Filmtagebuch: Vince

Besucht die Filmtagebücher unserer Männer, eröffnet Euer eigenes Tagebuch oder diskutiert einfach mit.

Moderator: SFI

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 19.07.2016, 17:59

MarS hat geschrieben: Nehme ich mal deinen Kritikpunkt, dass die Autoren von "American Horror Story" damit überfordert sind einen runden Bogen hinzubekommen. Auch wenn ich das persönlich nicht so empfinde, muss genau dieser Vorwurf "The Walking Dead" doch viel massiver gemacht werden. Du selber schreibst doch, dass die Serie ziellos voran schreitet. Ein Bogen ist da nur schwer erkennbar. Davon abgesehen, dass Staffel 1 von "The Walking Dead" noch recht weit weg von einer Gesellschaftsdystopie war, funktioniert die Serie auch aus diesem Blickwinkel für mich nicht richtig.
Dazu muss man halt sehen, dass die Ziellosigkeit ja auch Teil des Konzeptes ist - dass es gerade darum geht, die Heimatlosigkeit und Unzugehörigkeit darzustellen und die fehlende Bindung zu Konstanten aufzuzeigen.
Ich habe oft eher das Gefühl, dass "American Horror Story" mit falschen Erwartungen betrachtet wird. Die Serie vertritt eher alten Horror und verbreitet ihren Schrecken durch bizarre Momente (gerne auch mit sexuellen Untertönen), Wahnsinn, permanente Umbrüche in der Stimmung und kurze sehr brutale Szenen. Gestern habe ich in der vorletzten Folge von Staffel 4 den "neuen" Meep gesehen. Da bin ich beinahe umgekippt. Nicht nur wegen der grafischen Darstellung, sondern auch, weil ich damit einfach nicht gerechnet habe. Das ist absolut irre, aber im positiven Sinn.
Ich sehe die Serie auch als bizarres Gruselkabinett, das sie amerikanische Geschichte des Horrors aufarbeitet, also so, wie sie m.E. betrachtet werden sollte, und kann sie unter dem Gesichtspunkt streckenweise auch genießen. Mir fehlt seitens der Drehbücher aber immer wieder die Konsequenz. Entweder man hält den Erzählrahmen durch oder man bietet absichtlich nur eine Collage aus allem möglichen; die Skripte sind mir hier irgendwo zwischen den Stühlen.

Ich verstehe aber natürlich, was du meinst. Endet halt wieder alles in der erwähnten Geschmacksfrage und lässt sich ab dem Punkt wohl auch nicht viel weiter durchargumentieren.

Benutzeravatar
MarS
Action Fan
Action Fan
Beiträge: 3052
Registriert: 28.08.2012, 10:55
Wohnort: Leipzig

Beitrag von MarS » 20.07.2016, 11:56

Alles gut. Du darfst auch gerne weiterhin deinen Spaß mit "The Walking Dead" haben Wir diskutieren dann bei der nächsten Staffel weiter. :wink:

Benutzeravatar
Elkjaer-Larsen
Kinderkommando
Kinderkommando
Beiträge: 883
Registriert: 10.07.2007, 03:12
Wohnort: Berlin

Beitrag von Elkjaer-Larsen » 20.07.2016, 13:08

LivingDead hat geschrieben:Also alleine ist er ja nicht! *meld* :wink:
Gleichfalls. Habe anfangs auch geätzt und mich dann eines Besseren belehren lassen, trotz nicht vorhandener Affinität zum Zombie-Metier allgemein. Finde die Jungs und Mädels schlichtweg nicht gefährlich genug.

Erhoffe mir von Staffel 6 so einiges. Finde, dass sich TWD kontinuierlich steigert.

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 21.07.2016, 18:18

So sieht das nämlich mal aus! ;)

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 07.08.2016, 12:21

Zoomania
Bild
Disneys jüngste Arbeit lässt nicht nur das vereinfachte Gut und Böse so vieler Superhelden-Animationsfilme der letzten Jahre hinter sich, sondern hievt den auf diesem Gebiet so oft verwendeten Tierfabel-Kniff auf ein zeitgemäßes Niveau. Äußerst aktuell reagiert das Studio mit seiner Darstellung einer bröckelnden Utopie auf das momentane Zeitgeschehen und nimmt dabei auch in Kauf, dass die Parabel als Werkzeug in gewissen Momenten an ihre Grenzen stößt, wenn die Realität sich als komplizierter und letztlich furchteinflößender erweist als diese Geschichte von Hase und Fuchs je sein könnte.

Dennoch lohnt sich die Inkaufnahme des Risikos einer inadäquaten Abbildung gesellschaftlicher Entwicklungen. Alleine das fantasievolle Design der Stadt ist die Erfahrung wert. Das bewusst irreale Nebeneinander unterschiedlichster Biotope zeigt dem Zuschauer in farbenfroher Pracht ein anzustrebendes Ideal des multikulturellen Lebensstils. Bei der Figurenanlage wiederum wird trotz des angestrebten Gemeinschaftsgefühls der Individualismus zelebriert. Obgleich die Tierarten mit gewissen Grundeigenschaften belegt sind (was besonders beim Faultier für eine Abfolge an Gags sorgt, bei denen man herzhaft lange auf die Pointe warten muss und bis dahin schon mal vorlachen kann), stehen gerade die beiden Hauptcharaktere für das Hervortreten aus den vorgeprägten Verhaltensmustern. Der an das Genre des Kriminalfilms angelehnte Plot sorgt für manch düsteren Moment und vielschichtige Wendung.

Ja, es scheint, mit Filmen wie diesen gelingt dem Computeranimationsfilm nochmals ein unerwarteter Entwicklungssprung – vom dualen Doppelbödigkeitsprinzip der frühen Pixarfilme, bei denen die Wahrnehmung des Kindes und des Erwachsenen sich noch auf völlig unterschiedlichen Ebenen abspielte, bis zur Verschmelzung dieser beiden Welten zu einer gemeinsam erlebten Dimension, die allerdings von beiden Zielgruppen mehr verlangt.
:liquid8:

Freaks Of Nature
Bild
In "Freaks Of Nature" haben Horror-Subgenres kein Anrecht auf Autonomie. Wild werden sie als Grüppchen in die Handlung geworfen, mit dem Ziel, ihre Zusammenkunft als absurden "Clash of Creatures" zu präsentieren.

Robbie Pickering hat es jedenfalls offensichtlich auf reines Chaos abgesehen. Alles, was in den letzten Jahren im Mainstream-Horrorfilm Rang und Namen hatte, bietet sich der Gruppe der Menschen nun als alternative Lebensweise an, namentlich Vampire und Zombies. Deren Mythologie wird mit vermeintlich hintersinnigem Humor demontiert, doch eigentlich lässt der unaufgeräumte Inszenierungsstil einfach nur an schlechte Spoof-Filme denken, auch wenn die Ziele im vorliegenden Beispiel spürbar höher hängen.

Verlassen kann sich die wirre Parodie immerhin auf das komödiantische Talent seiner Darsteller. Das Trio Nicholas Braun, Mackenzie Davis und Josh Fadem harmoniert ansprechend miteinander und wird von starkem Support der Marke Joan Cusack, Bob Odenkirk oder Patton Oswalt auf ein sehr solides Level getragen. Dabei haben die Akteure es sichtbar schwer, sich gegenüber dem mageren Drehbuch, dem hakeligen Schnitt und der zunehmenden Überfrachtung mit billigen Spezialeffekten durchzusetzen.

Davon abgesehen kommt der Film ein bisschen zu spät; selbst Parodien auf ausgelutschte Vampir- und Zombie-Pfade sind inzwischen nur noch dann zu ertragen, wenn sie herausragend sind. "Freaks Of Nature" ist, wenn überhaupt, allenfalls ambitioniert.
:liquid4:

Zoolander No. 2
Bild
Eigentlich ist "Zoolander 2" eine ähnlich dumme Komödie wie sein Ewigkeiten zurückliegender Vorgänger: Die gleichen bekloppten Visagen, vergleichbare Fremdschammomente und ein Haufen schwachsinniger Cameos. Man braucht prinzipiell eine gewisse Polung, um das witzig finden; vielleicht spricht die Kunstfigur Zoolander grundsätzlich Menschen an, denen Branchen suspekt sind, in denen Selbstdarstellung zur Kernkompetenz erhoben wird. In einem gewissen Rahmen wird das wieder bedient, wird doch mit jedem Gagversuch auf die Weltfremdheit und Isoliertheit der Modebranche abgezielt.

War der Film von 2001 jedoch ein direkter Kommentar zur dieser Branche und somit nicht ganz fehl am Platz, so ist der zweite Teil lediglich ein Kommentar zum ersten Teil; ähnlich wie der zweite "Dumm und Dümmer" ist er vor allem darauf aus, die Dümmlichkeit seiner beiden Hauptfiguren so deutlich wie möglich herauszustellen. Stiller hat dazu diesmal das Stilmittel entdeckt, seinen Film formell wie ein düsteres Comebackdrama wirken zu lassen, um jedes Klischee dieses Genres mit grenzenloser Debilität zu brechen. So wird Derek Zoolander (unter dem reichlich behämmerten Decknamen Eric Toolander) beispielsweise von seinem Agenten als Einsiedler(krebs) in einer verschneiten Hütte (in New Jersey) mit räudigen Vollbart (inklusive Strähnchen) brütend in seinem Sessel gefunden (während ihm freundlicherweise noch eine Netflix-Rental-DVD mitgebracht wird). Das ist schon ziemlich bekloppt, hat aber letztlich nur noch indirekt etwas mit dem ursprünglichen Sujet zu tun.
Als Zoolanders Sohn ins Spiel kommt, wird die Problematik nur noch verstärkt. Nicht genug damit, dass Kurzauftritte wie jene von Kiefer Sutherland ans Bizarre grenzen, erreicht der aus dem Nichts ins Skript geholte Nachwuchs nichts als ein ermüdendes Gegengewicht zum endlosen Fettnapf-Parcours des Vaters. Selbst bei Will Ferrells Guru mit Imperator-Zügen fehlt der Überraschungseffekt.

Ja, "No. 2" hat trotz alldem seine Momente; mit Benedict Cumberbatchs Cameo sogar einen ziemlich großen. Im Ganzen aber möchte man den Film eher nicht zum Bleiben einladen, nachdem er irgendwie einfach aufgetaucht ist, ohne dass man darum gebeten hatte.
:liquid4:

Regression
Bild
Dass der Suggestivthriller sich einer wahren Geschichte brüstet, ist nichts weiter als die Anlassnahme zu einer Abfolge surrealer Horrorsequenzen, in die man alles oder auch nichts hineininterpretieren kann. Den Zuschauer sollen sie verunsichern, zumal die Urteilsfähigkeit der Hauptfigur mit zunehmender Laufzeit verschwindet; wenn man die Taschenspielertricks jedoch ignoriert und sich von Anfang an auf den roten Faden konzentriert, ist es ein Leichtes, die Finten zu durchschauen.

Im Rahmen ist "Regression" ein Noir-Ermittlerfilm nach Vorbild von "Sieben", der seine Bildsprache jedoch eher mit dem jüngeren Genre-Gratwandler "Erlöse uns von dem Bösen" teilt. Farbfilter machen den Tag zur schwarzblauen Nacht, aggressive Kontraste überzeichnen die klaren Linien der Realität und Ethan Hawke fällt die Darstellung eines psychischen Wracks recht leicht – eine Leichtigkeit, die Emma Watson in der zweiten größeren Rolle nicht zufällt.

Alejandro Aménabar fährt inhaltlich schwere Geschütze auf, denn die Abläufe der dargestellten schwarzen Messen sind nichts für schwache Mägen. Ein wenig entsteht der Eindruck, als müsse man auf solch harte Stoffe zurückgreifen, um interessant zu bleiben. Trotz der prinzipiell ansprechenden Präsentation erscheint "Regression" dadurch stets gezwungen und kann nie in die Fußstapfen der großen Referenzen treten.
:liquid5:

Joy – alles außer gewöhnlich
Bild
David O. Russells Filmbiografie befasst sich den Vorgaben des Genres gemäß nur vordergründig mit der Person Joy Mangano, die als Erfinderin eines speziellen Wischmops auf den ersten Blick nur wenig an sich hat, an dem Hollywood interessiert sein könnte. Ihm geht es darum, aus ihrer Geschichte eine Perspektive zu schaffen, die offenbart, wie die Kreativität Einzelner vom Wellengang des immer harten, jedoch niemals fairen Wettbewerbs verschluckt werden kann und wie insbesondere Frauen mit einem Rollenbild konfrontiert werden, das sie in den ausgehenden 80er Jahren noch in einem Kostüm vor dem Herd stehen sieht, veranschaulicht durch unzählige Soap Operas, wie sie zu jener Zeit im Fernsehen liefen.

Gefühlt findet die Handlung aufgrund der glasklaren Rollenverteilung in den 50er, 60er oder allerhöchstens 70er Jahren statt, tatsächlich erlebte Mangano ihren Durchbruch jedoch in den 90er Jahren, einer Zeit, die noch auf der Zunge zu schmecken ist. Zugleich inszeniert er eine Frau, die selbst von ihrer eigenen Familie dazu domestiziert wird, sich als junge Frau mit der großen weiten Welt da draußen lieber nicht anzulegen, was von gut gemeinten Ratschlägen gar bis hin zur bewussten Manipulation reicht. Gerade dadurch gelingt es Russell, den Gerechtigkeitssinn des Zuschauers immer wieder empfindlich zu reizen.

Das Schauspielergespann um Lawrence, De Niro und Cooper hat sich unter dem Russell längst genug eingespielt, um alles herüberzubringen, was dieser wünscht; gerade die Hauptdarstellerin beweist im direkten Vergleich mit "Silver Linings" und "American Hustle" bewundernswerte Wandlungsfähigkeiten, auch wenn sie in der Schlussszene alle Klischees einer Filmbiografie bestätigt. Das liegt aber daran, dass "Joy" zwar stets auf der Suche nach dem besonderen Touch ist, nach Natürlichkeit und Ungezwungenheit, am Ende aber doch immer wieder auf bekannte Muster zurückgreifen muss, sei es, um Joy Mangano gerecht zu werden oder auch den Erwartungen des Publikums.

Obwohl sich "Joy" anders anfühlt als bisherige Werke des Regisseurs, so birgt er doch dieselben Stärken und Schwächen: Manchmal spröde und enttäuschend konventionell, in gewisser Hinsicht aber auch packend und dann wieder unangepasst.
:liquid6:

Monuments Men
Bild
Die Eroberung von Kriegsschauplätzen durch praxisfremde Kunstkuratoren lässt George Clooney natürlich nicht ohne Humorspitzen ablaufen. Spätestens als der "Monuments Men"-Schriftzug neben Bill Murrays Schelmengrinsen eingeblendet wird, ist ein lockerer Umgang mit schwieriger Kriegsvergangenheit beschlossen. Nicht zuletzt deswegen denkt man auch viel an "M.A.S.H.", wenn man diesen Film mit all seinen grünen Jeeps und feixenden Soldaten betrachtet.

Clooney selbst wirkt in seiner klein gehaltenen Rolle wie ein Moderator, der selbst noch nicht ganz darüber aufgeklärt ist, was in den folgenden zwei Stunden seiner Präsentation passieren wird. Obwohl die Reise der Kunstexperten über Pläne und viele Sicherheitsvorkehrungen gestaltet wird, erscheinen manche ihrer Routen regelrecht willkürlich. Sehr schön fotografiert und stets mit einem Auge für getragene Szenerien ausgestattet sind die oft an Originalschauplätzen gedrehten Aufnahmen, und doch entfleucht dem Regisseur manchmal das Geschehen vor der Kamera. Insbesondere die tragischen Momente möchten mit den komischen nur selten eine Allianz eingehen, selbst Verluste geschehen vergleichsweise unterkühlt, dafür jedoch auch ohne aufdringlichen Pathos.

Ein Produkt seiner Zeit ist "Monuments Men" jedenfalls nicht; er birgt keine dringliche Prämisse, die gerade jetzt Aktualität genießt und möglichst heiß und fettig serviert werden muss, und er bietet keine Stilmittel des Filmschaffens, der charakteristisch wären für diese Dekade. Unbedrängt bleibt ihm alle Zeit der Welt, um seine allgemeingültige, ohne Zweifel ehrbare Botschaft über die Wertschätzung des Erschaffenden (im Kontrast zum Zerstörenden) darzulegen, noch dazu unterstützt von einem Cast der Spitzenklasse. Das macht ihn zu einem zeitlosen Werk, das ebensogut in 20, 40 oder 50 Jahren noch Gültigkeit genießt. Schade höchstens, dass Clooney manchmal die erzählerische Stringenz fehlt, um zusätzlich zu dieser Zeitlosigkeit die Chance auf einen Klassikerstatus zu sichern.
:liquid6:


Dexter – Season 8
Bild
Verkrampfter Serienabschluss, eine Art "Dexter Origins", mit dem die einst so ambivalente Hauptfigur nicht nur überanalysiert wird, sondern letztlich fast noch zum Philanthropen mutiert. In den letzten beiden Staffeln ging es ohnehin schon verkrampft daher, in der achten Staffel bricht der Knoten sozusagen auf. Fast möchte man meinen, die ansehnliche Dora Madison Burge als Vince Masukas Tochter wurde für einen völlig nutzlosen Subplot extra engagiert, um als Eye Candy vom blödsinnigen Main Plot abzulenken, der in den letzten zwei Folgen einen gebührlichen Abschluss in der Metapher eines Sturms über Miami sucht. Einiger packender Einzelmomente zum Trotz: Schwaches Ende einer insgesamt wechselhaften, gerade dadurch aber auch so faszinierenden Serie, die in ihren besten Momenten nah dran war an den absoluten Spitzenserien.
:liquid4:

Shameless – Season 3
Bild
Und schon jetzt schwingen sich die in Staffel 2 so klug gesponnenen Familienbände doch wieder in Überspitzungen, die aus einer ausgewogenen Milieustudie wenigstens zeitweise unglaubwürdige Comic Reliefs herausholen anstatt glaubwürdiger Figuren. Zumindest die Vorgänge um Kevin, Veronica und deren Mutter sind nur schwer ernstzunehmen, obwohl gerade das Pärchen mit dem innigen Kinderwunsch bei den wichtigsten Sympathieträgern der Serie bleibt.

