Filmtagebuch: Wallnuss

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Beitrag von McClane » 14.12.2014, 09:38

Wallnuss hat geschrieben:Was sollte das denn? Da schreiben die Drehbuchautoren John Brancato, Michael Ferris und David C. Wilson einen abartig genialen Twist rund um die Marcus Wright Figur, eine Überraschung, die es richtig in sich hat und die man so niemals vorhersehen kann, nur damit dieser dann im dreiminütigen Prolog bereits so stark angedeutet wird, dass er niemanden mehr verblüfft, wenn er dann nach einer Stunde eigentlich greifen soll?
Ganz abgesehen davon, dass er im Trailer auch noch herausposaunt wurde.

Ansonsten: Wertungstechnisch der beste "Terminator" bei dir, angeblich härtester Film seit der 1... Boy, oh Boy. :lol: :lol: :lol:
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Beitrag von Wallnuss » 14.12.2014, 11:52

McClane hat geschrieben:Wertungstechnisch der beste "Terminator" bei dir, angeblich härtester Film seit der 1...
Klar, nach den weichgespülten Kiddie-Filmen 2 und 3 ist Die Erlösung mindestens um das dreifache härter und erwachsener. Wers nicht glaubt: Einfach die Filme noch mal anschauen. :wink:

Und der beste Terminator ist er auch ohne Frage. Wozu 3-mal die selbe Zeitreise-Story ansehen, wenn die Zukunft um ein vielfaches interessanter ist? :lol:

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Beitrag von SFI » 14.12.2014, 16:41

Also besser als die 1 finde ich Salvation auch! :lol:
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Beitrag von Wallnuss » 18.12.2014, 19:44

Ödipussi

"Die Ente bleibt draußen!" - Wer kennt ihn nicht, den wohl schärfsten und brillantesten deutschen Alltagssatiriker? Loriot (bürgerlich: Vicco von Bülow) katapultierte sich durch seine cleveren und herrlich komischen Sketche und Cartoons spätestens Mitte der 60er Jahre zu einem der wichtigsten Bestandteile der Comedyszene Deutschlands. Dabei hatten all seine unterschiedlichen Wege, Komik an den Mann zu bringen, stets ein übergeordnetes Thema: Das deutsche Spießbürgertum. Dieses schien von Bülow perfekt analysiert und verinnerlicht zu haben und wie kein Zweiter gelang es ihm stets, dieses immer wieder in zeitlosen Methoden zu parodieren. Auch sein erster Spielfilm "Ödipussi" aus dem Jahre 1988, bei dem Loriot gleichzeitig das Amt des Drehbuchautors, Hauptdarstellers und Regisseurs übernahm, behandelt dieses Thema, denn obgleich der Titel natürlich Assoziationen mit dem antiken griechischen Drama "König Ödipus" von Sophokles weckt, steht hier kein ödipaler Konflikt (Liebschaft zwischen Mutter und Sohn) im Vordergrund, sondern viel mehr das Leben eines verweichlichten Muttersöhnchens, welches sich durch den Kontakt mit einer Psychologin beginnt, von der Frau Mama ein Stückweit zu emanzipieren.

Ein psychologisch-analytisches Werk oder gar eine moderne Version des Ödipus-Mythos darf man daher hier nicht erwarten. Doch wird das ohnehin kaum einer tun, der weiß, wer Loriot ist und wofür er steht. Und das ist sicher nicht für ernsthafte Auseinandersetzung mit bedeutenden literarischen Themen. Loriot steht für seine hervorragende Beobachtungsgabe, bei der er ganz alltägliche Unterhaltungen und Situationen aufgreift und sie so auseinander nimmt, dass er ein komisches Element in ihnen findet, welches er dann überspitzt ins Groteske abgleiten lässt. Dabei bedient er sich auch in "Ödipussi" der Betrachtung von menschlichen Verhaltensweisen und beschäftigt sich intensiv mit gesellschaftlichen Prozessen, allerdings ohne damit Gesellschaftskritik üben zu wollen. Ihm geht es wirklich nur um Komik und wie er sein Publikum zum Lachen bringen kann. Unschwer zu erkennen hinzu kommt, dass ihm das ideale Gespür für Timing wohl praktisch in die Wiege gelegt wurde. Wie kein Zweiter versteht er es, seine Witze so fein aufeinander abzustimmen, dass kein Lacher verloren geht oder zu früh bzw. zu spät zündet. Ein wenig bedauerlich, dass seine Nebendarsteller da weniger begabt sind. Bis auf die wunderbare Evelyn Hamann vermag keiner, auch nur annährend in seiner Liga spielen zu können. Allerdings wäre allein der Gedanke daran auch reine Utopie.

Loriot selbst erweist sich schließlich als glänzender Schauspieler, der seinem Paul Winkelmann genau die richtige Mischung aus Verunsichertheit und maßloser Selbstüberzeugung und Naivität verleiht, die ihn sofort zum Sympathieträger macht. Dabei kommt von Bülow auch eines seiner weiteren Talente zu Hilfe: sein enormer Wortschatz und ausgeprägter Sprachhumor. Zwischen all der Situationskomik und den visuellen Gags findet Loriot immer wieder Zeit für ausgefallene Wortspiele und Blödeleien im klassischen Beamtendeutsch. Bezeichnungen wie "Ablösung des Mannes bei gleichzeitiger Aktivierung der Frau unter Einbeziehung der Feuchtbiotope in das deutsche Volk als unteilbare Nation" oder Wortschöpfungen wie "Schwanzhund" findet man eben nur bei einem. Und diesen Trumpf spielt "Ödipussi" voll aus. Die erste halbe Stunde des Filmes ist dabei wirklich ein Genuss. Amüsante Einlagen, spritzige humoristische Verweise auf das triste Alltagsleben und eine gesunde Mischung aus Sprach-, Bild- und Situationskomik sorgen für reichlich Abwechslung, auch wenn die Kameraführung von Xaver Schwarzenberger etwas zu sehr nach TV-Unterhaltung aussieht und weniger nach einem Kinofilm. Danach, so muss man es leider sagen, sah sich Loriot aber offenbar mit einem Problem konfrontiert, dass das Medium Film ihm bereitete.

Die durchschnittliche Laufzeit eines Sketches beträgt nun einmal für gewöhnlich nicht mehr als drei bis maximal fünf Minuten. Und diesen Esprit, diese lockere unbeschwerte Energie eines vierminütigen filmischen Witzes auf ein Machwerk von 85 Minuten zu übertragen, scheint auf den ersten Blick nicht so, ist aber offenbar eine gewaltige Herkulesaufgabe. Sobald nämlich sich so langsam mal eine Handlung entwickeln muss und das Publikum auf eine Entwicklung im Geschehen wartet, erweist sich "Ödipussi" als erschreckend inhaltsleer. Der rote Faden, den uns die Regie als Verknüpfung der einzelnen Sketche anbietet, ist bestenfalls gerade mal als ganz nett zu bezeichnen. Schlimmer noch: Eine wirkliche Dramaturgie ergibt sich eigentlich gar nicht. Völlig zusammenhangslos reiht sich Witz an Witz, ohne etwas zum großen Ganzen beizutragen. Das ist nett, aber viel zu wenig für einen Spielfilm, der die Massen über eine Stunde hinweg beschäftigen soll. Zu viele Zuschauer verliert Loriot unterwegs, sodass besonders die letzten Szenen niemandem mehr ein Lächeln abverlangen zu vermögen. Sinnbildlich dafür auch das völlig abrupte Ende: Ohne irgendetwas vom Vorherigen abzuschließen, endet mitten im Plot plötzlich die Geschichte und lässt das Publikum fragend zurück. Obwohl, wohl besser: würde zurücklassen. Wirklich interessieren tut einen das zu dem Zeitpunkt schließlich ohnehin nicht mehr.

Fazit: Unbestritten war Loriot einer der ganz großen. Sein zeitloser Humor ist ein wundervolles Beispiel dafür, wie man ganz ohne auf Kosten anderer zu lachen, feingeistig und brüllend komisch sein kann. Dies würde prinzipiell auch für "Ödipussi" gelten. Und so erscheint die Bewertung vielleicht auch etwas unfair, angesichts der Fülle an hervorragenden Gags, die vorzufinden sind. Doch selbst die besten Lacher gehen in einem Film nicht richtig auf, wenn der Sinn für das große Ganze fehlt und der Zuschauer in einer sperrigen Handlung nicht den richtigen Zugang zu den Aktionen findet. Das ist auf der einen Seite unglaublich schade, da so statt der erhofften Begeisterung sich nur müdes Achselzucken einzustellen vermag, auf der anderen aber eben auch ein Resultat aus dem ungewohnten Medium. Für alle Fans von von Bülow gilt aber dennoch selbstverständlich - Prädikat: sehenswert.

:liquid6:

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Beitrag von Wallnuss » 19.12.2014, 20:07

Predator

Ein Raumschiff fliegt durchs All und lässt plötzlich eine kleine Kapsel Richtung Erde abfallen. Danach befinden wir uns mit den männlichsten Männern irgendwo im tiefen südamerikanischen Dschungel, um dort die bösen Russen im Auftrag der CIA zu erlegen. Am Ende treffen pures Testosteron und beeindruckend abartiges Production Design aufeinander. Solche Filme konnten nur die harten 80er Jahre hervorbringen. Mit dem Vietnam-Trauma der USA im Hinterkopf, brachte John McTiernan 1987 mit "Predator" einen Actionfilm ins Kino, der heute als absoluter Kultfilm angesehen wird. Doch wie immer hat die Medaille zwei Seiten. Was für die einen heute eine Erinnerung an die guten alten Zeiten zu sein scheint und mit viel Nostalgie verbunden ist, wirkt auf die anderen heute veraltet und altbacken. Die Wahrheit liegt aber - wie immer - irgendwo dazwischen.

Was findet sich auf der Habenseite? "Predator" ist ein knallharter Film, in dem es blutig zur Sache geht und der in der Gewaltdarstellung absolut konsequent verläuft. Wer das nicht mag, sollte auf zartere Filme zurückgreifen. Und wer - in Anbetracht des titelgebenden Außerirdischen - auf einen schockierenden Horrorfilm hofft, muss ebenfalls nach anderem Ausschau halten. "Predator" ist ein Kind der 80er und auf dem Programm stehen da nun einmal Actionszenen mit großen Knarren, Kerle mit coolen Sprüchen und eine stupide und zweckdienliche Handlung. Inhaltlich ist "Predator" tatsächlich nur eine von vielen Versionen des "Zehn kleine Negerlein"-Prinzips, bei dem einer nach dem anderen von der Bedrohung ins Jenseits geschickt wird, dabei aber nie subtil oder auf etwas Oberflächliches wie Charakterentwicklung ausgelegt. McTiernan hat viel zu viel Spaß daran, seine Darsteller eine unzählbare Masse an Munition in der Wildnis verschwenden zu lassen und das so ohrenbetäubend laut zu zeigen, dass selbst der düster-martialische Soundtrack von Alan Silvestri um ein vielfaches übertönt wird. Macht aber nichts, "Predator" ist als großer Spaß von großen Jungs für große Jungs gedacht und da sind Frauen, wie der kurze Auftritt von Elpidia Carrillo beweist, genauso deplatziert wie ein höherer cineastischer Anspruch.

