns
John Carpenter, der knallehrlich von sich behauptet, seinen Namen auch unter filmischen Abfall zu setzen, wenn denn nur genug Geld dabei herausspringt, verpflichtet sich mit “Cigarette Burns” erneut einem Indiz für den kommerziellen Ausverkauf: dem Selbstplagiat. Der letzte gute, aber bereits unterschätzte Film Carpenters dürfte vor gut 10 Jahren “Die Mächte des Wahnsinns” gewesen sein, eine ausdrucksstarke Parabel auf den Gewalteinfluss von Medien.
Jener Film ist es, der Pate gestanden haben muss für “Cigarette Burns”. Carpenters Beitrag verändert das Konzept nur unwesentlich, indem er das Medium wechselt; diesmal ist es kein Schriftsteller, dessen Ergüsse die Konsumenten wahnsinnig macht; es ist ein Film.
Die qualitative Feste seines Beitrags bleibt dadurch natürlich bestehen; es bleibt nach wie vor ein raffiniertes, doppelbödiges Spiel mit Medien und Zensur, der die Sittenwächter einige Zeit beschäftigen dürfte, bis sie sich dann wieder auf die extrem heftigen Splattereinschübe stürzen. Von denen hat “Cigarette Burns” mindestens zweierlei zu bieten, die folgerichtig in Deutschland auch der Schere zum Opfer fielen.
Handwerklich findet Carpenter beflügelt durch die faszinierende Thematik zu alter Stärke zurück und inszeniert eine humorlose, düstere Kreuzung aus Neo Noir und Horror. Zugleich steht die brennende Frage im Raum, wie wohl ein Film aussehen möge, der seinen Betrachter zum Durchdrehen bringt. Die Indizien wie ein echter Engel, der als Sammlerstück eines reichen Filmfanatikers am Leben erhalten wird, werden eingestreut wie Relikte aus unvorstellbaren Dimensionen.
Doch wird schließlich die goldene Regel des Phantastischen Filmes gebrochen, nicht zu zeigen, was man wirkungstechnisch nicht zu zeigen imstande ist. Zuviel wird von “La Fin Absolue Du Monde”, dem ominösen Werk offenbart, dessen uneinschätzbare Aura augenblicklich gebrochen wird, sobald man Ausschnitte desselbigen zu Gesicht bekommt. Dabei hätte es gereicht, das Flackern des Bildes zu zeigen, reflektiert in den entsetzten Augen des Publikums, untermalt mit auditiven Signalen.
Insofern bleibt ein handwerklich geglückter Kurzfilm mit einer starken Grundidee, die in diesem Fall nur leider wie ein Remake vergangener Tage anmutet. Jäger auf der Suche nach Neuem werden ohne Beute zurückkehren.
Dreams in the Witch-House
Love hin, Craft her, Stuart hin, Gordon her... die altbewährte Verbindung zwischen dem wegweisenden Horror-Schriftsteller und dem einstigen Kult-Splatterregisseur ist eine schöne Sache, führt hier aber bestenfalls zu einer amüsanten, gewöhnlichen Gruselgeschichte mit einem sympathischen Hauptdarsteller. Ein Haus, mysteriöse Anwohner, ein mathematischer Winkel, ein Zimmer mit Dachschräge, eine Ratte mit Menschengesicht und eine böse Hexe sind Gegenstand dieses Mystery-Horrors, der mit Verweisen auf “Suspiria” und “The Shining” angereichert wurde. Schöne nackte Frauen, die sich innerhalb von einer Sekunde in runzlige Ungetüme verwandeln, sind der Alptraum eines jeden Mannes - in der Ehe vollzieht er sich tödlich langsam, Gordon bringt ihn kurz und schmerzlos auf den Punkt.
Nur ist das alles weniger erschreckend als gehofft. Eine richtig unbehagliche Atmosphäre will sich gerade wegen der eher unbedrohlichen Hexe (schwaches Make Up, schwaches Schauspiel) nicht einstellen. Der Rattenmann gefällt jedoch in Anlehnung an alte Fantasystreifen aus den 80ern - unter dem Mantel der Selbstironie. Die rettet dann auch manche Szene, wenn es storytechnisch mal wieder etwas zu abstrus wird.