Auf Kurs bleibt hingegen alles, was sich um den zentralen Zweck dreht, den Gallagher-Haushalt beisammen zu halten. Hier wird die totale Überforderung Fionas immer noch sehr spürbar gemacht, ebenso wie ihre Selbstaufgabe, die sie ohne zögern zu geben bereit ist. Was dann an anderer Stelle wiederum nachvollziehbare Probleme verursacht... und so weiter. So spielt das Grundkonzept der Serie weiterhin seine Stärken aus, zumal die Schwerpunkte gegenüber der Vorgängerstaffel wieder angenehm variiert werden, ohne wichtige Figuren außer Acht zu lassen. Lediglich übertreiben es die Drehbuchautoren manchmal in der Zuspitzung des einen oder anderen Handlungsstrangs.
:liquid7:

Weitere Sichtungen:
Transporter: Refueled
The Forest
Star Trek Beyond
Codename U.N.C.L.E.
London Has Fallen
Ip Man 3

Benutzeravatar
MarS
Action Fan
Action Fan
Beiträge: 3052
Registriert: 28.08.2012, 10:55
Wohnort: Leipzig

Beitrag von MarS » 08.08.2016, 13:06

Vince hat geschrieben:
Freaks Of Nature
:liquid4:

Zwar hält man den Streifen irgendwie durch, er ist aber derb unlustig. Viele Witze sind einfach auf billigem American-Pie-Niveau und zünden überhaupt nicht. Wäre auch mal wieder cool, wenn mal nicht irgendwelche Nerds als Hauptfiguren patziert werden. Irgendwie ist der Drops inzwischen gelutscht.

Benutzeravatar
StS
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 28419
Registriert: 04.10.2005, 21:43
Wohnort: Harsh Realm, Hannover

Beitrag von StS » 08.08.2016, 13:09

MarS hat geschrieben:
Vince hat geschrieben: Freaks Of Nature
:liquid4:
Zwar hält man den Streifen irgendwie durch, er ist aber derb unlustig. Viele Witze sind einfach auf billigem American-Pie-Niveau und zünden überhaupt nicht. Wäre auch mal wieder cool, wenn mal nicht irgendwelche Nerds als Hauptfiguren patziert werden. Irgendwie ist der Drops inzwischen gelutscht.
Den will ich mir auch noch anschauen. Nicht wegen irgendwelcher Hupen oder so - sondern wegen Denis Leary, den ich seit meiner Jugend sehr schätze. Ich erwarte allerdings nicht sonderlich viel...

Benutzeravatar
freeman
Expendable
Expendable
Beiträge: 61547
Registriert: 12.12.2004, 23:43
Wohnort: Rötha

Beitrag von freeman » 10.08.2016, 09:26

Humortechnisch war ich bei dem in den ersten 30 Minuten echt geschockt, wie die Gags da komplett versanden. Sobald dann aber der eigentliche Storystrang am Rollen ist (also ordentlich Gekeile und Gekille) fängt sich der Film zum Glück. Ich weiß noch, wie ich nach 40 Minuten dachte: Warum nicht gleich so?

In diesem Sinne:
freeman

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 14.08.2016, 15:03

Ex Machina
Bild
Kumpelgehabe als Eisbrecher auf dem Weg in philosophische Untiefen, so positioniert sich das Vier-Figuren-SciFi-Kammerspiel "Ex Machina" in unerwartet edler Kulisse. Die Hi-Tech-Architektur so stark mit dem Grün der Natur kontrastierend, dass man draußen den Dreh eines neuen "Star Wars"-Abenteuers vermutet und jederzeit erwartet, dass plötzlich ein X-Fighter per Bruchlandung zum Stehen kommt, ohne das geschickt getarnte Laborat auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu nehmen.

Innerhalb der Mauern aus Glas und Beton jedoch geht es ungleich ruhiger zu. Mit feinem Strich wird die Grundlage für intensive Spannungen der Form Mensch – KI und Mensch – Mensch gesetzt. Oscar Isaac sorgt als bärtiger Hipster-Einsiedlerboss einer großen Entwicklungsfirma für oberflächliche Lockerheit, zwingt den angereisten Angestellten jedoch geradezu, mitzuziehen und sorgt so auf engem Raum schnell für eine beklemmende Atmosphäre. Der Angestellte zieht in jeder Beziehung mit, teilt aber lediglich beim eigentlichen Sujet aufrichtig die Euphorie seines Arbeitgebers. Seinem Wesen entsprechend lässt er sich zu Verhaltensanalysen und philosophischen Gedanken hinreißen, wird in diesem Bemühen jedoch stets von seinem Konterpart abgewürgt, der unter dem Strich nur eine aus den Innereien kommende Emotionsbeschreibung hören möchte.

Über interessante, gleichwohl spannende Thesen kommt der Film durch diese Konstellation leider nicht hinaus; entsprechend wenig Tiefe darf man aus ontologischer Perspektive erwarten. Gleichwohl wird Wert darauf gelegt, dass die Ereignisse in der sterilen Forschungsanlage nach Maßgaben des Spannungskinos funktionieren, ohne immerhin den Anspruch auf Seriosität zu untergraben. So sind erfreulicherweise zumindest keine Explosionen zu erwarten, kein Armageddon in den letzten Minuten und auch keine Terminator-Stalkerei. Bei Alicia Vikanders Maschinenmensch wird Wert gelegt auf eine subversive Verschmelzung der Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz. Nur daraus und aus der Unberechenbarkeit von Oscar Isaacs Figur erzeugt Alex Garland Spannung, teilweise unterstützt von Farbcodes (rote Alarmleuchten, weiße Wände etc.) und Schattenspiel.

So steht "Ex Machina" zwar zwischen den Stühlen des intellektuellen und des Massenkinos, geht aber nicht, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen – und ohne eine Fortsetzung anzudeuten, die normalerweise einen völlig anderen Weg einschlagen müsste.
:liquid7:

Der Sturm – Life on the Line
Bild
Als einer der gefährlichsten Jobs Amerikas hat der des "Lineman", eines Elektrikers für Stromtransportvorrichtungen, im Filmgeschäft noch relativ wenig Aufmerksamkeit erfahren. Allenfalls stößt man hier auf Dokumentationen wie "Storm Soldiers" aus dem Jahr 2013; ansonsten muss man schon 80 Jahre in die Vergangenheit reisen, um wenigstens auf "Slim" (1937) zu stoßen, in dem Henry Fonda sich unter den Linemen bewähren soll und ebenfalls mit einem Sturm konfrontiert wird.

Mag die Prämisse also auch noch so ehrenhaft sein, den Film führt sie mehrfach in die Bredouille. Wie um die Jahrzehnte verschenkter Möglichkeiten und somit den Rückstand auf den Beruf des Polizisten oder Feuerwehrmanns aufzuholen, wird die Gefahr am Mast von Hochspannungsleitungen regelmäßig überbetont, ohne dass David Hackl jedoch die visuellen Mittel hätte, den großen Worten Taten folgen zu lassen; so besteht John Travoltas erster Auftritt darin, wie ein Cowboy in einem typischen Rebellenfilm mit seinem Pickup angebraust zu kommen, unter dem mahnend-bewundernden "hey hey hey" seiner Kollegen. Dabei ähnelt seine äußere Erscheinung nicht nur der selbstironisch angelegten Rolle als Rocker in "Wild Dogs", sondern mit ein wenig Fantasie gar seinem haarigen "Battlefield Earth"-Alien – gleichermaßen tun es ihm seine Schauspielbemühungen nach. Im späteren Verlauf ist dann angesichts sich überschlagender Ereignisse gar vom "Armageddon" die Rede, einem Begriff, den Hollywood für immer mit Panoramaeinstellungen von Endzeitszenarien in Verbindung gebracht hat; hier jedoch sieht man im Rahmen der Optik einer TV-Serie nur einen Gegenstand im Hintergrund brennen, halb von Regen und Dunkelheit verschluckt.

Das Problem von "Life On The Line" ist nicht sein inszenatorisches Understatement, sondern die Tatsache, dass er trotz seiner begrenzten Mittel die ganz großen Gesten zu imitieren versucht. Das betrifft auch gerade die vielen Subplots, die den Countdown zum finalen Sturm mit Zwischenmenschlichem zu füllen versuchen. Als sich die Schicksale der Figuren schließlich so miteinander verknüpfen, dass ihr Handeln unmittelbaren Einfluss auf alle anderen ausübt, offenbart sich eine Konstruiertheit, die tatsächlich nur schmerzhaft mit anzusehen ist, insbesondere, da sie den falschen Pathos noch einmal zusätzlich untermauert. Dass das notdürftig zusammengestrickte Drehbuch auf dem Rücken einstmals erfolgreicher Darsteller wie Sharon Stone, Kate Bosworth, Julie Benz oder eben Travolta ausgetragen wird, passt ins Bild, ebenso wie die Beteiligung von Devon Sawa, der nach seinen Erfolgen mit "Die Killerhand" und "Final Destination" kaum mehr ein Bein in ordentliche Filmprojekte bringen durfte. Auch hier verschenkt er sich wieder als dummer Bursche mit dem Herz am rechten Fleck, der sich im Zusammenspiel mit dem Vater (bzw. in diesem Fall Onkel) der Frau, die er liebt, ins Klischee des ungeliebten Schwiegersohns verirrt. Schade, denn eigentlich ist Sawa, das zeigt er ansatzweise auch diesmal wieder, kein so schlechter, wie es seine Filme widerspiegeln.

Natürlich fehlt am Ende auch nicht die Texttafel (inklusive Spendenaufruf) und die Bilder der tödlich verunglückten Arbeiter schmücken den Abspann. Was "Life On The Line" hingegen trotz all seiner Ehrdarbietung für den Beruf versäumt, ist ein nüchterner, unverstellter Blick auf das Sujet, der es nicht erforderlich macht, Handlungsstränge krampfhaft zu verbiegen, um ein wenig Poesie in die Ereignisse zu bringen. Denn auch Spannung und Action machen nun nicht gerade so eine gute Figur, dass man alle anderen Unzulänglichkeiten deswegen vergessen dürfte.
:liquid3:

Weitere Sichtungen:
Hitman – Agent 47
Spartacus – War of the Damned
Batman v Superman – Dawn Of Justice (Extended Version)

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 11.09.2016, 08:31

Im Herzen der See
Bild
Ob Sherlock Holmes oder Moby Dick, den Zeitgeist scheint es in besonderem Maße zu reizen, alte Mythen in der Gegenwart zu verorten und sie der Prüfung durch die Realität auszusetzen.
Dabei inszeniert Ron Howard nicht gerade wie im Realismus verankert. Seine Bilder gleichen vielmehr der Malerei als der Fotografie, Fischerdörfer werden wie Idyllen im Gegenlicht inszeniert und ein türkisgrüner Stich filtert die letzten Eindrücke, selbst dabei gewesen zu sein, heraus.

Die mythologische Dekonstruktion findet eher bei den Motiven statt; so erfährt der Wal keine wirkliche Diabolisierung, vielmehr wird er als ungewöhnliche Kreatur dargestellt, die allerdings gemeinsam mit ihren Artgenossen gegen die Gefahr an der Wasseroberfläche ankämpfen muss und somit einen natürlichen Grund hat, das Boot zu attackieren.
Umspannt wird der Plot durch einen narrativen Rahmen aus der Zeit, als Melville zu seinem Roman "Moby Dick" inspiriert wurde. Das hat zu Vergleichen mit "Titanic" geführt, was auch insofern richtig ist, als dass sich "Im Herzen der See" genau wie "Titanic" irgendwo zwischen historischer Dokumentation und Legendenbildung befindet.

Für ein wirklich ausgewogenes Survival-Abenteuer allerdings fehlt im letzten Drittel die Ruhe. Der eigentliche Überlebenskampf, der von Hunger und Kraftlosigkeit geprägt war, wird wie im Zeitraffer zusammengefasst und letztlich nur angedeutet. Mit etwas mehr Sorgfalt wäre gerade hier eine größere Wirkung herauszuholen gewesen, auch wenn das bedeutet hätte, dass man ein kinounfreundliches Überlängenformat hätte in Kauf nehmen müssen.

So handelt es sich immerhin um ein edel gefilmtes Abenteuer zur See, dessen Kurzweil darüber hinwegsehen lässt, dass es weder dokumentarischen noch mythologischen Maßstäben genügend entsprechen kann.
:liquid6:

The Big Short
Bild
Beachtlich, an was für einen Stoff sich Adam McKay da herantraut – und dass man ihn seitens Paramount überhaupt gewähren ließ, da seine Vita bislang ausschließlich Regiearbeiten mit Will Ferrell als Hauptdarsteller vorzuweisen hat. In diesem Fall vertraut man ihm ein wenig mehr an, nichts Geringeres nämlich als die Finanzkrise ab 2007. Einen Börsen-, Banken- und Wirtschaftsfilm. Immerhin etwas, das ein wenig Grips verlangt.

Welch ein Glücksgriff eine solch unwahrscheinliche Paarung sein kann, beweist nun "The Big Short". "Der Große Crash" hat das Thema vor fünf Jahren ja schon ziemlich spannend aufbereitet, doch selbst dieses so packend inszenierte Drama kann nicht ganz gegen McKays Werk bestehen... weil es eben "nur" ein Drama ist. McKay hingegen durchbricht mehrfach die Vierte Wand und dringt in absurden Szenenbildern direkt zum Zuschauer vor, konfrontiert ihn mit seiner eigenen Uninformiertheit und reflektiert diese mit völlig absurden Erklärsequenzen. So bekommen wir beispielsweise von Selena Gomez beim Poker recht bildhaft einen Teilaspekt der Finanzkrise erläutert; über einen anderen belehrt uns Margot Robbie in einem Schaumbad, wohl wissend, dass sie uns vermutlich in einem Moment der Unaufmerksamkeit erwischt.

Und doch ist "The Big Short" keine alberne Schote, sondern eine temporeiche, multiperspektivische Annäherung an ein Wirtschaftsphänomen, das rückblickend vor allem eine Frage in den Raum stellt: Warum hat das keiner kommen sehen? Anders als "Der Große Crash" schickt "The Big Short" nicht etwa eine einzelne Identifikationsfigur vor, die langsam Schicht für Schicht aufdeckt, sondern eine bunte Mischung unterschiedlicher Mitspieler des Systems, die zwar alle auf ihre Art egoistische Motive verfolgen, jedoch deswegen noch lange nicht als Fieslinge dargestellt werden. Selbst dem herrlich schmierig auftretenden Ryan Gosling gewinnt McKay noch positive Aspekte ab, ganz zu schweigen von Christian Bale und Steve Carell, die Hervorragendes abliefern; aber auch die Nebenrollen sind stark besetzt, sei es nun Brad Pitt im Schluffi-Modus oder auch Finn Wittrock.
:liquid8:

The Interview
Bild
Dumm und naiv stellen Seth Rogen und James Franco den gemeinen Amerikaner dar, um der nordkoreanischen Führungsfigur Kim Jong-un auf Augenhöhe zu begegnen. Was natürlich nicht bedeutet, dass die amerikanische Dummheit am Ende nicht siegen würde, so wie sie es schon im Duell Homer Simpson vs. Frank Grimes in einer 1997er-Episode der "Simpsons" tat.

Mit dem South Park'schen Verständnis einer politischen Realität ohne doppelten Boden pfercht sich das verschworene Duo durch Szenenbilder, die ob der Undurchsichtigkeit der Grenzen zwischen Fiktion und Realität fast wie Mockumentary-Material aussehen, durchzogen von fragwürdigen visuellen Effekten und einer humoristischen Linie, die zwischen Gross-Out, billigen Kalauern und hintergründigerem Polithumor äußerst divergent ausfällt. Randall Park gibt den Führer Nordkoreas mit einer ausgeprägten menschlichen Note, inklusive geheimer Vorlieben für banale Dinge und einfachen Bedürfnissen, so dass nichts erwartet werden kann, das der Karikatur eines Zeitungscartoonisten vom Politteil gleichen würde. Vielmehr bedeutet Parks Darstellung eine Anpassung des unnahbaren, "arschlochlosen" Diktators in das kumpelhafte Rogen-Universum.

Das titelgebende Interview sorgt nicht unähnlich demjenigen aus Ti Wests "The Sacrament" für die große Pointe, mit der das vorangehende Abgehänge in einen neuen Kontext gerückt werden soll. Das funktioniert leider nicht ganz so gut wie noch beim vergleichbar aufgebauten "Das ist das Ende", weil sich die konfuse Regie weder auf Stil noch Tempo einigen kann und die potenzielle Wirkung des eigentlichen Interviews verpuffen lässt.

Nüchtern betrachtet also viel Rauch um wenig. Unfassbar eigentlich, dass so eine alberne Komödie alles zwischen den USA und Nordkorea dermaßen in Aufruhr versetzen konnte. Dabei ist sie schon heute allenfalls noch einen Kurzkommentar wert...
:liquid5:


The Gift
Bild
Hitchcock-Fans werden sich angesprochen fühlen, heißt es im Tenor. Das ist richtig, aber nicht nur wegen der stilistischen Verwandtschaft, sondern auch deswegen, weil Joel Edgerton sich in seinem Regiedebüt mit äußerster Vorsicht und Präzision bewegt, um keine schwerwiegenden Fehler beim Suspense-Aufbau zu riskieren. Das Ergebnis ist hochgradig spannend geraten, allerdings auch betont klassisch. Der geübte Zuschauer kennt bereits sämtliche Manöver des Debütanten. Keine der Wendungen reißt aus dem Konzept, "The Gift" ist keiner der Filme, die ihre Wand durchbrechen und etwas völlig Unvorhergesehenes tun.

Nun muss Thrill der alten Schule ja nichts Unangenehmes sein. Geschickt streut Edgerton kurze Szenen ein, die vermeintlich nichts bedeuten; ein grüner Sportdrink auf dem Küchentresen, ein Zettel am Kühlschrank, eine Wischbewegung über die beschlagene Glastür der Dusche. Später knüpft er solche Beiläufigkeiten entweder an geschmackvolle Jump Scares oder an Plotwendungen. All diese kleinen Dinge und mehr führen zu einer handwerklich äußerst souveränen Vorstellung. Auch die Ausstattung spielt dem selbst geschriebenen Drehbuch perfekt die Bälle zu, wenngleich eben auch hier die Klischees zuschlagen: ein gläsernes Haus für ein verwundbares Ehepaar, so gläsern, dass der bedrohliche Sonderling als Einzugsgeschenk unter anderem auch Glasreiniger mitbringt.

Edgerton persönlich spielt den subversiven Eindringling mit einer Mischung aus Harmlosigkeit und passiver Aggression wunderbar heraus, auch Rebecca Hall stellt den Wandel vom Arglosen ins Eingeschüchterte im besten Sinne Hitchcocks dar. Der eigentliche Besetzungsclou ist aber Jason Bateman. Der Experte für Komödien und Familienklamotten deutete zuletzt mit seinen ersten Regiearbeiten schon höhere Ansprüche an und auch Edgerton gibt ihm eine Rolle, die komplexer zu bewältigen ist, als sie zunächst scheint, was Bateman ideal umsetzt.

