28 Weeks Later
Originaltitel: 28 Weeks Later
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: GB/E
Regie: Juan Carlos Fresnadillo
Darsteller: Robert Carlyle, Rose Byrne, Jeremy Renner, Harold Perrineau, Catherine McCormack, Imogen Poots, Mackintosh Muggleton u.a.
Ein Haus in einem idyllischen Stück England. Darum herum üppige Wiesen. Es ist ein schöner Tag. Doch Moment. Das Haus ist komplett verbarrikadiert. Kein Lichtschein fällt in sein Inneres. Hier schart sich eine kleine Gruppe Menschen um einen Esstisch. Pasta gibt es. Wie die Tage davor auch. Doch keiner beklagt sich. Da hämmert etwas gegen die Tür. Eine Kinderstimme erbittet Einlass. Vorsichtig öffnet man die Tür, lotst den Jungen ins Innere des Hauses und bietet ihm zu essen an. Der Junge berichtet von den Strapazen der letzten Zeit und wie er von "ihnen" gejagt wurde. Auf einmal lässt er einen wichtigen Satz fallen: "Sie" seien ihm gefolgt, wohin er auch geflohen sei. Unruhe macht sich breit. Eine Frau linst vorsichtig durch eine Lücke in dem Bretterverhau vor dem Küchenfenster. Was nun auf der Leinwand explodiert, ist das perfekteste Stück Terrorkino der letzten Jahre, das den Zuschauer fordert, ihm alles abverlangt und in einem befreiten Aufatmen endet, wenn alles mit einem "Scheiße, Scheiße, Scheiße" endet.
Und "Scheiße" ist genau das, was man als Zuschauer nach dieser Szene ebenfalls denkt. Man wird wieder ruhiger, der Puls geht runter und das Auge nimmt dankbar jedwedes Bild an, das ihm einen Hort der Ruhe bietet. Denn 28 Weeks Later setzt nicht nur handlungstechnisch an dem starken Vorgänger 28 Days Later an sondern auch inszenatorisch. Doch wer glaubt, von dem Vorgänger her schon alles in Richtung Wackelkamera zu kennen, der wird sich bereits in den grandiosen ersten 10 Minuten erstaunt die Augen reiben. Doch ich greife vor ...
Wie meine kleine Einleitung angedeutet hat, ist die Zombieplage in England noch nicht beendet. Doch wie bei manch anderen wirklich ernsten Problemen bietet auch hier das simple Aussitzen der Situation eine echte Alternative. Denn irgendwann ist England leergefressen. Es gibt keine Bevölkerung mehr und scheinbar erklärte sich auch kein Land bereit, die armen Zombies per Luftbrücke mit Essen zu versorgen. Die logische Konsequenz. 28 Wochen nach dem Ausbruch des Virus in der I sind alle Zombies elendig verhungert und scheint man den auslösenden Virus im Griff zu haben! Unter der Schirmherrschaft der Amis (unter wem sonst?) beschließt man, England erneut zu besiedeln. Nach und nach siedelt man einstmals evakuierte Menschen wieder in England an. Darunter auch die Kleinfamilie Harris. Der Vater hatte einst die Attacke diverser Zombies überlebt und sich in ein amerikanisches Auffanglager retten können. Die Kinder fuhren vor dem Ausbruch des Virus in eine Jugendherberge auf dem europäischen Festland und wurden dann freilich nicht mehr ins Land gelassen. Endlich kann sich die kleine Familie wieder in die Arme schließen. Doch jemand fehlt. Genau, die Mutter. Der Vater berichtet den Kindern, er habe sie sterben sehen. Eine kleine Notlüge, hat er sie doch einst schmählich im Stich gelassen. Doch wie so oft kommt die Wahrheit auch hier ans Licht, denn die beiden Kinder brechen eines Tages auf, um ihr altes Haus noch einmal zu besichtigen. Hier wohnt seit einiger Zeit ihre Mutter! Quicklebendig! Und doch infiziert! Man verbringt sie in die Quarantänezone und will untersuchen, warum sie immun gegen den Virus zu sein scheint. Als sich der Vater heimlich zu seiner Frau schleicht und sie küsst, passiert, was passieren musste. Er wird infiziert und das Virus bahnt sich erneut seinen Weg durch das frischbesiedelte London ...