Doch gibt es leider zu viele klischeehafte Einstellungen, bedingt durch einfallslose Regie; ein in Aufsicht gefilmtes Haus mit dem "zu verkaufen"-Schild im Vordergrund, ein Auto, das in eine Einfahrt fährt, alles Szenen, die man schon hundertmal gesehen hat. Uninspiriert plätschert alles vor sich hin, wird mitunter gar kitschig (violette Lichtstrahlen, die aus der Zimmerwand fließen; ein wie besessen betender alter Mann). Unter dem Strich nichtsdestotrotz ganz brauchbar, wenn man eine Alternative dazu sucht, mit der Fliegenklatsche die Zeit totzuschlagen.
Incident on and off a Mountain Road
Über eine unheimlich raffinierte und interessante Erzählstruktur bestreitet Don Coscarelli wohl eine der kurzweiligsten Episoden der ersten Staffel. Das Verweben der beiden zeitlich getrennten Handlungsstränge funktioniert auf faszinierende Weise und überrascht immer wieder mit kleinen Wendungen, bis schließlich ein unvorhersehbarer Plottwist wie ein Springteufel hervorschnellt.
Natürlich bedient sich der Macher von “Phantasm” dazu eines zeitgemäßen Trends, nämlich des Backwood-Terrorfilms. Dreist klaubt er sich allerhand verweste Opferleichen zusammen, pfählt sie vor eine Waldhütte und lässt das nächste Opfer auf einer einsamen Landstraße einen Unfall haben und von einer Art Boogeyman getrieben Richtung Hütte laufen. Während das vor zu noch nicht allzu weit entfernten “Wrong Turn”-Zeiten noch frisch war, muss man sich langsam Gedanken über das Verfallsdatum von dieser Art Horror machen, denn lange wird es nicht mehr dauern und er kann sich zu den Geistermädchen mit langen schwarzen Haaren gesellen.
Schön aber, wie das Klischee von der kreischenden Tussi, die panisch durch den Wald irrt, gebrochen wird - es ist eine tolle Sache, zu sehen, wie das Mädchen ganz ohne "Tough Girl"-Allüren (von wegen "starke Frauencharaktere" und so) knallhart zurückschlägt, aber ihre Aktionen komplett mit Realismus durchzogen bleiben - nicht jede Maßnahme will gelingen.
Wider Erwarten fährt Coscarelli ausgerechnet in der ausgelutschten Backwood-Behausung die volle Granate auf und überrascht mit einer stylishen, visuell-akustisch stimulierenden “Sirenen-Szene”, während ein Bohrer unschön zur Bedienung kommt. Der Bösewicht lehrt allerdings kaum das Fürchten, sieht auch fast genauso aus wie der erste Geist aus "Thirteen Ghosts", der wohl auch vom gleichen Darsteller verkörpert wurde.
Ach ja, und Angus Scrimm, der “Tall Man” aus “Phantasm” ist als verrückt gewordener alter Narr der absolute Oberhammer und die bis dato schrägste Figur in der Anthologie.
Chocolate
Einen eher enttäuschenden Beitrag liefert wenig überraschend der Chef selbst ab: Mick Garris. Es handelt sich um eine relativ uninspirierte Neuauflage des medial Begabten, dessen Sinne verrückt spielen und der sich so einer Frau verbunden fühlt und zufällig einen Mord miterlebt. Querfeldein über alle Genres hat man das schon gesehen, ja selbst die Wayans-Brüder haben die Idee schon für den Comedysektor verwurstet (“Senseless”). Die Tatsache, dass die Geschichte im Rahmen eines Verhörs erzählt wird, führt im Grunde zu nichts und verkommt damit zur bloßen narrativen Zierde - wie ein schöner Rahmen um ein hässliches Gemälde. Die Darsteller bleiben eher blass und eine Verbundenheit zwischen den beiden Fixpunkten der Story ist kaum zu erkennen, weil das ganze Ziel des Mannes zu sein scheint, die Frau von seiner verrückten Geschichte zu überzeugen. Daraus zumindest bestehen sämtliche Szenen und die Inhalte der Dialoge, was spätestens nach einer halben Stunde zur Tortur wird.
Inwiefern nun noch die Probleme der Hauptfigur mit seiner Familie in das Gerüst passen, bleibt auch unklar. Wenigstens sehen die egoperspektivischen Abschnitte ganz spannend aus. Den Kohl macht das aber nicht mehr fett.