Zu harten Bandagen muss Edgerton nie greifen, fast wie aus dem Schneckenhaus dirigiert er sein Projekt. Zu übermäßig großen Ehren kommt man mit dieser Vorgehensweise nicht, aber es ist schon beachtlich, welche Intensität sich noch aus den jahrzehntealten Thrillermechanismen herausholen lässt.
:liquid7:

Shark Night
Bild
Wenn die Unterhaltung stimmt, ist man bei Teen-Horror gerne dazu bereit, viele Fragwürdigkeiten zu übersehen. Die Bereitschaft dazu hat sich sogar längst zum Kult gemausert; Trinkspiele etwa sind stets willkommen, wenn mal wieder ein dummes Opferlamm bereitwillig ins Dunkel zu seinem Opfer hoppelt.

Da ist es ein Leichtes, sowohl die zwielichtigen Beweggründe einiger Einheimischer rund um den Badesee zu schlucken als auch die schiere Tatsache, dass sich unzählige Arten von Haien in besagtem See aufhalten. Artenvielfalt hat jedenfalls noch selten geschadet. Der angepeilten Leichtkostunterhaltung tut es jedenfalls gut, nicht auf einen Angreifer angewiesen zu sein, sondern vom Bullen- über den Hammerhai bis zum Großen Weißen eine ganze Armada an Menschenfressern ins Rennen zu schicken.

Vermutlich hätte sich David R. Ellis für den letzten Film vor seinem Tod ein Werk von anderem Kaliber gewünscht, doch gemessen an den Ansprüchen ist "Shark Night" nicht der Totalausfall, als der er gerne bezeichnet wird. Die Haiattacken gehören vielleicht nicht gerade zu den größten Momenten des Horrorfilms; mal färbt sich bloß das Wasser rot, mal hüpfen die Fische wie Springteufel aus dem Wasser, um dem 3D zu gefallen. Jedoch inszeniert Ellis ungeachtet der jeweiligen Auflösung eine flotte Ereigniskette in hübsch gefilmtem Ambiente. Diese ist zwar stets holprig begründet und bei weitem nicht immer glaubwürdig, doch ist es nun auch nicht so, dass man wieder fröhlich baden ginge, nachdem die erste Attacke vorüber ist. Immerhin, es gibt flotte Motorbootverfolgungsjagden, drehbuchbedingt einige Spießwechsel und sogar eine dicke Explosion nach dem Duell Boot vs. Zapfsäule.
Das ist nun nichts, worüber man Romane schreiben müsste, aber doch immerhin größtenteils schmerzfreie Unterhaltung, die trotz Haien sogar noch Lust auf Urlaub am Badesee erzeugt.
:liquid5:

Ewige Jugend
Bild
Mit Müh und Not gelingt es Paolo Sorrentino, Anker in der Realität zu befestigen, indem er reale Personen wie Diego Maradona (Roly Serrano) oder Paloma Faith (sie selbst) in die Handlung streut. Der Drehort rund um einen Kurort in den Schweizer Alpen nämlich lässt den Ballon des Kunstfilmers in Sphären aufsteigen, die in Wes Andersons entrückten Mikrokosmen bestens aufgehoben wären. Anders gesprochen: Sorrentino bewegt sich auf einem schmalen Grat, ein authentisches Drama in Bildern wie von einem Gemälde aufzubereiten. Nicht uninteressant sind viele der handlungsbestimmenden Unterhaltungen allerdings, die sich meist um Betrachtungen des Vergangenen oder Abschätzungen der Zukunft drehen: Was hat man früher gemacht, wie wurde dies bewertet, welcher Mensch ist man dadurch geworden und wie geht man damit im weiteren Leben um. All diese Fragen werden aus den Augen zweier Künstler und Intellektueller betrachtet, eines Komponisten (Michael Caine) und eines Regisseurs (Harvey Keitel), die mit ihrem fortgeschrittenen Alter ebenso hadern wie mit ihrem Lebenswerk. Die Schweiz mit ihren Bergen, Wiesen und Thermalbädern wird so malerisch dargestellt, dass man sie für einen himmlischen Vorort halten könnte, ein Gleichnis auf das bevorstehende Jenseits.

Unmerklich wird die verkopfte Reflektion von Lebensphilosophien bald auf die Lebenspraxis angewandt. Kunstfertig arrangiert Sorrentino Traumsequenzen im Stil der alten Meister des Autorenfilms, die verschlungene Denkweise ihrer Träumer offenlegend; dann schälen sich die Ursprünge der Träume heraus. Brillant verknüpft der Regisseur das Abseitige mit dem Handfesten, wenn die Tochter des Komponisten (Rachel Weisz) ins Spiel gelangt, wenn der Komponist von einem Abgesandten der Queen wegen eines Jobs drangsaliert wird, wenn wir langsam dahinterkommen, was mit dessen Frau geschehen ist oder wenn der Regisseur bei der Planung seines neuen Films von der eigenen Entdeckung schwer enttäuscht wird. Viele kleine Dinge, die man isoliert betrachtet als prätentiös hätte empfinden können, werden in einen sinnvollen Kontext gesetzt und vervollständigen ein kleines Meisterwerk, das mehr beinhaltet als bloße Altherrenpoesie.
:liquid8: ,5

Preacher – Season 1
Bild
Mit seiner Comicherkunft hält "Preacher" nicht weit vor'm Berg – die unkontrollierten Panelexplosionen führen etwa drei bis vier Episoden lang zu dem Eindruck, dass die Auftaktstaffel sich ohne Sicherheitsleine und roten Faden einfach mal selbst auf die Menschheit loslässt und auch nicht so ganz genau weiß, wo sie dabei enden wird. Was nur insofern stimmt, als dass die Geschehnisse tatsächlich in Situationen münden, die man so nur schwer hätte kommen sehen. Ziellosigkeit ist deswegen aber noch lange nicht zu spüren.

Dominic Cooper hat mindestens in "The Devil's Double" schon ordentlich abgeliefert und ist einem größeren Publikum in den letzten Jahren möglicherweise in Filmen wie "Need For Speed", "Captain America" oder "Dracula Untold" am Rande aufgefallen; die Titelfigur macht er sich jedenfalls souverän zu eigen als nicht direkt sympathischer, aber doch angenehm kerniger Antiheld, der von etwas Unsichtbarem besessen ist. Joseph Gilgun hatte die abflauenden beiden Finalstaffeln der britischen Serie "Misfits" praktisch im Alleingang vor dem Untergang gerettet und bekommt hier völlig zu Recht eine weitere Chance, tiefer ins Rampenlicht zu rücken. Und Ruth Negga befindet sich auch gerade auf dem Durchmarsch, wenngleich man sich mit ihrer Figur womöglich am längsten anfreunden muss, bis es dann doch irgendwann klickt.
Ein Teufelstrio, das hier reichlich texanischen Staub aufwirbelt und eine Kleinstadt samt Kapelle ins Chaos stürzt. Die trashige Abfolge von schrägen Plotschichten erinnert ein wenig an die ersten drei "True Blood"-Staffeln, abzüglich deren Cheesyness, denn "Preacher" müht sich parallel um authentische Coolness ohne Geschmachte, Hausfrauenromantik und Edelkitsch. Gerne bedient man sich zusätzlich religiöser Motivik und vermengt sie mit Fantasy, die wiederum auf eine trockene Inszenierung an trockenen Drehorten trifft; "Legion" von 2010 hätte mit weniger Blockbuster-Lackierung genau so aussehen können.

Positiv fällt der Spannungsbogen auf: Mit jeder Episode multipliziert sich der Spannungsgrad praktisch, bis er in einen absoluten Antiklimax mündet, der sich einmal nicht zum Cliffhanger-Prinzip hinreissen lässt, sondern im geschlossenen Rahmen den Boden bereitet für weitere Schandtaten. Das muss nicht beinhalten, dass jeder Subplot zu einem sauberen Ende geführt wird; im Gegenteil, die meisten Charaktere schweben zum Ausklang der letzten Folge in einem Bett aus Fragezeichen und warten auf ihre persönliche Erfüllung, doch lässt gerade das auf weitere packende Konflikte hoffen.

Die zur Schau gestellte Art vogelfreier Inszenierungsweise muss man natürlich mögen, ebenso wie das hitzegeladene Setting. Die Comicseiten brennen aber lichterloh und es ist zu hoffen, dass schnell jemand weitere Hefte nachwirft, um das Feuer am Leben zu erhalten.
:liquid7:

Mad Men – Season 1
Bild
Es reicht eigentlich schon, sich einen alten Bogart-Streifen anzusehen, um zu erkennen, wie extrem sich das Gesellschaftsbild in den letzten Jahren verändert hat; doch mit der in den 60ern angesiedelten Serie "Mad Men" wurden Würfel in die TV-Geschichte geworfen, die sich dieser Veränderung ganz explizit widmen und sie bis ins letzte Atom sezieren.
Ironischerweise hat man von Angestellten der Werbebranche und ihrem Arbeitsfeld kaum ein anderes Bild als jenes, das hier gezeichnet wird: Progressives Denken um zwei und mehr Ecken, um den Endkunden gegen seine eigenen Emotionen auszuspielen, so etwas würde man ihnen auch heute noch zugestehen. Ein Büro allerdings, in dem den ganzen Tag geraucht, getrunken und sexuell belästigt wird und all dies sogar zum guten Ton gehört, so etwas würde heute ganz zweifellos zu einem anachronistischen Paralleluniversum und auf lange Sicht zur unvermeidlichen Implosion führen.

Interessant, dass die Serie die vielen Exzesse und die Objektisierung der weiblichen Sekretärinnen in Männerbüros nicht etwa deutlich verurteilt, sondern einfach trocken wiedergibt und die reine Differenz gegenüber zeitgemäßen Normen wirken lässt. Trotz ihrer ausgeprägten Domäne wirken die Männer rückblickend eher schwach, scheinen sie doch letztlich Opfer ihrer eigenen Macht zu sein; unter den Frauen indes, die sehr unterschiedliche Überlebensstrategien entwickeln, arbeitet schon die erste Staffel starke Charaktere heraus, auch wenn beispielsweise Elisabeth Moss oder Christina Hendricks auf diesem Weg viele Erniedrigungen über sich ergehen lassen müssen, die jedoch stets mit Fassung getragen werden.

Prägend sicherlich auch der papierne, stocksteife Look, der Jon Hamm durch Meetings und Seitensprünge begleitet, hin und wieder von der unwirklichen, knallbunten Fantasiewelt der Werbung unterbrochen. Trockene Dialoge bestimmen das Geschehen, führen meist zu Abschlüssen in Sachen Geschäft oder Sex. Der fremdkörperartige Einschub einiger Hippie-Elemente veranschaulicht die sich selbst verschlingende Weltansicht der Anzugträger von der Madison Avenue, alles nicht Zweckmäßige mit alienesker Neugier zu begutachten.
Der Plot wird bei alldem nicht zu streng verfolgt; gut so, denn die Auftaktstaffel vermeidet dabei einen allzu konventionellen Ablauf und lässt lieber das eigenwillige Szenario für sich arbeiten. Die Machenschaften im verqualmten Werbebüro sind für sich genommen schließlich spannend genug.
:liquid8:

Weitere Sichtungen:
Point Break (2015)
13 Hours – The Secret Soldiers of Benghazi
Knock Knock
The Hallow
10 Cloverfield Lane

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 14.09.2016, 07:01

Midnight Special
Bild
"Der große mit seinem außerirdischen Kleinen" trifft auf "Das Mercury Puzzle" mit der Atmosphäre der Spielberg'schen SciFi-Klassiker "E.T." und "Unheimliche Begegnung der 3. Art" sowie John Carpenters "Starman". Auch wenn diese Mischung gerade für einen geschmackssicheren Regisseur wie Jeff Nichols krude klingen mag – sie ist das logische Produkt des Bemühens, die irreale Atmosphäre seines meisterhaften Zweitfilms "Take Shelter" weiter zu ergründen.

Wiederum mit Michael Shannon in der Hauptrolle besetzt (weiterhin Joel Edgerton, Kirsten Dunst und Jaeden Lieberher), setzt "Midnight Special" viel darauf, philosophische Erkenntnisbrücken rein über die symbolische Darstellung von Schlüsselbildern zu erzeugen, die meist in Spezialeffekten ihren Ursprung nehmen – über einen Meteoritenschauer bei Nacht beispielsweise oder über das exzessive Finale, das die Realitätsdehnung zu etwas beinahe Göttlichem ausformuliert. Nichols steckt viel Energie in diese Momente, die sich in die Handlung einer regelrecht banal wirkenden FBI-Fahndung betten und Weltliches gegen Übernatürliches ausspielen, Licht und Leuchten gegen die gedämpfte Normalität.

Ungleich "Take Shelter" gelingt es ihm diesmal aber nicht, wirklich spannende Fragen damit aufzuwerfen. Das Kind als unschuldiges Gefäß einer von der ganzen Welt gejagten Wahrheit ist ein Stereotyp, das sich Nichols in dieser Deutlichkeit bislang noch nicht geleistet hat. Mit dieser schwierigen Ausgangssituation fällt dann auch die Bereitschaft, sich auf die Geheimniskrämerei einzulassen, auch wenn die Sparsamkeit mit erklärenden Details grundsätzlich eine willkommene Entscheidung darstellt. In gewisser Weise teilt sich "Midnight Special" die daraus resultierenden Probleme mit "The Fountain" von 2006, zumal Darren Aronofsky damals nach dem Erfolg von "Requiem For A Dream" mit einer ähnlichen Ausgangssituation konfrontiert war.

Man möchte den Film wegen seiner Ambitionen mögen, doch am Ende scheitert er am steifen Ausdruck seiner erzwungenen Bildabfolgen, denen der natürliche Fluss fehlt.
:liquid5:

The Shallows
Bild
Um jemandem etwas richtig zu vergrämen, muss man ihm erst einmal zeigen, wie schön es ist. Und so eröffnet Jaume Collet-Serra mit traumhaften Überkopf-Aufnahmen australischer Gewässer (die einen mexikanischen Strand doublen sollen), bald gefolgt von Surfszenen, die selbst bei Wassermuffeln eine tiefste Sehnsucht danach wecken, Wellen mit dem Surfbrett zu teilen. So gesehen handelt es sich wohl um den Sommerfilm der Saison.

Schon die Ankunft der Protagonistin am Strand kolportiert eine (in diesem Fall noch gewünschte) Einsamkeit; an dieser Schraube wird das Einpersonenstück auf beengtem Raum nicht mehr drehen. Weitere Darsteller stellen daraufhin lediglich Möglichkeiten aus der misslichen Lage. Ein erstes Zusammentreffen mit zwei einheimischen Surfern noch vor dem ersten Haiauftritt trüge in einem Film über menschliche Bestien bereits eine Menge Suspense in sich, insbesondere wenn man die anfängliche Überinszenierung von Blake Livelys Körper in Betracht zieht, doch diese kleine Finte verfolgt Collet-Serra nur kurz, bevor er einen packenden Zyklus aus Attacken, Beobachtungen und Chancennutzungen in Gang setzt.

Nicht zuletzt, da sich ein Großteil der Handlung auf einem flachen Felsen abspielt, der bei drohender Flut im Wasser versinkt, verweilt die Perspektive konsequent auf der Linie des Wasserpegels, ist weder deutlich darüber noch (wie beim unbekannteren Mitschwimmerprodukt "In The Deep" aus dem gleichen Jahr) darunter. Die Gefahr bleibt dadurch omnipräsent. "The Shallows" gehört zweifellos zu den packendsten Vertretern seiner Gattung seit einigen Jahren.

Der hohe Intensitätsfaktor hat aber auch seinen Preis. Die Darstellung des Großen Weißen, seines Verhaltens und der Wege, die sich das Skript mit der Zeit bahnt, pendelt zwischen gut belegtem Realismus und klaren B-Movie-Bekenntnissen. Ist seine Animation in den meisten Szenen als beklemmend realistisch zu bezeichnen, mag der Regisseur dennoch nicht auf manch prägnantes Schlüsselbild verzichten, etwa die Silhouette des Fisches in einer anrollenden Welle. Wird das aggressive und überaus hartnäckige Verhalten gleich über mehrere Aspekte begründet, die sich in der Handlung nach und nach ergeben, so werden spätestens zum Finale anthropomorphe Züge des Hais und eine auf Action ausgerichtete Inszenierung nicht mehr so konsequent vermieden wie zuvor. Mag es auch lange keinen derart packenden Haiauftritt im Kino gegeben haben, authentischere gab es zumindest mit "Open Water" und "The Reef" in jedem Fall.

Lively muss als alleinige Kraft natürlich liefern und diese Herausforderung nimmt sie an. Der Lage angemessen verwandelt sie sich vom Surferbabe in eine Überlebenskämpferin, ohne dazu den bis zum Überdruss angebotenen Hollywood-Heroismus bemühen zu müssen. Den familiären Ballast als Hintergrund hätte es allerdings gar nicht gebraucht, denn ein gewisses Maß an Rätselhaftigkeit hätte die Figur sogar noch weiter vorangebracht. Gemeinsam mit einer verletzten Möwe füllt sie die Leinwand jedenfalls ohne spürbare Längen aus.

Drückt man in einigen Szenen und insbesondere zum Schluss beide Augen zu, ist "The Shallows" jedenfalls der beste Hai-Horrorfilm seit vielen Jahren.
:liquid7:


Paranormal Activity – Ghost Dimension
Bild
Zurück aus den Slums und ein letztes Mal in die Vorstadtsiedlung, erscheint das Hausinnere opulenter als je zuvor; insbesondere ein riesenhafter Wohnzimmerbereich mit offener Diele dient als Spukschauplatz und ermöglicht vielseitige Kameraperspektiven. Vom Jump Scare direkt in die Linse bis zur Attacke auf den weit entfernten Arglosen wird das ganze Spektrum aufgeboten, so wie sich aus der angeblich (hoffentlich) letzten Fortsetzung der Cheapo-Franchise überhaupt eine Art Best Of der typischen Poltergeist-Schocks entwickelt.

Als Tupferl obendrauf sind dann offenbar diverse Spezialeffekte gedacht, mit denen die Aufnahmen praktisch überwuchert sind. Ständig flirrt schwarzer Qualm vor der Linse und dunkle Ecken verschieben ihre Proportionen, um sich im besten Fall zu einer menschenartigen Silhouette zu formen – Kunststückchen, derer man längst müde geworden ist. Die Einfallslosigkeit im Rahmen der obligatorischen Tag (Sicherheit)-Nacht (Bedrohung)-Wechsel steht der Kamera in vielen Momenten aufs Objektiv geschrieben und die Amtsmüdigkeit macht sich nicht zuletzt auch dadurch bemerkbar, dass der Übergang in die Geisterdimension schlussendlich ein klares "Poltergeist"-Zitat darstellt, mit dem die Macher quasi schwarz auf weiß unterschreiben, dass sie längst am Ende ihres Lateins angekommen sind.