Um es mit dem Predator aufzunehmen, der ein wahrer kreativer Triumph ist und dessen Design sich auch heute noch sehen lassen kann, müssen dagegen echte Männer her. Und mit dem "Terminator"-Arnold Schwarzenegger, der mit seinem rechten Oberarm allein bedrohlicher als eine ganze Einheit Soldaten wirkt, hat McTiernan den richtigen Hauptdarsteller besetzt. Schwarzenegger war natürlich nie ein großer Darsteller, doch die Regie weiß ihn richtig einzusetzen und so liefert er eine tolle Darstellung ab und scheint den Film besonders später zu bereichern. "Predator" ist schließlich auffällig in drei Akte gegliedert: dem stereotypen Soldaten-Actioner, das "Zehn kleine Negerlein"-Spiel und das schlussendliche, mit pfandfinderischem Einfallsreichtum inszenierte, Katz- und Maus-Spiel mit dem Wesen aus einer fernen Welt. Hier zeigt sich jedoch auch das elementare Problem des Films. Während insbesondere das letzte Drittel sich ganz auf Arnies Charisma verlassen kann, läuft davor vieles aus dramaturgischer Sicht eher wacklig. Das beginnt damit, dass die anfängliche halbe Stunde eine relativ platte Aneinanderreihung zu übertrieben cooler Machoeinlagen darstellt, in denen nichts wirklich Interessantes oder relevantes passiert. Natürlich gehört das zum Konzept McTiernans, allerdings versäumt er hierbei, jedem seiner Charaktere ein persönliches Wiedererkennungsmerkmal mit auf dem Weg zu geben. Und das macht sich dann im zweiten Akt deutlich bemerkbar.

Wenn nämlich der Predator auf der Bildfläche erscheint und anfängt, die Anzahl der Protagonisten langsam, aber stetig auf ein Mindestmaß zu dezimieren, will man schließlich auch mit den menschlichen Charakteren, gespielt unter anderem von Carl Weathers, Jesse Ventura und Shane Black, mitfiebern. Die Wahrheit ist aber, dass man eher hofft, einige bestimmte Personen, welche im Vorfeld durch den Intelligenzquotienten senkenden Sprüchen auffielen, würden doch etwas zeitiger ins Gras beißen. Nur nicht falsch verstehen: "Predator" soll und darf stupides Kino sein. Aber auch männliche Überlegenheit und Zurschaustellung enthemmter Muskelkraft ist in einem Film Elementen wie Timing, Gespür für den Nerv des Publikums und raffinierter Einbindung ins Geschehen unterworfen. Wenn das nicht gegeben ist, nutzt sich das Heldengehabe schneller ab, als man vielleicht denkt. Und genau das geschieht hier immer einmal zu oft, sinnbildliche dafür stehen Oneliner wie "I ain't got time to bleed" oder praktisch die ganze Figur von Black. So kommt leider nicht der erhoffte Nervenkitzel auf, viel schlimmer aber noch, spannend wird es auch zu keinem Zeitpunkt, dafür ist einem der Ausgang der Scharade viel zu egal. Ein glücklicher Umstand, dass McTiernan das ganz ähnlich sah und der dritte Akt sich wie erwähnt nur auf Publikumsliebling Schwarzenegger fokussiert und viel flüssiger und schwungvoller erscheint. Hier wäre womöglich Potenzial für noch mehr enthalten gewesen. Das Verwirrspiel zweier ebenbürtiger Gegner, die aber auf ganz unterschiedlichen Ebenen den Krieg gegen den jeweils anderen führen, ist ein unterhaltsamer und spektakulärer Spaß, der alles zu einem versöhnlichen Abschluss bringt, der einem sogar mit einem zugekniffen Auge die ein oder andere Dummheit der ersten Parts vergessen lässt.

Fazit: John McTiernans Kultfilm "Predator" macht Fans des stumpfsinnigeren, aber dafür knallharten und erbarmungslosen Actionfilms bis heute völlig zu Recht viel Freude und hat sich seinen Status damit absolut verdient. Aus heutiger Sicht allerdings fehlt einem oft die Bindung an die Charaktere, die damit viel zu früh sich eindeutig als bloßes Opferwerk für den Predator entpuppen, der dafür aber so herrlich absurd und fies entworfen wurde, dass man sich seine Auftritte nahezu herbeisehnt. Das sein Motiv einfach nur sein offenbar böses Wesen ist, steht exemplarisch für die ganze Qualität von "Predator". Liebhaber des knackigen 80er-Kinos haben ihren Spaß. Alle anderen können sich derweil an dem ein oder anderen unfreiwilligen Lacher erfreuen. Aber nicht vergessen: Immer im Kontext der Zeit betrachten!

:liquid7:

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Beitrag von Orco » 19.12.2014, 20:14

Ach komm, jetzt hör aber mal auf. 7 Punkte für einen Film den du sicher nicht nur 1-2 mal geguckt hast.
Fangen wir an alles im "Kontext der Zeit" zu betrachten, kriegen dann nur noch die Transformers, Godzillas, Batmans hohe Wertungen bei dir?
Das ist dein Filmtagebuch, da musst du deine Wertungen geben.
Oder wird automatsisch alles, woran man sich dumm und dämlich gesehen hat, automatisch schlechter bewertet?

Ich kann zwar eine Sieben akzeptieren, das ist ja auch nicht so schlecht, aber der Film war damals schon wegweisend.

Das sollte sich auch in der persönlichen Wertung niederschlagen 8-)
Und wenn sich deine Schulter bewegt, dann seh ich das.

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Beitrag von Wallnuss » 19.12.2014, 21:12

Orco hat geschrieben:Ach komm, jetzt hör aber mal auf. 7 Punkte für einen Film den du sicher nicht nur 1-2 mal geguckt hast.
Gute Frage. Wie oft habe ich den Predator gesehen? Ein paar Mal waren es bestimmt. Ist aber eben auch ein guter Party-Film, da angenehm kurz und relativ locker. Aber dennoch qualitativ für mich weit von (wesentlich) besseren Filmen entfernt, auch aus der damaligen Zeit. Keine Sorge, in dieses Filmtagebuch kommen nur meine ganz persönlichen Noten und im Falle von Predator ist er mir eine gute 7 wert, für mehr müsste er dann aber einfach besser sein. Übrigens, um mal ein Beispiel zu machen: "2001: Odyssee im Weltraum" ist ein brillantes Meisterwerk der Filmgeschichte, vielleicht mein absolutes All Time High und dementsprechend eine 10/10. Den kann ich aber nur selten schauen, weil er eine gewisse Stimmung benötigt und relativ zeitaufwendig ist. Ein Predator ist schnell im Player, angeschaut und danach hat man 100 Minuten rumgekriegt. Ist er deshalb ein gleichwertiger Film? Kann man so sehen, tu ich aber nicht. :wink:

Das "im Kontext der Zeit betrachten" fasst du aber falsch auf. Ich meinte einfach nur, dass das Heldengetue und Machogepose in der heutigen Zeit sehr negativ auffallen dürfte, der Film aber ein 80er Steifen war und das damals gang und gäbe war. Einfluss auf meine Bewertung haben Erscheinungsjahr und Aktualität aber noch nie gehabt, das hat nur der Unterhaltungswert.

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Beitrag von Orco » 19.12.2014, 21:35

ok, das nehm ich so hin.
Obwohl ich ja besonders das übertriebene Heldengetue mag. Heute muss da jede Nicklichkeit ausgeleuchtet werden, damals war alles viel einfacher.
Heute versucht man um alles eine Story zu bauen, aber das gelingt in meinen Augen kaum.
Odyssee im Weltraum seh ich auch bei über 8, allerdings kann ich den nicht so oft sehen wie jetzt den Predator zum Beispiel. Das ist dann wirklich eher Fast Food, aber macht durchgehend Bock.
Bei mir liegt es auch an der Filmeinstufung, wo alles das ich immer wieder schauen kann mindestens eine 8 bekommt. Versuche da ganz genau zu sein, aber der Maßstab kann auch den ein oder anderen eher schlechten Film enthalten, das kann ich nicht abstreiten 8-)
Und wenn sich deine Schulter bewegt, dann seh ich das.

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Beitrag von SFI » 20.12.2014, 10:18

Oder wird automatsisch alles, woran man sich dumm und dämlich gesehen hat, automatisch schlechter bewertet?
Liegt das vielleicht nicht eher an der Veränderung der eigenen Person? Wenn ich als Kind keinen Spinat aß, kann ich ihn doch heute lieben. Geschmack unterliegt nun einmal einem permanenten Wandel, entsprechend muss man doch nicht zwanghaft an etwas festhalten, nur weil es irgendwann mal Referenz war. Spiele ja heute auch nicht mehr mit He-Man, obwohl der viel cooler ist als der heutige Rotz. :lol:
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Beitrag von Wallnuss » 23.12.2014, 18:26

Sherlock Holmes

Gibt es irgendwen auf der Welt, der nicht weiß, wer Sherlock Holmes ist? Der legendäre Meisterdetektiv, den Sir Arthur Conan Doyle 1891 erfand, ist wie sein berühmter Kollege Dr. John Watson neben Geheimagent James Bond einer der wichtigsten Beiträge Englands zur modernen Popkultur. Die unterschiedlichen Adaptionen der Romane sind mittlerweile wohl kaum noch zu zählen, kein anderer Stoff wurde häufiger verfilmt oder vertont. Wozu also eine weitere Umsetzung? Was gibt es da noch zu erzählen? Diese Frage musste sich Regisseur Guy Ritchie stellen, als er 2009 an einer neuen Verfilmung des Materials arbeitete. Und das Endergebnis kann sich nicht nur kräftig sehen lassen, sondern ist zeitgleich auch noch der ultimative Beweis dafür, dass es gar nicht so wichtig ist, was man erzählt, wenn man weiß, wie man es erzählt.

Nach einem Film wie "Sherlock Holmes" weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, zu loben. Eigentlich gibt es nichts, was nicht absolut durchdacht ist und einen echten Lichtblick darstellt im Vergleich mit anderen amerikanischen Blockbustern. Die Handlung selbst, also der Plot, ist sicher nicht unfassbar innovativ. Die Verstrickung zwischen schwarzer Magie und Wissenschaft sowie die Verknüpfung von Krimi und Action ist amüsant und vor allem die Twists und Überraschungen im letzten Drittel raffiniert und pfiffig umgesetzt. Der Liebhaber alter Detektiv-Geschichten wird hier mit einer ganzen Palette an Rätseln und kniffligen Problemen konfrontiert, an denen sich Holmes und Watson so richtig die Zähne ausbeißen dürfen. Dieser Aspekt, mitzuraten und den Protagonisten beim gleichen "im Trüben stochern" zuzusehen, hält den Zuschauer auch in den tempolosen Passagen bei Laune. Die Actionszenen selbst sind dabei aber selbstverständlich auch wundervoll gemacht. Bildgewaltig und pompös setzt Ritchie das viktorianische London in Szene und ob die beiden Spürhunde nun rund um einen Frachter im Hafengebiet, im Industriebereich oder in den Tiefen der Kanalisation auf ihre Widersacher treffen, immer erscheint die Hauptstadt Englands dabei als wichtiger Charakter des Gesamtbildes.

Dass sowohl Action als auch Dialoge einem gleichermaßen Spaß bereiten, liegt aber natürlich auch ganz stark an den beiden Hauptdarstellern. Robert Downey Jr., der bereits in "Marvels Iron Man" eine fantastische Darbietung ablieferte, hat hier die Rolle seines Lebens gefunden und man kommt kaum drum herum, ihn als eine der besten Holmes-Inkarnationen zu bezeichnen. Der Scharfsinn, die brillante Beobachtungsgabe, seine Fähigkeiten in verschiedenen Kampfsportarten, seine psychopathischen Schübe, all diese Eigenschaften vermag er in einem Gesichtsausdruck darzustellen. Profitieren tut er zusätzlich noch von seinem Zusammenspiel mit Jude Law, denn dessen Dr. Watson ist nicht einfach nur ein einfältiger Stichwortgeber, sondern ein gleichberechtigter Gefährte, der in den Actionszenen durch seine physischen Fertigkeiten überzeugt und in den übrigen Sequenzen von einem Wortgefecht mit seinem Buddy ins nächste gerät. Die herrlichen Dialoge und zynischen Kabbeleien zwischen den beiden sind nicht nur brillant geschrieben, sondern auch so umfangreich und in einer Fülle enthalten, dass man "Sherlock Holmes" mehrmals sehen muss, um jedes witzige und clevere Detail mitzubekommen. Mit Mark Strong als Lord Blackwood ist zudem der Bösewicht wunderbar diabolisch gespielt, sodass auch der Druck im Geschehen stets erhalten bleibt.