Genau genommen ist es mit die schwierigste Aufgabe eines Filmemachers, dem Zuschauer die Sinneseindrücke der Fokusperson begreiflich zu machen; bei Garris hat man das Gefühl, er habe es nicht einmal versucht. Noch:
Sick Girl
“Sick Girl” beginnt relativ zahm. Lucky McKee sieht sich veranlasst, die Exzentrik einer Frau in aller Ausführlichkeit zu sezieren, die nicht nur lesbisch ist, sondern auch noch beruflich mit Käfern zu tun hat und deren ganze Wohnungseinrichtung von Exoten in Terrarien geprägt ist - sehr zum Unvermögen der entsetzten Mieterin mit ihrer unschuldigen, kleinen Tochter.
Zugegeben, ein bisschen Klischee ist darin begraben, doch Angela Bettis, deren Darstellung in Tobe Hoopers’ “Toolbox Murders” mir noch grausig in Erinnerung ist, füllt das Klischee mit einem einzigen Over-the-Top-Acting-Bausatz zum blühenden Leben. Mit ihrer verschrobenen Spielweise blüht das ganze Umfeld auf und obwohl Bettis eindeutig dem Overacting erlegen ist, wirkt die Chemie zwischen ihr und Partnerin Erin Brown (aka Misty Mundae) ehrlich und nachvollziehbar.
Ehe man sich's versieht, mutiert “Sick Girl” dann zu einem gemischten Salat aus Insekten- und Ekelhorror, Gesellschaftskritik, Liebesgeschichte und Experimentalfilm, der vorne und hinten absolut zusammenpasst. Die verschiedenen Ansätze, die alle angesprochen werden sollen, könnten etwas überladen wirken, sind aber jederzeit aufeinander abgestimmt. Die Figuren sind schön schrill, der Score trifft jederzeit ins Schwarze, der Spannungsaufbau stimmt und die Ideen in der Inszenierung - von einer wirklich innovativen “Monster Vision” bis zu einer kunstvoll in Szene gesetzten Traumsequenz - sprießen wie verrückt aus jeder Pore. Dabei hat die Folge mit richtigem Horror bis zum Finale ja gar nicht viel am Hut...
Deer Woman
Ich hab mich scheckig gelacht.
John Landis hat sich seine Berücksichtigung als einer der “Masters of Horror” ja im Grunde nur durch seine Arbeit an “American Werewolf” verdient. Zuvor und danach dominierten Komödien wie “Blues Brothers” und “Der Prinz aus Zamunda” seine Filmographie und damit ist ja schon abzusehen, was man von “Deer Woman” zu erwarten hat.
Und dann ist er da, dieser wahnsinnige Humor. Da werden die Überlegungen eines Ermittlers inszeniert, drei Wege, wie die Tat (ein Trucker wird in seinem Laster zerfleischt) abgelaufen sein könnte, mit jeweils total absurden Ausgängen - Stichwort “Killerrehkitz”. Da sind zwei gestandene Cops, die von einem Indianer darüber aufgeklärt werden müssen, dass die “Deer Woman” nur eine Legende ist und die Fabelgestalt, halb Frau, halb Wild, nicht wirklich existiert. Und da sind all diese köstlichen Dialoge, voll beißender Ironie, bei denen man am liebsten die Faust wie eine Säge vor- und zurückschnellen lassen möchte. Sicher, es waren ein paar Längen dazwischen, hier und da wird es mal etwas trockener und wenn man die entsprechenden Passagen in seinem Werwolfklassiker zum Vergleich heranzieht, kann “Deer Woman” in vielen Fällen einfach nur verlieren. Das liegt auch daran, dass die damals noch mit dem Humor in Verbindung stehende Radikalität durch die Verwandlungsszenen und die Attacken des Wolfes hier nicht vorhanden ist; alles, was man an Gore zu sehen bekommt, ist ein Wulst aus Fleisch bei der nachmittäglichen Begutachtung des Tatortes.
So sollte man “Deer Woman” vielleicht besser als Parodie auf die “Akte X: Monster of the Week”-Stories verstehen. Der Aufbau ist nahezu identisch und mal ehrlich, wenn der Ermittler kein zweiter Mulder ist, dann weiß ich auch nicht. Die Pathologin heißt "Dana" und hat sogar ein bisschen die gleichen Gesichtszüge wie Gillian Anderson. Dann Dialogzeilen wie "weißt du, normalerweise mache ich sowas nicht in meiner Freizeit" auf die Frage des Mulder-Verschnitts hin, ob er mitsamt Kollegen mal zum Tatort fahren wollen - das ist Akte X in Vollendung.