Der Standardablauf mit besessenem Kind, Geschepper in der Küche und Buh-Momenten im Garten ergießt sich dann immerhin in einem relativ effektiven Finale, auch wenn dieses sich noch schnell den Surrealismus von "Grave Encounters" borgt. Ein, zwei effektive Szenen zuvor (beispielsweise der Weihnachtsmann im Türrahmen) lassen "Ghost Dimension" vielleicht einen Hauch interessanter erscheinen als den aus dem Kontext gehebelten Vorgänger, aber gebraucht hätte man dieses letzte Anhängsel nicht mehr. Immerhin scheint jetzt so langsam der Deckel auf dem Topf zu sein.
:liquid4:


Criminal Activities
Bild
Jackie Earle Haley macht bei seinem Regiedebüt den Eindruck, er wisse darum, dass die Zeit der Tarantino-Gaunerfilme eigentlich längst vorbei ist und gerade deswegen wolle er sie mit einem Paukenschlag wieder zurückholen.

Gelingt nicht ganz. Zwar versammelt er eine ganze Menge Charaktervisagen um sich, die man für eine solche Art Film auch braucht – John Travolta, Michael Pitt, Dan Stevens, auch er selbst ist in einer Nebenrolle zu sehen. Das Drehbuch von Robert Lowell rotiert die eigentlich relativ klare Ausgangssituation außerdem genug, damit Freunde des gepflegten Plottwists auch auf ihre Kosten kommen.

Doch die Finten erscheinen letztlich auch nicht weniger selbstzweckhaft als viele der Ausläufer Ende der 00er Jahre. Besonders schmerzhaft fällt eine Rückblende aus der Jugend der Haley-Figur auf, deren Pointe an einem alten Problem des postmodernen Gangsterfilms krankt, der Erhebung des reinen Zufalls zum Leitprinzip nämlich. Das Nichtvorhandensein einer moralischen Kraft oder sich sonstwie ergebenden Tiefe führt auch "Criminal Activities" in strukturalistische Nichtigkeiten, die nur durch schicksalhafte Verstrickungen aufgelöst werden können. Ein paar Emotionen in der wirbeligen Auflösung können dieses Eindruck nicht schmälern. Im Vordergrund stehen die Eindrücke eines Ed Gadhegi, der auf endlos sprudelnden Chris Tucker macht, ein paar Gangster mit klassischen Bossallüren und eine Gruppe von inkompetenten Dumpfbacken, die mit dem Job überfordert sind. Kommt das bekannt vor?
:liquid4:

Irrational Man
Bild
Woody Allens jährliche Ausflüge in die Romantik mit einer jeweils besonderen Zutat X haben längst etwas Routiniertes an sich, etwas, das nach einer ganz bestimmten Formel funktioniert. In diesem Fall ist es die Philosophie, welche sich zwischen Verliebte drängt und ihren feinsinnig konstruierten Mikrokosmos in einer Art aufbricht, dass man Allen nicht voller Überzeugung vorwerfen kann, er habe sich in der Romantik verloren; denn meist hängt etwas Belehrendes und Entromantisierendes am Ende der Erfahrung, die besagt: Sieger über jedes Märchen bleibt immer die Stupidität des wahren Lebens.

Mit Joaquin Phoenix und Emma Stone wagt der Regisseur einen direkten Eingriff der Theorie in die Praxis, als sich ein desillusionierter Professor quasi aus dem Nichts heraus zu einer folgenschweren Tat entschließt. Philosophie sei größtenteils verbale Masturbation, beteuert Phoenix' ambilente Figur, um seine Aussage im folgenden einem ausgiebigen Selbsttest zu unterziehen. Das Ergebnis ist auf eine schwarzhumorige Weise manchmal komisch, pendelt aber in der zweiten Hälfte deutlich ins Abgründige und hinterlässt spätestens mit der Schlusspointe einen schweren Stein im Magen.

Dass sich "Irrational Man" dennoch wieder so unverschämt leicht anfühlt, liegt wiederum an Allens unverwechselbarem Regiestil: Die Charaktere werden zu schwerwiegenden Entscheidungen in Liebesdingen genötigt, doch spült die Inszenierung die Momente der Wahrheit und die dazugehörigen Konsequenzen gleich im nächsten Moment einfach so davon, so dass die Figuren ohne Altlasten vor einer neuen Situation stehen. Keine Scham, kein schlechtes Gewissen. Mit der Realität hat das selbstverständlich herzlich wenig zu tun, doch es ermöglicht rasante Wendungen, die im übertragenen Sinne dem Gefühlswechselbad eines Verliebten näher kommen als jede Darstellung einer Realität.

Obwohl Allen keine offensichtlichen Trümpfe ausspielen muss wie die surrealen Zeitreisen von "Midnight in Paris" oder die Magier-Ebene von "Scoop", atmet "Irrational Man" wieder etwas Besonderes – ungeachtet des Umstandes, dass der Regisseur eigentlich nur noch seine Maschen ausspielt.
:liquid7:

El Retorno Del Hombre Lobo
Bild
Lernt man Paul Naschy erstmalig über sein 1981er Werk kennen, das ihm selbst überlieferterweise das liebste von allen war, so muss man von ihm das Bild eines begeisterten Traditionalisten bekommen. Mit insgesamt zwölf Verkörperungen des Werwolfes hält er nicht nur manchen Rekord, auch ist sein "El Retorno del Hombre Lobo" so tief im klassischen Gothic-Stil versunken, dass die im gleichen Jahr entstandenen Werwolfschocker "Das Tier" von Joe Dante und "American Werewolf von John Landis einer sehr weit entfernten Epoche aus der Zukunft zu entstammen scheinen.

Auch wenn die US-Werke als Meilensteine der Special-Effects-Vorantreibung tiefe Fußabdrücke in der Filmgeschichte hinterlassen haben, hat sich aber auch Naschys Werk filmhistorisch wenigstens für einen Liebhaberkreis bewährt. Brennende Technicolorfarben, die leuchtendes Gelb und Rot von Kerzenschein und Blutfontänen gegen das Blauschwarz alter Steinmauern abheben, derlei Kompositionen sind für den Film längst verloren, so dass insbesondere die Hammer-Studios mit der Zeit wiederentdeckt wurden, doch "El Retorno del Hombre Lobo" kann mit einigen der größten Hammer-Klassiker durchaus mithalten.

Mag die im Mittelalter angesiedelte Eröffnungssequenz anfangs noch wie eine Kostümparade aussehen, birgt sie doch eine gelungene Hommage an Mario Bavas "Die Stunde, wenn Dracula kommt" in sich, als dem Wolfsmenschen eine Eisenmaske angepasst wird, bevor er erdolcht wird.
Anschließend erlaubt sich Naschy einen kurzen Blick auf die moderne Welt, oder wenigstens das, was er und die deutsche Synchronisation unter einer modernen Welt verstanden: Junge Frauen in knappen Bikinis, leicht voyeuristisch inszeniert, die ihre Macker in den Pool schubsen und von ihnen aufgrund dessen anschließend als "kess" bezeichnet werden.

Schnell verlagert sich die Handlung jedoch wieder in das zeitlose Ambiente alter Gemäuer, wo sich der Wiedergeborene auch sichtbar wohl fühlt. In einigen Übergängen schlittert Naschys Inszenierung nah am banalen Schmuddelkino einer 15 Jahre zurückliegenden Zeit vorbei. Dass gerade der Crossover-Charakter für Highlights sorgt, der etwa vielen Universal-Fortsetzungen ihrer Horrorklassiker noch das Genick brach, gehört zu den besonderen Merkmalen dieses Films. Die Vampirauftritte um die mythische Gestalt der Gräfin von Bathory sind wiederkehrende Highlights des Films. Ihre Annäherungen an die Raummitte der mise en scène, die meist eine schlafende Frau in einem Himmelbett im Fokus sieht, werden mit viel Aufwand zelebriert, was Nebelwerfer, Farbgestaltung und Lichteffekte anbelangt. Naschy selbst bewegt sich als haariger Unhold schon wesentlich bodenständiger, bringt aber samt altmodischer Überlblendungs-Verwandlungssequenzen eine animalische Präsenz auf den Bildschirm, die sehr schön mit dem geisterhaften Auftreten der weiblichen Vampire harmoniert.

Es ist leicht, "El Retorno del Hombre Lobo" als unzeitgemäße, altbackene Monstershow misszuverstehen, dabei verleihen ihm einige sehr sinnlich eingesetzte Szenen und einfache Tricks mit maximaler Wirkung eine besondere Aura, die es wertzuschätzen lohnt.
:liquid7:


Ash vs. Evil Dead – Season 1
Bild
Und so wie sie sich zufällig auf den Marktplatz verlaufen, werden die heiligen Kühe weiter auf die Streckbank gespannt, um dem nach frischem Blut johlenden Publikum noch mehr Euphorieschauer über den Rücken zu jagen. Dabei geht die Serie zur "Evil Dead"-Franchise in der ersten Staffel sehr ähnlich vor wie jene zu "From Dusk Till Dawn". Mit dem besseren, weil originalverbundeneren Ausgang allerdings.

Ein Problem jedoch teilt sich die Starz-Produktion mit derjenigen für El Rey: Eine beengte, kammerspielartige Ausgangssituation soll auf eine Serienstaffel ausgeweitet werden. Wo "From Dusk Till Dawn" jeden Furz von Rodriguez' Vorlage zur Wolke aufbauschte und in der Quintessenz die gesamte Handlung noch einmal nacherzählte, da versteht sich "Ash vs. Evil Dead" als Sequel zur Filmtrilogie, die als speziellen Joker Originaldarsteller Bruce Campbell in der Hand hat. Und was ist der hungrig: Reißt von Szene 1 die gesamte Handlung an sich und lässt den jungen Ash hinter einem gealterten Gesicht immer wieder erscheinen. Dazu noch Originalregisseur Sam Raimi, der es sich nicht nehmen ließ, Episode 1 höchstselbst zu inszenieren. Und welche Freude er daran hat, einmal wieder nicht der Masse gefallen oder etwas Neues bieten zu müssen. Ausgelassen rezitiert er sich selbst, lässt Fingerübungen wie die berühmte Egoshot-Kamerafahrt von selbst gleiten, Dämonen ihre Köpfe verdrehen, Oneliner wie ein Repetiergewehr knattern... kurz gesprochen, er lässt tatswahrhaftig die Teufel tanzen.

Wichtig war es, die besondere Art des Horror-Slapsticks überzeugend zurückkehren zu lassen, die er mit seinen Filmen begründet hatte. Gerade hier trumpft die erste Staffel nicht nur im Piloten, sondern in praktisch jeder Episode groß auf: Eklige Fratzen lauern hinter jeder Ecke, umständlich verrenkt und fies sabbernd, als hielte eine höhere Macht Marionetten in der Hand und hadere noch mit der Lenkung. Eine okkulte Beschwörung in Episode 4 lässt ein besonders widerliches Exemplar von der Leine, das zu alldem mit interessanten visuellen Tricks im Andenken an Harryhausens Stop-Motion-Kreaturen auch noch originell zum Zittern gebracht wird. Und weil Kleinvieh auch Mist macht, wird das Repertoire um Puppenhorror erweitert, ohne Angst vor unfreiwilliger Komik und abstruser Qualität der Spezialeffekte; denn das alles macht schließlich auch die Vorlagen aus.

Dass die morsche Waldhütte mit Schaukel Ziel des Weges sein würde, verstand sich ab dem Moment, als sich Ash sein Korsett überstreifte, um in einer abgehalfterten Kneipe auf Brautschau zu gehen. Es war in diesem Zusammenhang eine gute Entscheidung, das Format der acht regulären Episoden (Episode 1 und 10 dauern einige Minuten länger) der nicht allzu tief reichenden Substanz anzupassen; selbst mit 27-Minuten-Laufzeiten gehören Füllszenen und repetitive Dämonenattacken rückblickend zu den größten Schwächen der Staffel. Ash ist eben eher der Typ für schnörkellosen Groove Metal, da sind aus dem Drehbuch keine antreibenden Storyimpulse zu erwarten – auch wenn seine Co-Stars Ray Santiago, Dana Delorenzo und Jill Marie Jones ihn auf gelungene Weise komplettieren. So ziehen sich einige der mittleren Folgen gerade noch so aus der Affäre, wird doch zunehmend offensichtlicher, dass sie das Unvermeidliche lediglich hinauszögern, eine Rückkehr Ashs an seine alte Wirkungsstätte. Als sich das gottlose Quartett kurz vor dem Finale noch mit einer Bürgerwehr auseinandersetzen muss, ist die Luft beinahe raus, doch gerade rechtzeitig bekommt das Drehbuch die Kurve und holt die Kohlen aus dem Feuer.

Überhaupt profitiert die Auftaktstaffel sehr davon, dass ihre erste und letzte Episode qualitativ deutlich herausstechen, so dass man mit einem guten Gefühl einsteigt und am Ende auch tatsächlich zufriedengestellt ist. Rick Jacobson legt für das Finale eine ziemlich ernste Miene auf und serviert ein paar deftige Horror- und Schockmomente, ohne selbstverständlich völlig auf eine ironische Brechung zu verzichten. Das Ende ist in dank einer bizarre Kehrtwende in Sachen klassischer Helden- und Aufopferungsmotive sogar ausgesprochen stark und setzt die Anker für die zweite Staffel, die den weniger beachteten "Armee der Finsternis" möglicherweise wieder auf den Plan bringen könnte – zumindest im Geiste, da für eine tatsächliche Bezugnahme auf die Ereignisse im fantasylastigen dritten Teil offenbar die Rechte fehlen.

Die Schwächen sind natürlich nicht wegzudiskutieren. Die Möglichkeiten zeitgenössischen Fernsehens werden aus erzählerischer Perspektive kaum genutzt, dafür aber hundertprozentig in der Frage, was man zeigen darf und was nicht. Blutig, grotesk und exzessiv liefert "Ash vs Evil Dead" in vielen Momenten verblüffend exakt das Feeling der ersten beiden Filme. Die Serie pendelt originalgetreu zwischen puristischem Horror und erlösendem Slapstick, auch dank der Beteiligung Campbells, der auch einfach nicht zu imitieren gewesen wäre. Und wie schon bei "From Dusk Till Dawn" bleibt nun die alles entscheidende Frage: Da die Pflicht jetzt durch ist, wie wird die Kür aussehen?
:liquid7:

Weitere Sichtungen:
Brick Mansions
Daddy's Home – ein Vater zuviel
Hardcore

Benutzeravatar
StS
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 28419
Registriert: 04.10.2005, 21:43
Wohnort: Harsh Realm, Hannover

Beitrag von StS » 14.09.2016, 08:18

Auf "the Shallows" freu ich mich sehr. Im Kino wollte ich den aber dann doch nicht schauen.
"In the Deep" war schon überraschend gut.
Review ist schon geschrieben. :wink:

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 14.09.2016, 08:44

Ich hab den spontan im Kino mitgenommen, weil ich da nochmal was anderes sehen wollte als die ewigen Comicverfilmungen und dicken Blockbuster, und da mich die Karte dank dieser O2-Donnerstags-Aktion nur 3 Euro gekostet hat, kam mir das ganz recht. "In the Deep" hab ich selber jetzt noch nicht gesehen, gilt ja als eher billige Produktion im Fahrwasser von "The Shallows", aber die Konstellation finde ich da nicht uninteressant. Werde ich mir auch mal ansehen, wenn ich die Gelegenheit bekomme.

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 18.09.2016, 10:36

Anomalisa
Bild
Kaufmans entfremdeter Blick auf das menschliche Wesen dringt immer noch an die Oberfläche, selbst wenn er keinen Realfilm mit echten Menschen dreht, sondern einen Stop-Motion-Film auf der Grundlage von 3D-Drucker-Puppen. Tatsächlich unterstützt diese Technik sogar die Quintessenz im Schaffen des eigenwilligen Autorenfilmers, das Menschsein sei ein wirrer Fiebertraum und letzten Endes geprägt von robotischer Sinnlosigkeit.

Graue Tristesse zeichnet "Anomalisa" visuell aus, mit Regen, rußigen Hintergründen und fahlem Licht, aber mehr noch: In den Gesichtern aller Figuren verlaufen Nähte, die auf den ersten Blick aussehen wie Brillengestelle, sich letztlich aber als radikales Stilmittel entpuppen, mit dem etwas Cyborgartiges zum Vorschein gebracht werden soll. Die Animation selbst wirkt in einigen Momenten außerordentlich realistisch, in anderen wiederum betont hüftsteif; so, wie man es von einer Kreatur erwarten würde, die menschliches Verhalten zu imitieren versucht, im Inneren jedoch nur aus Hydraulik besteht.

Der eigentliche Clou allerdings ist die konkurrenzlos dünne Synchronsprecherkartei des Films. Abgesehen von der Hauptfigur teilen sich (fast) alle anderen Figuren ein und dieselbe (männliche) Stimme: Der Taxifahrer, der den Mann zum Hotel bringt, der Mann am Empfang, die Ehefrau sowie der Sohn am Telefon des Hotelzimmers, die Kellnerin im Hotelrestaurant. Das führt einerseits zu einigen humorigen Momenten (wenn der kleine Sohn trotz männlicher Stimme so agiert, wie kleine Söhne dies eben tun), andererseits verzerrt es die Stimmung ins Surreale, in erster Linie aber verdeutlicht es auf unvergleichliche Weise die Agnosie, in der sich die Hauptfigur wiederfindet, unfähig oder nicht Willens, die Individualität seiner Begegnungen wahrzunehmen.

Natürlich verweilt "Anomalisa" nicht eineinhalb Stunden in diesem fatalistischen Zustand, sondern lässt den Protagonisten eine persönliche Erleuchtung erleben. Gerade hier gelingt es Kaufman dann sehr wohl, unverfälschte Menschlichkeit darzustellen und die besonderen Merkmale eines einzigartigen Menschen treffgenau nachzuzeichnen. Es ist eben auch dieses Pendeln zwischen Leere und Erfüllung auf der Suche nach einem Lebenszweck, das "Anomalisa" so speziell macht.

Ein Blatt nimmt Kaufman dabei auf jeden Fall nicht vor den Mund. Nacktheit und Vulgärsprache stellt er unverblümt dar, auch der Humor ist von besonders bizarrer Sorte (die eine große Liebesbekundung im Film lässt einem die Haare zu Berge stehen). Das Animationswerk richtet sich explizit an ein erwachsenes Publikum, sowohl thematisch als auch in Bezug darauf, was gezeigt und was gesagt wird.