Doch was macht "Sherlock Holmes" nun so großartig? Bis hier wäre es sicherlich ein spaßiger Actioner mit Krimi-Elementen, aber nichts, was wirklich in den Olymp der großen Blockbuster gehörte. Doch es ist die Person des Guy Ritchie, welche hier etwas Einzigartiges geschaffen hat und "Sherlock Holmes" eine ästhetische Schönheit mit auf den Weg gibt. Dabei zeigt er (meist in den schnelleren Szenen) elegant Zeitlupen nach bester "Matrix"-Manier, arrangiert extreme Zooms und rasante Kameraschwenks im Wandel mit Handkamera-Optik und weiten Panorama-Einstellungen, die zugleich in ihrem Vorkommen willkürlich wirken mögen, aber dabei in Kombination mit den wirren Streicher-Tönen von Hans Zimmer ihren ganz eigenen Rhythmus finden. Auch ansonsten glänzt Ritchies Film durch geniale Einfälle, wie die "Holmes-O-Vision", bei der man eine Actionszene erst in Zeitlupe mit Off-Kommentaren und dann in der beschleunigten Version ein zweites Mal zu Gesicht bekommt. Als letztes Schmankerl bleibt festzuhalten, wie nah Ritchie an den Originalvorlagen bleibt. Nicht nur in der Ausdrucksweise der Charaktere, auch in den Motiven, Themen und Inhalten schreit er überall nach Doyles teilweise unvergleichlichen Romanen und das (stark mit exzellentem CGI-entwickelten) altmodische London ist derart detailreich, dass man sich darin regelrecht verlieren. Da verzeiht man dann auch, dass als einzige große Schwäche der weibliche Part der Irene Adler, dargestellt von der süßen, aber blassen Rachel McAdams, zu nennen ist. Ihre Rolle wird vom Film weder benötigt, noch weiß das Drehbuch etwas mit ihr anzufangen, wenn sie anfangs als taffe Frau erscheint und später nicht mehr als die holde Maid in Not abgibt. Immerhin hat sie aber ebenfalls ein paar charmante Sätze zu sagen und verantwortet den Cliffhanger für die verheißungsvolle Fortsetzung.

Fazit: Die einen werden in "Sherlock Holmes" nicht mehr sehen, als einen weiteren kurzweiligen vergnüglichen Samstagabend. Das ist auch völlig in Ordnung, schließlich werden Filme ja genau zu dem Zweck entwickelt. Doch Ritchies Film hat wesentlich mehr zu bieten. Das er den Doyle-Lesern zahlreiche Referenzen einbaut, ist nur ein Geschenk für die Fans, doch seine visuelle Umsetzung der unterhaltsamen, aber leicht verständlichen Handlung ist so packend, ergreifend und auf den Punkt treffend, dass selbst Cineasten mit gehobeneren Ansprüchen hier einen Blick riskieren dürfen. Darüber hinaus überzeugen Downey Jr. und Law als das wohl witzigste Duo seit Dick und Doof und ansonsten werden Auge, Seele, Hirn und Gehör gleichermaßen angestrengt wie beeindruckt. Für Filme wie "Sherlock Holmes" scheint das Kino erfunden zu sein. Enorm kurzweilig, mitreißend, anziehend und von ästhetisch anregender Perfektion, einem Gemälde gleich. Die schwache Frauenrolle als Schönheitsmakel ist da so überflüssig wie vergessenswert.

:liquid9: ,5

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Beitrag von John Woo » 23.12.2014, 20:20

Ich kann Ritchies Holmes-Filmen leider kaum etwas abgewinnen. Für mich gibts da zuviel Action, Spektakel und schwache Sprüche. Unterhalten kann man sich dabei sicherlich, aber das ist nicht wirklich Sherlock Holmes für mich.

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Beitrag von Wallnuss » 24.12.2014, 18:54

Stirb langsam

"Oh, the weather outside is frightful, but the fire is so delightful and since we've no place to go... Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!" - Für wahre Filmfans gibt es kein Weihnachten ohne Let It Snow. Kein Weihnachten ohne John McClane. "Stirb langsam", im Englischen "Die Hard", ist ein Film, den wohl jeder schon einmal gesehen hat, ein Film, über den man gar keine Worte mehr verlieren muss, da er für sich selbst stehen kann. Ihn in einem Review auseinanderzunehmen, würde ihm gar nicht gerecht werden. Alles, was man über Regisseur John McTiernans ("Predator") Meisterwerk von 1988 sagen kann, kommt zwangsläufig einer Liebeserklärung gleich. Und daher ist das Fazit dieses Mal auch gleich an den Anfang gestellt: "Die Hard" war, ist und bleibt eine der unglaublichsten cineastischen Erfahrungen, die man nur machen kann und unbestritten einer der besten Filme aller Zeiten.

"Now I have a machine gun. Ho ho ho." - Natürlich ist "Die Hard" kein Weihnachtsfilm. Er spielt zwar an Heiligabend, aber im Zentrum des Interesses steht ein brachialer Actionkracher. Obwohl es anfangs gar nicht danach aussieht. Genau genommen beginnt das Abenteuer sogar sehr gemächlich. Wenn man aber bei der zweiten Sichtung merkt, wie viel wichtige Details und Exposition in diese 20 Minuten gepackt werden, merkt man erst, wie genial bereits hier alles auf Hochtouren entwickelt wird. Und wenn das Chaos dann los bricht, gibt es kein Halten mehr. Knackige Faustkämpfe, brutale und ultrablutige Shootouts, ein Polizeieinsatz inklusive Panzerwagen, sogar ein Helikopterabsturz, all das bietet McTiernan und zeigt sich als ein absoluter Meister in der Inszenierung von echter handgemachter Action. Kaum ein anderer Film bietet diesen Reiz am Nervenkitzel, diese erschütternd heftigen Soundeffekte in Kombination mit einer Leinwand, die nie still zu stehen scheint. Man braucht kein Actionfan sein, um "Die Hard" zu lieben. Wer "Die Hard" sieht, wird automatisch zum Actionfan. Und das, wo die ganze Handlung eigentlich, bis auf ein paar kurze Szenen mit den umstehenden Polizisten, nur in einem Bürogebäude spielt und auch dort nur in den obersten 5 Etagen.

"I didn't realize they celebrated Christmas in Japan." - Die ganze Aufmachung, die Spannung des Filmes, sie kommt viel eher einem Thriller gleich. Das Szenario, Terroristen, Geiseln und Einzelkämpfer auf engem Raum in engem Raum verspricht Aufregung pur. Hinter jeder Ecke kann die Gefahr lauern, den knallenden Schüssen aus den Maschingewehren kann man nur schwerlich ausweichen, immer wieder wiederholen sich die gleichen Gänge und Luftschächte. Nie wieder gelang es einem Regisseur, derart perfekt die klaustrophobische Hölle, durch die McClane hier wandelt, spürbar zu machen. Wenn es zu Konfrontationen kommt, wagt man kaum zu atmen, in den kurzen Pausen zwischen den Eskapaden atmet man umso tiefer ein, um für das nächste Spektakel genug Luft zu haben. Das Erlebnis und die Emotionen gleichen durchgehend einer Achterbahnfahrt, aus den Händen tropft der Schweiß irgendwann nur noch so runter. Wenn man sich vorher nicht vorstellen konnte, dass einem ein Film so in seinen Bann ziehen kann, wird man hier eines besseren belehrt. Die Kameraführung von Jan De Bont und der akzentuierte und beinahe elektrisierende Soundtrack Michael Kamens tragen außerdem enorm dazu bei, dass es unmöglich ist, der Sogkraft des langsamen Sterbens zu entfliehen.

"Who's driving this car, Stevie Wonder?" - Was kann man noch über "Die Hard" erzählen? Eigentlich kann man auf jede Einzelheit eingehen, nur um festzustellen, wie makellos sie ist. Am wichtigsten ist aber, dass "Stirb langsam" in all dem Bombast im Kern eine Geschichte über das Duell zweier faszinierender Personen ist. Auf der einen Seite John McClane, Held wider Willen und ein Zyniker der alten Schule, der eigentlich nur ganz normal mit seiner Frau Weihnachten feiern will. Auf der anderen Seite Hans Gruber, Anführer der Terroristen und kriminelles Mastermind. Diese Konstellation wäre auf dem Papier jedoch nur halb so viel wert, wären die beiden nicht mit Bruce Willis und Alan Rickman besetzt. Ersterer dürfte mittlerweile als der Archetyp des Actionhelden gelten und macht sich die ganze Laufzeit über herrlich dreckig. Man muss es so sagen: Niemand schwitzt, blutet und flucht besser als John McClane. Rickman spielt außerdem einen der wahrscheinlich besten Widersacher des modernen Kinos. "Who said we were terrorists?", fragt er, als eine Geisel ihre Motive hinterfragt. Genial von den Autoren, ihm diesen Satz in den Mund zu legen, unberechenbarer kann man einen Schurken schließlich nicht machen. Schlagartig sind alle Möglichkeiten offen und jederzeit kann alles passieren. Eine solch vielversprechende Ausgangsposition zu schaffen, dass ist es, was McTiernan kann und weshalb alles danach so fantastisch funktioniert.

"Yippee-ki-yay, motherfucker." - In "Die Hard" scheinen die Ideen nur so aus jeder Szene rauszusprudeln. Reginald VelJohnson als Sgt. Al Powell ist nicht nur ein guter Nebenpart für Willis, um hin und wieder mal in Sprechsituationen zu kommen, sondern hat auch seine ganz eigenen Hintergründe. Ellis, gespielt von Hart Bochner, ist ein nötiger hassenswerter Vollidiot. Und De'voreaux Whites Argyle das komische Element. Wortwitze, blanken Zynismus und derbe Fluche hagelt es sowieso durchgehend und nicht nur in den wundervoll geschriebenen Dialogen zwischen Pro- und Antagonist. Wahrscheinlich ist kein anderer Film so voller zitierenswürdiger Sprüche wie "Stirb langsam". Wahrscheinlich wartet kein anderer Film in den letzten 30 Minuten mit so vielen Twists auf wie "Stirb langsam". Und zusätzlich kann es sich wahrscheinlich kein anderer Film erlauben, bei einer so temporeichen und atemlos inszenierten Handlung noch Anspielungen und Referenzen an den klassischen Western einzubauen. McTiernan machte einen Film, der auch heute noch modern und frisch erscheint, der so zeitlos wie hoch aktuell wirkt und das Actiongenre maßgeblich prägte. Ein Film, bei dem nicht nur der Actionfan laut jauchzend aufschreit, wenn McClane seinem Gegner ein "Go fuck yourself, Hans" an den Kopf wirft. Eben einen Film, ohne den für viele Weihnachten kurioserweise nicht mehr möglich ist. "Oh the weather outside is frightful..." Let It Snow John! Frohe Weihnachten!

:liquid10:

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Beitrag von Wallnuss » 29.12.2014, 02:15

Nicht auflegen!