Ob so eine Episode nun in die "Masters of Horror"-Reihe gehört, ist wieder eine andere Frage. Rein horrortechnisch ist das Treiben ziemlich enttäuschend, da hätte noch mehr kommen können. Doch im Endeffekt ist das gar nicht so wichtig. Ein starker, weil herb ironischer Beitrag, übrigens mit einer “Deer Woman”, die wirklich zum Anbeißen ist - da bekommt man direkt Lust auf Wild.
Homecoming
Eine interessante und mutige Idee, die gnadenlos in den Sand gesetzt wurde. Man muss Joe Dante anerkennend zugestehen, dass er sich überhaupt an diese schwierige Thematik gewandt hat, aus typischem Horrormaterial ein Politikum zu machen.
Der Gedanke dahinter erscheint plausibel: Der Zombie ist ein willenloses Geschöpf, dessen Existenz von sinnentleerter Natur ist. Tot, aber dazu verdammt, wie Lebende umherzuwandeln, einen Zweck verfolgend, den sie nicht erfüllen können. Der Vergleich mit der Wählerschaft liegt da nahe: Individuen, die per Gesetz zwar dazu berechtigt sind, ihre Stimme abzugeben, die sich aber einem gigantischen politischen Apparat ausgesetzt sehen, auf den sie keinen Einfluss haben.
Nun - das regierungskritische Potenzial wird unter sterilen, möchtegern-satirischen Dialogen begraben, extrem unsympathische Figuren bestimmen den Verve der Folge. Dante fehlt jegliches Gespür, die Parallelen zum Zombie-Genre plausibel erscheinen zu lassen. Der humoristische Ton ist merkwürdig entrückt, was sich gerade in jenen Momenten bemerkbar macht, die Situationskomik transportieren sollen - wenn etwa der erste Zombie wählen geht und die verdutzte Wahlhelferin ihm den Weg zur Wahlkabine weist.
Die Zombies sind Make-Up-technisch noch auf "Dawn"-Niveau (Original-“Dawn”, wohlgemerkt) und handeln extrem uninteressant. Kurioserweise ist man sich darüber sogar im Klaren, wird dieser Umstand doch sogar in den Dialogen auf den Arm genommen (“Ich wünschte, diese verdammten Zombies würden endlich mal die Gedärme von jemandem fressen.”).
Die Botschaft ist schon angekommen: Die Toten werden zum Leben erweckt und sobald sie den Zettel in die Urne geworfen haben, fallen sie wieder tot um. Zweck erfüllt, haha. Aber Dante würde ich schon manchmal ganz gerne fragen, was er sich dabei gedacht hat, als er "Homecoming" inszenierte. Andere hätten aus dem Stoff Welten bauen können...
Jenifer
Es könnte stark abhängig sein vom Betrachter, wie man Argentos Beitrag aufnimmt. Fakt ist, das Drehbuch ist eine wahre Katastrophe, denn sobald der Cop die im Gesicht entstellte Blondine davor bewahrt hat, von einem Wahnsinnigen zerhackt zu werden, weiß man um das Ende der Geschichte Bescheid.
Die Story ist also schon mal erschreckend vorhersehbar und in der Folge dann noch mit allerhand Logiklöchern gespickt. Die Entscheidung der Hauptfigur (Steven Weber), Jenifer in sein Haus einzuladen und dafür seine Familie zu verlieren ist schlichtweg nicht nachvollziehbar - schon gar nicht, nachdem das anhängliche Ding dabei erwischt wird, die Innereien der Hauskatze in sich hineinzuschaufeln (und darüber noch glücklich zu grinsen).
Warum ich dennoch Gefallen gefunden habe an diesem Beitrag? Die Darstellung der Jenifer ist vom behaviouristischen Standpunkt aus wahnsinnig interessant und - hier kommt das Paradigma der Serie ins Spiel - ziemlich creepy. Der extrem attraktive Körper und dann die hässliche Entstellung des Gesichts. Die Anlehnung an die menschlichen Grundtriebe - Liebesbedürftigkeit, Verlangen nach Sex, Hunger, Neid, Gier, das Suchen von Geborgenheit - kombiniert mit animalischen Verhaltensweisen - macht in der Summe ein extrem verstörendes Gesamtbild. Die Sexszenen (hier tatsächlich künstlerisch notwendig, auch in der Häufigkeit!) entstehen fließend, beiläufig und natürlich getrieben durch einen der primären Grundinstinkte eines jeden Lebewesens. Ein immer lauter werdendes Grunzen Jenifers verdeutlicht deren totales Fokussieren auf den Sexualakt, in diesem Moment fern von Abstrakta wie Liebe oder Zuneigungssehnsüchte.