Nur ein bestimmter Schlag Mensch wird überhaupt Verständnis haben für eine Geschichte wie die von "Anomalisa", aber das war mit "Adaption" oder "Being John Malkovich" ja nicht anders. Es ist nach sieben Jahren jedenfalls eine kraftvolle Rückkehr auf den Regiestuhl / an die Schreibmaschine, die auf jeden Fall gesehen und gehört werden sollte.
:liquid8:


Er ist wieder da
Bild
Deutsche und ihre Selbstreflektion, das kann schon seltsame Früchte tragen. Obwohl Hitler eigentlich regelmäßiger Gast in der nationalen Popkultur ist, kommt die Verfilmung des Bestsellers von Timur Vermes durchaus zu einem guten Zeitpunkt, da sich angesichts jüngster politischer Veränderungen nämlich ohnehin die Frage stellt: Beginnt Deutschland, seine "German Angst" und mit ihr all seine Hemmungen zu überwinden? Hypothetisch gefragt: Wäre es bereit, den größten Fehler seiner Geschichte zu wiederholen?

Denkbar, dass Vermes solche Fragestellungen im Buch auf interessante Weise erörtert. In Unkenntnis der Vorlage deutet der Film zumindest dies an, wenn ihma uch sonst nichts gelingt. Denn David Wnendts krude Verfilmung ist weder Satire noch Komödie; weder Drama noch historische Aufarbeitung; weder Spielfilm noch Dokumentation.

So wie man Adolf Hitler seit seiner Wiederauferstehung in einem Berliner Stadtpark auf dem Weg zur medialen Machteroberung begleitet, wird man von der Regie alle paar Meter Zelluloid mit der Nase auf das Pädagogisch-wertvoll-Prädikat gestoßen, und dennoch ist die geführte Linie dermaßen schwach, dass Gruppierungen jeder Gesinnung die Filmaussage nach eigenem Gutdünken umdeuten können. Die deutsche Medienkultur wird einerseits scharf kritisiert, als der Flachbildschirm, nach Hitlers Meinung eine brillante Erfindung für mediale Propaganda, auf dem Hotelzimmer die schlimmsten Beispiele deutschen Müllfernsehens ausstrahlt; andererseits wird einer ganzen Kette an nicht minder fragwürdigen TV- und Internetformaten kulturbedeutsame Relevanz zugesprochen, bis hin zu einer Reihe von Youtube-Stars.

Diese Art von Inkonsequenz zieht sich durch den ganzen Film, der auch gerade inszenatorisch scheinbar willkürlich wechselt zwischen einem cineastischen Rahmen (die Rückkehr Hitlers), Mockumentary-Elementen und Film-im-Film-Experimentalismus – eine Mischung, die nie harmonisch wirkt und sich immer so anfühlt, als könnte man problemlos Bausteine entfernen oder hinzufügen; theoretisch wäre eine ganze TV-Serie denkbar (Gott bewahre). Dass hin und wieder mal ein Gag oder eine Pointe funktioniert, kann man wohl eher dem Glück als dem Können zuschreiben; insgesamt tendiert die Stimmung ohnehin eher Richtung Drama, was ja nicht schlimm wäre, würde denn wenigstens dieses Durchschlagskraft entwickeln.

Oliver Masucci macht seine Sache als Führer ordentlich (für die nicht wirklich passende Physiognomie kann er ja nichts, sondern wenn überhaupt das Casting), dennoch wirkt die ganze Figur bereits von ihrer Anlage her wie eine Fehlkonstruktion. Zumindest lassen sich aus ihrer (oft ohnehin gestellten) Konfrontation mit Menschen "von der Straße" (sprich: meistens irgendwelche verwirrten IQ60-Bürger, die in einer Kneipe aufgegabelt wurden) keinerlei Deutungen ableiten, die der Hauptthese des Films Nährboden schafften oder sie abschwächen würden.
Eine durch und durch gescheiterte Verfilmung also, die alleine formell so defizitär ausfällt, dass sich nur wenig Gehaltvolles daraus entwickeln kann. Auch wenn man den Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte wohl als einzigartig bezeichnen kann.
:liquid3:

V/H/S 3
Bild
Nur drei Segmente (ein vierter wurde aus konzeptionellen Gründen aus dem Endprodukt geschnitten) beinhaltet die zweite Fortführung der Horroranthologie "V/H/S". Eine entsprechend großzügige Fläche wird Marcel Samiento gewährt, um seine Rahmenerzählung zu realisieren- leider, denn "Vicious Circle" leidet technisch an einer akuten Überdosierung der klassischen Found-Footage-Stilmittel (augenkrebserregende Bildfehler und ohrenfeindliche Störgeräusche machen es nicht zum Vergnügen, dem amokfahrenden Eiswagen durch die Straßen zu folgen), inhaltlich an plumper Sozial- und Medienkritik. Der Erzählstil ist wirr, ziellos und lässt sich zu einer großen Enthüllung hinreißen, die eigentlich nur aus heißer Luft besteht, zumal das endlose Gekreise der Verfolgungsjagd sie nicht wesentlich intensiver wirken lässt; und dennoch erhebt sie Anspruch auf apokalyptische Auswirkungen.

Ausgerechnet die letzte Episode "Bonestorm" von Justin Benson und Aaron Scott Moorhead besiegelt den Eindruck des Ziellosen und lässt das Endprodukt als Ganzes eher krude wirken. Seltsame Voodoo-Priester und auferstehende Skelette mitten in der brennenden Sonne Tijuanas transportieren zwar einen gewissen Trash-Charme, doch talentlose Schauspieler, eher improvisiert wirkende Effekte und eine zusammenhanglose Ereignischronologie lassen sie zu einem der schwächsten Beiträge der Anthologiereihe werden.

Dabei hat die erste Episode "Dante the Great" trotz des Giftschrankthemas "Zauberei" immerhin ein paar gute räumliche Effekte zu bieten, die mit eher minimalem Aufwand hohe Kreativität aufweisen, wenn schon keine besonders originelle Story. Und mit "Parallel Monsters" von Nacho Vigalondo ist sogar ein durchweg überzeugender Beitrag vertreten. Die Idee einer Verkrümmung der Dimensionen in eine verkorkste Parallelwelt ist stark an Cronenbergs Filmografie angelegt, hier insbesondere an "Die Fliege" und "eXistenZ", dabei aber äußerst spannend sowie ideen- und fintenreich. Das Spiel mit der Normalität und wie sie in gewissen Details in etwas Unbekanntes abdriftet, führt zu einer gewissen Tiefe mit Diskurspotenzial, wie sie vom Restfeld nicht erreicht wird.

Insgesamt noch immer kein Totalausfall, da auch "V/H/S 3" noch von den Besonderheiten der Reihe zehrt, aber doch spürbar der bislang schwächste Beitrag.
:liquid5:

Weitere Sichtungen:
Kingsman: The Secret Service
Die Vorsehung
Bone Tomahawk
Taken 3

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 25.09.2016, 13:59

Die Entdeckung der Unendlichkeit
Bild
Hier wird leider ausschließlich die metaphorische Seite des Filmtitels bedient, nicht die wörtliche. Was Stephen Hawkings Lebenswerk ausmacht, dient in dieser vom Ablauf her typischen Oscar-Filmbiografie ausschließlich der Unterstreichung seines Liebeslebens sowie dem in enger Wechselwirkung stehenden körperlichen Verfall. Immerhin, Hawkings Krankheit wird mit allerhöchstem Respekt thematisiert. Der Physiker wird von Beginn an als einzigartiger Mensch gezeichnet und dieser Linie bleibt das Drehbuch auch treu, als die Auswirkungen der Krankheit um sich greifen. Stets konfrontiert es die Hauptfigur ausschließlich mit Personen, die mit ihr in einem engen Bezugsrahmen stehen, als wolle es (mit Recht) sagen, dass nur diese Personen auch Relevanz genießen. Eddie Redmayne lässt den schelmischen, humorvollen Charakter in jeder Lebensphase durch die Augen hervorblitzen; insofern ist der Oscar nach Academy-Maßstäben durchaus zu verstehen.

Dass allerdings so radikal auf eine wissenschaftstheoretische Vertiefung verzichtet wird, dass also eine Verknüpfung zwischen Privatperson und Physiker nur in einem verschwindend geringen Rahmen stattfindet, ist maßlos enttäuschend, hat man so doch das Gefühl, um den – als Vermächtnis betrachteten – wichtigeren Teil seines Daseins betrogen zu werden. Stilsicher bewegt sich James Marsh zwar durch die Epochen, beginnend mit der visuell an die artverwandte John-Nash-Biografie "A Beautiful Mind" erinnernden Studienzeit, doch er endet zurechtgeschnitten wie ein Märchen, gerade dort endend, wo man dem Mythos um das glückliche Leben bis an ihr Lebensende zu vertrauen beginnt...
:liquid5:

Bridge Of Spies – Der Unterhändler
Bild
Formell nahezu makellos gleitet Spielberg durch den historischen Stoff. Der Erzählbogen ist als meisterhaft zu bezeichnen, immer am emotionalen Puls gelegen: Wenn es mal wieder eine Prise Humor braucht, wird sie geliefert (oft über den herzhaft aufspielenden Mark Rylance, manchmal auch über Hanks oder diverse kleine Nebenrollen), wenn nicht, bleibt sie aus. Spannungsmittel werden dezent und äußerst wirksam eingesetzt. Kaminsky liefert mal wieder Bilder von besonderer Pracht. Hanks spielt so selbstverständlich, dass man den Idealismus seiner Figur als glaubwürdig erachtet, ebenso wie die fast kindliche "warum nicht"-Einstellung, mit der er sich als Unterhändler probiert. Die Zustände während des Kalten Krieges werden auf ein allgemein verständliches Niveau herunterskaliert, ohne dass deswegen die politische Komplexität in den Beziehungen zwischen den USA und der Sovjetunion (mit Ostdeutschland als dritter Partei, die ins Geschehen eingreift) verloren ginge. Obgleich das Quid-Pro-Quo-Szenario viele Schwarzweißkontraste verwendet, wird die Kritik am Vorgehen des Gegners stets auf das amerikanische Volk und seine Entscheidungsträger zurückprojiziert. Überhaupt ist gerade das die moralische Quintessenz von "Bridge Of Spies".

Nur in einzelnen Einstellungen übertreibt es Spielberg. Die Diskussionen innerhalb der eigenen Familie darüber, mit welcher ethnischen Auffassung der Anwalt seinen Beruf betrachtet, deuten bereits auf ein Lehrstück hin, das dann am Ende auch erwartungsgemäß geliefert wird. Kinder springen symbolisch über amerikanische Nachbarszäune und demonstrieren Freiheit und Lebensfreude, als Überblendung einer identisch arrangierten Szene aus dem Ostdeutschland-Abschnitt, in der ein flüchtendes Paar erschossen wird beim Versuch, die Mauer zu überwinden. Hier greifen Spielbergs Konventionen des Traumes vom Familienidyll unnötigerweise um sich und trüben das formell einwandfreie Werk zumindest leicht.
:liquid8:


All Things Must Pass: The Rise And Fall Of Tower Records
Bild
Immerhin mal wieder eine Dokumentation über wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergang, die eine anständige Struktur aufweisen kann. Colin Hanks beschäftigt sich in seinem Langfilm-Regiedebüt mit dem Aufbau von Tower Records, einem der legendärsten Vinyl- und CD-Retailer Amerikas, und zeichnet die Geschichte von der Gründung 1960 bis zum Bankrott im Jahr 2006 nach. Dabei schafft er das Bild eines mit familiärer Atmosphäre geführten Betriebes, der aufgrund vieler glücklicher Entscheidungen rasant expandierte, um schließlich als Gigant an drei Faktoren zu scheitern: an der Selbstüberschätzung des Gründers Russ Solomon sowie an den Symbolen Walmart und Napster.

Diese etwas schlichte Auflösung lässt darauf schließen, dass einige Dinge unter den Tisch gekehrt wurden, aber offene Karten sind ohnehin nur das vermeintliche Metier des Dokumentarfilmgenres. Beschönigungen gehen hier schon mit dem Sujet Hand in Hand; Hanks nutzt verstärkt Werbeslogans der Kette, um diese für eigene Zwecke zu deuten. Und wo Slogans fallen wie "No Music. No Life", da werden natürlich auch Leidenschaften angesprochen und Tower Records als Ermöglicher dieser Leidenschaften inszeniert. Prominente wie Bruce Springsteen und Elton John nehmen extra teil, um Worte des Lobes und persönliche Anekdoten zu teilen; dass außerdem ein Dave Grohl interviewt wurde, verstand sich nach dessen "Sound City"-Dokumentation fast von selbst.

Trotz dieser erwartbaren Zugeständnisse an die Konventionen ist Hanks ziemlich gut darin, den Fokus auf einer Linie zu halten. Man mag einwenden, dass über die Geschäftskultur und die Abläufe im Inneren der meist riesigen Verkaufsflächen eher wenig geäußert wird, so dass man kein direktes Gefühl dafür bekommt, was es so besonders gemacht hat, in einer Tower-Records-Filiale einzukaufen. Umgekehrt wird jedoch sehr viel über das Geschäftsgebahren und die Firmenphilosophie geliefert. Geschickt pendelt die Regie zwischen Interviewerzählungen und Einspielern aus dem Archivmaterial, zieht logische Schlüsse und erläutert die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens schlüssig und einfach. Wenn dann mittendrin ein früherer Manager eine rührselige Erinnerung mit der Kamera teilt, kommt das in diesem Moment etwas unerwartet und berührt daher umso direkter das Herz des Publikums.

Mit der lockeren, aber niemals seichten Anordnung der Interviews und sonstigen Materialien gelingt Colin Hanks auf jeden Fall abendfüllende Unterhaltung. Ob nun all die direkt Beteiligten, inklusive des nunmehr schon über 90-jährigen Solomon, dem Anspruch an vollkommene Transparenz genügen, ist wieder eine andere Frage; mindestens das Motto "All Things Must Pass" jedoch ist eine unbestreitbare Wahrheit.
:liquid7:

Scouts vs. Zombies
Bild
Man geht schon mit einer Hypothek ins Spiel, wenn man im Jahr 2016 einen Film über Scouts im Kampf gegen Zombies drehen will. Denn wieso, das ist die eigentliche Frage, sollte man so etwas heute noch wollen? Selbst die "Cockneys vs. Zombies" waren vor vier Jahren eigentlich schon viel zu spät dran. Zombies sind einfach nicht mehr lustig oder überhaupt irgendwas anderes außer lästig. Das ist schon ein Faktor, der die Arbeit des mehrfachen "Paranormal Activity"-Autoren Christopher B. Landon runterzieht - wirklich aus dem engen Käfig der thematischen Vorgaben ausbrechen kann er jedenfalls nicht. Allenfalls kann man ihm attestieren, das durch heranwachsende Nerds und Untote bereitstehende Standard-Arsenal noch bestmöglichst zu nutzen.

Denn immerhin steuert er den American-Pie-Faktor nicht einfach nur in typische Partyfilmgewässer mit traditionell unsympathischen Figuren, sondern müht sich völlig untypisch um humane Werte wie insbesondere Freundschaft. Wäre ein Charakter wie der pummelige Vorbildpfadfinder (Joey Morgan) woanders kaum mehr gewesen als das Ziel bösartiger Späße, fungiert er hier als Herz des Films, wovon auch die beiden Hauptdarsteller Tye Sheridan und Logan Miller profitieren. Ebenso sympathisch präsentiert sich Sarah Dumont, gleichwohl sie im Klischee des Superbabes gefangen ist, das die jüngeren Weggefährten um wichtige Coming-of-Age-Erfahrungen bereichert.

Von diesem Kern abgesehen liefert "Scouts vs. Zombies" solide ab; vom Prolog mit seiner Verkettung ungünstiger Umstände über den zum Running Gag aufgebauten Chef Scout (sehr gut: David Koechner) bis zu den vielen eingestreuten Kuriositäten (Trampolin-Sequenz, Zombie-Katzen) hält das Drehbuch bei Laune, ohne nun allzu tief in den Splattertopf greifen zu müssen.

Mehr als eine elegante Linienführung beim Abpausen nach Schablone ist das sicher nicht, es steht aber immerhin über vielen drittklassigen Splatterkomödien, die alle meinen, auch noch was vom Zombiekuchen abhaben zu wollen, bevor nur noch die Krümel übrig sind.
:liquid6:

Weitere Sichtungen:
Deathgasm
Gods Of Egypt

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103737
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Beitrag von SFI » 25.09.2016, 16:31

Dass allerdings so radikal auf eine wissenschaftstheoretische Vertiefung verzichtet wird ...
Schade, exakt die hätte ich erwartet. :(
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 26.09.2016, 05:44

Jau, Wissenschaft plus Romanze, das wär DEIN Film geworden. ;) Ich hatte mir in der Beziehung aber auch klar mehr erhofft. Mehr als ein paar oberflächliche Gastrednerbeiträge und Schlüsselbegriffe kommen nicht dabei rum. Da war auch "A Beautiful Mind" zB. noch ergiebiger.

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 03.10.2016, 12:02

Peanuts – Der Film
Bild
Der Peanuts-Film stellt per definitionem bereits ein Oxymoron dar: Kleinig- bis Nichtigkeiten auf der großen Kinoleinwand. Weitergedacht demontieren Charlie Brown und seine Mitschüler also gerade das, wofür Kino vermeintlich gemacht ist: Schlachten, Explosionen, Comicuniversen. Sie nehmen diese große Fläche ein und breiten Stilleben auf ihr aus, wo sonst schwindelerregende Kamerafahrten regieren; reihen eine Abfolge dumpfer Spoof-Slapstick-Einlagen aneinander, wo normalerweise die ansteigende Dramaturgie zu Höhepunkten führt. Eine gute Idee also eigentlich, den Größenwahnsinn der vergangenen Kinojahre ein wenig runterzukühlen.

Wären die Akzente einen Hauch anders gesetzt, würde der Plan auch vollkommen aufgehen. Die linkischen Animationen der Comics und Zeichentricks wurden authentisch in die dritte Dimension übertragen, sämtliche Charaktere gut eingefangen und klassische Motive in die Handlung geflochten. Die Machart hebt sich von gängigen, dem Perfektionismus nachstrebenden CGI-Filmen ab, sieht in einigen Momenten sogar aus wie per Stop-Motion realisiert. Allerdings ist schon Pig Pens omnipräsente Schmutz-Aura ein verräterischer Hinweis darauf, dass den Bildern etwas fehlt, das man mit der Vorlage verbindet – eben dieses Handverlesene, Krakelige, das unmittelbar auf die Signatur Charles M. Schulz' verweist.