Schon in den frühen 1960ern kam Regisseur Alfred Hitchcock auf die Idee, einen Film nur in einer Telefonzelle spielen zu lassen und eine filmische Wirkung auf engstem Raum zu erzielen. Doch was ihm fehlte, war der Aufhänger der Handlung, das Element, welches den Protagonisten an die Telefonzelle bindet. Rund 30 Jahre später hatte schließlich Drehbuchautor Larry Cohen den zündenden Einfall: ein Scharfschütze musste her. Und damit auch ein Regisseur, der daraus einen interessanten Thriller machen könnte. Das 15 Millionen Dollar teure Resultat "Nicht auflegen!" kam schlussendlich unter der Regie von Joel Schumacher 2002 in die Kinos, in einer Zeit, in der durch die zunehmende Digitalisierung Telefonzellen immer seltener noch von Nutzen sind. Das Ergebnis ist ein überraschend kleiner Film, der kurzweilig und spannend ist, aber trotz offensichtlichen Mühen nicht zur Spitze des Genres gezählt werden kann.

So dreht sich in Schumachers Film konsequenterweise alles um ein psychologisches Experiment, in welchem die Telefonzelle elementar wichtiger Bestandteil ist, weil die Klaustrophobie und die eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit die Anspannung für die Hauptfigur Stu Shepard erhöht. Und das Experiment, das Schumacher hier entwirft, ist wirklich interessant und denkbar einfach umzusetzen. Statt dem Scharfschützen eine langweilige Allerweltsmotivation anzudichten, ist die Sache deutlich raffinierter aufgezogen worden, denn in Wahrheit geht es viel eher um einen kleinen moralischen Exkurs, um die Frage, wie ehrlich man heutzutage eigentlich mit sich selbst noch ist und wie wichtig und bedeutsam die absolute Ehrlichkeit untereinander ist. Mit der Annäherung an dieses Thema gelingt es Schumacher in den recht knappen 80 Minuten ordentlich, den Zuschauer über sich selbst und sein eigenes Verhalten zum Nachdenken anzuregen und ihn vielleicht dazu zu bringen, auch ein wenig wie Stu das eigene Selbstbild und das bewusste Auftreten im Umgang mit anderen zu reflektieren. Ganz stark gelingt ihm besonders die Sequenz, in der Hauptdarsteller Colin Farrell schließlich eindrucksvoll zusammenbricht und vor der ganzen Welt, aber eigentlich nur vor seiner Film-Frau ein Geständnis macht, dass zu Herzen geht und elegant mit dem Soundtrack von Harry Gregson-Williams harmoniert. Intimität in einem Moment purer Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit zu zeigen und spürbar zu machen, zeichnet die Regie hier aus. Schade nur, dass genau mit diesen moralischen Spielchen der Killer seine brutalen und sadistischen Taten rechtfertigt und mit dem fragwürdigen Ausgang des Filmes so ein fader Nachgeschmack bleibt.

Das Publikum 80 Minuten lang zu unterhalten, ohne von der Telefonzelle abzulassen, muss die Macher vor einige Probleme gestellt haben. Ein glücklicher Umstand also, dass Cohens Drehbuch mit dem ein oder anderen Twist aufwarten kann, von denen man längst nicht alle kommen sieht, obwohl der ungefähre Verlauf der Geschichte natürlich für geübte Kinogänger leicht vorherzusagen ist. So sehr sein Film aber im Vergleich mit anderen Thrillern auch reduziert erscheinen mag, so sehr will Schumacher sich gleichzeitig auch im visuellen Sinne austoben. Mit aufwendigen Parallelmontagen, eingefügten Bildsequenzen, hübschen Toncollagen und mehrfachen Splitscreen-Aufnahmen bringt er immer wieder Bewegung in den Film, der aus seinem Inhalt heraus bewusst nur auf der Stelle steht. Ob das die richtige Entscheidung war, hängt in der Form jeweils von der betreffenden Szene ab. In dem einen Moment bekommt man das Gefühl, dass Schumacher durch einen dieser Effekte die Dynamik ankurbelt, während das bereits einen Augenblick später aufdringlich und störend auffallen kann. Es ist eine schmale Gradwanderung, die mal mehr, mal weniger gut gelingt. Deutlich positiver funktioniert der Einsatz der Darsteller. Farrell liefert wie bereits erwähnt eindrucksvolles und glaubhaftes Schauspiel ab und mit der hübschen Katie Holmes und dem grundsympathischen Forest Whitaker sind auch die Nebenrollen gut genug besetzt, um zwar nicht zu sehr hervorzustechen, aber dennoch ins Bild des Filmes zu passen.

Die beste Leistung liefert aber Kiefer Sutherland als sadistischer Anrufer ab, den man insgesamt nur 52 Sekunden lang auf der Leinwand sieht, der aber mit seiner Stimme eine so unglaubliche Präsenz entwickelt, dass er den Film lange dominiert, was wichtig ist, damit die Bedrohung durch ihn glaubhaft wirkt. Schade nur, dass er die Chance versäumt, aus der perversen Ader dieses Katz- und Mausspiels mehr herauszuholen. Am Ende fehlt sogar ein wenig die Verurteilung der überaus zweifellosen Methoden, wie bereits angemerkt, noch unangenehmer ist aber, dass der Film genau aus dieser Perversität einen Teil seiner Unterhaltung bezieht. Das ist natürlich alles nicht schlimm und "Nicht auflegen!" ist ja auch trotz guter Ansätze höchstens leichte Kost, aber hätte hier einer etwas durchdachteren Ausführung bedurft, auch wenn dies freilich bei der Erstsichtung wohl kaum jemandem als Problem störend auffallen wird. Doch gerade durch seine Kürze und seine nicht wirklich tiefgehende Handlung ist er für erneute Sichtungen mit Freunden natürlich ideal geeignet, was man ihm aber genauso auch als Vorteil auslegen kann und ob seiner Kurzweiligkeit auch sollte.

Fazit: "Nicht auflegen!" fesselt durch seine simpel konstruierte Spannung, den glänzend aufgelegten Schauspielern Kiefer Sutherland und Colin Farrell und die viel versprechende Prämisse, aus der man sicherlich mehr hätte machen können, die aber für sich genommen interessant genug ist, um die komplette Laufzeit über zu unterhalten. Schumachers Regie versucht sich als beschleunigend und schießt dabei manchmal etwas zu stark übers Ziel hinaus, kann aber alles in Allem als routiniert abgetan werden. Die moralisch nicht immer vertretbaren Positionen des Filmes werden sicher vielen sauer aufstoßen, dafür wartet "Nicht auflegen!" aber auch mit einem jener wertvollen Gänsehautmomente auf, die man sich als Cineast stets erhofft, was ihm hoch angerechnet werden sollte. Ansonsten ist Schumachers Experiment zwar einfach, aber dabei ungemein vergnüglich und vor allem für ein erneutes Wiedersehen ideal. Ein souveräner Film eben und dabei erfreulich unauffällig. Und am Ende weiß man die Erfindung des Handys doch überraschend stark zu schätzen.

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Beitrag von MarS » 29.12.2014, 11:04

"Nicht auflegen" hatte ich damals im Kino gesehen und fand ich ziemlich stark. Bei der Zweitsichtung auf DVD war der Film zwar nicht mehr so fesselnd aber immer noch wirklich gut. Deine 7/10 teile ich auf jeden Fall.

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Beitrag von Wallnuss » 02.01.2015, 23:26

Misery

Gibt es einen größeren Gegensatz als zwischen Literatur und Film? Allzu gerne wird angenommen, zwischen diesen beiden Medien gäbe es nur wenig Unterschiede. Und so kommt es auch regelmäßig dazu, dass bei Verfilmungen von Bestsellern die Fans direkt laut aufschreien und sich über Änderungen, Kürzungen oder Abweichungen aufregen, ohne zu berücksichtigen, dass ein Buch ganz anderen Regeln folgt als die filmische Umsetzung. Ein guter Dialog in einem Roman kann eben in einem Film ganz furchtbar langweilig wirken und umgekehrt. Worauf es wirklich ankommt, ist doch, den Geist der Vorlage so getreu wie möglich zu übermitteln und im neuen eigenen Werk zu verpacken. Regisseur Rob Reiner stand 1990 bei seiner Verfilmung eines Stephen King Romanes vor genau dieser Aufgabe und bewies, dass eben genau das, also die originalgetreue Umsetzung ohne exakte 1:1 Umsetzung hervorragend funktionieren kann, wenn man weiß, was man übernehmen kann und was einer Anpassung bedarf.

"Misery" stellt drei Charaktere wesentlich in den Vordergrund. Genauer gesagt, könnte drei Charaktere in den Vordergrund stellen. Die Geschichte handelt schließlich vom Schriftsteller Paul Sheldon, welcher der psychopathischen Krankenschwester Annie Wilkes ausgeliefert ist und zusätzlich von der Suche nach Paul durch den Sheriff McCain. Reiner macht jedoch bei seiner Adaption recht schnell klar, dass ihn vor allem die ersten beiden Lager interessieren und so legt er das Hauptaugenmerk auch ganz allein auf Paul und Annie. Das ist gleich zu Beginn etwas schade, denn grade die Geschichte des Sheriffs, welcher hier sehr eindimensional gezeichnet wird, hätte Potenzial gehabt, Annie etwas mehr Hintergründe zu verleihen, doch im Verlauf merkt man, dass es auch ohne diese funktioniert. Genauso, wenn nicht noch bedauerlicher erscheint auch, dass mit Marc Shaiman eindeutig der falsche Komponist gewählt wurde. Sein Soundtrack weiß langezeit gar nicht, was er eigentlich mit den Bildern anfangen soll, mal wird der Horror geschickt verstärkt, mal wirkt es gar so, als wolle er ihn sogar ein wenig abschwächen, seine Grausamkeit zumindest abmindern. Hinzu kommt, dass die Regie häufig auf extreme Weitwinkel setzt, um die Klaustrophobie des Protagonisten zu betonen und damit auf das konventionellste Mittel zurückgreift, dass nur denkbar wäre. Hier fehlt "Misery" häufig der Mut und das Können zum Wagnis. Mehr noch könnte man beinahe sagen, fehlt es der Regie in diesen Punkten an Kraft und Raffinesse.

Viel besser gelingt es Rob Reiner hingegen, dass zu erzählen, was für ihn Priorität hat: den Zweikampf seiner Hauptfiguren. Ob es nun ganz allein an der Romanvorlage liegt oder das Drehbuch von William Goldman das besondere Etwas hinzufügte, es erscheint als eigentlich unerheblich, wenn man sieht, wie wunderbar dieser Teil der Handlung erzählt wird. Sehr treffend verpackt gelingt es in "Misery", Horror im alltäglichen Leben zu zeigen, in dem am Anfang eine ausweglose, aber angenehme Situation geschaffen wird, die dann immer mehr einzubrechen scheint. Noch besser ist nur, wie dann auch noch im späteren Verlauf ein Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers getrieben wird. Immer wieder wird bewusst Intensität aus dem Grauen genommen, nur um in der nächsten Szene umso heftiger erneut aufzukommen. Auch wenn am Ende der Bogen damit etwas überspannt ist, funktioniert dies erstaunlich zielgerichtet und verfehlt seine Wirkung beinahe nie. Dazu trägt auch bei, dass die beiden Charaktere Annie Wilkes und Paul Sheldon toll geschrieben sind und ein paar schöne Dialoge mit einander teilen. Dass der Schriftsteller erst durch seine charakterliche Entwicklung vom selbstverliebten Autor zum findigen Überlebenskämpfer zum Sympathieträger führt, ist dabei genauso erfrischend, wie das Mysterium um seine verrückte Kidnapperin.