Der Gorefaktor ist extrem krass und ziemlich konsequent und die Reminiszenz an "Frankenstein" (kleines Mädchen wirft Blumenblüten ins Wasser) passt auch sehr gut ins Schema, da “Jenifer” von einer Kreatur handelt, die instinktiv auf ihre Umwelt reagiert und im klassischen Sinne die totale Unschuld verkörpert. Sie wird von ihrer Natur getrieben und dafür an den Pranger gestellt. Und so zerfahren das Skript auch sein mag, das halbmenschliche Wesen im Zentrum hat mich dort überzeugt, wo das Negativ “Incident On and Off a Mountain Road” versagte - bei der Figurenzeichnung. Schade, dass das auch vice versa für das Drehbuch gilt.
Dance of the Dead
Psychedelisch anmutendes, anarchisch-chaotisches Endzeitszenario, das durch die sehr sinneslastige Darstellung der wie im Vorbeiflug geschehenden Ereignisse zwar auf den ersten Blick äußerst interessant wirkt, auf Dauer allerdings ermüdet. Dazu trägt der penetrante Death Metal-Score bei, der einfach nicht zur Ruhe kommen will, sowie die fast schon Tony Scott-esken Bildmanipulationen, die in der Häufigkeit schnell selbstzweckhaft wirken.
Weiterhin ist der Inhalt unter der vielblättrigen Fassade altbekannt und abgegriffen, denn Tobe Hooper erschafft leider kein eigenständiges Gesellschaftsbild, sondern orientiert sich weitestgehend an der Filmgeschichte und übernimmt alle altbekannten, fast schon klischeehaften Manierismen einer am Ende gesellschaftlicher Ordnung stehenden Menschheit. Außerdem ist der titelgebende "Dance of the Dead", also das Tanzen von zombieähnlichen Menschen per Starkstromgerät, eine etwas merkwürdige Art, den Endzeit-Hedonismus zu vermitteln.
Die Darsteller, meist junges Fleisch, hampeln herum und overacten sich um den Verstand; nur die Protagonistin steht diesem Trend entgegen und zieht sich (wenn auch mit Hilfe ihres hübschen Gesichts) ganz achtbar aus der Affäre. Robert Englund wirkt als Anheizer in dem Metal-Schuppen ein wenig fehl am Platz, was aber in den Szenen jenseits seiner Entertainer-Rolle aufgewogen wird - hier handelt er wie ein Clown, der nicht ernstgenommen wird und seinem Assistenten den Kopf abbeißt, um zu demonstrieren, wie ernst er in Wirklichkeit sein kann.
"Dance of the Dead" hat seine seltenen Momente, zweifellos, aber weniger wäre hier klar mehr gewesen, im Sinne von: Weniger Chaos, mehr Substanz, bitte.
Imprint
Takashi Miike ist verantwortlich für einen Beitrag, der die komplette erste Staffel gnadenlos überstrahlt mit einem brennenden Licht, das die restlichen Beiträge zu kleinen Häufchen Asche verwandelt. Ein abgestorbener Ginkgobaum mit wehenden Bändern vor einem Horizont, der in grünes Licht getaucht ist und vor dem sich ein rotblau gefärbter Fluss bewegt, ist nur eines der Panoramen, die sich im Japan des 19. Jahrhunderts an einem Geisha-Bordell auftun. Eine Bildgewalt, die ihresgleichen sucht.
Mit der charakteristischen Geduld führt Miike den Zuschauer behutsam in eine Kultur ein, die für sich genommen schon befremdlich genug ist. Wenn man dann mit den sadistischen Folterfantasien konfrontiert wird, die sich plötzlich wie ein schreckliches Geheimnis lüften, ist man in einer Totenstarre gefangen. Man kann den Blick kaum abwenden von den Gräueltaten, die da aufgrund eines vermuteten Diebstahls geschehen, und die weniger Strafe für die Verurteilte sind, sondern vielmehr Befriedigung für die Urteilssprecherin, die es deutlich genießt, Nadeln unter die Fingerkuppen oder in das Zahnfleisch ihres Opfers zu schieben.
