“the Damned Thing”
(Season 2, Episode 1)
Regie:
Tobe Hooper
Darsteller:
Sean Patrick Flanery, Brendan Fletcher, Marisa Coughlan, Alex Ferris, Ted Raimi, …
„Should I be scared?“
„No. There´s no need to be scared – that only makes it worse.“
1981. Die Stimmung ist fröhlich am heimischen Esstisch der Familie Reddle, und nach dem Abendbrot zieht sich Mom gemeinsam mit dem kleinen Kevin in die Küche zurück, um dort Dad´s Geburtstagstorte den letzten Schliff zu verpassen. Den ganzen Tag schon hatte draußen ein kräftiger Wind übers Land gefegt, ohne dass ein Tropfen Regen fiel – doch drinnen ist alles gemütlich, harmonisch, schön. Das Strahlen in den Augen des Kindes zeugt davon, dass zwischen diesen Wänden die Welt in Ordnung ist – noch. Plötzlich tropft eine schwarze Substanz von der Decke, ein besorgter Blick nach oben lässt einen dunklen Fleck erkennen. „They found me“, meint der Vater kurz darauf, als er (sichtlich erschüttert) den Raum betritt. Ehe klar wird, auf wen oder was er sich bezieht, reißt er die mitgeführte Schrotflinte hoch und schießt seiner Frau in die Schulter, die nach hinten gegen die Wand schleudert, von dieser abprallt und auf dem Küchenboden liegen bleibt. Die nächste Ladung trifft sie aus nächster Nähe in die Bauchgegend, welche förmlich explodiert und die Linse der den Verlauf schonungslos einfangenden Kamera buchstäblich mit einem Schwall roten Blutes besudelt. Nachdem er sich aus seiner entsetzten Starre lösen kann, flüchtet Kevin hinauf in den ersten Stock, dann durchs Fenster raus ins Freie – von seinem Dad verfolgt, der sich wie Nicholson in „the Shining“ aufführt, bloß statt einer Axt ein Gewehr in Händen. In einem Baum kauernd, beobachtet der Junge im Anschluss entsetzt, wie sich sein geliebter Erzeuger langsam nähert, welcher geradezu verzweifelt in die Nacht hinein schreit, dass es nur zu seinem besten wäre – bis er auf einmal innehält, von einer unsichtbaren Macht in die Luft gehoben, hin und her geworfen, aufgerissen sowie ein gutes Stück weit ausgeweidet wird. Als die grausam zugerichtete Leiche wieder zu Boden fällt, legt sich der Sturm – und zurück bleibt ein traumatisiertes Kind…
Mit „the Damned Thing“, der Adaption einer sehr kurzen Geschichte des berühmten amerikanischen Autors Ambrose Bierce aus dem Jahre 1894, welche man übrigens auf verschiedenen Seiten im Internet lesen kann, startet „Showtime´s“ erfolgreiche „Masters of Horror“-Anthology in die zweite Runde. Bierce, der im US-Bürgerkrieg für die Unionsarmee kämpfte und später weltweit als Journalist, Korrespondent und Schriftsteller zu Ansehen gelangte, verschwand um 1914 während der Mexikanischen Revolution spurlos in jenem Land, wo er sich im Umfeld Pancho Villa´s aufhielt – vermutlich wurde er hingerichtet. Seine gezielte Beobachtungsgabe lässt sich in seinen Werken wiederfinden, welchen er häufig eine zynische, satirische Note verlieh. Im Horror-Bereich findet er oftmals in einem Atemzug mit Edgar Allen Poe Erwähnung, bestimmte Arbeiten weisen untrügliche Ähnlichkeiten mit dem Stil H.P.Lovecraft´s auf – etwa die Kunst, eine Handlung erstaunlich intensiv in der ersten Person, also aus einer direkten Perspektive heraus, zu erzählen. Diese Pilotfolge ist ausgerechnet ein Produkt jenes Gespanns, das in der vorherigen Staffel die recht unebene Episode „Dance of the Dead“ ablieferte, welche vielerorts wenig Anklang fand, mir persönlich allerdings ganz passabel gefiel – nämlich Tobe Hooper (Regie) und Richard Christian Matheson (Skript). Eine 1:1-Umsetzung des Ursprungsmaterials, welches aus zusammengefügten Berichten und Journal-Auszügen besteht, wäre gewiss zu einer schwierigen Angelegenheit verkommen – aus diesem Grund verlegte Matheson die Geschehnisse in die Gegenwart, fügte eine Reihe neuer Ansätze hinzu und gab Tobe zugleich die Gelegenheit, zumindest inhaltlich dorthin zurück zu kehren, wo seine Karriere einst begann…