Folgerichtig also, dass Reiner alles daran setzt, seine beiden Hauptdarsteller passend in Szene zu setzen. James Caan gibt in der relativ bewegungslosen Rolle sein bestes und hat durchaus ein paar große Momente, verblasst aber nahezu neben dem, was Kathy Bates präsentiert. Gerade in der Annie-Figur liegt schließlich ein schmaler Grad zwischen einer zu zurückhaltenden Performance und völlig überzogenem Overacting, doch Bates findet den perfekten Mittelweg, diese recht komplexe Frau so diabolisch und doch menschlich wie möglich, denn nur dann wirkt der Horror schließlich, darzustellen. Ihr ist es dann auch zu verdanken, dass eindrucksvolle Szenen wie die Zertrümmerung von Pauls Fußgelenken, dass abendliche Dinner und der heftige Schlusskampf ihre Wirkung erhalten, wenn sie unkontrolliert zu schreien beginnt oder ihren beängstigenden Blick aufsetzt - die etwas einfallslose Regie allein wäre da wohl nicht unbedingt ausreichend gewesen.

Fazit: Filmisch gesehen ist "Misery" bestenfalls passabel inszeniertes Drama. Souverän erzählt, inhaltlich interessant, aber zu konventionell und zu brav an den Richtlinien des Spannungskinos entlang dargestellt. Witzigerweise schien sich Rob Reiner dieses Umstandes aber wohl selbst bewusst gewesen zu sein, setzt er doch vollständig auf das Spiel seiner beiden Stars, die ihn dafür mit vorzüglichen Leistungen belohnen und beide um ihr Leben zu agieren scheinen. Kathy Bates sticht dabei derartig heraus, dass man allein ihretwegen jeder Zeit bereit wäre, ein zweites Mal mit Paul in die düstere Hütte im Schnee zu gehen. Schauspieler und ihre Zusammenarbeit sind eben eines der großen und wichtigen Elemente, auf dass kein Autor zurückgreifen kann. Während die Charaktere dort für sich allein stehen müssen, reicht dies in einem Film nicht, wenn niemand da ist, der dem ganzen Leben verleiht. Und - so ironisch es auch ist - stellen sich gerade in "Misery" die Darsteller als das Herzstück der Inszenierung heraus.

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Beitrag von Wallnuss » 05.01.2015, 20:09

Kung Fu Panda

Was will man als Regisseur beim Erstellen eines Kinder-Animationsfilmes eigentlich erreichen? Ganz klar: Die Zielgruppe der 6-14-jährigen soll befriedigt werden und mit einem verträumten Grinsen auf dem Gesicht das Kino verlassen. Doch müssen Erwachsene deshalb solchen Filmen grundsätzlich fern bleiben? Auf keinen Fall! Animationsfilme von den Pixar Animation Studios beweisen seit Jahren, dass auch Kinderfilme durch eine zweite Verständnisebene dazu fähig sein können, die älteren im Kinosaal zu begeistern. Auch bei Dream Works Animation ist man mittlerweile darauf gekommen, dass viele Eltern und Großeltern die Sprösslinge ins Kino begleiten. Um diese nicht zu langweilen, während die Kinder ihren Spaß haben, ist der 2008er Film "Kung Fu Panda" der Regisseure Mark Osborne und John Stevenson voller Anspielungen an das Eastern-Genre der 70er Jahre. Der richtige Ansatz?

Gar nicht so einfach zu beantworten auf den ersten Blick. "Kung Fu Panda" hat eindeutig seine Vorzüge. Die Optik, also die Animationen, die Bewegungsabläufe, die Details, die Eigenarten der Charaktere (besonders Po, Tai Lung, Oogway etc.), dass alles ist wunderschön gemacht und richtig farbenfroh aufgezogen, sodass sich nicht nur die Kinderaugen am tollen Setting satt sehen können. Dass die Animationen diese Qualität haben müssen, fordert aber schließlich auch die Handlung, denn dem Titel entsprechend hagelt es nur so vor lauter Actionszenen und schnellen Kämpfen. Diese sind erstaunlich hart und heftig, aber immer grade noch so kinderfreundlich genug gestaltet. Beispielsweise der Kampf auf einer Hängebrücke zwischen den furiosen Fünf und dem richtig schön diabolischen Gegenspieler ist atemberaubend und mitreißend choreographiert, ein wahres Kunstwerk an animierter Martial-Arts-Kunst. Toppen kann das nur wenig. Der Showdown ist natürlich eine ähnlich visuelle Bombe, aber das sollte man von einem Finale schließlich auch erwarten. Als Actionhöhepunkt stellt sich eine relativ frühe Szene heraus. Wenn Fiesling Tai Lung, gesprochen von dem männlich-klingenden Ian McShane, aus seinem Gefängnis ausbricht und sich durch 1000 (!) Nashorn-Wächter prügelt, ist das atmosphärisch nicht zu überbieten. Zwar fehlt einem ein wenig die Komik in diesen Momenten, wahrscheinlich war es aber genau richtig, diese anders zu platzieren.

Die Hauptgeschichte handelt schließlich von einem dicken Panda, der Kung Fu erlernen muss. Das bietet doch allein haufenweise Möglichkeiten für ein Feuerwerk an Ideen und spritzigen Witzen. Oder? Nicht ganz. Wirklich als innovativ stellt sich eigentlich keiner der Gags heraus, viel mehr garniert die Regie ihre Handlung mit viel Slapstick. Der zündet nicht immer, aber immer noch oft genug und bei den Kleinen sowieso. Wenn der tollpatschige und kautzig von Jack Black gesprochene Panda Po von allerlei Trainingsmaterialien (oder einer winzigen Gottesanbeterin) verdroschen wird oder immer wieder eine riesige Anzahl an Treppenstufen überwinden muss, ist dass wirklich lustig und niedlich inszeniert. Als wirkliches Problem muss man aber festhalten, dass bis auf Po, Tai Lung und den Kung-Fu-Meister Shifu (amüsant: Dustin Hoffman) die Charaktere allesamt nicht wirklich überzeugen mögen. Die furiosen Fünf sind austauschbar und bis auf ihre tierischen Eigenarten kalkulierte eindimensionale Störfeuer für Po, die ob ihrer geringen Screentime (besonders enttäuschend der kurze Auftritt von Jackie Chans Monkey) selbst die Kinderherzen nicht wirklich werden erspielen können.

Die erwähnten Anspielungen auf das Eastern-Genre für das erwachsene Publikum offenbaren das andere Problem von "Kung Fu Panda": die Geschichte. Dass die x-te 08/15 Story über den Tollpatsch, der über sich selbst hinauswächst, heute niemanden mehr vom Hocker haut, ist klar. Dass das alles unsagbar vorhersehbar abläuft und im Ablauf nichts neues bietet, ebenfalls. Aber davon abgesehen bieten Osborne und Stevenson erschreckend wenig. Keinen doppelten Boden, keine Metaebene, keine symbolische tiefere Bedeutung des Filmes, von der oberflächlichen Moral mal ganz abgesehen. Und bei diesen nicht vorhandenen Eigenschaften helfen dann eben leider auch die Eastern-Anspielungen nicht mehr. Diese fallen außerdem ohnehin gar nicht so komisch aus. Klar sind alle Klischees und Stereotypen irgendwo vertreten, aber wirklich mehr holen die Macher aus den großen Vorlagen nicht heraus. Ganz anders verhält es sich mit dem Soundtrack. Die Musik der Komponisten John Powell und Hans Zimmer bietet einen wahrhaftigen fernost-orientalischen Klangteppich mit einem einprägsamen Main-Theme, dass immer wieder bei großen Vorbildern zitiert, aber auch genug eigenes bietet. Das Einspielen der Melodien durch klassische asiatische Instrumente (z.B. Erhu) untermauert von Gitarren, die Tempobessesenheit und das epische Momentum in jedem Stück sorgen dafür, dass die Kompositionen derart stark sind, dass sie auch losgelöst vom Film funktionieren würden. Traumhaft!

Fazit: Kann man einem Kinderfilm vorwerfen, für Kinder gemacht zu sein? Vermutlich sollte man das nicht tun. Es wird immerhin niemandem so wirklich gerecht. Was kann man "Kung Fu Panda" allerdings ganz gezielt ankreiden? Eine schwache Story, die sich viel zu sehr auf Oberflächlichkeiten ausruht inklusive belangloser und austauschbarer Charaktere, die weder groß noch klein so recht begeistern mögen. "Kung Fu Panda" ist daher als Heer der Vorhersehbarkeiten sicher nicht unbedingt dafür geeignet, der baldige Lieblingsfilm von Papa oder Mama zu werden. Allerdings gibt es eben auch die Habenseite. Und da findet man eine grandiose und detailreiche Animation, die besonders in der Action ihre Stärken ausspielt, einen fetzender Sound, der oft an eine Disco-Variation der traditionellen chinesischen Melodien erinnert, einen lustig verpeilten Hauptcharakter, mit dem man gerne lacht und mitfiebert, eine unglaublich hohe und oft treffsichere Gagdichte und einen coolen Bösewicht, der sogar etwas Profil bekommt. Unterm Strich also brave Unterhaltung für die Jüngeren. Mehr erwarten sollte man allerdings nicht.

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Beitrag von Cinefreak » 06.01.2015, 00:35

"Misery" kam bei mir bei der letzten Sichtung noch besser weg. Finde den wirklich spannend und herrlich fies.

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Beitrag von Wallnuss » 09.01.2015, 19:17

Don Jon

Manchmal findet man, fernab von den großen Action-Blockbustern und den romantischen Komödien, in kleinen und unscheinbaren Filmen plötzlich und unverhofft wichtige und relevante Inhalte. "Don Jon", das Regiedebüt von Joseph Gordon-Levitt, der sich hiermit auch als Drehbuchautor und Hauptdarsteller präsentiert, ist ein solcher Film. Die Handlung klingt erstmal nicht sonderlich innovativ: Jon Martello, charismatischer Frauenaufreißer, langweilt sich bei echtem Sex und kommt nur bei pornografischen Videos so richtig in Fahrt. Er trifft zwei Frauen, gespielt von (der unter anderem aus "The Island - Die Insel" bekannten) Scarlett Johansson und Julianne Moore, die sein Leben maßgeblich verändern wollen. Eigentlich die ideale Voraussetzung für platte Kalauer und billige Sprüche. Doch was Gordon-Levitt sich hier einfallen lässt, ist nicht einfach nur die nächste Komödie zum Thema Pornografie, sondern auch ein beeindruckendes Psychogramm, gespickt mit unwahrscheinlicher bissiger Gesellschaftskritik.

Die erste große Überraschung: der Begriff "Porno" ist in "Don Jon" keinesfalls negativ besetzt. Viel mehr bekommt es eine gewisse Ästhetik, wenn die Regie nahezu mit euphorischer Begeisterung in Montagen die Ausschnitte aus den Pornos mit dem gebannten Gesicht Gordon-Levitts aufflackern lässt und dabei immer schneller wird, bis das Tempo dem Ejakulationsrhythmus Martellos gleichkommt. Mit enormer Präzision wird dem Zuschauer hier vor Augen geführt, wie unpersönlich und animalisch dieser Prozess vonstatten geht und wie sich das fleischliche Element einer Beziehung plötzlich nur noch durch Bilder herstellen lässt, ohne seine Wirkung zu verfehlen. Dass den Protagonisten echter Sex langweilt und er nur in der Masturbation (und auch nur zu Pornos) seine wirkliche Befriedigung findet, ist nicht nur eine Analogie zur immer "unpersönlicheren neuen Generation" des 21. Jahrhunderts, sondern beinhaltet sogar eine gewisse Komik, wenn genau dieser Mann von seiner Selbstbefriedigung Woche um Woche dem Pastor in der Kirche beichtet. Überhaupt entpuppt sich dabei ein grandioser Einfall der Regie, denn immer und immer wieder wiederholt Gordon-Levitt die selben Einstellungen, Szenenabfolgen, Montagen und macht ganz deutlich zu erkennen, dass der Protagonist ein absolut geregeltes Leben führt. Auto fahren - Kirche - Essen mit den Eltern - Fitnessstudio - Disco - Frau aufreißen - Sex - Porno gucken - Schlafen. Und daran kann vorerst auch niemand etwas ändern.