28 Weeks Later bebildert in der übergeordneten Handlung im Grunde das, was 28 Days einst weitgehend ausgeklammert hatte. Den Virusausbruch, die Ohnmacht der regulierenden und regierenden Stellen, die Panik, das Grauen und den puren Terror, der sich überall Bahn bricht. Hier greifen dann vor allem die gängigen Horrorklischees. Es wird gemetzelt und geballert, was das Zeug hergibt, dazwischen sterben einige Menschen und irgendwann beschließt man, dem Chaos zu entkommen. Ab hier regiert dann die unerbittliche Konsequenz des Streifens, der dem Zuschauer nun nahezu in jeder Horrorszene eine echte Identifikationsfigur raubt. Wer zu Beginn des Filmes meint, er wisse, wer diesen Streifen eigentlich überleben muss, wird sich ein ums andere Mal sehr überrascht umschauen, denn das Drehbuch macht wahrlich keine Gefangenen. In einem weiteren Subtext geht es um eine kleine Familie. Einst getrennt durch den Ausbruch des Virus und hart geprüft durch die scheinbare Dezimierung um ein Mitglied, wächst die Familie kurz zusammen, nur um gleich wieder aufs Grausamste getrennt zu werden. Am Ende stehen zwei Kinder, die von ihrem zombiefizierten Vater gejagt werden, der sie zu einer glücklichen Zombiefamilie wiedervereinen will. Das mag jetzt ein wenig trashig klingen, ist es aber im fertigen Film wirklich nicht. Dennoch funktioniert genau diese Substory nicht so wirklich, weil der Junge der Familie einfach unerträglich ist (zu dem Thema Kinder in Horrorfilmen sage ich an dieser Stelle lieber nichts mehr, außer: Die haben da nichts zu suchen, verdammt noch einmal! Ich will keine neunmalklugen Kiddies vor Zombies wegrennen sehen! Nie!) und obendrein Robert Carlyle hier und da als Familienoberhaupt extrem danebenhaut und auch durchweg sehr unsympathisch rüberkommt, was es schwer macht, mit diesem Storypart auch nur ansatzweise warm zu werden. Glücklicherweise schwelt diese Storyingredienz immer nur unterschwellig vor sich hin und tangiert den grandiosen Panikteil nur wenig!
Dieser sitzt auf den Punkt und hat einige absolut geniale Momente in petto. Gleichermaßen ist er aber auch ein gewaltiger Prüfstein für das Publikum. Denn Regisseur Juan Carlos Fresnadillo orientiert sich - wie bereits angedeutet - inszenatorisch gewaltig am Vorgänger und toppt diesen obendrein mühelos. Die Folge ist eine vollkommen entfesselt umherwackelnde Kamera, die dem Zuschauer in den hektischeren Momenten (von denen es einige gibt) jedwede Orientierung nimmt und es fast unmöglich macht, zu erkennen, was da eigentlich gerade auf der Leinwand passiert. Dazu kommt eine exorbitant hohe Schnittanzahl und eine daraus resultierende, rasend schnelle Montage und schon ist man als Zuschauer darauf angewiesen, mehr seinem Gehör zu glauben, als dem Treiben auf der Leinwand. Inklusive des unheilvoll pumpenden Scores funktioniert dieses Stilmittel, das immer und immer wieder überstrapaziert wird und selten die Wirkung hat, die intendiert war, hier aufs Großartigste. Die Folge ist ein permanentes Gefühl der Verunsicherung und des puren Terrors, was dem Film eine Härte und Konsequenz verleiht, die man selten erlebt hat und die dem Zuschauer scheinbar den Boden unter den Füßen wegzerrt. All das kulminiert in einer unglaublich beklemmenden Atmosphäre, die nur extrem selten aufgebrochen wird und durch die aufgefahrene rohe, grobkörnige, immer extrem düstere Optik nur noch verschärft wird.
In diesem (ich nenne es mal) geordneten Chaos geht die sichtbare Gewalt ziemlich unter. Immer wieder einmal bekommt man zwar in extrem kurzen Momenten eine Ahnung von dem, was da gerade passiert und welches Körperteil sich gerade von einem Körper verabschiedete und das Ganze ist schon schön splattrig anzuschauen, doch wirklich etwas zu sehen bekommt man eigentlich eher selten. Und dennoch wirkt der Streifen wegen der oben beschriebenen Atmosphäre deutlich brutaler, als er ist, bis dann auf einmal eine der Splattereinlagen der jüngeren Kinogeschichte im Sehzentrum des Zuschauers implodiert. Die Hauptdarsteller: Eine Meute Zombies und die Rotorblätter eines Hubschraubers. Die darauf folgende Fusion aus CGI Shots und blutiger Handmade Effekte steht stellvertretend für die intelligente Verknüpfung beider Special Effects Bereiche in 28 Weeks Later. Am meisten beeindrucken dabei die präzise gesetzten und immer der Atmosphäre zuträglichen CGI Shots von dem kaputten, verdreckten und menschenleeren London. Grandios, was man hier gezaubert hat und was man für Bilder lanciert, die noch einen ganzen Zacken eindringlicher geraten als in 28 Days Later.
Inmitten dieser Demonstration eines atmosphärisch dichten, technisch perfekten Filmes geraten die Darsteller fast schon zu einer Randnote. Mehr noch, weil sie eben in diesem Film dem Zuschauer niemals all zu lange erhalten bleiben. Zwar ist es so schwer, wirklich mit den Figuren mitzufühlen, geschweige denn einen Bezug zu ihnen aufzubauen, doch die Bilderflut vermag so nachhaltig zu fesseln, dass man stärker involviert ist, als man aufgrund manch eher schwach gezeichneter Figur jemals gedacht hätte.
Das Ergebnis ist ein Lehrstück in Sachen Terrorkino. 28 Weeks Later hat Szenen, die wirklich ängstigen und die puren Horror verbreiten. Befreit um den Familienkontext wäre der Film nahe an der Perfektion gewesen, so ist er ein mehr als nur sehr guter Genrevertreter, der den 1. Teil meines Empfindens nach locker zu überflügeln versteht.
In diesem Sinne:
freeman