Ein solches Fehlen war auch zu erwarten angesichts der Entscheidung, mit Computeranimationen zu arbeiten. Leider drängen sich im Aufbau zudem die BlueSky Studios und hier insbesondere deren Wiedererkennungsmarke "Ice Age" hervor. Das Drehbuch zerfällt vollends in kleine Slapstick-Szenen, die erst am Ende wie bei einem Foto-Mosaik einen Gesamtrahmen ergeben. Das musste auch die Rezeptur dieses Films sein, der doch die großen Wahrheiten über kleine Dinge ziehen möchte. Prinzipiell sind die von Dusseligkeiten und Tagträumen bestimmten Einzelszenen auch voller kleiner Details, die zu entdecken sich lohnen. Als die typischen erleuchtenden Momente der Serie jedoch ausbleiben, wird deutlich, dass der Film über die kurzen Ellipsen hinaus nur wenig mehr zu sagen hat als Scrat und seine unendliche Jagd nach der Eichel. Zwar bietet das Ende für Charlie Brown ein einziges Mal einen solchen Moment, dieser ist aber schlichtweg nicht stark genug, die vielen Schnörkel zu tragen, mit denen der Weg zum Ziel markiert wurde. In gewissem Maße wird "Peanuts – Der Film" den Ansprüchen also gerecht, vollends ausgeschöpft hat man den Eierkopf mit seinem Hund aber noch nicht.
:liquid6:

Legend
Bild
Fluch wie Segen, in der Endabrechnung aber letzteres, ist Hauptdarsteller Tom Hardy für Brian Helgelands Gangsterfilm. Hardy, der 2009 mit "The Take" bereits eine ähnliche Rolle absolviert hatte, füllt die Leinwand mit seiner Doppelpräsenz vollständig aus und erweckt zwei völlig unterschiedliche und doch spürbar miteinander verbundene Figuren zum Leben. Sein introvertiert-psychotischer Ronnie steht zwar permanent an der Schwelle zur Karikatur, ergänzt sich aber hervorragend mit dem extrovertiert-kaltblütigen Reggie. Zeitweise kann Hardy alleine davon ablenken, dass Helgeland dem Stoff abgesehen von der geglückten Integration amerikanisch angehauchter Gangsterfilmstrukturen (vieles, insbesondere die Beziehung Reggies zur von Emily Browning gespielten Ehefrau, ähnelt dem Aufbau von De Palmas "Scarface") ins Londoner East-Eand-Milieu wenig Tiefe abringen kann. "Legend" betreibt bisweilen denselben Aufwand wie ein Scorsese-Mafiafilm, um die 60er Jahre wieder auferstehen zu lassen, inhaltlich jedoch begnügt er sich mit Schlichtheiten, Vereinfachungen und Andeutungen.

Im Umkehrschluss drückt das auch wieder auf Hardys Performance, die eingebettet in diesen wenig erkenntnisreichen Blick auf die Unterwelt Londons nahezu einem Ablenkungsmanöver gleichkommt. Als genüge gute Ausstattung und ein starker Hauptdarsteller bereits, um einen eindrucksvollen Gangsterfilm zu schaffen. Dass dem nicht der Fall ist, zeigt ein zweiter Blick auf die tiefliegenden Qualitäten der Genre-Klassiker.
:liquid6:

Warcraft – The Beginning
Bild
"Warcraft" mag kaum über Unterhaltungskino hinausgehen, sich vor allem über glänzende Spezialeffekte definieren und ganz bestimmt nicht die symbolische Tiefe von Peter Jacksons Referenztrilogie aus dem vergangenen Jahrzehnt erreichen, aber er gibt dem gebeutelten Fantasy-Genre etwas zurück, das vor und nach "Der Herr der Ringe" als völlig tot galt: Er bedeutet klassisches, detailverliebtes Geschichtenerzählen von einer jenseitigen Welt. Reuelos darf man die Entstehung eines neuen, völlig autark funktionierenden Universums genießen, einer neuen Zelle also, in die der Geist des Eskapismus der Realität entfliehen darf. Und eine solche war längst überfällig.

Tatsächlich ist die Architektur dieser ursprünglich aus Computerspielen, Comics und Kartenspielen stammenden Welt beeindruckend. Mag die Einteilung in Rollen und Gilden für Computer- und Rollenspiele dieser Prägung noch einen Allgemeinplatz darstellen, so wird ihre Verknüpfung auf durchaus kreative Weise erreicht. Zauberei bedeutet nicht einfach nur Blitze und Energieblasen (obwohl beides reichlich vorhanden ist), sondern sie wird strategisch und mit Bedacht eingesetzt und der reinen Muskelkraft ebenso gegenübergestellt wie der menschlichen Intelligenz. Die Verteilung von Kräften fühlt sich wesentlich komplexer an als es der 08/15-Kinogänger etwa aus dem Marvel-Kosmos kennt, der über Gut-und-Böse-Polkappen hinaus nie eine Graustufe kennengelernt hat.

So geleitet Duncan Jones trotz einiger steriler Bilder durch eine Abfolge von Szenen, die durchaus mehr Faszination ausüben, als man sich im Vorfeld hat eingestehen wollen. Was fehlt, ist der naturalistische Touch der Tolkien-Verfilmungen, besteht "Warcraft" doch zu ungleich größeren Anteilen aus dem Computer. Das hat zur Folge, dass man nicht ganz so tief in die Erzählung gezogen wird und am Schicksal der Charaktere weniger Anteil nimmt, wobei Hauptdarsteller Travis Fimmel ("Vikings") eine gute, aber stromlinienförmige Leistung abliefert. Und doch reicht ein Blick auf die mit Ringen geschmückten Hauer der Orks, damit man sich im Kopf eine Legende über deren Riten und Kultur anlegt.

Nicht die Geschichte als solche, sondern die vielen kleinen Eigenarten sind es also, die das Interesse an den Spezies und ihrem Werdegang aufrecht erhalten. Sie lassen es sogar akzeptabel erscheinen, dass das Ende ohne dramaturgische Aufwölbung einfach plötzlich da ist, als habe man lediglich den Piloten zu einer Serie gezeigt. Denn letztlich möchte man ja ohnehin noch mehr von dieser Welt sehen.
:liquid7:

The Boy
Bild
Die Klischees des Puppen- und Haunted-House-Horrorfilms modifiziert William Brent Bell ebenso unzureichend wie jene des Exorzistenfilms, als er "The Devil Inside" drehte. Dusch- und Dachbodenszenen, Alptraumsequenzen und Nahaufnahmen des starren Puppenkopfes weichen kaum von den Vorgaben ab und wirken trotz der hübschen Location abgedroschen und folglich wenig gruselig. Lauren Cohen spielt solide, doch ihre Isolation in dem großen Haus hätte man besser in Szene setzen können. Verglichen mit den nächtlichen Besuchen der "Frau in Schwarz" im gleichnamigen Film von 2012 sind die Auftritte der Puppe regelrecht nervenschonend, auch weil sich die Schockmomente in der Regel als Illusion herausstellen.

Als nach zwei Dritteln dann der zu erahnende Twist folgt, hilft auch dieser nicht dabei, dem Sujet neue Facetten abzugewinnen, da man auch ihm Abkupferei unterstellen muss, nur eben nicht beim klassischen Gruselfilm, sondern beim jüngeren Invasionshorror-Kino. Hätte man das nicht alles genau so schon mal öfter gesehen die letzten Jahre, wäre Bell hier möglicherweise eine beeindruckende Wendung geglückt; so aber wird die demonstrierte Einfallslosigkeit noch einmal unterstrichen. Damit bleibt das hübsche Setting (Herrenhaus-Anwesen gehen eigentlich immer) der größte Trumpf eines ansonsten durchwachsenen Genrefilms.
:liquid5:

Draculas Rückkehr
Bild
Der Normalsterbliche würde vielleicht einen Schlüsseldienst anrufen, wenn er sich ausgesperrt. Dracula, der sein Schloss von einem großen goldenen Kreuz versperrt sieht muss andere Wege finden, den Normalzustand wiederherzustellen...

Der folglich zwischen Wiesen, Stein und Dorfpflastern angelegte Film von Terence-Fisher-Ersatz Freddie Francis führt teils absonderliche Wege mit sich. Zusammen mit dem Vampirfürst wundert sich der Regisseur über eine Moderne, die selbst bis in die tiefsten Karpaten eingedrungen ist. Sündenfall, wohin man sieht, ganz oben ein Atheist, der seine ungewöhnliche Position zu Gott und dem Glauben gegenüber einem Priester auch noch völlig arglos preisgibt und dafür in einer beachtenswürdigen Szene getadelt wird. In der Dorfkneipe wird geflirtet, was das Zeug hält und Trinkspiele halten bei Laune. Jede Aktion für oder gegen Dracula ist mit der Bedeutung eines unausgesprochenen Glaubenskrieges aufgeladen, was Christopher Lee mit einer fast störrischen Beharrlichkeit quittiert, mit der er flankiert von blutroten über grün bis gelblich leuchtenden Farbfiltern die brennenden Augen auf seine Opfer richtet.

Folglich hat Francis' Regie trotz der gewohnt altmodischen Kulissen nur wenig viktorianische Romantik zu bieten; ein bemerkenswertes Panorama über den Dächern des Dorfes gehört zu den optisch spektakulärsten Momenten des Films, der eher durch schnellen Setwechsel getrieben scheint und damit eine Allgegenwärtigkeit des Fürsten der Finsternis behauptet. Einzelnen Locations wird kaum gestattet, ihre Wirkung durch spezielle Ausleuchtung zu entfalten. So entwickelt "Draculas Rückkehr" in erster Linie als Zeitdokument mit Bezügen zu gesellschaftlichen veränderungen seinen filmhistorischen Wert, weniger über klassische Qualitäten.
:liquid6:

Boardwalk Empire – Season 4
Bild
Man könnte der vierten Staffel unterstellen, sie tausche lediglich einen Villain (Bobby Cannavale) gegen den nächsten aus (Jeffrey Wright), tatsächlich bewegt sich die Storyline aber so komplex und auf so vielen Wegen fort, wie man es von ihr gewohnt ist. Dem durchaus wieder spannenden Bandenkonflikt zwischen Nucky und Narcisse (einziger Wermutstropfen in diesem Handlungsstrang: Margot Bingham, die deutlich besser singen als spielen kann), den man als Hauptstory bezeichnen kann, werden viele weitere Subplots hinzugefügt, die auch interessante neue Rollen einbinden, beispielsweise Patricia Arquette als Bardame, insbesondere aber Eric Ladin als J. Edgar Hoover, dessen Ermittlungen die Perspektive leicht aus dem Innenzirkel der Unterwelt in die legislative Ebene ziehen und damit in ein Stück weit in die gesellschaftliche Realität. Ausstattung und Inszenierung bleiben gewohnt geschmackvoll, diverse Höhepunkte werden nach Vorbild der alten Schule eher antiklimatisch dargestellt anstatt der reißerischen Montage jüngerer Produktionen nachzugeben. Der Fokus rückt immer weiter davon ab, Steve Buscemi als Mittelpunkt aller Abläufe zu betrachten; einige Dinge entziehen sich völlig seines Handlungsspielraums, auch wenn dies manchmal nur dem Schein nach so ist.
So bleibt "Boardwalk Empire" auch in seiner vierten Staffel ein Flaggschiff der Fernsehunterhaltung, das weiterhin als Referenz gelten muss.
:liquid8:

Weitere Sichtungen:
American Ultra

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103737
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Beitrag von SFI » 03.10.2016, 14:45

Bin gespannt, Warcraft ist heute Abend an der Reihe.
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Benutzeravatar
McClane
Action Experte
Action Experte
Beiträge: 8339
Registriert: 07.10.2007, 15:02

Beitrag von McClane » 04.10.2016, 10:49

Genau den hab ich gestern abend auch gesehen, fand den aber eher murksig im Gegensatz zu euch.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 09.10.2016, 08:35

Kein Einwand, den kann man schon murksig finden. Mir hat er trotz aller Mängel gefallen, gerade weil es eben kaum pure Fantasy gibt. Und weil dieser Film irgendwie so tut, als wäre es ganz normal, dass jedes Jahr ein großer Fantasyfilm in die Kinos kommt. Diese Selbstverständlichkeit, mit der die ganzen Rädchen in diesem Universum zum laufen gebracht wurden... Das hat mich irgendwie fasziniert, auch wenn am Ende eben nur substanzlose Unterhaltung dabei rausgekommen ist.

Benutzeravatar
McClane
Action Experte
Action Experte
Beiträge: 8339
Registriert: 07.10.2007, 15:02

Beitrag von McClane » 09.10.2016, 10:54

Hätte den an sich auch gern gemocht... der kloblige Style der Ritterrüstungen und Orks sah zwar etwas nach Playmobil aus, hatte aber seinen eigenen comichaften Charme. Mein Hauptproblem war das, das ich viele Sachen unmotiviert fand, auch wenn ich seltsamerweise beim Drübernachdenken später durchaus Momente gefunden habe, die das eine oder andere etablieren - etwa die Feindschaft zwischen Lothar und Blackhand oder die Wichtigkeit des Duellrituals bei den Orks. Nur wenn man das beim Schauen selbst nicht so wahrnimmt, dann hinterlässt das den Eindruck des Schlurig-Erzählten. Naja, das Sequel hat ja Luft nach oben, wenn es denn tatsächlich kommt.
Jimmy Dix: "Du glaubst wohl nicht an die Liebe?" - Joe Hallenbeck: "Doch ich glaube an die Liebe. Ich glaube auch an Krebs." [Last Boy Scout]

Perry Van Shrike: "Look up 'idiot' in the dictionary. You know what you'll find?" - Harry Lockhart: "A picture of me?" - Perry Van Shrike: "No! The definition of the word idiot, cause that is what you fucking are!" [Kiss Kiss, Bang Bang]

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 15.10.2016, 12:26

Unfriend
Bild
Erfahrungen lehren uns, dass Horrorfilme oder überhaupt Genrefilme mit dem Thema "soziale Netzwerke" mit Vorsicht zu genießen sind. Irre Axtschwinger, die kreischende Mädels jagen und dabei im besten Fall vielleicht eine hohle These zum Freundesammelwahn absondern, sind das zu erwartende Maximum an Unterhaltung. Subversive gesellschaftliche Kommentare dagegen sucht man oft vergebens.

In der Basis trifft das auch auf das Horrorfilmdebüt des deutschen Regisseurs Simon Verhoeven zu, der bislang nur Komödien auf heimischem Grund gedreht hat. Ein attraktives Mädel (Alycia Debnam-Carey) kann sich vor Freunden kaum retten. Ein eingeblendeter Zähler hält uns auf dem aktuellen Stand, was die Online-Freundesliste angeht. Sukzessive zeigt die Zahl an und verspricht damit, nach der großen Plotwende wieder abzunehmen. Um der Filmdramaturgie und dem Countdown-Effekt zu gefallen, findet diese Abnahme wiederum sukzessive statt, anstatt einen natürlichen Verlauf zu nehmen, der zu einem aussagekräftigen Kommentar hätte führen können. Der Regisseur steigert dies noch ins Absurde: Die Reaktionen, mit denen die Mitmenschen der Hauptfigur die Veränderungen auf deren Online-Profil quittieren, könnten entlarvend sein, in diesem Fall sind sie jedoch zu weit an der Realität vorbei, um ernstgenommen werden zu können. Es entsteht der Eindruck eines naiven, dummen Horrorfilms für naive, dumme Menschen.

Genretechnisch jedoch überrascht Verhoeven mit einer in dieser Form sicherlich unerwarteten Mischung. Stalker-Elemente hat man erwartet, nicht aber, dass sie über durchaus kreative Einschübe mit übernatürlichem Geisterhorror gekreuzt werden könnten. Das Drehbuch nimmt anhand von Rechercheszenen und Spuk im Umfeld der Protagonistin bald ähnliche Kreuzwege wie das "Ring"-Remake (2002), ohne aber die Ästhetik des Japan-Horrors zu imitieren. In diesem Fach wiederum hängt man sich eher an "The Wicker Man". Diese Mischung aus sehr modernem Erzählstil und klassischen Horrormotiven führt zu einem durchaus interessanten, abwechslungsreichen und dynamischen Ablauf mit relativ gelungenen Jump Scares, die gerade wegen der oft unerwarteten Bildkompositionen funktionieren.

Na klar, die letzte Pointe singt wieder was von "Circle Of Life" und vermittelt einen zwar vorhandenen, aber doch arg flachen gesellschaftskritischen Gehalt. Und doch, irgendwie hat sich "Unfriend" seinen Namen verdient.
:liquid6:

The Beast Within
Bild
Im Jahr 1982 konnte einer Produktion wie "The Beast Within" eigentlich nur der Schatten als Rückzugspunkt dienen: Gute, aber kategorisch allseits bekannte Spezialeffekte (basierend auf Gummi und Blasebalg) als ausgedehntes Highlight eines träge vor sich hindümpelnden Handlungsaufbaus, so etwas gleicht ein Jahr nach "American Werewolf in London" und "The Howling" einem Stück Brot, das nach einer üppigen Mahlzeit gereicht wird.

Inzwischen stehen auch solche Filme der B-Klasse dank der seit Jahren expandierenden CGI-Dominanz zur Wiederentdeckung bereit und der bedächtige narrative Aufbau ist nicht einmal so zäh wie zu vermuten wäre, gleichwohl die Spezialeffekte sicher auch nicht mehr über den Stauneffekt von damals verfügen, womit sich das vermeintliche Ungleichgewicht wieder egalisiert. Begonnen wird mit einer an Slasherfilme erinnernden Sequenz (mit der unübersehbaren Pointe, dass die damals schon 40- bzw. 44-jährigen Bibi Besch und Ronny Cox das Juvenile stark kontrastieren, auf dem solche Szenen normalerweise ihren Suspense aufbauen) und wird dann schleichend zur rohen Kleinstadt-Horrorfabel mit entsprechender Sezierung der kleinen bürokratischen Vorgänge.

Das Coming-Of-Age-Element wird trotz seiner Omnipräsenz ein wenig unter der Decke gehalten, womit die eigentliche Identifikation des "Monsters im Inneren" sich erschwert. Dass die Kreatur insektoide Züge haben soll, sieht man ihr direkt nicht an (tatsächlich ist der Werwolf bei der Verwandlung aufgrund der höhlenmenschartigen Züge näher als die überdimensionale Zikade), deswegen wird dieser Sachverhalt über ein schrilles Zirpkonzert und mehrmalige Betonung der Herkunft überbetont. Des weiteren vermengt das Drehbuch den dominierenden Verwandlungseffekt mit einer Besessenheitsthematik, die auch noch eine Ahnenschuld ins Spiel bringt. All das angelegt in einem großen Rahmen aus Industrieanlagen und Mississippi-Sümpfen.