Cloverdale, Texas. Trotz der brutalen Vorfälle ist Kevin (Sean Patrick Flanery), inzwischen selbst über 30, seiner Heimatstadt treu geblieben und gar zum Sheriff der Gemeinde gewählt worden, welcher er und sein Partner Derek (Brendan Fletcher) ehrenhaft dienen. Auf den ersten Blick hat er sein Leben vermeintlich (erneut) im Griff – und dennoch lassen die Erinnerungen an jene Nacht keinen Frieden in seinem Innern einkehren, sondern begleiten ihn stets, was die Ehe zu seiner Frau Dina (Marisa Coughlan) zerbrechen ließ, welche nun mit Sohn Mikey (Alex Ferris) in einem Trailer wohnt, während Kevin noch immer in seinem Elternhaus lebt, das er, im Zuge seiner kontinuierlichen Paranoia, mit diversen Kameras, Monitoren und Leuchtstrahlern bestückt hat. Ihm ist bewusst, dass er sich jenem Alter nähert, in welchem sein Vater damals durchdrehte – dementsprechend verunsichern ihn die eigenen Gedanken und Sorgen. Je näher dieser unausweichliche Termin rückt, desto stürmischer wird das Wetter, makabere Visionen scheinen kommendes Unheil anzukündigen. Die Bewohner des Örtchens werden fortan von einer unbändigen Rage ergriffen, welche sie teils gegen sich selbst, partiell auch gegen andere ausleben – grausame Suizide und Morde sind die Folge. Bald treten ebenfalls andere Mächte auf – eine im Rahmen eines Unfalls halb durchgerissene Frau sagt vor ihrem Tode beispielsweise noch aus, dass die Straße „zu Leben erwacht“ sei, unbändige Wut mündet in anarchistischer Gewalt. Ähnlich einer Plage breitet sich dieses Verhalten aus – selbst der Pastor (Ted Raimi) bleibt nicht verschont und sucht verzweifelt nach einem Schuldigen, den er schließlich in Kevin findet: Wie es sich herausstellt, hat sein Großvater beim Bohren nach Öl etwas zutage gefördert, welches seither jeden Nachkommen in speziellen zeitlichen Abständen heimsucht und dabei alles im betreffenden Umfeld auslöscht. Er spürt, wie sich das „Ding“ beständig nähert – und der Drang steigt immer stärker in ihm auf, diesen bereits auf die nächste Generation vererbten Fluch endgültig zu brechen, um vielen Menschen Unmengen an Schmerz und Leid zu ersparen. Solange es einen Reddle auf dieser Welt gibt, wird das Morden weiter gehen…
Dem Prolog von „the Damned Thing“, welcher übrigens den bislang stärksten Einstieg aller „MoH“-Beiträge markiert, gelingt es spielerisch, den Zuschauer augenblicklich zu packen: Meisterlich umrundet die Kamera die speisende Familie, beinahe wie eine sie beobachtende Präsenz, wodurch ein ungemütliches Gefühl erweckt wird, welches, obwohl jene eingefangenen Bilder nie zur Ruhe kommen, wie die Stille vor dem Sturm anmutet und aufgrund der vorherrschenden Idylle ein beklemmendes Gewicht erhält: Die anschwellenden Geräusche des Windes, der schwarze Fleck, im Kontrast zum Vorbereiten des Kuchens und der freudigen Erwartung, diesen zu überreichen – und dann ein fragender, unsicherer Moment, gefolgt von dem schlagartigen Gewaltausbruch sowie dem daraus resultierenden reißerischen Chaos-Zustand, welcher in einem verstörenden Anblick gipfelt. Anschließend wird das Tempo geschickt zurückgefahren, die Charaktere treten in den Vordergrund und erhalten genau die richtige Dimension an Raum, um sich bündig und zugleich ausreichend zu etablieren. Die Stimmung ist permanent angespannt, die Atmosphäre düster und unheilschwanger, der