Doch nach und nach brechen diese festgefahrenen Muster langsam auf, nämlich stets dann, wenn eine Frau ins Spiel kommt. Als erste gibt sich Scarlett Johansson die Ehre, die mit ihrem sinnlichen und erotischen Spiel erst nur das Objekt der Begierde darstellt (Jons Freunde beurteilen sie optisch auf einer Skala von 1-10 als eine 10), später aber immer mehr Charaktereigenschaften zeigt. Als fest im Leben stehende Frau inszeniert, verleiht Gordon-Levitt ihr die Aura des verführerischen, löst diese aber auf, sobald der erste Sex geschehen ist und sie auch für den Protagonisten plötzlich langweiliger zu werden scheint. Später stellt er sie sogar als die Verkörperung der Moral und Verurteilung dar, die dem vermeintlichen Don Juan klar macht, wie widerlich sein Verhalten eigentlich ist. Es ist sehr dünnes Eis, auf dem der Film sich hier bewegt. Schnell könnte das ganze Geschehen lächerlich oder absurd, sogar anstößig wirken, doch weder wird der pädagogische Zeigefinger erhoben, noch kann man Johansson und Gordon-Levitt ihre ausgezeichnete Chemie absprechen. Die beiden stehlen sich gegenseitig ein ums andere Mal die Schau und stehen zurecht lange alleine im Fokus. Wichtiger ist aber, dass die Symbolik und die Aussagen keinesfalls plakativ übermittelt werden oder zu verschachtelt daherkommen, sondern der gesamte Prozess ein spielerischer, aber noch viel wichtiger selbstironischer Akt ist, dem der Zuschauer mit allergrößtem Interesse folgt.

Dieses Interesse ebbt auch dann nicht ab, wenn die dritte Hauptfigur und damit Julianne Moore auf der Bildfläche auftaucht. Dass sie grandios spielt, ist bei einer derart gestandenen Schauspielerin ja zu erwarten. Dennoch glaubt man anfangs nicht so recht daran, wie sie in das Konzept des Filmes passen soll. Doch wenn sie dann wirklich zum wichtigen Teil von Jons Leben wird, ergibt alles einen Sinn und die Geschichte spielt ihre größte Stärke aus. Denn natürlich muss es am Ende eine Form von Wandlung geben. Diese fällt allerdings komplett anders aus, als man es sich vorab hätte denken können. "Don Jon" ließ sich bereits vorher keinem echten Genre zuordnen, für eine Komödie zu wenig auf Humor fokussiert, für ein Drama zu locker im Erzählton. Das zahlt sich hier schließlich aus, denn genau diese fehlende Orientierung an irgendwelchen Vorbildern macht es schwer, zu erahnen, wohin die Reise geht. Toll ist, wie Gordon-Levitt auch am Ende noch mit großen Ideen aufwarten kann. Etwa, wenn er plötzlich Sexszenen genauso schneidet wie die anfänglichen Masturbationen und zeigt, dass fleischliches Miteinander eben nichts anderes ist, aber lebendiger sein kann. Auch gelungen, dass viele Handlungsbögen am Ende nicht richtig abgeschlossen werden, allerdings mit einem gewissen Ausblick enden, sodass der Zuschauer sich selbst Gedanken machen kann, wie die Reise weiter gehen könnte.

Fazit: "Don Jon" hat Witz, "Don Jon" hat Handlung, aber viel wichtiger: "Don Jon" hat Sex. Filmischen Sex. Eigentlich ist alles, was Gordon-Levitt zeigt ein Lustspiel in Bildern, ohne sich billigen Trieben hinzugeben. Tatsächlich ist mit diesem kleinen Independent-Streifen ein sehr seltener Glücksfall gelungen. Ein Film, der intelligent ist, sich selbst aber nicht zu ernst nimmt, von Sex handelt, aber diesen nicht einfach nur billig abfilmt, ein kontroverses Thema beinhaltet und es als so gewöhnlich begreift, dass es gar nicht mehr allzu kontrovers wirkt. Dazu kommen eine grandiose Besetzung und ein Spiel mit den Sehgewohnheiten und Konventionen moderner Filme, gewürzt mit knackiger Gesellschafts- und Generationssatire. "Don Jon" hat genau das, was Jon Martello bei seinen sexuellen Abenteuern zu fehlen scheint: eine Seele. Prädikat: Großartig!

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Beitrag von Wallnuss » 13.01.2015, 21:32

Exodus: Götter und Könige

Gibt es eine bessere Vorlage für ein monumentales Filmepos als die Bibel? Scheinbar nicht, denn selbst im Jahr 2014 greifen sogar Visionäre des modernen Kinos, in diesem Fall Regisseur Ridley Scott, auf die heilige Schrift des Christentums zurück. Mit "Exodus: Götter und Könige" wird dem Zuschauer also ein weiteres Mal die Geschichte des zweiten Buchs Mose erzählt, in der Moses von Gott auserwählt wird, die Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien. Der Verlauf der Handlung und der Ausgang selbiger dürften jedem wohl bekannt sein und somit ist bei Scotts Film auch mehr der Weg zum Ziel und die Darstellung der berühmtesten biblischen Stellen interessant. Doch macht der Vergleich mit der Vorlage auch eines deutlich: Scott teilt sich mit der Bibel die Stärken und Schwächen in der Geschichte. Tatsächlich zerfällt sein Film sogar in drei Teile: nicht nur inhaltlich, sondern auch qualitativ.

Das erste Drittel kann getrost als gescheitert abgetan werden. Anfangs schafft Scott gute Voraussetzungen für einen Konflikt der beiden "Brüder" Ramses und Moses, ist aber viel zu schnell mit anderen Dingen beschäftigt. Ob dies ein übertrieben ausführliches Zelebrieren einer großen Schlacht mit allerlei obligatorischen Vogelperspektiven und extremen Zooms ist oder die Tatsache, dass er durch mehrere Zeitsprünge etwas sprunghaft die Entwicklung der Charaktere lediglich andeutet, einen wirklich Zugang zum Geschehen auf der Leinwand vermag man in den ersten 45 Minuten nicht zu entwickeln. Dafür wirkt der ganze Ablauf des Filmes zu sehr wie das Abhaken einer Checkliste und dementsprechend gehetzt. Für Nebencharaktere ist gar keine Zeit, Ben Kingsleys Mitarbeit am Film hat gerade mal Cameo-Charakter. Vor allem schafft es Scott nicht, dass Leiden der versklavten Israeliten ansprechend genug darzustellen, sodass einem im späteren Verlauf die Emotionalität fehlen wird. Dazu kommt, dass besonders die Dialoge erschreckend schwach geschrieben sind. Hiermit ist gar nicht mal so wirklich die Handlungsebene, als mehr die sprachliche gemeint, so beinahe schon kindlich drücken sich die Beteiligten aus, meist folgen nur kurze Hauptsätze aufeinander.

Doch dann plötzlich gelingt der Regie eine großartige Überraschung: mit einer vollkommen mutigen, aber willkommenen Interpretation Gottes steigt Scott in das zweite Drittel ein und auf einmal offenbaren sich ungeahnte Stärken. Beginnend mit Moses Rückkehr nach Ägypten bietet "Exodus" bestes Monumentalfilm-Kino mit einigen intelligenten Einfällen. Das Handeln der Israeliten beispielsweise darf hier als eindeutige Parallele dienen und das zu den Aktionen heutiger moderner Terrororganisationen. In dem Zusammenhang funktioniert es dann auch ganz wunderbar, dass Moses bei fortgeschrittener Laufzeit immer wieder als zweifelndes und die Methoden des erbarmungslosen Gottes hinterfragendes Individuum auftaucht. Dass Christian Bale solche Persönlichkeiten hervorragend darzustellen weiß und sich auch hier von seiner besten Seite zeigt, ist zusätzlich ein großer Pluspunkt. Natürlich aber besticht der lange Mittelteil besonders durch die wahre Hauptattraktion des Filmes: die zehn Plagen. Und hier muss man anerkennend einen kleinen Pfiff Richtung Leinwand abgeben, denn derartig eindrucksvoll und gewaltig wurden diese bislang wohl nicht in Szene gesetzt. Mit meisterhaftem CGI-Einsatz und einer bestechend treffsicheren Inszenierung schafft Scott große und beängstigende Bilder, wenn sich der Himmel verdunkelt, riesige Orkane toben, Krokodile den Nil blutrot tränken oder Heuschrecken und Frösche das Volk Ägyptens heimsuchen. Genau das ist episches und bewegendes Kino, wie man es sehen will und wie es wohl nur Scott in dieser Perfektion hinbekommt.

Enttäuschender zeigt sich da wieder der Ausgang oder besser der Auszug aus Ägypten am Ende. Dies beginnt bereits damit, dass Scott es verpasst, den Zweifeln von Moses an Gott etwas Reflektierendes mit auf den Weg zu geben, viel mehr vergisst er sie unterwegs einfach. Schließlich steuert er auf ein großes Finale zu: die Teilung des roten Meeres. Und auch hier ist es der unfassbaren Arbeit der Effektabteilung zu verdanken, dass ein erstauntes Raunen durch den Kinosaal geht und man die ganzen Eindrücke nur langsam verarbeiten kann. Etwas schade ist nur, dass vor allem die letzte Konfrontation mit Joel Edgertons Gegenspieler zu arg ins pathetische abdriftet - und nicht zuletzt auch deshalb wenig überzeugt, da Edgerton im gesamten Film unter seinen Möglichkeiten blieb, zumal er sich unter dem Make-up sichtlich unwohl fühlt. Wirklich ärgerlich gerät zudem Alberto Iglesias Soundtrack, der bereits vorher stets, aber besonders im finalen Akt vollständig am Geschehen vorbei spielt und nie eine Symbiose mit den gezeigten Bildern eingeht. Unterhaltsam ist das zwar alles und macht optisch reichlich was her, nur lag deutlich mehr Potenzial in der Vorlage und den Möglichkeiten, die Scott sich selbst aufgetan hatte. Die 10 Gebote und das goldene Kalb dann in gefühlten drei Minuten am Ende wie eine beiläufige Nebensache abzuarbeiten, ist sogar dramaturgisch so absurd, dass es selbst den anspruchslosesten Zuschauern auffallen dürfte.

Fazit: Was Ridley Scott mit seiner Bibelverfilmung "Exodus: Götter und Könige" bietet, ist hauptsächlich im visuellen Bereich eindrucksvolles und opulentes Kino mit bombastischen Schauwerten, dass trotz des treffend besetzten Protagonisten besonders dank kaum vorhandenen Nebencharakteren und einer misslungenen emotionalen Exposition etwas zu kühl bleibt, um wirklich mitreißend zu sein. Wenn man eine Geschichte wie die von Moses zum x-ten Mal verfilmt, sollte man sich vorher eigentlich die Frage stellen, was man bei seiner Version anders machen will und ob man eigene Ideen für den Stoff hat. Scotts Aufgabe war, uns davon zu überzeugen, dass ein weiterer Moses-Film nötig war. Doch bis auf die Effekte und die spannende Gottesversion bietet "Exodus" unterm Strich zu wenig, als das sein Film emanzipiert genug auftreten könne, unterhält aber dennoch auf einem harmlosen Niveau bei einer epischen Länge von 150 Minuten. Wer mehr erwartet, dürfte schlussendlich enttäuscht den Saal verlassen.

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Marvel: Die Fünfte!

Beitrag von Wallnuss » 16.01.2015, 20:47

Marvels Captain America: The First Avenger

Bevor es zum ersten großen Crossover im Marvel Cinematic Universe kommt, muss noch ein letzter Held in Stellung gebracht werden. Nach dem Jon Favreau und Robert Downey Jr. mit "Iron Man" 2008 einen herrlich gelungenen Spaß hinlegten, folgten Louis Letteriers "Der unglaubliche Hulk" und später noch Kenneth Branaghs "Thor". Nur ein Charakter ist nun noch übrig, um die Heldentruppe der Avengers zu vollenden: der älteste von allen. Mit Captain America versucht sich Regisseur Joe Johnston an einer Comicfigur, die bereits 1941 erfunden wurde und deren hurra-patriotische Erscheinung heute bestenfalls anachronistisch erscheint. Ironischerweise präsentiert sich genauso auch sein Film: wie ein Relikt aus einer älteren Zeit. Und leider keiner der berüchtigten "guten alten" Zeit.

Gemäß der Vorlage befinden wir uns mit dem Protagonisten Steve Rogers also im zweiten Weltkrieg, wenn man auch natürlich keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der damaligen Geschichte erwarten sollte. Der wahre Irrsinn ist aber, dass Johnston seinen Film vollständig zu entpolitisieren versucht. Obwohl die Nazis sich in der Vergangenheit sich schließlich schon oft als die perfekten Filmbösewichte erwiesen haben und wegen ihres puren Schwarz/Weiß-Denkens perfekt in seichte Popcorn-Filme passen, wollte Johnston den Spielplatz "World War II" wohl gänzlich ohne ernste Themen wie Nationalsozialismus nutzen. Kurzerhand entstammen die Gegner für den Captian hier also einer Forschungsabteilung der Nazis, deren Anführer Johann Schmidt so böse ist, dass sich selbst Adolf Hitler von ihm distanziert. Bereits hier fällt es dem Zuschauer schwer, das Geschehen auf der Leinwand überhaupt ernstzunehmen, noch schlimmer wird es, wenn ein weiterer Twist im Mittelteil den Antagonisten gänzlich lächerlich erscheinen lässt. Später zeigt Johnston zwar ein paar andere Seiten, die in Richtung einer satirischen Auseinandersetzung mit dem Thema US-Patriotismus gehen, besonders eine Musicaleinlage von Komponist Alan Silvestri wäre mit urkomisch noch untertrieben bezeichnet, doch alle anderen Versuche geraten entweder zu mühsam oder zu mutlos. Der sonstige Humor ist zwar tatsächlich recht witzig, aber eben das typisch ironische Sprücheklopfen, dass man aus diesem Genre gewohnt ist. Immer wieder schimmert daher kurz durch, dass in "Captian America" mal ein interessanter Film gesteckt haben muss, der in dieser Form jedoch ziemlich halbgar erscheint.

Im Kontrast zur entschärften Thematik hätte wenigstens die Geschichte oder die Action einen Anreiz bieten müssen. Doch auch hier sieht es nicht sonderlich aufregend aus. Die Origin-Handlung über den "First Avenger" ist vermutlich das langweiligste, was man in dieser Hinsicht schreiben konnte. Eigentlich hat Rogers schließlich gar keine Motivation und über seine Beweggründe erfährt man auch nur das nötigste: er ist einfach vom tiefsten Herzen Amerikaner. Schön für ihn. Aber nicht sonderlich geeignet dafür, den Zuschauer zu bewegen oder mitzureißen. Dass sein Charakter später nur um ein paar Muskeln ergänzt wird, ist ein zusätzliches Problem. Da hilft auch die Entwicklung seiner Freundschaft zum von Sebastian Stan gespielten Bucky Barnes oder der weibliche Agent Peggy Carter als sein Love Interest recht wenig. Wirklich Emotionen oder Chemie sucht man zwischen diesen Paarungen vergeblich, sind sie doch allesamt bestenfalls müde und ausgelutschte Stereotypen, die schon vor zwanzig Jahren niemanden mehr von der Couch geholt hätten, die Beziehungen unter einander werden vom Script lediglich behauptet. Besser sieht es da mit der Optik, nicht aber unbedingt mit der Action aus. Denn wo Johnston optisch besonders durch den schicken Retro-Look ein angenehmes Abenteuergefühl verspüren lässt, sind die meisten der Actionsequenzen zu effektgeladen und in vielen Belangen schrecklich künstlich, sodass man weder die Helden noch die (gesichtslosen) Feinde als organische Elemente innerhalb der Action erkennen kann. Am besten aber ist eine Motorradverfolgungsjagd, die ohne erkennbaren Grund und ohne richtigen Anfang einfach plötzlich einleitet und ähnlich merkwürdig endet, ohne wirklichen Zusammenhang mit dem Rest des Filmes. Kurios!

Nun stellt sich die Frage, was man hätte besser machen können. Tatsächlich ist es aber im Fall von "Captain America" besonders das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, dass einen langweilt. Wo Jon Favreau bei "Iron Man" der bekannten Blockbuster-Formel etwas frisches abgewinnen konnte, bedient Johnston jeden Stereotyp ohne Eigeninitiative. Damit tut er zwar niemandem wirklich weh, kann aber auch nie sonderlich begeistern. Die Besetzungsliste tut ihr übriges. "Matrix"-Bösewicht Hugo Weaving langweilt sich sichtbar durch seine müde Nazi-Rolle, Chirs Evans bleibt als Protagonist austauschbar, unauffällig und fällt besonders in der ersten Hälfte durch den CGI-Körper durch hölzerne Mimik auf. Stanley Tuccis und Tommy Lee Jones Gastauftritte sind zwar nett, aber eben nicht sonderlich wichtig im Gesamtkontext und Hayley Atwell kann in der langweiligsten Frauenrolle seit Jahren ebenfalls nicht wirklich glänzen. Wirklich Spaß macht nur Dominic Cooper, der als Iron Mans Vater Howard Stark eine charismatische Robert Downey Jr. Interpration zum Besten gibt.

Fazit: Ganz so negativ wie es klingt ist "Marvels Captain America: The First Avenger" vermutlich nicht. Handwerklich unterscheidet er sich kaum von anderen Marvel-Filmen und mit seinem reichhaltigen Humor, dem netten 40er Look und Alan Silvestris Soundtrack (wird auch für das Crossover komponieren) sind für einen seichten Freitagabend genug Zutaten enthalten. Aber eben zu wenige, um über diesen Abend hinauszureichen. Dass in diesem zweiten Weltkrieg nicht mal die Nazis die Bösen sein dürfen, Laserwaffen keine Leichen (in deutschen Uniformen) hinterlassen und die Handlung älter als die Steinzeit ist, ist dabei weniger das Problem. Doch mit der konzeptlosen Action, den belanglosen und langweiligen 08/15-Charakteren und dem penetrant-nervigen CGI-Einsatz leistet sich Joe Johnstons Film hier die größte Sünde: großspurig auftretende Langeweile! Bleibt zu hoffen, dass der nach dem Abspann angeteaserte "The Avengers" wieder an die Qualität der deutlich besseren Vorgänger anknüpfen kann.

:liquid4:

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Beitrag von Cinefreak » 16.01.2015, 23:09

fand den ersten eigentlich damals überraschend rund und unterhaltend

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Beitrag von SFI » 17.01.2015, 06:39

Ich würde mich da hingegen eher auf die Seite von Wallnuss schlagen. Derartige Nazi Bösewichte sind für mich per se ein KO-Kriterium.
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Beitrag von Cinefreak » 17.01.2015, 10:35

Naja, man zeigt die NAZIS wie sie sind...scheiße und böse

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Beitrag von Wallnuss » 17.01.2015, 11:12

Nur sind sie eben keine Nazis, denn Nazis sind ja ein ernstes Thema und damit will man sich doch keinen Unterhaltungsfilm kaputt machen... :lol:

Keine Ahnung, in wie weit Hydra den Originalen entspringt, für mich ist es aber eine der blödesten und unnötigsten "Entschärfungen", die man so vollziehen konnte. Als wenn Nazis in Popcorn-Filmen immer gleich für Furore sorgen würden (siehe Indy 1 und Indy 3). Dass der Cap ohnehin interessanter wäre, wenn er in der heutigen Zeit angesiedelt wär, um mal seinen Senf zum Irak-Krieg, Watergate, der NSA-Affäre oder ähnlich geben würde, ist noch ein zusätzlicher Beigeschmack. Aber so viel ich weiß, soll das ja im Sequel auf mich zu kommen. :)

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Beitrag von Wallnuss » 17.01.2015, 23:32

Lucy

"Der Mensch nutzt nur 10% seiner Gehirnkapazität. Was wäre, wenn er 100% erreichen könnte?" - Nichts, denn das tun wir natürlich längst. Aus biologischer Sicht ist Luc Bessons Thriller "Lucy" von 2014, der mit jenem Satz ständig beworben wurde, daher eigentlich bereits beginnend bei seiner Prämisse völliger Blödsinn. Da es sich bei einem Film aber immer auch um ein fiktives Werk handelt, dass sich nicht an Gesetze der Realität halten muss, geht dieser "Fehler" in Ordnung, schließlich bietet die Ausgangsstellung einiges an Potenzial für einen fantasievollen und verspielten Film. Genau jene Adjektive wurden Bessons Film dann im Vorfeld auch gerne attestiert. Warum erschließt sich bei der Sichtung allerdings nicht. Viel mehr tun einem Stars wie Scarlett Johansson oder Morgan Freeman beinahe leid, wenn man sie in diesem "Werk" auf der Leinwand sieht und man sich nur noch fragt: Was um alles in der Welt ist hier schief gelaufen?

Was hat man sich dabei gedacht, wäre noch so eine weitere Frage. Wie man beim Ansehen von "Lucy" darauf kommt, ist aber die noch interessantere. Denn anfangs denkt man tatsächlich noch, einen spannenden und viel versprechenden Film zu schauen. Das Intro ist ansprechend aufgemacht und dennoch einfach gehalten, danach wird man praktisch direkt und unvermittelt ins Geschehen geschmissen. Ein kurzer Dialog, eine schnelle Exposition, eine junge Frau, die urplötzlich in gefährlicher Lage eine Handvoll Mafiosi um sich hat. Scarlett Johansson, bekannt unter anderem aus "The Island - Die Insel" oder "Marvels Iron Man 2" ist als Hauptdarstellerin immer eine gute Wahl, kann sie doch beinahe jede Emotion glaubhaft verkörpern. Das alles ist aber nicht mehr von Nöten, wenn nach zwanzig Minuten die Exposition endet und die eigentliche Handlung über die Super-Drogen beginnen, die aus der Studentin Lucy ein übermenschliches Wesen machen. Denn dort gibt es keine Emotionen mehr, die Johansson verkörpern kann. Und es gibt auch keinen wirklichen Charakter, den sie mehr spielen müsse. Dass man sich daher weder für sie noch ihre Rolle interessiert, ist wohl kaum ihre Schuld. Dass man diesen gelungenen Anfang nämlich auf das folgende Niveau stürzte, verantwortet ein ganz anderer.

Und um es mal deutlich zu sagen: Was Luc Besson uns als Zuschauern in den 89 Minuten dieses Filmes auftischt, ist eine Frechheit. Man weiß auch gar nicht, wo genau man anfangen soll, denn man muss sich einmal klar machen: nichts, was in diesen Anderthalb Stunden passiert, ergibt auch nur den geringsten Sinn. Besson etabliert allein mit seinem Konzept eine Protagonistin, die zu allem im Stande ist und muss dementsprechend vor jeder Actionszene die albernste Begründung aus dem Hut ziehen, um die in Anbetracht der Fähigkeiten von Lucy völlig überflüssigen Gefechte irgendwie zu rechtfertigen. In den ersten Minuten bekommen wir einen Mafiaring aufgezeigt, der dann später die Jägerposition einnimmt, ohne, dass wir je verstehen, worum es ihnen geht, wie sie organisiert sind, warum sie so handeln, wie sie es tun. Später, wenn es in Richtung Finale geht, wird es dann zunehmend sinnfreier. Lucy mordet in der einen Sekunde kaltblütig und emotionslos, um im nächsten Moment wieder ein emotionales Wesen zu werden, lässt manchmal Männer einfach schweben und muss sich im nächsten Moment mühsam durch den Pariser Gegenverkehr lenken. Die Actioneinstreuungen könnten wenigstens ganz nett sein, doch setzt Besson erstens zu oft auf CGI und zweitens liegt über jeder potenziell spannenden Situation einfach die Tatsache, dass Lucy als göttliche Figur ohnehin keinen Schaden nehmen kann. Zusätzlich wirken Kameraführung und Schnitt derartig unbeholfen, dass einige Aufnahmen doch stark nach Amateurhandwerk aussehen.

Ist das Lucys Problem? Nein. Inhaltsleere Filme gibt es wie Sand am Meer. Sie vermögen vielleicht zu langweilen und lassen einen als Betrachter kalt, doch "Lucy" geht eine Ebene weiter. Denn Besson verärgert hier sein Publikum mit einer Form der Selbstverliebtheit, die ein aufdringliches Gefühl der Abneigung hinterlässt. Sich selbst scheint er für den größten Künstler zu halten, wenn er seinen Film laufend mit Parallelmontagen versieht, beispielsweise analog zur weglaufenden Lucy einen Gepard zeigt, der sich eine Antilope reißt. Was die Regie für ästhetisches Kino hält, entpuppt sich aber in Wahrheit nur als ein simples Jäger-Motiv, das sich laufend wiederholt. Übel auch, wie Besson auf billigste Art und Weise das bisschen Dialog-Gestammel, welches die Produzenten mit einem Drehbuch verwechselten, durch philosophische Fragestellungen à la "Matrix" anreichern will und dabei bereits in den kurzen Momenten die pure Idiotie seiner Handlung offen legt. Ein letzter Aufreger ist dann nur noch das blödsinnige Finale. Während man die Handlung selbst nicht mehr verstehen kann und Morgan Freemans Figur dem Publikum nebenbei die Abläufe erklären muss (ohne Begründung, woher sein Wissen eigentlich kommt), dreht Besson die Zeit zurück, spielt sie vorwärts ab, hält sie an, lässt Menschenfrau Lucy auf Affenfrau Lucy (das erste "menschliche" Wesen) treffen, zeigt in wirren Abfolgen Teile des Universums und verquaste metaphysische Elemente, die Eric Serra mit einem lärmend-unharmonischen Soundtrack so zukleistert, dass man mit einem Gefühl der Leere und der Wut den Kinosaal verlässt.

Fazit: Wäre "Lucy" einfach nur ein langweiliger Film, man wäre geneigt, bei einer wenigstens handwerklich ansprechenden Leistung gnädig zu urteilen. Doch Luc Besson hielt sich hier wohl für einen der größten Ästheten des Kinos und wollte etwas denkwürdig Neues schaffen. Enden tut er bei einem Werk, das inhaltlich himmelschreiend dämlich ist und optisch zwar große Bilder liefert, diese aber durch einen total überflüssigen Pseudo-Anspruch als etwas verkauft, was sie nicht sind. "Lucy" ist dämlich, unfreiwillig komisch und erweckt gleichzeitig mit den sinnfreien Philosophie-Bezügen und der abschließenden Moral das Gefühl, sein Publikum für dumm zu erklären, obwohl selbst der anspruchsloseste Zuschauer sich nicht von diesem puren gar nichts an allem wird blenden lassen können. Pfui!

:liquid2:

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Beitrag von Wallnuss » 20.01.2015, 14:09

Mission: Impossible II

Die IMF (Impossible Mission Force) der USA scheint ein Problem mit der Loyalität ihrer Mitarbeiter zu haben. Nach dem Brian De Palma Tom Cruise als Ethan Hunt 1996 in "Mission: Impossible" auf die Jagd nach einen Verräter schickte, beauftragte ihn Regisseur John Woo vier Jahre später erneut mit einer solch unmöglichen Mission. Wo jedoch sein Vorgänger auf ausfallende Actionszenen verzichtete und sich eher auf eine komplexe und spannende Story konzentrierte, bietet Woo den krassen Gegenentwurf. Intelligent, vielschichtig oder spannend ist hier gar nichts mehr. Die Handlung ist sogar so dünn, dass sie auf einen Bierdeckel geschrieben noch genügend Platz für einen weiteren Film lassen würde. Fokus legt Woo aber trotzdem - auf hochgestyltes Actionkino in Ultra-Zeitlupe. So bleibt vom thrillerartigen Erstling zwar am Ende nicht mehr viel übrig, das Endresultat kann sich aber dennoch sehen lassen.

Diejenigen, welche sich besonders ein stil ähnliches Sequel zu De Palmas Film erhofft hatten, sollten "Mission: Impossible II" vollständig meiden. Alles, was vom Beginn der Reihe noch übrig ist, sind Tom Cruise als Protagonist, Ving Rhames als sein Nebenpart und das weltberühmte musikalische Theme von Lalo Schifrin. Doch bereits musikalisch zeigt sich eine erste deutliche Neuerung, denn den Soundtrack steuerte dieses Mal Hans Zimmer bei, dessen Musik sich hier so brachial und pompös zeigt, wie es dem Geschehen auf der Leinwand angemessen erscheint. Das funktioniert, auch wenn er leider manchmal dazu neigt, dem ohnehin schon pathetischen Treiben noch einmal die Krone aufzusetzen. Beinahe lächerlich theatralisch wirkt dieses "Zusammenspiel" besonders in den Momenten, in denen Woo inhaltlich versucht, uns als Zuschauern eine Liebesgeschichte zwischen Cruises Ethan Hunt und seinem Love Interest Nyah zu erzählen, diese ist nämlich derartig oberflächlich und billig aufgebaut und entwickelt, dass die sowieso bereits enorm schwülstigen Dialoge zusätzlich aufgesetzt wirken. Immerhin, die Romanze im Mittelpunkt hat ja auch was positives an sich, so haben wir zum einen wenigstens irgendeinen Aufhänger, damit man sich in dem eindimensionalen Bilderbuchplot rund um ein mörderisches Super-Virus orientieren kann und zum anderen steht so neben Actionheld Cruise die wunderschöne Thandie Newton wesentlich im Vordergrund, die in den ersten zwanzig Minuten für prickelnde Erotik sorgt und auch später noch ein absoluter Hingucker bleibt. Mehr Attraktivität geht gar nicht und "Mission: Impossible II" ist eben eindeutig ein Film für Männer.

Und als solchen versteht Woo seinen Film auch. Nicht nur auf die optischen Vorzüge der Hauptdarstellerin bezogen, auch darüber hinaus ist er stets bestrebt, die Leinwand abwechslungsreich zu füllen. Und dabei scheint es ihm nicht zu langen, einfach nur Autos oder Motorräder in Hochgeschwindigkeit über den Asphalt fegen zu lassen, bei ihm wird jeder Kilometer einzeln in epischer Länge zelebriert. Sein Faible für Zeitlupen lebt er in jedem Moment voll und ganz aus und genießt sichtlich die bildgewaltige Ästhetik, mit der er seine Gewaltorgien versieht. Besonders eine bleihaltige Auseinandersetzung in einem Laboratorium erinnert überdeutlich an den Kinohit "Matrix" der Gebrüder Wachowski. Toll anzusehen und besonders kreativ gestaltet sind all diese Sequenzen, Woo ist handwerklich auch viel zu versiert, als das er sich in seinem Metier Fehler erlauben würde. Die dazugehörige Soundkulisse ist ein wahrer Genuss, so laut und authentisch ist man nur selten in die Kämpfe und Verfolgungen involviert und es trägt enorm zum Spaß des Filmes bei. Schade nur, dass man die ganzen 124 Minuten über konstant merkt, dass ein wirkliches Drehbuch beim Dreh gar nicht vorhanden war. Man hatte die meisten Actionszenen im Sinn und die zugehörige Handlung halbwegs drum herum konstruiert. Dementsprechend einfallslos dümpelt das Geschehen vor sich hin und besonders im langen Mittelteil, der zwangsläufig hin und wieder ein wenig in Not gerät, etwas zu erzählen, hat hier ein paar Längen und dreht sich unnötig im Kreis.

Womit "Mission: Impossible II" allerdings steht und fällt, ist der Hauptdarsteller. Denn wie schon bei De Palma stellt Woo Tom Cruise ganz allein in den Vordergrund und es gibt kaum eine Szene, die ohne ihn läuft. An dieser Stelle spalten sich dann auch die Lager, die einen mögen Ethan Hunt als Charakter eine völlige Substanzlosigkeit attestieren. Dies ist soweit richtig, schadet in diesem Fall aber keineswegs, das auch keine andere Person im Film tiefgründiger oder mehrdimensionaler wäre, selbst der dafür gerne herangezogene Part des Bösewichts bleibt bei der Interpretation von Dougray Scott ein Statist. Die anderen erkennen dafür zu Recht an, dass Cruise dem Film enorm weiterhilft. Er zeigt in all seinen Szenen so viel Charisma und Spielfreude, dass man ohne Probleme (oder definierten Charakter) auch so mit ihm mitfiebert und hier beinahe derselbe Effekt eintritt, mit dem auch Sean Connery in den 60ern das Publikum an seine James Bond Rolle band. Die "Tom-Cruise-One-Man-Show" verspricht ironisch-süffisanten Humor, ein gesundes Maß an männlichem Testosteron (auch einige Machoposen wirken bei Cruise nicht peinlich) und wird zusätzlich positiv dadurch verstärkt, dass Cruise erkennbar alle großen Stunts selbst ausführte, was selbst abgehobenste Szenarien ein Stückweit erdet. Abgehoben im direkten Vergleich wirkt dafür Woos inflationärer Einsatz der aus Teil 1 bekannten Gesichtsmasken. Es mag ein netter Effekt sein, doch wenn beinahe alle 10 Minuten ein konstruierter Twist durch diese Gadgets zu Stande kommt, erscheint das irgendwann mehr als nervig.

Fazit: Regisseur John Woo, Produzent Tom Cruise und Komponist Hans "zimmern" mit "Mission: Impossible II" das exakte Gegenstück zum Vorgänger. Metaphern werden zu Running-Gags umfunktioniert, ruhige Einbruchssequenzen verkommen zu Materialschlachten erster Klasse. Subtil ist hier gar nichts mehr, dafür schlägt der Holzhammer konsequent auf jeden Moment ein. Damit bleibt zwar das Risiko, Liebhaber des ersten Teils dezent zu verärgern, ansonsten aber ein schön anzusehender reinrassiger Actionreißer für zwischendurch, dessen Drehbuch manchmal höchstens etwas zu laut "Arbeitsverweigerung" zu schreien scheint.

:liquid7:

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