Man sieht, "The Beast Within" ist also gar nicht so leer, wie er bis zum finalen Exzess (nach heutigen Maßstäben ist es nicht einmal mehr ein solcher) erscheint. Das ruhige Erzähltempo kühlt lediglich exploitative Aneinanderreihungen auf ein halbwegs glaubwürdiges Maß herunter, um hier und da mit einer blutigen Überraschung aufzuwarten. Einige anerkannte Klassiker weisen eine vergleichbare Struktur auf, verfügen dann aber doch über die größere Substanz oder zumindest über die revolutionäreren Spezialeffekte.
:liquid6:

The Jungle Book
Bild
Dass Disney all seine Zeichentrickklassiker nun offenbar in Realfilme zu übersetzen plant, ist nicht unbedingt als kreative Hochleistung zu verstehen, "The Jungle Book" stellt aber zumindest in Sachen Detailfreude und Bildkraft ein überzeugendes frühes Beispiel ab.

Dabei springt die Künstlichkeit der CGI zunächst wie ein Dorn ins Auge, bevor man die Kunst in ihr zu begreifen lernt. Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, der Sprung vom Trick- zum Realfilm würde Ambitionen mit sich führen, Realismus anzustreben. Tatsächlich hält das opulente Werk die Verbindung zur Animation über eine saftig leuchtende Dschungelwelt aufrecht, die szenenweise tatsächlich zum fliegenden Kostümwechsel in der Lage ist; ganz so wie beim Umschlagen der Seite eines Buches.

Die Sprunghaftigkeit der Handlung lässt natürlich keine glaubwürdige Entwicklung zu oder sonst eine besondere Tugend des wiederentdeckten Neorealismus unserer Zeit. Es geht um süßesten Eskapismus, und mit jeder neuen Situation wird eine völlig neue Plastik geschaffen, deren feine Details man in Standbildern alleine schon zur Abendunterhaltung erklären könnte.
Hauptdarsteller Neel Sethi bleibt dabei eigentlich nur eine Notiz am Rande, der Blickfang sozusagen für die eigentliche Bestie Dschungel mit all ihren unterschiedlichen Gesichtern; den freundlichen, den gefährlichen, den verführerischen, den stolzen, den ängstlichen, schwachen und starken, friedvollen und aufwühlenden. Irgendwie gelingt es Jon Favreau dabei meist, dieses emotionale Spektrum in stimmungsvolle Begegnungen umzumünzen. Was in den ersten Minuten noch wie ein reiner Kinderfilm anmutet, zeigt spätestens mit dem ersten Auftritt Shere Khans ins Bedrohliche schwankt; der bizarre Auftritt des King Louie kann dies sogar noch toppen und dürfte zahlreichen jungen Zuschauern, die immer noch zur Zielgruppe gehören, Alpträume bescheren.

Doch auch Humorvolles weiß der Film zu bieten. Sicherlich mag man gerade an Balou die Ausdrucksstärke des Zeichentrickfilms vermissen, jedoch kolportiert Bill Murray die viel zitierte Gemütlichkeit überzeugend, wo die Mimik des Bären nur noch wenig Comichaftes an sich hat. Einzig die (glücklicherweise rar gesäten) Gesangseinlagen wirken im Vergleich zum Original aufgesetzt und bemüht; hier hätte man es beim angedeuteten Gemurmel belassen sollen.
"The Jungle Book" 2016 ist kein Remake, das den Inhalt der Vorlage in besonderer Weise für den aktuellen Zeitgeist neu interpretieren würde (was dann auch in Frage stellt, weshalb man bereits 2018 schon wieder das nächste Remake benötigt, diesmal aus der Warner-Schmiede), es ist mehr oder minder einfach eine Auffrischung der Farben, so als würde man mal wieder sein Garagentor streichen. Manchmal reicht das aber schon.
:liquid7:

Triple 9
Bild
Atlanta, heute. Kriminalität findet in Päckchen gebündelt an jeder Ecke statt. Straßen fungieren als Verbindungslinien zwischen tristen Kreuzungen, die selbst am hellichten Tag zwielichtig aussehen. Reichlich Filmkorn reichert das zu allen Seiten offene Setting an, das letztlich zu vielen Vergleichen mit "Heat" geführt hat und "Triple 9" somit automatisch zur B-Variante desselben erklärt.

Selbst ein urbanes Polizeithriller- und Heist-Setting hindert Regisseur John Hillcoat nicht daran, an der Unkontrollierbarkeit einer Wildwestgesellschaft festzuhalten, die sich durch seine ganze Filmografie zieht – ob es sich nun de facto um Western handelt ("The Proposition", "Lawless") oder nur um Westernartige ("Ghosts... Of The Civil Dead", "The Road"). Ein beachtliches Staraufgebot hat er diesmal zur Verfügung, das manchmal in ungewohnter Aufmachung erscheint (Kate Winslet), meist jedoch die eigenen Stereotypen bestätigt: Vom eigentlich wandlungsfähigen Woody Harrelson, der jedoch optisch betrachtet zu "Rampart" zurückkehrt, bis zu den standardmäßigen Kleinkriminellen-Casts Aaron Paul, Norman Reedus und Clifton Collins, Jr.

Somit gelingt dem einst von der Blacklist stammenden Drehbuch kaum der Ausbruch aus viel gesehenen Mustern, denn er verlässt sich zu sehr auf altbekannte Rollenmuster, die folglich in altbekannte Situationen münden. Diese auf komplexe (nicht zu verwechseln mit: vielschichtige) Art mit einander zu verdrahten, stellt nicht unbedingt eine besondere Leistung dar.

Dass "Triple 9" doch irgendwie gerade noch so die Kurve kriegt, liegt dann fast ausnahmslos an dem schillernden Ensemble (trotz der festgefahrenen Rollen) und der spannenden Prämisse; vielleicht noch an dem Versprechen, das Hillcoat mit seiner dramaturgisch flachen, aber jederzeitüberraschungsfähigen Everything-Can-Happen-Inszenierung gibt.
:liquid5:

Homeland – Season 1
Bild
Vieles erinnert an das Jahr 2001, als "24" den Krieg gegen den Terrorismus in die heimischen Wohnzimmer brachte: Die Thematik natürlich im weiteren Sinne, vor allem aber die Vermarktung, das frische Konzept, die reißerische Aufmachung und die schizophrene Rezeption, denn "Homeland" gilt in ihrer ersten Staffel als eine der besten und spannendsten Serien auf dem Markt, andererseits aber auch als unlogisches, xenophobes, reaktionäres Blendwerk.
Die eigentliche Herausforderung besteht also in der Verdrängung gewisser Aspekte. Stellt man sich in die Reihen der Kritiker, muss man sich schon anstrengen, die Wirkung des bis zum Anschlag mit Suspense vollgepackten Drehbuchs abperlen zu lassen, um berechtigterweise darauf hinzuweisen, wie künstlich an den Reglern gedreht werden muss, um das Adrenalin auf diese Weise überhaupt fließen lassen zu können. Umgekehrt gibt es viele Momente, die mit zugedrückten Augen zu überstehen sind, möchte man sich den reuelosen Genuss nicht versauen.
Gerade die Schauspieler- und Rollenkonstellation trägt zu diesen heißkalten Eindrücken bei. Mit Mandy Patinkin befindet sich eigentlich nur ein Darsteller im Main Cast, der nicht in irgendeiner Weise streitbar wäre, da er die labilen Figuren um sich herum stabilisiert. Damian Lewis' Darbietung mag psychologisch unglaubwürdig sein, da sie die Gräuel seiner Gefangenschaft kaum reflektiert, allerdings wurde der für sein kühles Auftreten bekannte Schauspieler sicherlich nicht engagiert, um ein psychisches Wrack zu portraitieren, sondern um das Hitchcock'sche Element der unberechenbaren Variable in die Handlung zu bringen. Seine Familie, angeführt von der hoffnungslos naiv chargierenden Morena Baccarin, tölpelt durch die ungewöhnliche Situation wie eine Sitcom-Konstruktion, der man die Vierte Wand geklaut hat. Und Claire Danes dreht am Rad wie noch nie in ihrer Karriere, was man ebenso gut als schauspielerische Meisterleistung wie als überzeichnetes Overacting bezeichnen kann.
All das sorgt für ein fragiles, teils unglaubwürdiges und bestimmt nicht immer geschmackssicheres Szenario, das wenig Action benötigt, um maximale Intensität zu erzeugen. Mit 12 Episoden, davon die letzte in Spielfilmlänge, ist auch der Rahmen genau in der richtigen Größe gespannt. Einige Plotlines führen ins Leere und weisen doch immer eine wertvolle Pointe auf, der Weg zum großen Knall bleibt aber immer sichtbar. Selbst der Quasi-Epilog hat noch einen tollen letzten Moment zu bieten, der die Gier nach Staffel 2 anheizt.
Je nach Standpunkt fungiert "Homeland" als Brech- oder Lösemittel für ein Geschwür, das dem US-Publikum tief im Magen sitzt. Ob man darin nun prächtige Unterhaltung sieht oder die Verbreitung von politisch fragwürdigem Gedankengut – ein schaler Beigeschmack wird wohl immer mit einspielen, wenn man eines dieser Extreme vertritt. Doch zur Einnahme solcher Extreme zwingt diese Serie, denn das ist schließlich das Geheimnis ihres Erfolges.
:liquid7:

Crisis In Six Scenes
Bild
Dieser Woody Allen ist schon ein Fuchs. Soll dem Auftraggeber Amazon Studios eine Serie als Prestigeobjekt fürs Prime-Portfolio zimmern, doch Allen ist die ganze Sache nicht geheuer. Als man ihm auf sein Zögern hin immer mehr Geld anbietet, absolute Narrenfreiheit in Sachen Kreativität ohnehin inklusive, knickt er ein, streicht sämtliche Vorteile ein und nimmt insbesondere die Narrenfreiheit wörtlich. Anstatt einer Serie liefert er also einen ganz normalen Woody-Allen-Film - in sechs Akten. Und als wäre das noch nicht genug, beschwert er sich höchstpersönlich in der Hauptrolle fortwährend über das TV-Serien-Format. Im übertragenen Sinne natürlich, lässt er doch seine Filmrolle die Meckerei übernehmen.

Es mag ein interessantes Experiment sein, einen Autorenfilmer und erklärten Mann des Kinos mit dem Serienformat zusammenzubringen, das in der letzten Dekade sein volles Potenzial für das Geschichtenerzählen endlich entfaltet hat. Nur ist Kreativität bekanntlich nicht zu erzwingen. Allen scheitert hier nicht etwa, weil es ihm nicht gelänge, das TV-Format zu bändigen, sondern weil er es nicht einmal versucht. Wenn man denn in diesem Zusammenhang überhaupt vom Scheitern sprechen kann.

Es ist trotzdem schön, Allen erstmals seit "To Rome With Love" wieder in einer eigenen Regiearbeit vor der Kamera zu sehen. Die Eröffnungssequenz beim Friseur fungiert als Prolog in Sketch-Format und streut zwei Running Gags aus, die während der gesamten sechs Folgen immer wieder aufgegriffen werden: Einmal an der Oberfläche ein Witz über den Haarschnitt, der an einen berühmten Schauspieler erinnern soll. Und dann auch schon der erste selbstreferentielle Seitenhieb mit Blick auf die Produktionsumstände. Ins Seriengeschäft wolle er einsteigen, verrät der kauzige alte Mann dem Barbier. Dort lasse sich jetzt das Geld verdienen.

Stimmt diese erste Szene noch auf eine amüsante Sketch-Reihe ein, wird bald deutlich, dass dem Regisseur weder zum TV-Format noch zur gewählten Epoche (zumindest diese konnte er ja frei wählen) etwas Geistreiches einfallen mag. Die witzigsten Momente liefern tatsächlich noch die ersten beiden Episoden, in denen Allen sein altbekanntes Ego einmal mehr aufleben lässt und in ein kongeniales Zusammenspiel mit seiner Partnerin Elaine May einbettet. Teilen sich die Beiden eine Szene, ist das Zusehen die investierte Zeit wert. Obwohl auch hier nur wieder alte Neurosen aufgewärmt werden, funktionieren diese Momente im Sinne einer Sitcom (ohne lachendes Publikum, über weite Strecken sogar ganz ohne Musik) durchaus, so wie sich überhaupt sämtliche Schauplätze für eine Sitcom eignen würden.

Die Probleme beginnen, als Miley Cyrus auf den Plan tritt. In trampeliger, blökender Art und Weise lärmt sie durch jede ihrer Szenen und lässt das bei Allen so notwendige komödiantische Feingefühl völlig vermissen. Schlimmer noch: Das typische Allen-Moment, als eine dramatische Wendung die selbstgenügsame Romantik seiner Filme durchbricht, legt sich hier in Form einer Revolutionslehre völlig ziellos im Plot nieder. Allen ist bestens mit der gewählten Epoche, der Zeit der Revolutionen, vertraut, scheint aber keinen Plan in petto gehabt zu haben, den Status Quo mit ihnen aufzubrechen. Mehr als das Gewusel einer Bücherclubrunde bestehend aus alten Frauen, die mit afroamerikanischen Aktivisten und zwei Handwerkern plötzlich im Hausflur stehen, mehr also als diese allzu offensichtliche Versammlung zur finalen Pointe, die nie kommt, weiß "Crisis In Six Scenes" enttäuschenderweise nicht zu erzählen.

Letztlich stellt sich die Frage, worin der Sinn liegt, einem Woody Allen nur eine einzige Vorgabe zu machen (TV-Serie), wenn er ausgerechnet diese Vorgabe trickreich umgeht. Das Ergebnis war durchaus abzusehen, wenn man die zugegebenermaßen etwas generisch wirkenden, immer aber nach den Regeln eines Films oder zumindest eines Theaterstücks ausgerichteten Allen-Outputs der letzten Jahre betrachtet. Auch als 130-Minuten-Film ist "Crisis In Six Scenes" deutlich im unteren Teil des Gesamtwerks anzusiedeln. Vorwürfe möchte man am Ende jedoch niemandem machen, weder Allen für die Annahme des Gehaltsschecks noch Amazon für das Experiment. Wieso auch; eine kleine Chance besteht schließlich immer, dass etwas Fruchtbares entsteht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
:liquid4:

Weitere Sichtungen:
Mockingjay – Teil 2

Benutzeravatar
StS
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 28419
Registriert: 04.10.2005, 21:43
Wohnort: Harsh Realm, Hannover

Beitrag von StS » 15.10.2016, 12:50

"Unfriend" hat mir ebenfalls zugesagt - da wollte ich eh noch ein paar Zeilen zu tippen - "Triple 9" steht bei mir noch an und "Homeland" sehe ich recht ähnlich. :wink:

Benutzeravatar
Vince
Actioncrew
Actioncrew
Beiträge: 20522
Registriert: 30.09.2005, 18:00
Wohnort: Aachen

Beitrag von Vince » 23.10.2016, 11:54

The Huntsman & The Ice Queen
Bild
Welch seltsame Früchte Hollywood werfen kann, wenn es kreischende Mädels wittert, die mehr von Chris Hemsworth in schicker Jägerskluft sehen wollen... Schneewittchen jedenfalls genießt keine Relevanz mehr in dieser Fabel aus dem Schneewittchen-Universum und wenn man so will, ist es der größte Aha-Effekt dieser Fortsetzung des nicht einmal so erfolgreichen "Snow White & The Huntsman", dass ein Schneewittchen-Film ohne Schneewittchen überhaupt denkbar ist. So hat man zwar mit Kristen Stewart einen der größten Schwachpunkte des ersten Teils entfernt, nur kann man wirklich gleich auf die ganze Figur verzichten, um die sich im Grunde genommen alles dreht? Aber ja, man braucht nur genug Schnee und Eis zur Kompensation.

Das Grundlos Zusammengereimte am Drehbuch begräbt man damit natürlich nicht. Die etwas seltsame Villain-Konstellation aus böser Königin und böser Königin in Co-Assistenz, farblich in Gold und Silber fein getrennt, ist schon seltsam genug, eine Handlanger- und Stichwortgebertype wie den Huntsman zum Hauptdarsteller zu befördern jedoch erst recht, insbesondere, da man ihm auch noch Jessica Chastain als Amazone zur Seite stellt. Hemsworth ist gut für die kleinen Seitenhiebe gen Bildschirmmitte und Gefrotzel am Bildrand, stellt man ihn jedoch selbst ins Zentrum, steht er da wie ein Clown im hitzigen Rampenlicht, von dem Kunststücke erwartet werden. Drei Ladies, alle mit ihren eigenen Erwartungen (ob nun "liebe mich bedingungslos" oder "stirb doch endlich"), das ist auch für einen Hemsworth vielleicht ein wenig zu viel.

Davon abgesehen weiß die Abteilung für das visuelle Konzept gar nicht, an welchem Topf sie sich als erstes bedienen soll: Game Of Thrones? Vikings? Hauptsache, es war in letzter Zeit erfolgreich und stimmt in den "Winter Is Coming"-Chor ein. Waldlandschaften und Eiswelten werden planlos gegeneinander gestemmt und mit materialistischen Spezialeffekten zugekleistert, von hastig errichteten Eiswänden über morphendes Flüssiggold bis zu öligen Lachen, aus denen sich spinnenbeinartige Stachel bilden. Alles so kunstvoll, opulent und ästhetisch – und doch wackelt das Styroporgerüst aus eisigen Frit Sticks an der Wohnzimmerwand der Eiskönigin bedenklich, als einer ihrer Schergen aus Versehen sein Bein daran streift. Wirklich gut sieht eigentlich nur die urgermanische Häuserfront in einer Bergkluft aus, die der Hauptdarsteller für eine zünftige Dachkachel-Rutschpartie verwendet, um der Handlung mal wieder einen Actionszenen-Kickstart zu geben.

Ganz putzig gecastet dagegen das Zwergenvolk, insbesondere Nick Frost ist einfach niedlich anzusehen mit seinem Iro (und überhaupt: Wie hätte man bei solch eisigen Szenenbildern darauf verzichten können, den Abspann mit Herrn Frost zu veredeln?). Eine der wenigen Kreaturen jenseits des menschlichen Äußeren, ein Goblin aus der Gattung der Goldgeilartigen, ist hingegen eher als CGI-Unfall zu verbuchen.