Spannungsgrad steigt nach dem „Reset“ am Ende der Eröffnung ebenmäßig an und wird erst beim Einsetzen des Abspanns wie von einer Schere abrupt abgeschnitten. Um direkt auf diesen Punkt einzugehen: Im Finale werden wir mit einer CGI-Manifestation des Bösen konfrontiert, welche die Form einer aus Öl zusammengesetzten Kreatur besitzt – weniger wäre (mal wieder) mehr gewesen, die unsichtbare Bedrohung war deutlich wirkungsvoller. Der daran anknüpfenden Sequenz gelingt es aber, dass man diesen Eindruck fast sofort verdrängt und gespannt auf das achtet, was noch ansteht: Die Ereignisse spitzen sich abermals dramatisch zu…und brechen auf ihrem Höhepunkt blitzartig ab. Die Credits rollen, man giert nach mehr – egal ob nun fünf oder fünfzehn Minuten, bloß doch bitte einen Tick zusätzliche Zeit! Natürlich wird sie einem nicht gewährt. Etwas unbefriedigend, dieser atypische Ausklang, zugegeben – allerdings in dem spezifischen Kontext, dass es sich um eine Pilot-Episode handelt, eventuell ein cleverer, Appetit anregender Schachzug…
Das Spotlight gehört Sean Patrick Flanery (TV´s „the Adventures of Young Indiana Jones“/„Boondock Saints“) hier über weite Strecken ganz allein – als gebrochener Anti-Held liefert er eine hervorragende Performance ab, welche die Balance zwischen Verzweiflung und innerer Kraft ansehnlich zu vermitteln vermag. Das Abgleiten in den Wahnsinn hätte man meiner Meinung nach getrost etwas intensiver gestalten können, denn irgendwann vollzieht sich diese Wandlung relativ zügig, aber aus dem vorhandenen Material holt Sean, trotz einer eher zurückhaltenden Annäherungsweise, viel heraus. Leider offenbaren sich bei genauerer Betrachtung einige kleine Schwächen seitens des Skripts im Umfeld der Gestaltung seiner Figur: Zwar handelt er aktiv auf der Basis seiner Vorahnungen und Vergangenheit, doch an zentralen Stellen ruft er einen merkwürdig passiven Eindruck hervor, der verwundert. So übersieht er auffällige Parallelen des eigenen Verhaltens zu jenem seines Vaters, selbst wenn Dina´s Reaktionen unstreitig darauf hinweisen, nahezu alle Informationen erfährt er aus diversen Quellen (z.B. von einem Arzt, Reporter oder alten Zeitungsausschnitten), denen er über den Weg läuft, ohne dass er rege nach diesen Antworten geforscht hat – und das nach mehr als 20 Jahren in dem Bewusstsein, dass dieses Schicksal ihn unweigerlich einholen wird. Brendan Fletcher („Freddy vs Jason“/„Ginger Snaps 2&3“) spielt einen netten, simpel gestrickten Deputy, der davon träumt, ein erfolgreicher Cartoonist zu werden, nur ist sein schöpferisches Aushängeschild, eine Comic-Gestalt namens „Mickey the Rat“ (wie Mickey Mouse, nur dass er singt), kaum originell genug, um eine Traum-Karriere zu starten. Fassungslos muss er zusehen, wie seine Umgebung in einem Strudel aus Gewalt versinkt – Brendan verkörpert dieses Gefühl treffend. Marisa Coughlan (TV´s „Boston Legal“/„Gossip“) ist eine hübsche Dame und spielt Kevin´s Frau glaubwürdig, erhält allerdings erst im letzten Drittel forderndere Szenen zugesprochen, in denen sie glänzen kann. Ted Raimi („Skinner“/„the Attic Expeditions“) hat mir in seiner Nebenrolle nicht so gut gefallen, denn (wie gewöhnlich) neigt er zum Over-Acting – den Priester, welchen die Begebenheiten um ihn herum regelrecht mitreißen, hätte man ernst sowie tendenziell tragisch anlegen sollen, was entweder nicht geschah oder angesichts Raimi´s Verpflichtung vernachlässigt wurde. Obwohl sich die Charakterentwicklung insgesamt in Grenzen hält, ruft das nachvollziehbare Verhalten der Leads eine Verbindung hervor, welche bewirkt, dass sie einem keineswegs egal sind.
Dieses Mal verzichtet Tobe Hooper („Poltergeist“/„Lifeforce“) auf das „Dance of the Dead“-Editing-Stakatto und geht die Sache etwas ruhiger an, was der Atmosphäre auf jeden Fall dient. Vornehmlich in grünliche Farbtöne getaucht sowie von Cinematographer Jon Joffin ansprechend eingefangen, musste Vancouver als Texas-Ersatz herhalten – doch dank typischer Themen (Religion, Raffinerie-Tätigkeiten), spitzfindig platzierter Accessoires (wie Flaggen), ausgewählter Locations und einer konvenablen Musikuntermalung funktioniert die Illusion perfekt. An und für sich ist Tobe´s Inszenierung eher routiniert bzw solide als irgendwie herausragend oder außergewöhnlich, was aber vorliegend kein Manko darstellt, da das Drumherum stimmt. Die Jungs von „KNB“ trumpfen mal wieder mit dem auf, was sie am besten können: Gore galore! Abgerissene Gliedmaße, heraushängende Gedärme, blutige Schusswunden und (vor allem) ein Zimmermann, der urplötzlich beginnt, sich mit seinem Hammer selbst den Schädel einzuschlagen, nur um kurz inne zu halten, das Werkzeug umzudrehen und dann die andere (spitze) Seite dafür zu nutzen, sich die Haut vom Gesicht zu schaben! Die Tötungen sind grausam, direkt und extrem effektiv – zusätzlich gibt es gar eine nette „Night of the living Dead“-Hommage zu entdecken. Hut ab! Richard Christian Matheson´s („Sole Survivor“/„Full Eclipse“) Drehbuch ist beileibe nicht perfekt – dafür mangelt es in gewissen Bereichen schlichtweg an Originalität und Tiefe – allerdings begeistert es durch die harmonische Verknüpfung unverkennbar literarischer Eigenschaften der Vorlage mit zeitgemäßen Themen sowie „Creature Feature“-Elementen. Auf der Basis von Bierce´s Grundgerüst, dessen ursprünglicher Ton (ungeachtet aller Veränderung) zu erkennen bleibt, erschuf er eine passende neue Mythologie, welche gekonnt politische Ansätze mit der geologischen regionalen Beschaffenheit verbindet und daraus interessante Untertöne generiert, wie dass die rücksichtslose kommerzielle Ausbeutung der Erde unter bestimmten Voraussetzungen bzw Umständen zu Gier, Abhängigkeit und/oder sogar Gewalt führen kann – der „Fluch“ wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben, was sich ebenfalls auf die Rohstoff-Problematik (begrenzte natürliche Ressourcen) übertragen lässt. Leider bleiben einige Chancen, die „Öl-Thematik“ auch auf andere Bereiche auszuweiten, ungenutzt (u.a. bleibt ein Auto wegen Benzinmangel stehen…Ölprobleme wären da entsprechender gewesen), was geringfügig schade ist – dafür verwöhnen einen vereinzelte Dialogzeilen á la „
Everybody I’ve ever met has a Wound, one way or the other. The Thing is: You´ve got to sew it up good and tight, or otherwise it’ll just keep opening – and one Day you’ll bleed to death“, welche man in dieser Qualität sicher nicht grundsätzlich von einer Serie dieser Art erwarten darf.
Fazit: „the Damned Thing“ markiert einen gelungenen Start in die zweite „Masters of Horror“-Season – eine atmosphärische, blutige, unterhaltsame Angelegenheit, die Lust auf mehr macht…