Der Aufbau ähnelt “Audition”, mit dem Unterschied, dass die Absurditäten diesmal bereits in eine Welt einbrechen, die durch das Phantastische schon bestimmt ist. Das ermöglicht Miike subtile Andeutungen von Horror - wie ein plötzlich erscheinendes aschfales Gesicht hinter der Erzählerin - wo man in einer weniger märchenartigen Umgebung vielleicht schon einen konkreten Schockeffekt wahrgenommen hätte. Die grotesken Erscheinungen wirken nicht von Natur aus fehlentrückt und schockierend, denn in dieser Umgebung akzeptiert man sie bis zu einem gewissen Grad, der jedoch immer wieder überschritten wird, um Abgründe menschlichen Handelns teilweise symbolisch entstellt zu manifestieren.
Mit diesem Rezept gelingt Miike der wohl beste Beitrag der ersten Staffel, ein Fest von Schmerz und Pein, appellierend an ureigenste Emotionen und emotionale Abarten - zwischen der Liebe zu einer Frau, Gewalt und Inzest, Abtreibungen, Sadismus, Masochismus, Freundschaft, Isolation und Zerstörung.
Pick Me Up
Ein Anhalter und ein Truckfahrer killen sich getrennt voneinander durch Touristen und anderes ahnungsloses Volk, das die Backwoods Amerikas durchquert. Als sich die Wege der beiden Schlächter kreuzen, kommt es zum Kampf um den Titel “König der Straße”...
Ganz ehrlich, ohne Witz, mein voller Ernst: Genau dieses Konzept habe ich mir mal irgendwann unter der Dusche aus Spaß durch den Kopf gehen lassen.
Wer hierin jetzt eine Einleitung für einen saftigen Verriss vermutet, der sieht sich getäuscht - immerhin bin ich schwer von mir selbst überzeugt und so hat es mich sehr begeistert, dass offenbar noch jemand auf die gleiche Idee gekommen ist und mal beide Seiten der Medaille betrachtet, nachdem es zuvor immer entweder ein Anhalter oder ein Fahrer war, der sich als Psycho entpuppte.
Der populärste Vertreter der Gattung dürfte “The Hitcher” sein und es ist Ehrensache, dass dieser auch in mindestens einer Szene zitiert wird (manteltragender Killer steht angeknockt vom Asphalt auf) und man sich trotz Waldumgebung auch darauf ausrichtet, dessen Atmosphäre zu erreichen (ohne, dass dies gelingen würde, versteht sich).
Dabei ist die Handlung mit Absicht überzogen und gepflastert mit bewusst eingesetzten Klischees, was “Pick Me Up” auch ein Stück weit zur Hommage macht.
Kein Zweifel besteht daran, dass die beiden Killer bzw. Ihr Schau- und Zusammenspiel der glänzende Höhepunkt der Folge ist. Ganz besonders Michael Moriartys Leistung (spielt den Trucker) zergeht auf der Zunge. Die herrlich rauchige Intonation verbunden mit dem fast gleichgültigen, müden Blick zieht in ihren Bann, und die optische Ähnlichkeit zu Anthony Hopkins führt zur Nachstellung der legendären Improvisation in “Das Schweigen der Lämmer”, in der Hopkins nach dem “Chianti”-Satz mit der Unterlippe zittert wie eine Klapperschlange. Da ist es schnell geschehen, dass man mal vor freudiger Überraschung aufquiekt. Warren Kole, der in manchen Einstellungen wirkt wie ein junger Woody Harrelson, hält gut mit und gibt eine nette Vorstellung irgendwo zwischen Norman Bates (“Psycho”-Anspielung ist auch enthalten), dem von Jack Noseworthy gespielten Billy aus “Breakdown” und Antonio Banderas’ Miguel Bain aus “Assassins”.
Schade, dass Larry Cohen ausgerechnet dabei versagt, den beiden vortrefflich gezeichneten Killern ein hübsches Buffet zu servieren. Dabei hatte man mit Fairuza Balk schon ein saftiges Lendenstück, aber es ist geradezu unverständlich, was daraus gemacht wird. Zuerst wird sie ganz zu Beginn mal eben eingeführt und als sie dann (gefühlte) Stunden später endlich wieder auftaucht, hatte man sie beinahe schon vergessen.
Als sie dann aber ausgerechnet in einem Motelzimmer genau zwischen den beiden Killern eincheckt und auch noch wegen Ruhestörung (Sex?) an die Wand zum Nachbarn klopft (der verstümmelt gerade was), glaubt man, Cohen habe noch die Wende gekriegt. Aber die folgende Entwicklung enttäuscht dann wieder gnadenlos, zeigt sie doch keinerlei Kreativität im ultimativen Aufeinandertreffen der Killer und wartet dann auch noch mit einem unhaltbaren Plottwist auf. So verschenkt der spannende Ansatz leider massig Potenzial.
Fair-Haired Child
William Malone ist der Mann, der den “Dark Castle”-Produktionen gleichermaßen das Debüt und den besten Beitrag bescherte. Obwohl mit einem enttäuschenden Ende, ließ “House on Haunted Hill” William Castles Original mit allen Schikanen der modernen Filmtechnik wieder auferstehen und ich muss sagen, dass ich es damals beeindruckend fand, wie die Castleschen Sensations-Events auf neu getrimmt wurden.
Ob das nun die Aufnahme in den “Masters of Horror”-Zirkel rechtfertigt, sei mal dahingestellt, aber geht man die Liste der Regisseure durch, ist sowieso nur ein Bruchteil derer vorhanden, die man fast automatisch mit dem Horrorfilm in Verbindung bringen würde.
Dass es auf den Ruf aber auch gar nicht ankommt, zeigt “Fair-Haired Child”. Malone hat seine Chance zu 150 Prozent genutzt und hätte seinen Auftrag besser gar nicht erfüllen können. Im Fußball würde man das hundertprozentige Chancenverwertung nennen.
Klugerweise orientiert sich Malone voll und ganz an seinem Durchbruch. “Fair-Haired Child” wirkt schrill, spektakulär und doch angenehm altmodisch, denn alle Tricks und Kniffe von “House on Haunted Hill” wurden neu variiert - und da es sich damals um eine William Castle-Hommage handelte, wirkt der Kurzfilm ebenso. Da explodieren Blitze im Keller, der Wind rauscht, Blätter fliegen und ein grässliches Ungetüm mit Wasserkopf und leuchtenden Augen bewegt sich im Zeitraffer bedrohlich durch das Verließ, in dem ein Mädchen ausweglos eingesperrt ist. Eine Fleisch gewordene Geisterbahnfahrt, die der Regisseur mit beeindruckender visueller Stärke entfesselt.
Da ist es klar, dass für feingliedrige Storyelemente kein Platz ist. Ein simples Auferstehungsritual bildet den Rahmen, erfüllt aber seinen Zweck und die Fixpunkte sind konsequent über die komplette (knappe) Stunde verteilt. In der Folge bleiben Längen komplett aus, statt dessen erreicht Malone enormen Abwechslungsreichtum durch die schon früher liebgewonnenen Rückblenden in Schwarzweiß mit surrealen, ja absurd-verstörenden Fieberalpträume, denen diesmal das Kidnapper-Ehepaar aufliegt, das man auch mit jenem aus “Running Scared” in Verbindung bringen könnte.
Insofern bietet Malone das einzige richtige Horror-“Erlebnis” der ganzen ersten Staffel im Sinne von “Event” oder “Show”. Er demonstriert hier etwas, auf ganz pragmatische Weise, und kommt der eigentlichen Idee der “Masters of Horror”-Reihe damit womöglich am nächsten.
Haeckel’s Tale
Ohne Anlehnung an die Universal-Horrorfilme kommt offenbar keine Horroranthologie aus - also übertrug man John McNaughton die Verfilmung einer Clive-Barker-Kurzgeschichte um die Wiedererweckung von Toten ins Reich der Lebenden.
Das baut McNaughton zu einer atmosphärisch relativ dichten, stilistisch aber etwas unentschlossenen Gruselmähr in historischer Ausstattung um. Zu Beginn unmissverständlich an “Frankenstein” angelehnt, nennt man diesen im Rahmen der Folge beim Namen und ordnet die Geschichte des Wissenschaftler-Menschen Haeckel damit diachron in die Filmhistorie ein. “Haeckel’s Tale” findet kurz nach den Ereignissen statt und impliziert damit eine Steigerung zu Frankensteins grausigen Experimenten. Die soll in erster Linie durch Ekelszenen wie eine Gedärme-Fressszene (bei der man sich eine Inspiration durch den ursprünglich vorgesehenen George A. Romero bildlich vorstellen kann) oder Sex mit lebenden Leichen, tropfende Päderasten, untote Hunde (mit Assoziationen zu “Die Fliege II”) oder Zombie-Babys erreicht werden, und das macht einen etwas zwiespältigen Eindruck.
Doch die Ausstattung hilft über manches Defizit hinweg und bereitet ein zufriedenstellendes Sehvergnügen mit herbstroten Farbfiltern, alten Gerätschaften und Kostümen. Die Darsteller schlagen sich alle achtbar aus der Affäre und eine gewisse Hochwertigkeit kann man dem Beitrag nicht absprechen.
Zeitweise beweist McNaughton sogar seine Stärken als Regisseur; die Szene, als Haeckel in Obhut seiner Gastgeber einschläft, kurz aufwacht und zunächst die hübsche Elise (Leela Savasta) am Fenster beobachtet, kurz darauf dann ein Gespräch zwischen ihr und ihrem Mann (Tom McBeath) im Nebenzimmer durch die geöffnete Tür mitbekommt, ist von einer dichten Atmosphäre voller latentem Unbehagen bestimmt - auch wenn die restliche Inszenierung der Episode an diesen kleinen Hochmoment nicht ganz anknüpfen kann.
Folgend entwickelt sich ein leicht konfuser, aber niemals uninteressanter Verlauf, der später mit der typischen moralischen Essenz einer “Tales from the Crypt”-Episode aufgelöst wird - ein wenig schwarz und freilich wenig erfreulich sein Ende nehmend. Als Plottwist funktioniert dieses Ende nicht, höchstens als angenehme Erinnerungen an Vorgängerserien der “Masters of Horror”.
So unterschiedlich die Episoden sein mögen, so fest scheint die Gesamtqualität der ersten Staffel zu stehen. Wie meine geschätzten Kollegen McHolsten, Moonshade, Mr. Hankey und StS vor mir komme ich in der Gesamtbetrachtung trotz teilweise erheblicher Wertungsdifferenzen bei den einzelnen Folgen auf einen Gesamtschnitt von (in meinem Fall sogar glatten) 6/10.
Der erste Durchlauf erweist sich als leicht überdurchschnittlich und weiß einige Lichtblicke aufzuweisen, hat aber mindestens ebenso viele Ausrutscher nach unten zu verwalten. Das Etikett versprach viel und hat leider nicht alles gehalten. Besonders diejenigen, die sich rückblickend auf ihre Karriere tatsächlich “Master of Horror” schimpfen dürfen, zeigten sich eher uninspiriert. John Carpenter wiederholte sich selbst und zehrt nur von der starken Grundidee hinter “Die Mächte des Wahnsinns”, Dario Argento lieferte in Sachen Episodenaufbau eine der schlechtesten Folgen ab und hat lediglich Glück, mit “Jenifer” eines der faszinierendsten “Monster” der Serie aufbieten zu können. Tobe Hooper derweil bestätigt seinen Ruf, nach “Texas Chainsaw Massacre” im Grunde nicht mehr viel auf die Beine gestellt zu haben und Joe Dante versagt an einer unlösbar erscheinenden Aufgabe.
Dass man manchmal besser fährt, wenn man auf Nummer sicher geht, beweist nämlich William Mallone: Der machte aus seinem begrenzten Kreationstalent einfach alles und wirft eine perfekt funktionierende Effekteshow in die Runde. Sich selbst treu blieb auch John Landis mit dem vortrefflichen Humor aus “Deer Woman”. Lucky McKees “Sick Girl” ist ein Musterbeispiel von miteinander harmonierenden exotischen Zutaten und den Vogel schießt ausgerechnet Vielfilmer Takashi Miike ab mit einer Episode, die sich alleine visuell von allen anderen deutlich abhebt und in Sachen Intensität noch ein Dutzend Säcke Kohle nachheizt. Der überwiegende Rest spielt sich im Durchschnittsbereich ab und bietet meist solide Unterhaltung ohne Innovation. Wenn die Grenzen auch weniger ausgelotet wurden als man sich nach der ausgerufenen Prämisse erhofft hatte, so ist Season 1 doch eine interessante, weil kontroverse Angelegenheit geworden, die einen zweiten Gang unbedingt erfordert.