Ehrenwert erscheint immerhin der Versuch, eingefahrene Märchenmuster zu verlassen und in der Peripherie der Grimm-Märchen eigene erzählenswerte Funde zu verbuchen. Mehr noch als der erste Teil versteht sich der zweite als eine Art Alternative Rock des Märchenfilms. Der Haken an der Sache jedoch: Erzählenswert ist hier nichts, gerade auch weil die Motivation der Figuren im Drehbuch keinerlei Liebe oder Mühe erfahren hat. Das verletzte, manipulierte Mauerblümchen, deren Schmerz sich in bitteren Hass wandelt, ist das Klischee auf höchster Ebene und es spiegelt sich in den tieferen Ebenen ebenso wieder, bis hin zur winzig kleinen Zwergenliebe, die im Laufe der Handlung langsam aufblüht. Ein Schelm, wer da an gewisse Hobbit-Annäherungsversuche in "Die Gefährten" denkt. Aber all das ist ohnehin irrelevant, denn eigentlich geht es dem Studio nur um einen Versuch, den "Huntsman" zur Marke einer Reihe werden zu lassen, die sich nach den Prinzipien des Comicfilms endlos aufblasen lässt. Und dazu muss man sich zwangsläufig irgendwann von den Hauptfiguren lösen und auf die Nebenfiguren eingehen, schließlich steckt hinter jeder von ihnen das Potenzial für einen Solofilm...

So mag man sich vielleicht noch an der Schönheit Charlize Therons ergötzen, denn sonst bleibt nicht viel übrig in diesem gescheiterten Versuch, an zeitgemäße Erfolgsmuster anzuknüpfen und mit neuen Charakteren in neuen Positionen einen weiteren Anlauf zu wagen.
:liquid3:

Reality
Bild
Man ist geneigt, Quentin Dupieux' assoziative Praktiken mit jedem Film zunehmend in Frage zu stellen; weil er sich eben letztlich wiederhole, ein und dasselbe Sujet immer wieder von unterschiedlichen Perspektiven beleuchte. "Rubber" hat immerhin bereits beide Seiten des Reifens aufgezeigt, nichts also ausgelassen, das notwendigerweise von "Wrong", "Wrong Cops" oder nun eben "Realité" neu erzählt werden müsste. Die These cineastischer Willkür ist äquivalent zur Flasch-Wahr-Dualität der klassischen Logik und nun eben auch zur Dichotomie von Wirklichkeit, Traum und der artifiziell eingefügten dritten Ebene der Fiktion – ein unentwirrbares Geflecht, das mit dem klassischen Surrealismus nach Buñuel adäquat dargestellt scheint.

So rückt Dupieux in seinem sechsten Film keinen Deut von der bewährten Praxis ab. Er arrangiert kontextfreie Sequenzen, die für sich genommen bereits ins Bizarre greifen und entwickelt sie so lange weiter, bis sie sich durch scheinbar zufällige Überlagerungen irgendwann ineinander verkeilen. Eine hässliche Bronzeoptik mit muffigem Frühachtziger-Flair sowie ein schrecklich repetitiver, hibbeliger Orgel-Soundtrack sorgen für fasertrockenes Klima, das von Dupieux mit konstatierendem Nonsens gefüttert wird, wie man ihn beispielsweise auch von "Napoleon Dynamite" kennt – folgerichtig, dass diesmal auch Jon Heder zum (teilweise ebenfalls repetitiven) Cast gehört und diesmal statt Moonboots, Fliegerbrille und White Afro ein Rattenkostüm trägt.

Neu ist allerdings, dass "Realité" seine cineastischen Ambitionen stärker zum Ausdruck bringt als die Vorgängerwerke, die allesamt dazu tendierten, in ihre Einzelszenen zu zerfallen. In die Verknüpfung der verschiedenen Ebenen wird mehr Mühe gelegt, die Klammer hält das Geschehen fester zusammen. Deutlicher treten auch Filmzitate als Bindemittel hervor; von Cronenbergs Frühwerk ("Scanners", "Videodrome") über David Lynch ("Lost Highway") klammert sich Dupieux gezielt an analoge Requisiten wie Videokassetten und Schnurtelefone, um anhand gebräuchlicher Züge des surrealistischen Kinos seine deiktischen Szenenverweise unterzubringen. Ganze Einstellungen werden mehrfach gedreht, Details in ihnen verändert und somit – zugegebenermaßen recht bequem – verschiedene Zeit- und Realitätsebenen miteinander in Einklang gebracht.

Eigentlich hat Dupieux mit seinen Arbeiten nie behauptet, etwas anderes vorgelegt zu haben als Skizzen, doch "Realité" strebt spürbar eine höhere Vollendungsstufe an. Nicht alle Ebenen werden gleichermaßen geschickt verarbeitet (der Handlungsstrang um Heder, dem von einem vernarbten Hautarzt quasi "Hautausschlag im Gehirn" attestiert wird, bleibt eine zu frei schwebende Meta-Aussage über das Werk selbst), der Kern um einen Regisseur und seine Drehvorbereitungen jedoch überzeugt in seinen feingesponnenen Interferenzen, auch wenn man jede Idee, ja beinahe schon jede Einstellung glaubt, bereits einmal in einem anderen Film gesehen zu haben – und das muss nicht unbedingt einer von Dupieux selbst gewesen sein.
:liquid7:

Spione wie wir
Bild
Wo zwei Comedy-Schwergewichte wie Chevy Chase und Dan Aykroyd die Gelegenheit bekommen, sich gegenseitig aufzustacheln, hinterlassen sie unter Garantie eine glänzende Spur ausgetretener Fettnäpfchen. John Landis verfolgt diese indes mit sichtbarer Begeisterung für ein episodisches Sketchformat und macht den Besuch in der damals noch existierenden Sowjetunion zu einem Spießrutenlauf, der die Sowjets nicht von ihrer eigenen Karikatur verschont, aber gerechterweise auch mit dem amerikanischen Außendienst hart ins Gericht geht.

Zu einer Zeit, da der Kalte Krieg in seinen letzten Zügen liegt, umweht die 1985er-Produktion bereits ein gewisses historisches Reflektionsvermögen, das sich in einer spielerischen Sicherheit mit Klischees niederlegt. Für wirklich ausgefeilte oder gar hintersinnige Gags scheint keinerlei Notwendigkeit zu bestehen, also durchläuft das stetig Nonsens quasselnde Gespann sämtliche Stationen eines riskanten Auslandseinsatzes mit einer vitalen Mischung aus Neugier und gefährlichem Halbwissen. Dies alles wohlgemerkt im Gleichschritt, also eben nicht nach den korrellierenden Mustern einer standesgemäßen Buddy-Komödie, bei der einer dem anderen bei jeder Gelegenheit ans Bein pinkelt.

Obwohl auch dieser Film von der mit den Jahren dicker gewordenen Schicht 80er-Nostalgie profitiert und mancherorts bereits droht, verkultet zu werden, sind seine Schwächen auch dreißig Jahre später noch offensichtlich. Wären die Hauptdarsteller nicht stets für einen blöden Spruch zu gebrauchen und auch bereit, sich ohne echte Not zum Affen zu machen (wie einfach hätte man beispielsweise der Ausführung einer Operation entgehen können), stünde eine leere Mission in tristen Tannennadelwäldern zu Buche, die als Komödie nur wegen ihrer vielen Comic Reliefs zu identifizieren wäre.
:liquid5:

Sinister 2
Bild
Unerwartet fintenreich zeigt sich die Fortsetzung zum Überraschungserfolg "Sinister" auch ohne einen Ethan Hawke im Cast. Die Autoren C. Robert Cargill und Scott Derrickson waren schon beim Original für das Drehbuch verantwortlich (letzterer sogar für die Regie) und pflegen hier offensichtlich Ambitionen, ihre Stoy nicht nur zu variieren, sondern weiterzuentwickeln. Das führt zu einer Konstellation, die dem österreichischen Horrorthriller "Ich seh ich seh" ähnelt: Ein junges Bruderpaar, das von dunklen Mächten in ein gefährliches Spiel verwickelt wird, bildet das Herz dieser Fortsetzung, die auf der Erwachsenenebene zudem Sorgerechtsprobleme thematisiert und in diesem Spannungsfeld eine Scheidewand zu errichten versucht zwischen dem, was sich zwischen den Brüdern entwickelt und dem, was der alleinerziehenden Mutter widerfährt.

Das Abdrehen der Snuff-Filme-im-Film wurde offenbar mit großer Motivation angegangen; eine beinahe wettbewerbsartige Wirkung üben die durchaus kreativen Kurzfilme aus, die zudem countdownartig auf das Unvermeidliche zusteuern. Wahrlich ungemütliche Foltermethoden tummeln sich in diesen Homevideos, stets mit der körnigen POV-Ästhetik inszeniert, die das Grauen des Ungefilterten vermitteln soll.

Nur ganz so "sinister" mag das alles nicht mehr sein; wie auch, wenn man das Gefühl hat, es habe regelrecht Spaß gemacht, die perfiden Tötungsszenen auf 8mm zu inszenieren. "Sinister" war, obgleich er ein leeres Gefühl im Bauch hinterließ, ungleich düsterer und auch atmosphärisch dichter. Ein mulmiges Grundgefühl herrscht kaum noch und Schreckmomente ergeben sich bloß aus Schattenspielen und der Plötzlichkeit, mit der sich das Böse im Bildschnitt manifestiert, doch so sehr sich Ciarán Foy in seinem zweiten Langspielfilm auch bemüht, die Düsternis des ersten Films kann er mit keinem seiner vielen Buheffekte rekonstruieren. Am allerwenigsten mit dem allerletzten Hallowachgruß der maskierten Verkörperung des Bösen, denn sie gleicht nur noch der Gestik eines verzweifelten Clowns, dem es nicht mehr gelingt, sein Publikum wach zu halten.

Eine überraschend aufwändige Story trifft also auf die üblichen Fisimatenten einer Horrorfilm-Fortsetzung und ergibt in der Summe ein durchschnittliches Gesamtwerk mit einigen lichten Momenten, aber auch viel Schulterzucken.
:liquid5:

Kung Fu Panda 3
Bild
"Kung Fu Panda" bleibt auch in seiner dritten Auflage die visuell vielleicht fantasievollste Serie des amerikanischen Computeranimationsfilms. Schon in der völlig weltentrückten Eröffnungssequenz, die den neuen Gegner einführt, wird der Surrealismus weit über den Naturalismus gestellt. Meditativer Kreationismus lässt da eine Geisterwelt entstehen, in der sich Muster und Formen beinahe zufällig zu Symbolen verschieben. Felsformationen werden in luftleeren Raum geschleudert und zerschellen scheinbar am bloßen Spiel der schillernden Farben. In der Kontaktlosigkeit des Kampfes zwischen Altmeister-Schildkröte Oogway und Herausforderer-Stier Kai wird wieder die ganze Dynamik spürbar, mit der Dreamworks seine Panda-Saga zum Märchenbuch mit klassischer Geschichte, aber modernem Layout umgestaltet. Und: Keine modernen Popsongs mit zwei Jahren Haltbarkeit, die selbst bei hochklassiger Konkurrenz ("Zoomania") eingesetzt wird, sondern traditionelles, zeitloses Liedgut passend zur jenseitigen Atmosphäre der morgenländischen Erzählkultur. Dieses bleibt zwar auch eher oberflächlich und schlicht wie überhaupt die gesamte Darstellung asiatischer Kultur zwischen Yin und Yang, aber letztendlich immerhin wertungs- und kontextfrei.

Dass sich das Drehbuch auf typische Kniffe dritter Teile verlässt und erstmals Stagnation ausströmt, fällt nur aus diesem Grunde kaum ins Gewicht. Po war schon in Teil 2 ausgebildeter Drachenkrieger und sieht sich in seinem dritten Abenteuer keiner wirklich neuen Situation ausgesetzt, auch wenn gewisse Szenen rund um die Führung eines Trainings genau das vermitteln möchten. Doch die Hauptfigur funktioniert immer noch, insbesondere unter Berücksichtigung ihres Umfeldes. Im Minutentakt zünden handverlesene kleine Gags, die zwar oft auch nur auf dem bewährten Niedlichkeitsprinzip oder auf Körperkomik basieren, dabei jedoch weniger generisch wirken als ein Großteil des Restfelds. Pos Meister-Sippe um Tigress, Mantis, Crane, Viper und Monkey nimmt inzwischen einen weniger dominanten Rahmen in der Handlung ein, auch weil – wiederum so ein typischer Joker dritter Teile – inzwischen eine Figur aus Pos Vergangenheit Raum erhalten hat. Doch weiterhin halten sie den Hintergrund mit ihrer schillernden Artenvielfalt am Leben.
"Kung Fu Panda 3" ist sicher längst nicht so subversiv wie das, was die Disney-Studios zeitgleich verließ, dafür aber durchaus beseelter. Selbst ohne gute Geschichte.
:liquid7:

Spotlight
Bild
"Spotlight" erzählt, obgleich seine wahre Geschichte nur eineinhalb Jahrzehnte in der Vergangenheit liegt, von alten journalistischen Werten und vermittelt einen Eindruck davon, welchen Einfluss Informationsmedien geltend machen können und wie sehr ihre Durchschlagskraft vom Berufsethos abhängt, mit dem sie verwendet werden; nicht zuletzt auch, wie abhängig das Gesellschaftsbild sich von ihnen zeigt. Tom McCarthy zeigt schlussendlich auf, dass Zeitungen keine Fenster sind, die einen neutralen Blick auf das Weltgeschehen geben. Anhand der Hochleistungen einiger weniger macht er deutlich, dass es eines unbedingten Kraftakts braucht, um einen großen Skandal wie den sexuellen Mißbrauch von Kindern durch Geistliche der römisch-katholischen Kirche aufzudecken, da Widerstände eine offene Berichterstattung unter normalen Aufwänden unmöglich machen, ob nun ein persönlich befürchteter Schaden oder ein solcher an der gesellschaftlichen Ordnung Grund für ihre Existenz ist.
Angesichts der pikanten Thematik wäre eine Heroisierung der Spotlight-Investigative allzu schnell bei der Hand; um so wichtiger, dass McCarthy darauf völlig verzichtet. Die von Mark Ruffalo, Rachel McAdams und Brian d'Arcy James unter der Leitung von Michael Keaton dargestellten Journalisten erscheinen wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit, in ihrem Denken festgefahren und hochfokussiert, dabei jedoch äußerst menschlich. Und Menschlichkeit bedeutet hier auch: Unscheinbar, manchmal fehlgeleitet und immer fehlbar, im Team jedoch zu außergewöhnlichen Leistungen in der Lage, die im Film niemals als solche gefeiert werden. Wie bei jeder wahren Geschichte kann man die dargelegten Fakten anzweifeln, zumal ein Film, sei er auch noch so dokumentarisch gehalten, immer auch selbst ein wertendes Medium ist. Mindestens ein dreifacher Zerrspiegel wird auf die ungefilterte Realität gehalten (die Berichterstattung über den Bostoner Skandal auf der ersten Stufe, dann das auf dem Skandal basierende Drehbuch, dann der auf dem Drehbuch basierende Film). Und doch reflektiert sich in der medialen Interpretation wiederum eine Perspektive auf die Wahrheit, die viel Entlarvendes enthält. "Spotlight" kann als Film dazu beitragen, dass die Kurzfristigkeit der Enthüllungen des Boston Globe eine Nachhaltigkeit erfahren, die sich über den eigentlichen Wirkungsgrad der journalistischen Arbeit hinaus erhält.
:liquid8:

Sieben Diebe
Bild
Zuerst da gewesen und doch im Schatten des ungleich ruhmreicheren "Ocean's Eleven" gelandet. Kein Wunder, können der kurzgewachsene Edward G. Robinson und seine Mitstreiter doch längst nicht so lange Schatten werfen wie Frankie und seine Spießgesellen, ironischerweise unter anderem auch deswegen, weil in klassischem Schwarzweiß gedreht wurde. Die Entscheidung für eine althergebrachte und bewährte visuelle Methodik deckt sich mit der langsamen, gereiften Erzählweise, die Henry Hathaway anwendet. Keine Frage, Lewis Milestone ist im direkten Vergleich das progressivere Werk gelungen.

Was bei "Sieben Diebe" jedoch als langsam und altmodisch begriffen werden kann, muss nicht zwangsläufig negativ konnotiert sein. Man schwelgt vornehmlich in der Vorbereitung des Coups und hier insbesondere in der gemütlichen Anwendung von Überredungskünsten, wo "Ocean's Eleven" längst damit beschäftigt war, konkrete Aufgaben an seine Spezialisten zu verteilen und in komplizierten Plansequenzen miteinander harmonieren zu lassen. Unter Hathaway nimmt der eigentliche Coup nur einen geringen Teil der Laufzeit ein. Das Interesse an realistischen Zeitabläufen erscheint höher als die Faszination für die Anatomie eines Raubs. Robinson, Steiger, Wallach sind kernige Typen alter Schule, die nicht als menschlicher Spezialeffekt an den Roulettetischen vorbeitänzeln können. Unweigerlich muss die Kamera an ihrer Seite verweilen, auch wenn das bedeutet, dass man einfach mal einige Minuten Gast am Tisch in einem exotischen Établissement ist. Erst recht gilt der Kameraverweil für Joan Collins, die als Tänzerin in jenem Établissement ohnehin alle Blicke auf sich lenkt und das Element der Ablenkung, hier ist man sich mit "Ocean's Eleven" durchaus einig, ins Spiel bringt.

Selbst nach dem Coup nimmt sich der Regisseur noch einmal viel Zeit, um das Geschehene zu reüssieren und moralische Entitäten durch einige ironische Wendungen ins Spiel zu bringen. Sie nehmen im Dienste einer sauberen Schlusswendung Überhand und schlagen sogar ins Saure um, jedoch werden zugleich durchaus interessante Fragen aufgeworfen, für die Lewis Milestone in seiner eigenen temporeichen Hatz keine Zeit mehr hatte. Westernmotive schlagen durch (nicht unerwartet bei diesem Regisseur), spätestens als die Teilung der Beute ansteht und wiederum zeigt sich "Sieben Diebe" in tief verwurzelten Konventionen verortet. Insofern ein eher klassisches Heist Movie, dessen fehlende Bekanntheit nicht von ungefähr kommt – was nicht heißt, dass es auf die ein oder andere Weise nicht doch entdeckenswert wäre.
:liquid6:

Benutzeravatar
SFI
Expendable
Expendable
Beiträge: 103737
Registriert: 09.08.2004, 07:58
Wohnort: Suraya Bay
Kontaktdaten:

Beitrag von SFI » 23.10.2016, 15:05

Vince hat geschrieben:The Huntsman & The Ice Queen
Bild

:liquid3:
Da bin ich voll bei dir, ein richtig einfallsloser und dröger Stinker.
PFALZBOTE | DVD-Profiler

„Fate: Protects fools, little children and ships named Enterprise.“

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste