Filmtagebuch: Wallnuss
Moderator: SFI
Don Jon
Manchmal findet man, fernab von den großen Action-Blockbustern und den romantischen Komödien, in kleinen und unscheinbaren Filmen plötzlich und unverhofft wichtige und relevante Inhalte. "Don Jon", das Regiedebüt von Joseph Gordon-Levitt, der sich hiermit auch als Drehbuchautor und Hauptdarsteller präsentiert, ist ein solcher Film. Die Handlung klingt erstmal nicht sonderlich innovativ: Jon Martello, charismatischer Frauenaufreißer, langweilt sich bei echtem Sex und kommt nur bei pornografischen Videos so richtig in Fahrt. Er trifft zwei Frauen, gespielt von (der unter anderem aus "The Island - Die Insel" bekannten) Scarlett Johansson und Julianne Moore, die sein Leben maßgeblich verändern wollen. Eigentlich die ideale Voraussetzung für platte Kalauer und billige Sprüche. Doch was Gordon-Levitt sich hier einfallen lässt, ist nicht einfach nur die nächste Komödie zum Thema Pornografie, sondern auch ein beeindruckendes Psychogramm, gespickt mit unwahrscheinlicher bissiger Gesellschaftskritik.
Die erste große Überraschung: der Begriff "Porno" ist in "Don Jon" keinesfalls negativ besetzt. Viel mehr bekommt es eine gewisse Ästhetik, wenn die Regie nahezu mit euphorischer Begeisterung in Montagen die Ausschnitte aus den Pornos mit dem gebannten Gesicht Gordon-Levitts aufflackern lässt und dabei immer schneller wird, bis das Tempo dem Ejakulationsrhythmus Martellos gleichkommt. Mit enormer Präzision wird dem Zuschauer hier vor Augen geführt, wie unpersönlich und animalisch dieser Prozess vonstatten geht und wie sich das fleischliche Element einer Beziehung plötzlich nur noch durch Bilder herstellen lässt, ohne seine Wirkung zu verfehlen. Dass den Protagonisten echter Sex langweilt und er nur in der Masturbation (und auch nur zu Pornos) seine wirkliche Befriedigung findet, ist nicht nur eine Analogie zur immer "unpersönlicheren neuen Generation" des 21. Jahrhunderts, sondern beinhaltet sogar eine gewisse Komik, wenn genau dieser Mann von seiner Selbstbefriedigung Woche um Woche dem Pastor in der Kirche beichtet. Überhaupt entpuppt sich dabei ein grandioser Einfall der Regie, denn immer und immer wieder wiederholt Gordon-Levitt die selben Einstellungen, Szenenabfolgen, Montagen und macht ganz deutlich zu erkennen, dass der Protagonist ein absolut geregeltes Leben führt. Auto fahren - Kirche - Essen mit den Eltern - Fitnessstudio - Disco - Frau aufreißen - Sex - Porno gucken - Schlafen. Und daran kann vorerst auch niemand etwas ändern.
Doch nach und nach brechen diese festgefahrenen Muster langsam auf, nämlich stets dann, wenn eine Frau ins Spiel kommt. Als erste gibt sich Scarlett Johansson die Ehre, die mit ihrem sinnlichen und erotischen Spiel erst nur das Objekt der Begierde darstellt (Jons Freunde beurteilen sie optisch auf einer Skala von 1-10 als eine 10), später aber immer mehr Charaktereigenschaften zeigt. Als fest im Leben stehende Frau inszeniert, verleiht Gordon-Levitt ihr die Aura des verführerischen, löst diese aber auf, sobald der erste Sex geschehen ist und sie auch für den Protagonisten plötzlich langweiliger zu werden scheint. Später stellt er sie sogar als die Verkörperung der Moral und Verurteilung dar, die dem vermeintlichen Don Juan klar macht, wie widerlich sein Verhalten eigentlich ist. Es ist sehr dünnes Eis, auf dem der Film sich hier bewegt. Schnell könnte das ganze Geschehen lächerlich oder absurd, sogar anstößig wirken, doch weder wird der pädagogische Zeigefinger erhoben, noch kann man Johansson und Gordon-Levitt ihre ausgezeichnete Chemie absprechen. Die beiden stehlen sich gegenseitig ein ums andere Mal die Schau und stehen zurecht lange alleine im Fokus. Wichtiger ist aber, dass die Symbolik und die Aussagen keinesfalls plakativ übermittelt werden oder zu verschachtelt daherkommen, sondern der gesamte Prozess ein spielerischer, aber noch viel wichtiger selbstironischer Akt ist, dem der Zuschauer mit allergrößtem Interesse folgt.
Dieses Interesse ebbt auch dann nicht ab, wenn die dritte Hauptfigur und damit Julianne Moore auf der Bildfläche auftaucht. Dass sie grandios spielt, ist bei einer derart gestandenen Schauspielerin ja zu erwarten. Dennoch glaubt man anfangs nicht so recht daran, wie sie in das Konzept des Filmes passen soll. Doch wenn sie dann wirklich zum wichtigen Teil von Jons Leben wird, ergibt alles einen Sinn und die Geschichte spielt ihre größte Stärke aus. Denn natürlich muss es am Ende eine Form von Wandlung geben. Diese fällt allerdings komplett anders aus, als man es sich vorab hätte denken können. "Don Jon" ließ sich bereits vorher keinem echten Genre zuordnen, für eine Komödie zu wenig auf Humor fokussiert, für ein Drama zu locker im Erzählton. Das zahlt sich hier schließlich aus, denn genau diese fehlende Orientierung an irgendwelchen Vorbildern macht es schwer, zu erahnen, wohin die Reise geht. Toll ist, wie Gordon-Levitt auch am Ende noch mit großen Ideen aufwarten kann. Etwa, wenn er plötzlich Sexszenen genauso schneidet wie die anfänglichen Masturbationen und zeigt, dass fleischliches Miteinander eben nichts anderes ist, aber lebendiger sein kann. Auch gelungen, dass viele Handlungsbögen am Ende nicht richtig abgeschlossen werden, allerdings mit einem gewissen Ausblick enden, sodass der Zuschauer sich selbst Gedanken machen kann, wie die Reise weiter gehen könnte.
Fazit: "Don Jon" hat Witz, "Don Jon" hat Handlung, aber viel wichtiger: "Don Jon" hat Sex. Filmischen Sex. Eigentlich ist alles, was Gordon-Levitt zeigt ein Lustspiel in Bildern, ohne sich billigen Trieben hinzugeben. Tatsächlich ist mit diesem kleinen Independent-Streifen ein sehr seltener Glücksfall gelungen. Ein Film, der intelligent ist, sich selbst aber nicht zu ernst nimmt, von Sex handelt, aber diesen nicht einfach nur billig abfilmt, ein kontroverses Thema beinhaltet und es als so gewöhnlich begreift, dass es gar nicht mehr allzu kontrovers wirkt. Dazu kommen eine grandiose Besetzung und ein Spiel mit den Sehgewohnheiten und Konventionen moderner Filme, gewürzt mit knackiger Gesellschafts- und Generationssatire. "Don Jon" hat genau das, was Jon Martello bei seinen sexuellen Abenteuern zu fehlen scheint: eine Seele. Prädikat: Großartig!
Manchmal findet man, fernab von den großen Action-Blockbustern und den romantischen Komödien, in kleinen und unscheinbaren Filmen plötzlich und unverhofft wichtige und relevante Inhalte. "Don Jon", das Regiedebüt von Joseph Gordon-Levitt, der sich hiermit auch als Drehbuchautor und Hauptdarsteller präsentiert, ist ein solcher Film. Die Handlung klingt erstmal nicht sonderlich innovativ: Jon Martello, charismatischer Frauenaufreißer, langweilt sich bei echtem Sex und kommt nur bei pornografischen Videos so richtig in Fahrt. Er trifft zwei Frauen, gespielt von (der unter anderem aus "The Island - Die Insel" bekannten) Scarlett Johansson und Julianne Moore, die sein Leben maßgeblich verändern wollen. Eigentlich die ideale Voraussetzung für platte Kalauer und billige Sprüche. Doch was Gordon-Levitt sich hier einfallen lässt, ist nicht einfach nur die nächste Komödie zum Thema Pornografie, sondern auch ein beeindruckendes Psychogramm, gespickt mit unwahrscheinlicher bissiger Gesellschaftskritik.
Die erste große Überraschung: der Begriff "Porno" ist in "Don Jon" keinesfalls negativ besetzt. Viel mehr bekommt es eine gewisse Ästhetik, wenn die Regie nahezu mit euphorischer Begeisterung in Montagen die Ausschnitte aus den Pornos mit dem gebannten Gesicht Gordon-Levitts aufflackern lässt und dabei immer schneller wird, bis das Tempo dem Ejakulationsrhythmus Martellos gleichkommt. Mit enormer Präzision wird dem Zuschauer hier vor Augen geführt, wie unpersönlich und animalisch dieser Prozess vonstatten geht und wie sich das fleischliche Element einer Beziehung plötzlich nur noch durch Bilder herstellen lässt, ohne seine Wirkung zu verfehlen. Dass den Protagonisten echter Sex langweilt und er nur in der Masturbation (und auch nur zu Pornos) seine wirkliche Befriedigung findet, ist nicht nur eine Analogie zur immer "unpersönlicheren neuen Generation" des 21. Jahrhunderts, sondern beinhaltet sogar eine gewisse Komik, wenn genau dieser Mann von seiner Selbstbefriedigung Woche um Woche dem Pastor in der Kirche beichtet. Überhaupt entpuppt sich dabei ein grandioser Einfall der Regie, denn immer und immer wieder wiederholt Gordon-Levitt die selben Einstellungen, Szenenabfolgen, Montagen und macht ganz deutlich zu erkennen, dass der Protagonist ein absolut geregeltes Leben führt. Auto fahren - Kirche - Essen mit den Eltern - Fitnessstudio - Disco - Frau aufreißen - Sex - Porno gucken - Schlafen. Und daran kann vorerst auch niemand etwas ändern.
Doch nach und nach brechen diese festgefahrenen Muster langsam auf, nämlich stets dann, wenn eine Frau ins Spiel kommt. Als erste gibt sich Scarlett Johansson die Ehre, die mit ihrem sinnlichen und erotischen Spiel erst nur das Objekt der Begierde darstellt (Jons Freunde beurteilen sie optisch auf einer Skala von 1-10 als eine 10), später aber immer mehr Charaktereigenschaften zeigt. Als fest im Leben stehende Frau inszeniert, verleiht Gordon-Levitt ihr die Aura des verführerischen, löst diese aber auf, sobald der erste Sex geschehen ist und sie auch für den Protagonisten plötzlich langweiliger zu werden scheint. Später stellt er sie sogar als die Verkörperung der Moral und Verurteilung dar, die dem vermeintlichen Don Juan klar macht, wie widerlich sein Verhalten eigentlich ist. Es ist sehr dünnes Eis, auf dem der Film sich hier bewegt. Schnell könnte das ganze Geschehen lächerlich oder absurd, sogar anstößig wirken, doch weder wird der pädagogische Zeigefinger erhoben, noch kann man Johansson und Gordon-Levitt ihre ausgezeichnete Chemie absprechen. Die beiden stehlen sich gegenseitig ein ums andere Mal die Schau und stehen zurecht lange alleine im Fokus. Wichtiger ist aber, dass die Symbolik und die Aussagen keinesfalls plakativ übermittelt werden oder zu verschachtelt daherkommen, sondern der gesamte Prozess ein spielerischer, aber noch viel wichtiger selbstironischer Akt ist, dem der Zuschauer mit allergrößtem Interesse folgt.
Dieses Interesse ebbt auch dann nicht ab, wenn die dritte Hauptfigur und damit Julianne Moore auf der Bildfläche auftaucht. Dass sie grandios spielt, ist bei einer derart gestandenen Schauspielerin ja zu erwarten. Dennoch glaubt man anfangs nicht so recht daran, wie sie in das Konzept des Filmes passen soll. Doch wenn sie dann wirklich zum wichtigen Teil von Jons Leben wird, ergibt alles einen Sinn und die Geschichte spielt ihre größte Stärke aus. Denn natürlich muss es am Ende eine Form von Wandlung geben. Diese fällt allerdings komplett anders aus, als man es sich vorab hätte denken können. "Don Jon" ließ sich bereits vorher keinem echten Genre zuordnen, für eine Komödie zu wenig auf Humor fokussiert, für ein Drama zu locker im Erzählton. Das zahlt sich hier schließlich aus, denn genau diese fehlende Orientierung an irgendwelchen Vorbildern macht es schwer, zu erahnen, wohin die Reise geht. Toll ist, wie Gordon-Levitt auch am Ende noch mit großen Ideen aufwarten kann. Etwa, wenn er plötzlich Sexszenen genauso schneidet wie die anfänglichen Masturbationen und zeigt, dass fleischliches Miteinander eben nichts anderes ist, aber lebendiger sein kann. Auch gelungen, dass viele Handlungsbögen am Ende nicht richtig abgeschlossen werden, allerdings mit einem gewissen Ausblick enden, sodass der Zuschauer sich selbst Gedanken machen kann, wie die Reise weiter gehen könnte.
Fazit: "Don Jon" hat Witz, "Don Jon" hat Handlung, aber viel wichtiger: "Don Jon" hat Sex. Filmischen Sex. Eigentlich ist alles, was Gordon-Levitt zeigt ein Lustspiel in Bildern, ohne sich billigen Trieben hinzugeben. Tatsächlich ist mit diesem kleinen Independent-Streifen ein sehr seltener Glücksfall gelungen. Ein Film, der intelligent ist, sich selbst aber nicht zu ernst nimmt, von Sex handelt, aber diesen nicht einfach nur billig abfilmt, ein kontroverses Thema beinhaltet und es als so gewöhnlich begreift, dass es gar nicht mehr allzu kontrovers wirkt. Dazu kommen eine grandiose Besetzung und ein Spiel mit den Sehgewohnheiten und Konventionen moderner Filme, gewürzt mit knackiger Gesellschafts- und Generationssatire. "Don Jon" hat genau das, was Jon Martello bei seinen sexuellen Abenteuern zu fehlen scheint: eine Seele. Prädikat: Großartig!
Exodus: Götter und Könige
Gibt es eine bessere Vorlage für ein monumentales Filmepos als die Bibel? Scheinbar nicht, denn selbst im Jahr 2014 greifen sogar Visionäre des modernen Kinos, in diesem Fall Regisseur Ridley Scott, auf die heilige Schrift des Christentums zurück. Mit "Exodus: Götter und Könige" wird dem Zuschauer also ein weiteres Mal die Geschichte des zweiten Buchs Mose erzählt, in der Moses von Gott auserwählt wird, die Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien. Der Verlauf der Handlung und der Ausgang selbiger dürften jedem wohl bekannt sein und somit ist bei Scotts Film auch mehr der Weg zum Ziel und die Darstellung der berühmtesten biblischen Stellen interessant. Doch macht der Vergleich mit der Vorlage auch eines deutlich: Scott teilt sich mit der Bibel die Stärken und Schwächen in der Geschichte. Tatsächlich zerfällt sein Film sogar in drei Teile: nicht nur inhaltlich, sondern auch qualitativ.
Das erste Drittel kann getrost als gescheitert abgetan werden. Anfangs schafft Scott gute Voraussetzungen für einen Konflikt der beiden "Brüder" Ramses und Moses, ist aber viel zu schnell mit anderen Dingen beschäftigt. Ob dies ein übertrieben ausführliches Zelebrieren einer großen Schlacht mit allerlei obligatorischen Vogelperspektiven und extremen Zooms ist oder die Tatsache, dass er durch mehrere Zeitsprünge etwas sprunghaft die Entwicklung der Charaktere lediglich andeutet, einen wirklich Zugang zum Geschehen auf der Leinwand vermag man in den ersten 45 Minuten nicht zu entwickeln. Dafür wirkt der ganze Ablauf des Filmes zu sehr wie das Abhaken einer Checkliste und dementsprechend gehetzt. Für Nebencharaktere ist gar keine Zeit, Ben Kingsleys Mitarbeit am Film hat gerade mal Cameo-Charakter. Vor allem schafft es Scott nicht, dass Leiden der versklavten Israeliten ansprechend genug darzustellen, sodass einem im späteren Verlauf die Emotionalität fehlen wird. Dazu kommt, dass besonders die Dialoge erschreckend schwach geschrieben sind. Hiermit ist gar nicht mal so wirklich die Handlungsebene, als mehr die sprachliche gemeint, so beinahe schon kindlich drücken sich die Beteiligten aus, meist folgen nur kurze Hauptsätze aufeinander.
Doch dann plötzlich gelingt der Regie eine großartige Überraschung: mit einer vollkommen mutigen, aber willkommenen Interpretation Gottes steigt Scott in das zweite Drittel ein und auf einmal offenbaren sich ungeahnte Stärken. Beginnend mit Moses Rückkehr nach Ägypten bietet "Exodus" bestes Monumentalfilm-Kino mit einigen intelligenten Einfällen. Das Handeln der Israeliten beispielsweise darf hier als eindeutige Parallele dienen und das zu den Aktionen heutiger moderner Terrororganisationen. In dem Zusammenhang funktioniert es dann auch ganz wunderbar, dass Moses bei fortgeschrittener Laufzeit immer wieder als zweifelndes und die Methoden des erbarmungslosen Gottes hinterfragendes Individuum auftaucht. Dass Christian Bale solche Persönlichkeiten hervorragend darzustellen weiß und sich auch hier von seiner besten Seite zeigt, ist zusätzlich ein großer Pluspunkt. Natürlich aber besticht der lange Mittelteil besonders durch die wahre Hauptattraktion des Filmes: die zehn Plagen. Und hier muss man anerkennend einen kleinen Pfiff Richtung Leinwand abgeben, denn derartig eindrucksvoll und gewaltig wurden diese bislang wohl nicht in Szene gesetzt. Mit meisterhaftem CGI-Einsatz und einer bestechend treffsicheren Inszenierung schafft Scott große und beängstigende Bilder, wenn sich der Himmel verdunkelt, riesige Orkane toben, Krokodile den Nil blutrot tränken oder Heuschrecken und Frösche das Volk Ägyptens heimsuchen. Genau das ist episches und bewegendes Kino, wie man es sehen will und wie es wohl nur Scott in dieser Perfektion hinbekommt.
Enttäuschender zeigt sich da wieder der Ausgang oder besser der Auszug aus Ägypten am Ende. Dies beginnt bereits damit, dass Scott es verpasst, den Zweifeln von Moses an Gott etwas Reflektierendes mit auf den Weg zu geben, viel mehr vergisst er sie unterwegs einfach. Schließlich steuert er auf ein großes Finale zu: die Teilung des roten Meeres. Und auch hier ist es der unfassbaren Arbeit der Effektabteilung zu verdanken, dass ein erstauntes Raunen durch den Kinosaal geht und man die ganzen Eindrücke nur langsam verarbeiten kann. Etwas schade ist nur, dass vor allem die letzte Konfrontation mit Joel Edgertons Gegenspieler zu arg ins pathetische abdriftet - und nicht zuletzt auch deshalb wenig überzeugt, da Edgerton im gesamten Film unter seinen Möglichkeiten blieb, zumal er sich unter dem Make-up sichtlich unwohl fühlt. Wirklich ärgerlich gerät zudem Alberto Iglesias Soundtrack, der bereits vorher stets, aber besonders im finalen Akt vollständig am Geschehen vorbei spielt und nie eine Symbiose mit den gezeigten Bildern eingeht. Unterhaltsam ist das zwar alles und macht optisch reichlich was her, nur lag deutlich mehr Potenzial in der Vorlage und den Möglichkeiten, die Scott sich selbst aufgetan hatte. Die 10 Gebote und das goldene Kalb dann in gefühlten drei Minuten am Ende wie eine beiläufige Nebensache abzuarbeiten, ist sogar dramaturgisch so absurd, dass es selbst den anspruchslosesten Zuschauern auffallen dürfte.
Fazit: Was Ridley Scott mit seiner Bibelverfilmung "Exodus: Götter und Könige" bietet, ist hauptsächlich im visuellen Bereich eindrucksvolles und opulentes Kino mit bombastischen Schauwerten, dass trotz des treffend besetzten Protagonisten besonders dank kaum vorhandenen Nebencharakteren und einer misslungenen emotionalen Exposition etwas zu kühl bleibt, um wirklich mitreißend zu sein. Wenn man eine Geschichte wie die von Moses zum x-ten Mal verfilmt, sollte man sich vorher eigentlich die Frage stellen, was man bei seiner Version anders machen will und ob man eigene Ideen für den Stoff hat. Scotts Aufgabe war, uns davon zu überzeugen, dass ein weiterer Moses-Film nötig war. Doch bis auf die Effekte und die spannende Gottesversion bietet "Exodus" unterm Strich zu wenig, als das sein Film emanzipiert genug auftreten könne, unterhält aber dennoch auf einem harmlosen Niveau bei einer epischen Länge von 150 Minuten. Wer mehr erwartet, dürfte schlussendlich enttäuscht den Saal verlassen.
Gibt es eine bessere Vorlage für ein monumentales Filmepos als die Bibel? Scheinbar nicht, denn selbst im Jahr 2014 greifen sogar Visionäre des modernen Kinos, in diesem Fall Regisseur Ridley Scott, auf die heilige Schrift des Christentums zurück. Mit "Exodus: Götter und Könige" wird dem Zuschauer also ein weiteres Mal die Geschichte des zweiten Buchs Mose erzählt, in der Moses von Gott auserwählt wird, die Israeliten aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien. Der Verlauf der Handlung und der Ausgang selbiger dürften jedem wohl bekannt sein und somit ist bei Scotts Film auch mehr der Weg zum Ziel und die Darstellung der berühmtesten biblischen Stellen interessant. Doch macht der Vergleich mit der Vorlage auch eines deutlich: Scott teilt sich mit der Bibel die Stärken und Schwächen in der Geschichte. Tatsächlich zerfällt sein Film sogar in drei Teile: nicht nur inhaltlich, sondern auch qualitativ.
Das erste Drittel kann getrost als gescheitert abgetan werden. Anfangs schafft Scott gute Voraussetzungen für einen Konflikt der beiden "Brüder" Ramses und Moses, ist aber viel zu schnell mit anderen Dingen beschäftigt. Ob dies ein übertrieben ausführliches Zelebrieren einer großen Schlacht mit allerlei obligatorischen Vogelperspektiven und extremen Zooms ist oder die Tatsache, dass er durch mehrere Zeitsprünge etwas sprunghaft die Entwicklung der Charaktere lediglich andeutet, einen wirklich Zugang zum Geschehen auf der Leinwand vermag man in den ersten 45 Minuten nicht zu entwickeln. Dafür wirkt der ganze Ablauf des Filmes zu sehr wie das Abhaken einer Checkliste und dementsprechend gehetzt. Für Nebencharaktere ist gar keine Zeit, Ben Kingsleys Mitarbeit am Film hat gerade mal Cameo-Charakter. Vor allem schafft es Scott nicht, dass Leiden der versklavten Israeliten ansprechend genug darzustellen, sodass einem im späteren Verlauf die Emotionalität fehlen wird. Dazu kommt, dass besonders die Dialoge erschreckend schwach geschrieben sind. Hiermit ist gar nicht mal so wirklich die Handlungsebene, als mehr die sprachliche gemeint, so beinahe schon kindlich drücken sich die Beteiligten aus, meist folgen nur kurze Hauptsätze aufeinander.
Doch dann plötzlich gelingt der Regie eine großartige Überraschung: mit einer vollkommen mutigen, aber willkommenen Interpretation Gottes steigt Scott in das zweite Drittel ein und auf einmal offenbaren sich ungeahnte Stärken. Beginnend mit Moses Rückkehr nach Ägypten bietet "Exodus" bestes Monumentalfilm-Kino mit einigen intelligenten Einfällen. Das Handeln der Israeliten beispielsweise darf hier als eindeutige Parallele dienen und das zu den Aktionen heutiger moderner Terrororganisationen. In dem Zusammenhang funktioniert es dann auch ganz wunderbar, dass Moses bei fortgeschrittener Laufzeit immer wieder als zweifelndes und die Methoden des erbarmungslosen Gottes hinterfragendes Individuum auftaucht. Dass Christian Bale solche Persönlichkeiten hervorragend darzustellen weiß und sich auch hier von seiner besten Seite zeigt, ist zusätzlich ein großer Pluspunkt. Natürlich aber besticht der lange Mittelteil besonders durch die wahre Hauptattraktion des Filmes: die zehn Plagen. Und hier muss man anerkennend einen kleinen Pfiff Richtung Leinwand abgeben, denn derartig eindrucksvoll und gewaltig wurden diese bislang wohl nicht in Szene gesetzt. Mit meisterhaftem CGI-Einsatz und einer bestechend treffsicheren Inszenierung schafft Scott große und beängstigende Bilder, wenn sich der Himmel verdunkelt, riesige Orkane toben, Krokodile den Nil blutrot tränken oder Heuschrecken und Frösche das Volk Ägyptens heimsuchen. Genau das ist episches und bewegendes Kino, wie man es sehen will und wie es wohl nur Scott in dieser Perfektion hinbekommt.
Enttäuschender zeigt sich da wieder der Ausgang oder besser der Auszug aus Ägypten am Ende. Dies beginnt bereits damit, dass Scott es verpasst, den Zweifeln von Moses an Gott etwas Reflektierendes mit auf den Weg zu geben, viel mehr vergisst er sie unterwegs einfach. Schließlich steuert er auf ein großes Finale zu: die Teilung des roten Meeres. Und auch hier ist es der unfassbaren Arbeit der Effektabteilung zu verdanken, dass ein erstauntes Raunen durch den Kinosaal geht und man die ganzen Eindrücke nur langsam verarbeiten kann. Etwas schade ist nur, dass vor allem die letzte Konfrontation mit Joel Edgertons Gegenspieler zu arg ins pathetische abdriftet - und nicht zuletzt auch deshalb wenig überzeugt, da Edgerton im gesamten Film unter seinen Möglichkeiten blieb, zumal er sich unter dem Make-up sichtlich unwohl fühlt. Wirklich ärgerlich gerät zudem Alberto Iglesias Soundtrack, der bereits vorher stets, aber besonders im finalen Akt vollständig am Geschehen vorbei spielt und nie eine Symbiose mit den gezeigten Bildern eingeht. Unterhaltsam ist das zwar alles und macht optisch reichlich was her, nur lag deutlich mehr Potenzial in der Vorlage und den Möglichkeiten, die Scott sich selbst aufgetan hatte. Die 10 Gebote und das goldene Kalb dann in gefühlten drei Minuten am Ende wie eine beiläufige Nebensache abzuarbeiten, ist sogar dramaturgisch so absurd, dass es selbst den anspruchslosesten Zuschauern auffallen dürfte.
Fazit: Was Ridley Scott mit seiner Bibelverfilmung "Exodus: Götter und Könige" bietet, ist hauptsächlich im visuellen Bereich eindrucksvolles und opulentes Kino mit bombastischen Schauwerten, dass trotz des treffend besetzten Protagonisten besonders dank kaum vorhandenen Nebencharakteren und einer misslungenen emotionalen Exposition etwas zu kühl bleibt, um wirklich mitreißend zu sein. Wenn man eine Geschichte wie die von Moses zum x-ten Mal verfilmt, sollte man sich vorher eigentlich die Frage stellen, was man bei seiner Version anders machen will und ob man eigene Ideen für den Stoff hat. Scotts Aufgabe war, uns davon zu überzeugen, dass ein weiterer Moses-Film nötig war. Doch bis auf die Effekte und die spannende Gottesversion bietet "Exodus" unterm Strich zu wenig, als das sein Film emanzipiert genug auftreten könne, unterhält aber dennoch auf einem harmlosen Niveau bei einer epischen Länge von 150 Minuten. Wer mehr erwartet, dürfte schlussendlich enttäuscht den Saal verlassen.
Marvel: Die Fünfte!
Marvels Captain America: The First Avenger
Bevor es zum ersten großen Crossover im Marvel Cinematic Universe kommt, muss noch ein letzter Held in Stellung gebracht werden. Nach dem Jon Favreau und Robert Downey Jr. mit "Iron Man" 2008 einen herrlich gelungenen Spaß hinlegten, folgten Louis Letteriers "Der unglaubliche Hulk" und später noch Kenneth Branaghs "Thor". Nur ein Charakter ist nun noch übrig, um die Heldentruppe der Avengers zu vollenden: der älteste von allen. Mit Captain America versucht sich Regisseur Joe Johnston an einer Comicfigur, die bereits 1941 erfunden wurde und deren hurra-patriotische Erscheinung heute bestenfalls anachronistisch erscheint. Ironischerweise präsentiert sich genauso auch sein Film: wie ein Relikt aus einer älteren Zeit. Und leider keiner der berüchtigten "guten alten" Zeit.
Gemäß der Vorlage befinden wir uns mit dem Protagonisten Steve Rogers also im zweiten Weltkrieg, wenn man auch natürlich keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der damaligen Geschichte erwarten sollte. Der wahre Irrsinn ist aber, dass Johnston seinen Film vollständig zu entpolitisieren versucht. Obwohl die Nazis sich in der Vergangenheit sich schließlich schon oft als die perfekten Filmbösewichte erwiesen haben und wegen ihres puren Schwarz/Weiß-Denkens perfekt in seichte Popcorn-Filme passen, wollte Johnston den Spielplatz "World War II" wohl gänzlich ohne ernste Themen wie Nationalsozialismus nutzen. Kurzerhand entstammen die Gegner für den Captian hier also einer Forschungsabteilung der Nazis, deren Anführer Johann Schmidt so böse ist, dass sich selbst Adolf Hitler von ihm distanziert. Bereits hier fällt es dem Zuschauer schwer, das Geschehen auf der Leinwand überhaupt ernstzunehmen, noch schlimmer wird es, wenn ein weiterer Twist im Mittelteil den Antagonisten gänzlich lächerlich erscheinen lässt. Später zeigt Johnston zwar ein paar andere Seiten, die in Richtung einer satirischen Auseinandersetzung mit dem Thema US-Patriotismus gehen, besonders eine Musicaleinlage von Komponist Alan Silvestri wäre mit urkomisch noch untertrieben bezeichnet, doch alle anderen Versuche geraten entweder zu mühsam oder zu mutlos. Der sonstige Humor ist zwar tatsächlich recht witzig, aber eben das typisch ironische Sprücheklopfen, dass man aus diesem Genre gewohnt ist. Immer wieder schimmert daher kurz durch, dass in "Captian America" mal ein interessanter Film gesteckt haben muss, der in dieser Form jedoch ziemlich halbgar erscheint.
Im Kontrast zur entschärften Thematik hätte wenigstens die Geschichte oder die Action einen Anreiz bieten müssen. Doch auch hier sieht es nicht sonderlich aufregend aus. Die Origin-Handlung über den "First Avenger" ist vermutlich das langweiligste, was man in dieser Hinsicht schreiben konnte. Eigentlich hat Rogers schließlich gar keine Motivation und über seine Beweggründe erfährt man auch nur das nötigste: er ist einfach vom tiefsten Herzen Amerikaner. Schön für ihn. Aber nicht sonderlich geeignet dafür, den Zuschauer zu bewegen oder mitzureißen. Dass sein Charakter später nur um ein paar Muskeln ergänzt wird, ist ein zusätzliches Problem. Da hilft auch die Entwicklung seiner Freundschaft zum von Sebastian Stan gespielten Bucky Barnes oder der weibliche Agent Peggy Carter als sein Love Interest recht wenig. Wirklich Emotionen oder Chemie sucht man zwischen diesen Paarungen vergeblich, sind sie doch allesamt bestenfalls müde und ausgelutschte Stereotypen, die schon vor zwanzig Jahren niemanden mehr von der Couch geholt hätten, die Beziehungen unter einander werden vom Script lediglich behauptet. Besser sieht es da mit der Optik, nicht aber unbedingt mit der Action aus. Denn wo Johnston optisch besonders durch den schicken Retro-Look ein angenehmes Abenteuergefühl verspüren lässt, sind die meisten der Actionsequenzen zu effektgeladen und in vielen Belangen schrecklich künstlich, sodass man weder die Helden noch die (gesichtslosen) Feinde als organische Elemente innerhalb der Action erkennen kann. Am besten aber ist eine Motorradverfolgungsjagd, die ohne erkennbaren Grund und ohne richtigen Anfang einfach plötzlich einleitet und ähnlich merkwürdig endet, ohne wirklichen Zusammenhang mit dem Rest des Filmes. Kurios!
Nun stellt sich die Frage, was man hätte besser machen können. Tatsächlich ist es aber im Fall von "Captain America" besonders das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, dass einen langweilt. Wo Jon Favreau bei "Iron Man" der bekannten Blockbuster-Formel etwas frisches abgewinnen konnte, bedient Johnston jeden Stereotyp ohne Eigeninitiative. Damit tut er zwar niemandem wirklich weh, kann aber auch nie sonderlich begeistern. Die Besetzungsliste tut ihr übriges. "Matrix"-Bösewicht Hugo Weaving langweilt sich sichtbar durch seine müde Nazi-Rolle, Chirs Evans bleibt als Protagonist austauschbar, unauffällig und fällt besonders in der ersten Hälfte durch den CGI-Körper durch hölzerne Mimik auf. Stanley Tuccis und Tommy Lee Jones Gastauftritte sind zwar nett, aber eben nicht sonderlich wichtig im Gesamtkontext und Hayley Atwell kann in der langweiligsten Frauenrolle seit Jahren ebenfalls nicht wirklich glänzen. Wirklich Spaß macht nur Dominic Cooper, der als Iron Mans Vater Howard Stark eine charismatische Robert Downey Jr. Interpration zum Besten gibt.
Fazit: Ganz so negativ wie es klingt ist "Marvels Captain America: The First Avenger" vermutlich nicht. Handwerklich unterscheidet er sich kaum von anderen Marvel-Filmen und mit seinem reichhaltigen Humor, dem netten 40er Look und Alan Silvestris Soundtrack (wird auch für das Crossover komponieren) sind für einen seichten Freitagabend genug Zutaten enthalten. Aber eben zu wenige, um über diesen Abend hinauszureichen. Dass in diesem zweiten Weltkrieg nicht mal die Nazis die Bösen sein dürfen, Laserwaffen keine Leichen (in deutschen Uniformen) hinterlassen und die Handlung älter als die Steinzeit ist, ist dabei weniger das Problem. Doch mit der konzeptlosen Action, den belanglosen und langweiligen 08/15-Charakteren und dem penetrant-nervigen CGI-Einsatz leistet sich Joe Johnstons Film hier die größte Sünde: großspurig auftretende Langeweile! Bleibt zu hoffen, dass der nach dem Abspann angeteaserte "The Avengers" wieder an die Qualität der deutlich besseren Vorgänger anknüpfen kann.
Bevor es zum ersten großen Crossover im Marvel Cinematic Universe kommt, muss noch ein letzter Held in Stellung gebracht werden. Nach dem Jon Favreau und Robert Downey Jr. mit "Iron Man" 2008 einen herrlich gelungenen Spaß hinlegten, folgten Louis Letteriers "Der unglaubliche Hulk" und später noch Kenneth Branaghs "Thor". Nur ein Charakter ist nun noch übrig, um die Heldentruppe der Avengers zu vollenden: der älteste von allen. Mit Captain America versucht sich Regisseur Joe Johnston an einer Comicfigur, die bereits 1941 erfunden wurde und deren hurra-patriotische Erscheinung heute bestenfalls anachronistisch erscheint. Ironischerweise präsentiert sich genauso auch sein Film: wie ein Relikt aus einer älteren Zeit. Und leider keiner der berüchtigten "guten alten" Zeit.
Gemäß der Vorlage befinden wir uns mit dem Protagonisten Steve Rogers also im zweiten Weltkrieg, wenn man auch natürlich keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der damaligen Geschichte erwarten sollte. Der wahre Irrsinn ist aber, dass Johnston seinen Film vollständig zu entpolitisieren versucht. Obwohl die Nazis sich in der Vergangenheit sich schließlich schon oft als die perfekten Filmbösewichte erwiesen haben und wegen ihres puren Schwarz/Weiß-Denkens perfekt in seichte Popcorn-Filme passen, wollte Johnston den Spielplatz "World War II" wohl gänzlich ohne ernste Themen wie Nationalsozialismus nutzen. Kurzerhand entstammen die Gegner für den Captian hier also einer Forschungsabteilung der Nazis, deren Anführer Johann Schmidt so böse ist, dass sich selbst Adolf Hitler von ihm distanziert. Bereits hier fällt es dem Zuschauer schwer, das Geschehen auf der Leinwand überhaupt ernstzunehmen, noch schlimmer wird es, wenn ein weiterer Twist im Mittelteil den Antagonisten gänzlich lächerlich erscheinen lässt. Später zeigt Johnston zwar ein paar andere Seiten, die in Richtung einer satirischen Auseinandersetzung mit dem Thema US-Patriotismus gehen, besonders eine Musicaleinlage von Komponist Alan Silvestri wäre mit urkomisch noch untertrieben bezeichnet, doch alle anderen Versuche geraten entweder zu mühsam oder zu mutlos. Der sonstige Humor ist zwar tatsächlich recht witzig, aber eben das typisch ironische Sprücheklopfen, dass man aus diesem Genre gewohnt ist. Immer wieder schimmert daher kurz durch, dass in "Captian America" mal ein interessanter Film gesteckt haben muss, der in dieser Form jedoch ziemlich halbgar erscheint.
Im Kontrast zur entschärften Thematik hätte wenigstens die Geschichte oder die Action einen Anreiz bieten müssen. Doch auch hier sieht es nicht sonderlich aufregend aus. Die Origin-Handlung über den "First Avenger" ist vermutlich das langweiligste, was man in dieser Hinsicht schreiben konnte. Eigentlich hat Rogers schließlich gar keine Motivation und über seine Beweggründe erfährt man auch nur das nötigste: er ist einfach vom tiefsten Herzen Amerikaner. Schön für ihn. Aber nicht sonderlich geeignet dafür, den Zuschauer zu bewegen oder mitzureißen. Dass sein Charakter später nur um ein paar Muskeln ergänzt wird, ist ein zusätzliches Problem. Da hilft auch die Entwicklung seiner Freundschaft zum von Sebastian Stan gespielten Bucky Barnes oder der weibliche Agent Peggy Carter als sein Love Interest recht wenig. Wirklich Emotionen oder Chemie sucht man zwischen diesen Paarungen vergeblich, sind sie doch allesamt bestenfalls müde und ausgelutschte Stereotypen, die schon vor zwanzig Jahren niemanden mehr von der Couch geholt hätten, die Beziehungen unter einander werden vom Script lediglich behauptet. Besser sieht es da mit der Optik, nicht aber unbedingt mit der Action aus. Denn wo Johnston optisch besonders durch den schicken Retro-Look ein angenehmes Abenteuergefühl verspüren lässt, sind die meisten der Actionsequenzen zu effektgeladen und in vielen Belangen schrecklich künstlich, sodass man weder die Helden noch die (gesichtslosen) Feinde als organische Elemente innerhalb der Action erkennen kann. Am besten aber ist eine Motorradverfolgungsjagd, die ohne erkennbaren Grund und ohne richtigen Anfang einfach plötzlich einleitet und ähnlich merkwürdig endet, ohne wirklichen Zusammenhang mit dem Rest des Filmes. Kurios!
Nun stellt sich die Frage, was man hätte besser machen können. Tatsächlich ist es aber im Fall von "Captain America" besonders das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, dass einen langweilt. Wo Jon Favreau bei "Iron Man" der bekannten Blockbuster-Formel etwas frisches abgewinnen konnte, bedient Johnston jeden Stereotyp ohne Eigeninitiative. Damit tut er zwar niemandem wirklich weh, kann aber auch nie sonderlich begeistern. Die Besetzungsliste tut ihr übriges. "Matrix"-Bösewicht Hugo Weaving langweilt sich sichtbar durch seine müde Nazi-Rolle, Chirs Evans bleibt als Protagonist austauschbar, unauffällig und fällt besonders in der ersten Hälfte durch den CGI-Körper durch hölzerne Mimik auf. Stanley Tuccis und Tommy Lee Jones Gastauftritte sind zwar nett, aber eben nicht sonderlich wichtig im Gesamtkontext und Hayley Atwell kann in der langweiligsten Frauenrolle seit Jahren ebenfalls nicht wirklich glänzen. Wirklich Spaß macht nur Dominic Cooper, der als Iron Mans Vater Howard Stark eine charismatische Robert Downey Jr. Interpration zum Besten gibt.
Fazit: Ganz so negativ wie es klingt ist "Marvels Captain America: The First Avenger" vermutlich nicht. Handwerklich unterscheidet er sich kaum von anderen Marvel-Filmen und mit seinem reichhaltigen Humor, dem netten 40er Look und Alan Silvestris Soundtrack (wird auch für das Crossover komponieren) sind für einen seichten Freitagabend genug Zutaten enthalten. Aber eben zu wenige, um über diesen Abend hinauszureichen. Dass in diesem zweiten Weltkrieg nicht mal die Nazis die Bösen sein dürfen, Laserwaffen keine Leichen (in deutschen Uniformen) hinterlassen und die Handlung älter als die Steinzeit ist, ist dabei weniger das Problem. Doch mit der konzeptlosen Action, den belanglosen und langweiligen 08/15-Charakteren und dem penetrant-nervigen CGI-Einsatz leistet sich Joe Johnstons Film hier die größte Sünde: großspurig auftretende Langeweile! Bleibt zu hoffen, dass der nach dem Abspann angeteaserte "The Avengers" wieder an die Qualität der deutlich besseren Vorgänger anknüpfen kann.
Nur sind sie eben keine Nazis, denn Nazis sind ja ein ernstes Thema und damit will man sich doch keinen Unterhaltungsfilm kaputt machen...
Keine Ahnung, in wie weit Hydra den Originalen entspringt, für mich ist es aber eine der blödesten und unnötigsten "Entschärfungen", die man so vollziehen konnte. Als wenn Nazis in Popcorn-Filmen immer gleich für Furore sorgen würden (siehe Indy 1 und Indy 3). Dass der Cap ohnehin interessanter wäre, wenn er in der heutigen Zeit angesiedelt wär, um mal seinen Senf zum Irak-Krieg, Watergate, der NSA-Affäre oder ähnlich geben würde, ist noch ein zusätzlicher Beigeschmack. Aber so viel ich weiß, soll das ja im Sequel auf mich zu kommen. :)
Keine Ahnung, in wie weit Hydra den Originalen entspringt, für mich ist es aber eine der blödesten und unnötigsten "Entschärfungen", die man so vollziehen konnte. Als wenn Nazis in Popcorn-Filmen immer gleich für Furore sorgen würden (siehe Indy 1 und Indy 3). Dass der Cap ohnehin interessanter wäre, wenn er in der heutigen Zeit angesiedelt wär, um mal seinen Senf zum Irak-Krieg, Watergate, der NSA-Affäre oder ähnlich geben würde, ist noch ein zusätzlicher Beigeschmack. Aber so viel ich weiß, soll das ja im Sequel auf mich zu kommen. :)
Lucy
"Der Mensch nutzt nur 10% seiner Gehirnkapazität. Was wäre, wenn er 100% erreichen könnte?" - Nichts, denn das tun wir natürlich längst. Aus biologischer Sicht ist Luc Bessons Thriller "Lucy" von 2014, der mit jenem Satz ständig beworben wurde, daher eigentlich bereits beginnend bei seiner Prämisse völliger Blödsinn. Da es sich bei einem Film aber immer auch um ein fiktives Werk handelt, dass sich nicht an Gesetze der Realität halten muss, geht dieser "Fehler" in Ordnung, schließlich bietet die Ausgangsstellung einiges an Potenzial für einen fantasievollen und verspielten Film. Genau jene Adjektive wurden Bessons Film dann im Vorfeld auch gerne attestiert. Warum erschließt sich bei der Sichtung allerdings nicht. Viel mehr tun einem Stars wie Scarlett Johansson oder Morgan Freeman beinahe leid, wenn man sie in diesem "Werk" auf der Leinwand sieht und man sich nur noch fragt: Was um alles in der Welt ist hier schief gelaufen?
Was hat man sich dabei gedacht, wäre noch so eine weitere Frage. Wie man beim Ansehen von "Lucy" darauf kommt, ist aber die noch interessantere. Denn anfangs denkt man tatsächlich noch, einen spannenden und viel versprechenden Film zu schauen. Das Intro ist ansprechend aufgemacht und dennoch einfach gehalten, danach wird man praktisch direkt und unvermittelt ins Geschehen geschmissen. Ein kurzer Dialog, eine schnelle Exposition, eine junge Frau, die urplötzlich in gefährlicher Lage eine Handvoll Mafiosi um sich hat. Scarlett Johansson, bekannt unter anderem aus "The Island - Die Insel" oder "Marvels Iron Man 2" ist als Hauptdarstellerin immer eine gute Wahl, kann sie doch beinahe jede Emotion glaubhaft verkörpern. Das alles ist aber nicht mehr von Nöten, wenn nach zwanzig Minuten die Exposition endet und die eigentliche Handlung über die Super-Drogen beginnen, die aus der Studentin Lucy ein übermenschliches Wesen machen. Denn dort gibt es keine Emotionen mehr, die Johansson verkörpern kann. Und es gibt auch keinen wirklichen Charakter, den sie mehr spielen müsse. Dass man sich daher weder für sie noch ihre Rolle interessiert, ist wohl kaum ihre Schuld. Dass man diesen gelungenen Anfang nämlich auf das folgende Niveau stürzte, verantwortet ein ganz anderer.
Und um es mal deutlich zu sagen: Was Luc Besson uns als Zuschauern in den 89 Minuten dieses Filmes auftischt, ist eine Frechheit. Man weiß auch gar nicht, wo genau man anfangen soll, denn man muss sich einmal klar machen: nichts, was in diesen Anderthalb Stunden passiert, ergibt auch nur den geringsten Sinn. Besson etabliert allein mit seinem Konzept eine Protagonistin, die zu allem im Stande ist und muss dementsprechend vor jeder Actionszene die albernste Begründung aus dem Hut ziehen, um die in Anbetracht der Fähigkeiten von Lucy völlig überflüssigen Gefechte irgendwie zu rechtfertigen. In den ersten Minuten bekommen wir einen Mafiaring aufgezeigt, der dann später die Jägerposition einnimmt, ohne, dass wir je verstehen, worum es ihnen geht, wie sie organisiert sind, warum sie so handeln, wie sie es tun. Später, wenn es in Richtung Finale geht, wird es dann zunehmend sinnfreier. Lucy mordet in der einen Sekunde kaltblütig und emotionslos, um im nächsten Moment wieder ein emotionales Wesen zu werden, lässt manchmal Männer einfach schweben und muss sich im nächsten Moment mühsam durch den Pariser Gegenverkehr lenken. Die Actioneinstreuungen könnten wenigstens ganz nett sein, doch setzt Besson erstens zu oft auf CGI und zweitens liegt über jeder potenziell spannenden Situation einfach die Tatsache, dass Lucy als göttliche Figur ohnehin keinen Schaden nehmen kann. Zusätzlich wirken Kameraführung und Schnitt derartig unbeholfen, dass einige Aufnahmen doch stark nach Amateurhandwerk aussehen.
Ist das Lucys Problem? Nein. Inhaltsleere Filme gibt es wie Sand am Meer. Sie vermögen vielleicht zu langweilen und lassen einen als Betrachter kalt, doch "Lucy" geht eine Ebene weiter. Denn Besson verärgert hier sein Publikum mit einer Form der Selbstverliebtheit, die ein aufdringliches Gefühl der Abneigung hinterlässt. Sich selbst scheint er für den größten Künstler zu halten, wenn er seinen Film laufend mit Parallelmontagen versieht, beispielsweise analog zur weglaufenden Lucy einen Gepard zeigt, der sich eine Antilope reißt. Was die Regie für ästhetisches Kino hält, entpuppt sich aber in Wahrheit nur als ein simples Jäger-Motiv, das sich laufend wiederholt. Übel auch, wie Besson auf billigste Art und Weise das bisschen Dialog-Gestammel, welches die Produzenten mit einem Drehbuch verwechselten, durch philosophische Fragestellungen à la "Matrix" anreichern will und dabei bereits in den kurzen Momenten die pure Idiotie seiner Handlung offen legt. Ein letzter Aufreger ist dann nur noch das blödsinnige Finale. Während man die Handlung selbst nicht mehr verstehen kann und Morgan Freemans Figur dem Publikum nebenbei die Abläufe erklären muss (ohne Begründung, woher sein Wissen eigentlich kommt), dreht Besson die Zeit zurück, spielt sie vorwärts ab, hält sie an, lässt Menschenfrau Lucy auf Affenfrau Lucy (das erste "menschliche" Wesen) treffen, zeigt in wirren Abfolgen Teile des Universums und verquaste metaphysische Elemente, die Eric Serra mit einem lärmend-unharmonischen Soundtrack so zukleistert, dass man mit einem Gefühl der Leere und der Wut den Kinosaal verlässt.
Fazit: Wäre "Lucy" einfach nur ein langweiliger Film, man wäre geneigt, bei einer wenigstens handwerklich ansprechenden Leistung gnädig zu urteilen. Doch Luc Besson hielt sich hier wohl für einen der größten Ästheten des Kinos und wollte etwas denkwürdig Neues schaffen. Enden tut er bei einem Werk, das inhaltlich himmelschreiend dämlich ist und optisch zwar große Bilder liefert, diese aber durch einen total überflüssigen Pseudo-Anspruch als etwas verkauft, was sie nicht sind. "Lucy" ist dämlich, unfreiwillig komisch und erweckt gleichzeitig mit den sinnfreien Philosophie-Bezügen und der abschließenden Moral das Gefühl, sein Publikum für dumm zu erklären, obwohl selbst der anspruchsloseste Zuschauer sich nicht von diesem puren gar nichts an allem wird blenden lassen können. Pfui!
"Der Mensch nutzt nur 10% seiner Gehirnkapazität. Was wäre, wenn er 100% erreichen könnte?" - Nichts, denn das tun wir natürlich längst. Aus biologischer Sicht ist Luc Bessons Thriller "Lucy" von 2014, der mit jenem Satz ständig beworben wurde, daher eigentlich bereits beginnend bei seiner Prämisse völliger Blödsinn. Da es sich bei einem Film aber immer auch um ein fiktives Werk handelt, dass sich nicht an Gesetze der Realität halten muss, geht dieser "Fehler" in Ordnung, schließlich bietet die Ausgangsstellung einiges an Potenzial für einen fantasievollen und verspielten Film. Genau jene Adjektive wurden Bessons Film dann im Vorfeld auch gerne attestiert. Warum erschließt sich bei der Sichtung allerdings nicht. Viel mehr tun einem Stars wie Scarlett Johansson oder Morgan Freeman beinahe leid, wenn man sie in diesem "Werk" auf der Leinwand sieht und man sich nur noch fragt: Was um alles in der Welt ist hier schief gelaufen?
Was hat man sich dabei gedacht, wäre noch so eine weitere Frage. Wie man beim Ansehen von "Lucy" darauf kommt, ist aber die noch interessantere. Denn anfangs denkt man tatsächlich noch, einen spannenden und viel versprechenden Film zu schauen. Das Intro ist ansprechend aufgemacht und dennoch einfach gehalten, danach wird man praktisch direkt und unvermittelt ins Geschehen geschmissen. Ein kurzer Dialog, eine schnelle Exposition, eine junge Frau, die urplötzlich in gefährlicher Lage eine Handvoll Mafiosi um sich hat. Scarlett Johansson, bekannt unter anderem aus "The Island - Die Insel" oder "Marvels Iron Man 2" ist als Hauptdarstellerin immer eine gute Wahl, kann sie doch beinahe jede Emotion glaubhaft verkörpern. Das alles ist aber nicht mehr von Nöten, wenn nach zwanzig Minuten die Exposition endet und die eigentliche Handlung über die Super-Drogen beginnen, die aus der Studentin Lucy ein übermenschliches Wesen machen. Denn dort gibt es keine Emotionen mehr, die Johansson verkörpern kann. Und es gibt auch keinen wirklichen Charakter, den sie mehr spielen müsse. Dass man sich daher weder für sie noch ihre Rolle interessiert, ist wohl kaum ihre Schuld. Dass man diesen gelungenen Anfang nämlich auf das folgende Niveau stürzte, verantwortet ein ganz anderer.
Und um es mal deutlich zu sagen: Was Luc Besson uns als Zuschauern in den 89 Minuten dieses Filmes auftischt, ist eine Frechheit. Man weiß auch gar nicht, wo genau man anfangen soll, denn man muss sich einmal klar machen: nichts, was in diesen Anderthalb Stunden passiert, ergibt auch nur den geringsten Sinn. Besson etabliert allein mit seinem Konzept eine Protagonistin, die zu allem im Stande ist und muss dementsprechend vor jeder Actionszene die albernste Begründung aus dem Hut ziehen, um die in Anbetracht der Fähigkeiten von Lucy völlig überflüssigen Gefechte irgendwie zu rechtfertigen. In den ersten Minuten bekommen wir einen Mafiaring aufgezeigt, der dann später die Jägerposition einnimmt, ohne, dass wir je verstehen, worum es ihnen geht, wie sie organisiert sind, warum sie so handeln, wie sie es tun. Später, wenn es in Richtung Finale geht, wird es dann zunehmend sinnfreier. Lucy mordet in der einen Sekunde kaltblütig und emotionslos, um im nächsten Moment wieder ein emotionales Wesen zu werden, lässt manchmal Männer einfach schweben und muss sich im nächsten Moment mühsam durch den Pariser Gegenverkehr lenken. Die Actioneinstreuungen könnten wenigstens ganz nett sein, doch setzt Besson erstens zu oft auf CGI und zweitens liegt über jeder potenziell spannenden Situation einfach die Tatsache, dass Lucy als göttliche Figur ohnehin keinen Schaden nehmen kann. Zusätzlich wirken Kameraführung und Schnitt derartig unbeholfen, dass einige Aufnahmen doch stark nach Amateurhandwerk aussehen.
Ist das Lucys Problem? Nein. Inhaltsleere Filme gibt es wie Sand am Meer. Sie vermögen vielleicht zu langweilen und lassen einen als Betrachter kalt, doch "Lucy" geht eine Ebene weiter. Denn Besson verärgert hier sein Publikum mit einer Form der Selbstverliebtheit, die ein aufdringliches Gefühl der Abneigung hinterlässt. Sich selbst scheint er für den größten Künstler zu halten, wenn er seinen Film laufend mit Parallelmontagen versieht, beispielsweise analog zur weglaufenden Lucy einen Gepard zeigt, der sich eine Antilope reißt. Was die Regie für ästhetisches Kino hält, entpuppt sich aber in Wahrheit nur als ein simples Jäger-Motiv, das sich laufend wiederholt. Übel auch, wie Besson auf billigste Art und Weise das bisschen Dialog-Gestammel, welches die Produzenten mit einem Drehbuch verwechselten, durch philosophische Fragestellungen à la "Matrix" anreichern will und dabei bereits in den kurzen Momenten die pure Idiotie seiner Handlung offen legt. Ein letzter Aufreger ist dann nur noch das blödsinnige Finale. Während man die Handlung selbst nicht mehr verstehen kann und Morgan Freemans Figur dem Publikum nebenbei die Abläufe erklären muss (ohne Begründung, woher sein Wissen eigentlich kommt), dreht Besson die Zeit zurück, spielt sie vorwärts ab, hält sie an, lässt Menschenfrau Lucy auf Affenfrau Lucy (das erste "menschliche" Wesen) treffen, zeigt in wirren Abfolgen Teile des Universums und verquaste metaphysische Elemente, die Eric Serra mit einem lärmend-unharmonischen Soundtrack so zukleistert, dass man mit einem Gefühl der Leere und der Wut den Kinosaal verlässt.
Fazit: Wäre "Lucy" einfach nur ein langweiliger Film, man wäre geneigt, bei einer wenigstens handwerklich ansprechenden Leistung gnädig zu urteilen. Doch Luc Besson hielt sich hier wohl für einen der größten Ästheten des Kinos und wollte etwas denkwürdig Neues schaffen. Enden tut er bei einem Werk, das inhaltlich himmelschreiend dämlich ist und optisch zwar große Bilder liefert, diese aber durch einen total überflüssigen Pseudo-Anspruch als etwas verkauft, was sie nicht sind. "Lucy" ist dämlich, unfreiwillig komisch und erweckt gleichzeitig mit den sinnfreien Philosophie-Bezügen und der abschließenden Moral das Gefühl, sein Publikum für dumm zu erklären, obwohl selbst der anspruchsloseste Zuschauer sich nicht von diesem puren gar nichts an allem wird blenden lassen können. Pfui!
Mission: Impossible II
Die IMF (Impossible Mission Force) der USA scheint ein Problem mit der Loyalität ihrer Mitarbeiter zu haben. Nach dem Brian De Palma Tom Cruise als Ethan Hunt 1996 in "Mission: Impossible" auf die Jagd nach einen Verräter schickte, beauftragte ihn Regisseur John Woo vier Jahre später erneut mit einer solch unmöglichen Mission. Wo jedoch sein Vorgänger auf ausfallende Actionszenen verzichtete und sich eher auf eine komplexe und spannende Story konzentrierte, bietet Woo den krassen Gegenentwurf. Intelligent, vielschichtig oder spannend ist hier gar nichts mehr. Die Handlung ist sogar so dünn, dass sie auf einen Bierdeckel geschrieben noch genügend Platz für einen weiteren Film lassen würde. Fokus legt Woo aber trotzdem - auf hochgestyltes Actionkino in Ultra-Zeitlupe. So bleibt vom thrillerartigen Erstling zwar am Ende nicht mehr viel übrig, das Endresultat kann sich aber dennoch sehen lassen.
Diejenigen, welche sich besonders ein stil ähnliches Sequel zu De Palmas Film erhofft hatten, sollten "Mission: Impossible II" vollständig meiden. Alles, was vom Beginn der Reihe noch übrig ist, sind Tom Cruise als Protagonist, Ving Rhames als sein Nebenpart und das weltberühmte musikalische Theme von Lalo Schifrin. Doch bereits musikalisch zeigt sich eine erste deutliche Neuerung, denn den Soundtrack steuerte dieses Mal Hans Zimmer bei, dessen Musik sich hier so brachial und pompös zeigt, wie es dem Geschehen auf der Leinwand angemessen erscheint. Das funktioniert, auch wenn er leider manchmal dazu neigt, dem ohnehin schon pathetischen Treiben noch einmal die Krone aufzusetzen. Beinahe lächerlich theatralisch wirkt dieses "Zusammenspiel" besonders in den Momenten, in denen Woo inhaltlich versucht, uns als Zuschauern eine Liebesgeschichte zwischen Cruises Ethan Hunt und seinem Love Interest Nyah zu erzählen, diese ist nämlich derartig oberflächlich und billig aufgebaut und entwickelt, dass die sowieso bereits enorm schwülstigen Dialoge zusätzlich aufgesetzt wirken. Immerhin, die Romanze im Mittelpunkt hat ja auch was positives an sich, so haben wir zum einen wenigstens irgendeinen Aufhänger, damit man sich in dem eindimensionalen Bilderbuchplot rund um ein mörderisches Super-Virus orientieren kann und zum anderen steht so neben Actionheld Cruise die wunderschöne Thandie Newton wesentlich im Vordergrund, die in den ersten zwanzig Minuten für prickelnde Erotik sorgt und auch später noch ein absoluter Hingucker bleibt. Mehr Attraktivität geht gar nicht und "Mission: Impossible II" ist eben eindeutig ein Film für Männer.
Und als solchen versteht Woo seinen Film auch. Nicht nur auf die optischen Vorzüge der Hauptdarstellerin bezogen, auch darüber hinaus ist er stets bestrebt, die Leinwand abwechslungsreich zu füllen. Und dabei scheint es ihm nicht zu langen, einfach nur Autos oder Motorräder in Hochgeschwindigkeit über den Asphalt fegen zu lassen, bei ihm wird jeder Kilometer einzeln in epischer Länge zelebriert. Sein Faible für Zeitlupen lebt er in jedem Moment voll und ganz aus und genießt sichtlich die bildgewaltige Ästhetik, mit der er seine Gewaltorgien versieht. Besonders eine bleihaltige Auseinandersetzung in einem Laboratorium erinnert überdeutlich an den Kinohit "Matrix" der Gebrüder Wachowski. Toll anzusehen und besonders kreativ gestaltet sind all diese Sequenzen, Woo ist handwerklich auch viel zu versiert, als das er sich in seinem Metier Fehler erlauben würde. Die dazugehörige Soundkulisse ist ein wahrer Genuss, so laut und authentisch ist man nur selten in die Kämpfe und Verfolgungen involviert und es trägt enorm zum Spaß des Filmes bei. Schade nur, dass man die ganzen 124 Minuten über konstant merkt, dass ein wirkliches Drehbuch beim Dreh gar nicht vorhanden war. Man hatte die meisten Actionszenen im Sinn und die zugehörige Handlung halbwegs drum herum konstruiert. Dementsprechend einfallslos dümpelt das Geschehen vor sich hin und besonders im langen Mittelteil, der zwangsläufig hin und wieder ein wenig in Not gerät, etwas zu erzählen, hat hier ein paar Längen und dreht sich unnötig im Kreis.
Womit "Mission: Impossible II" allerdings steht und fällt, ist der Hauptdarsteller. Denn wie schon bei De Palma stellt Woo Tom Cruise ganz allein in den Vordergrund und es gibt kaum eine Szene, die ohne ihn läuft. An dieser Stelle spalten sich dann auch die Lager, die einen mögen Ethan Hunt als Charakter eine völlige Substanzlosigkeit attestieren. Dies ist soweit richtig, schadet in diesem Fall aber keineswegs, das auch keine andere Person im Film tiefgründiger oder mehrdimensionaler wäre, selbst der dafür gerne herangezogene Part des Bösewichts bleibt bei der Interpretation von Dougray Scott ein Statist. Die anderen erkennen dafür zu Recht an, dass Cruise dem Film enorm weiterhilft. Er zeigt in all seinen Szenen so viel Charisma und Spielfreude, dass man ohne Probleme (oder definierten Charakter) auch so mit ihm mitfiebert und hier beinahe derselbe Effekt eintritt, mit dem auch Sean Connery in den 60ern das Publikum an seine James Bond Rolle band. Die "Tom-Cruise-One-Man-Show" verspricht ironisch-süffisanten Humor, ein gesundes Maß an männlichem Testosteron (auch einige Machoposen wirken bei Cruise nicht peinlich) und wird zusätzlich positiv dadurch verstärkt, dass Cruise erkennbar alle großen Stunts selbst ausführte, was selbst abgehobenste Szenarien ein Stückweit erdet. Abgehoben im direkten Vergleich wirkt dafür Woos inflationärer Einsatz der aus Teil 1 bekannten Gesichtsmasken. Es mag ein netter Effekt sein, doch wenn beinahe alle 10 Minuten ein konstruierter Twist durch diese Gadgets zu Stande kommt, erscheint das irgendwann mehr als nervig.
Fazit: Regisseur John Woo, Produzent Tom Cruise und Komponist Hans "zimmern" mit "Mission: Impossible II" das exakte Gegenstück zum Vorgänger. Metaphern werden zu Running-Gags umfunktioniert, ruhige Einbruchssequenzen verkommen zu Materialschlachten erster Klasse. Subtil ist hier gar nichts mehr, dafür schlägt der Holzhammer konsequent auf jeden Moment ein. Damit bleibt zwar das Risiko, Liebhaber des ersten Teils dezent zu verärgern, ansonsten aber ein schön anzusehender reinrassiger Actionreißer für zwischendurch, dessen Drehbuch manchmal höchstens etwas zu laut "Arbeitsverweigerung" zu schreien scheint.
Die IMF (Impossible Mission Force) der USA scheint ein Problem mit der Loyalität ihrer Mitarbeiter zu haben. Nach dem Brian De Palma Tom Cruise als Ethan Hunt 1996 in "Mission: Impossible" auf die Jagd nach einen Verräter schickte, beauftragte ihn Regisseur John Woo vier Jahre später erneut mit einer solch unmöglichen Mission. Wo jedoch sein Vorgänger auf ausfallende Actionszenen verzichtete und sich eher auf eine komplexe und spannende Story konzentrierte, bietet Woo den krassen Gegenentwurf. Intelligent, vielschichtig oder spannend ist hier gar nichts mehr. Die Handlung ist sogar so dünn, dass sie auf einen Bierdeckel geschrieben noch genügend Platz für einen weiteren Film lassen würde. Fokus legt Woo aber trotzdem - auf hochgestyltes Actionkino in Ultra-Zeitlupe. So bleibt vom thrillerartigen Erstling zwar am Ende nicht mehr viel übrig, das Endresultat kann sich aber dennoch sehen lassen.
Diejenigen, welche sich besonders ein stil ähnliches Sequel zu De Palmas Film erhofft hatten, sollten "Mission: Impossible II" vollständig meiden. Alles, was vom Beginn der Reihe noch übrig ist, sind Tom Cruise als Protagonist, Ving Rhames als sein Nebenpart und das weltberühmte musikalische Theme von Lalo Schifrin. Doch bereits musikalisch zeigt sich eine erste deutliche Neuerung, denn den Soundtrack steuerte dieses Mal Hans Zimmer bei, dessen Musik sich hier so brachial und pompös zeigt, wie es dem Geschehen auf der Leinwand angemessen erscheint. Das funktioniert, auch wenn er leider manchmal dazu neigt, dem ohnehin schon pathetischen Treiben noch einmal die Krone aufzusetzen. Beinahe lächerlich theatralisch wirkt dieses "Zusammenspiel" besonders in den Momenten, in denen Woo inhaltlich versucht, uns als Zuschauern eine Liebesgeschichte zwischen Cruises Ethan Hunt und seinem Love Interest Nyah zu erzählen, diese ist nämlich derartig oberflächlich und billig aufgebaut und entwickelt, dass die sowieso bereits enorm schwülstigen Dialoge zusätzlich aufgesetzt wirken. Immerhin, die Romanze im Mittelpunkt hat ja auch was positives an sich, so haben wir zum einen wenigstens irgendeinen Aufhänger, damit man sich in dem eindimensionalen Bilderbuchplot rund um ein mörderisches Super-Virus orientieren kann und zum anderen steht so neben Actionheld Cruise die wunderschöne Thandie Newton wesentlich im Vordergrund, die in den ersten zwanzig Minuten für prickelnde Erotik sorgt und auch später noch ein absoluter Hingucker bleibt. Mehr Attraktivität geht gar nicht und "Mission: Impossible II" ist eben eindeutig ein Film für Männer.
Und als solchen versteht Woo seinen Film auch. Nicht nur auf die optischen Vorzüge der Hauptdarstellerin bezogen, auch darüber hinaus ist er stets bestrebt, die Leinwand abwechslungsreich zu füllen. Und dabei scheint es ihm nicht zu langen, einfach nur Autos oder Motorräder in Hochgeschwindigkeit über den Asphalt fegen zu lassen, bei ihm wird jeder Kilometer einzeln in epischer Länge zelebriert. Sein Faible für Zeitlupen lebt er in jedem Moment voll und ganz aus und genießt sichtlich die bildgewaltige Ästhetik, mit der er seine Gewaltorgien versieht. Besonders eine bleihaltige Auseinandersetzung in einem Laboratorium erinnert überdeutlich an den Kinohit "Matrix" der Gebrüder Wachowski. Toll anzusehen und besonders kreativ gestaltet sind all diese Sequenzen, Woo ist handwerklich auch viel zu versiert, als das er sich in seinem Metier Fehler erlauben würde. Die dazugehörige Soundkulisse ist ein wahrer Genuss, so laut und authentisch ist man nur selten in die Kämpfe und Verfolgungen involviert und es trägt enorm zum Spaß des Filmes bei. Schade nur, dass man die ganzen 124 Minuten über konstant merkt, dass ein wirkliches Drehbuch beim Dreh gar nicht vorhanden war. Man hatte die meisten Actionszenen im Sinn und die zugehörige Handlung halbwegs drum herum konstruiert. Dementsprechend einfallslos dümpelt das Geschehen vor sich hin und besonders im langen Mittelteil, der zwangsläufig hin und wieder ein wenig in Not gerät, etwas zu erzählen, hat hier ein paar Längen und dreht sich unnötig im Kreis.
Womit "Mission: Impossible II" allerdings steht und fällt, ist der Hauptdarsteller. Denn wie schon bei De Palma stellt Woo Tom Cruise ganz allein in den Vordergrund und es gibt kaum eine Szene, die ohne ihn läuft. An dieser Stelle spalten sich dann auch die Lager, die einen mögen Ethan Hunt als Charakter eine völlige Substanzlosigkeit attestieren. Dies ist soweit richtig, schadet in diesem Fall aber keineswegs, das auch keine andere Person im Film tiefgründiger oder mehrdimensionaler wäre, selbst der dafür gerne herangezogene Part des Bösewichts bleibt bei der Interpretation von Dougray Scott ein Statist. Die anderen erkennen dafür zu Recht an, dass Cruise dem Film enorm weiterhilft. Er zeigt in all seinen Szenen so viel Charisma und Spielfreude, dass man ohne Probleme (oder definierten Charakter) auch so mit ihm mitfiebert und hier beinahe derselbe Effekt eintritt, mit dem auch Sean Connery in den 60ern das Publikum an seine James Bond Rolle band. Die "Tom-Cruise-One-Man-Show" verspricht ironisch-süffisanten Humor, ein gesundes Maß an männlichem Testosteron (auch einige Machoposen wirken bei Cruise nicht peinlich) und wird zusätzlich positiv dadurch verstärkt, dass Cruise erkennbar alle großen Stunts selbst ausführte, was selbst abgehobenste Szenarien ein Stückweit erdet. Abgehoben im direkten Vergleich wirkt dafür Woos inflationärer Einsatz der aus Teil 1 bekannten Gesichtsmasken. Es mag ein netter Effekt sein, doch wenn beinahe alle 10 Minuten ein konstruierter Twist durch diese Gadgets zu Stande kommt, erscheint das irgendwann mehr als nervig.
Fazit: Regisseur John Woo, Produzent Tom Cruise und Komponist Hans "zimmern" mit "Mission: Impossible II" das exakte Gegenstück zum Vorgänger. Metaphern werden zu Running-Gags umfunktioniert, ruhige Einbruchssequenzen verkommen zu Materialschlachten erster Klasse. Subtil ist hier gar nichts mehr, dafür schlägt der Holzhammer konsequent auf jeden Moment ein. Damit bleibt zwar das Risiko, Liebhaber des ersten Teils dezent zu verärgern, ansonsten aber ein schön anzusehender reinrassiger Actionreißer für zwischendurch, dessen Drehbuch manchmal höchstens etwas zu laut "Arbeitsverweigerung" zu schreien scheint.
A Lonely Place to Die - Todesfalle Highlands
Die Erfindung des Mobiltelefones mag für die Menschheit im Allgemeinen eine nicht ganz unwesentliche gewesen sein, für Filmemacher speziell aber brachte sie einige Probleme mit sich: während früher ein kleines Waldgebiet bereits ausreichte, um glaubhaft die Protagonisten von der restlichen Welt abzuschirmen, ist das ganze heute schon etwas komplizierter, denn jeder ist immer und überall erreichbar. Ein Waldgebiet sorgt also nicht mehr für wirkliche Isolation - und wenn, dann muss man schon an etwas exotischere Orte gehen. Und was eignet sich da besser, als ein Abstecher in die schottischen Highlands? Das dachte sich offenbar auch Regisseur Julian Gilbey und so flog er - mit einem Budget von 4 Millionen Dollar im Gepäck - mit einer kleinen Crew nach Schottland, um dort einen Survival-Thriller über eine Gruppe von Bergsteigern zu drehen. Einen Originalitätspreis wird er dafür wohl kaum gewinnen, überzeugen kann sein Independent Streifen in Teilen aber dennoch.
Selten war ein Titel zutreffender: "A Lonely Place to Die" - In der Tat. Die schottischen Highlands als einsame, aber auch wunderschöne Kulisse sind für einen Film immer und zu jeder Zeit ein tolles Setting. Das man nirgendwo auf der Welt Trostlosigkeit und die Schönheit der Natur so eng beieinander findet, fand auch Gilbey und seine prächtigen Landschaftsaufnahmen zeigen, dass er sich tatsächlich ein wenig in seine Location verliebt zu haben scheint. Damit schafft er gleich auch den idealen Kontrast zu seiner Handlung, die er schnell und ohne große Abschweifungen in die kurze Laufzeit von 97 Minuten presst. Nach nur wenig Exposition, in der er uns einen Blick auf die fünf Charaktere gewährt, schafft er auch schon mit dem Entdecken eines entführten und im Wald vergrabenen Kindes den ersten Kloß im Hals und beginnt sehr schön, die Intensität langsam aufzubauen. Natürlich hält sich die daraus resultierende Hetzjagd insgesamt recht dicht an die Konventionen des Genres und wer von den Gejagten am Ende wahrscheinlich lebend aus der Sache rauskommen wird, ist recht schnell zu erkennen, dafür lebt das Geschehen eher aus kleineren Komponenten, in denen Gilbey nett mit den Erwartungen des Publikums jongliert. Besonders die erste Szene mit den Killern beinhaltet einen netten Twist, genau wie auch der erste Tod in der Geschichte inszenatorisch ein kleiner Protest gegen die reißerischen Schockmomente heutiger Horrorfilme ist: völlig ohne Musik, Ankündigung und in Zeitlupe scheidet der erste der Bergsteiger dahin.
Dass selbst Gimmicks wie Handkamera-Gewackel nicht aus der Atmosphäre rausreißen, verdankt Gilbey dem realistischen Szenario, welches besonders durch die Hauptdarstellerin Melissa George noch verstärkt wird. Während alle anderen größeren Rollen im Film weniger auffallend präsentiert werden, wird ihr doch eine zentral-geordnetere Position zu teil, die sie nicht nur mit Charme, sondern auch mit betonter Körperlichkeit auszufüllen weiß. Die Schauspieler bei den Kletteraktionen an steilen Felsen zuzuschauen ist beinahe beängstigender, als die Flucht vor den beiden Mördern. Dabei gefallen diese sogar recht gut, eben dadurch, keine unnötigen Dämonisierungen zu erfahren, alberne Grimassen zu schneiden oder in irrationiale Wutausbrüche auszubrechen. Die beiden dürfen einfach böse sein und das funktioniert viel besser, als ihnen zusätzliche Merkmale zuzuschreiben. Gelungen ist Gilbey auf jeden Fall, der etwas abgenutzten Handlung ein gewisses Tempo, aber auch einen gewissen Rhythmus abzugewinnen. Beispielhaft gelingt es ihm, kontinuierlich die Spannung zu steigern und mit mäandern-förmigen Umwegen nicht den Eindruck zu erwecken, einfach nur einzelne Passagen aneinander zu reihen. Besonders dieses feine Gespür für den passenden Moment, für gelungene Szenen-Übergänge, den Einsatz (oder eben Non-Einsatz) von Musik und andere Feinheiten akzentuiert das Geschehen und bereitet dem Genre-Fan schöne Augenblicke vor großartiger Kulisse.
Gerade, wenn die wunderbar aufgebaute Spannungskurve ihren Höhepunkt erreichen soll, muss man jedoch festhalten: das Finale ist leider ziemlich schwach und völlig unverständlich. Unverständlich deshalb, weil Gilbey ohne erkennbaren Grund dafür den Schauplatz wechselt und ein Dorf als Handlungsort bemüht, was hier erstens nicht nötig gewesen wäre und zweitens die aufgebaute Atmosphäre, die eng mit der Location verknüpft war, zu Nichte macht. Unverständlich aber auch deshalb, weil er eine dritte Partei ins Geschehen involviert, die ebenfalls hinter dem Mädchen her ist, allerdings die letzten Konfrontationen nur unnötig in die Länge zieht. Zudem häufen sich in den letzten 20 Minuten ein paar fragwürdig abgehobene Stunts. Zwar hatte man bereits im Mittelteil einen unbeschadet überstandenen Sturz aus 50 Metern Höhe und eine etwas seltsame Trefferquote der Verfolger zu verzeichnen, doch konnte man dies angesichts der gelungenen Seiten einfacher verzeihen als hier. Auch inszenatorisch verliert "A Lonely Place to Die" hier eindeutig an Raffinesse. Während die Regie viele inhaltliche Vorhersehbarkeiten durch die Tempi-Gestaltungen auszugleichen wusste, will hier das Verhältnis unter einander nicht mehr so ganz stimmen. Insgesamt ist aber auch dieses Kapitel sicherlich qualitativ immer noch in Teilen überzeugend. Nur ist es eben kaum der Abschluss, auf den der Film vorab eigentlich hingearbeitet hatte.
Fazit: Julian Gibley gelingt hier mit einfachen Mitteln ein einfacher Film. Dies ist als Kompliment zu verstehen, denn Einfachheit ist genau das, was den Blick aufs Wesentliche stärkt und wie er im Mittelteil zeigt, wie ein gelungener Survival-Thriller auszusehen hat, zeichnet ihn sowohl als Künstler als auch seinen Film aus. Grade in Zeiten der immer ausgefalleneren Spektakel sind solch kleinen Abenteuer genau das richtige, um sich wieder der Kunst des Geschichtenerzählens zu widmen. Schade, dass genau dies im Schlussakt überhaupt nicht mehr gelingt und Gibley hier alle verliert, die sich auf einen vernünftigen Abschluss gefreut hatten. So bleibt am Ende ein leicht überdurchschnittlicher Eindruck für einen leicht überdurchschnittlichen Film und eine Empfehlung für die Bewunderer der schottischen Natur.
Die Erfindung des Mobiltelefones mag für die Menschheit im Allgemeinen eine nicht ganz unwesentliche gewesen sein, für Filmemacher speziell aber brachte sie einige Probleme mit sich: während früher ein kleines Waldgebiet bereits ausreichte, um glaubhaft die Protagonisten von der restlichen Welt abzuschirmen, ist das ganze heute schon etwas komplizierter, denn jeder ist immer und überall erreichbar. Ein Waldgebiet sorgt also nicht mehr für wirkliche Isolation - und wenn, dann muss man schon an etwas exotischere Orte gehen. Und was eignet sich da besser, als ein Abstecher in die schottischen Highlands? Das dachte sich offenbar auch Regisseur Julian Gilbey und so flog er - mit einem Budget von 4 Millionen Dollar im Gepäck - mit einer kleinen Crew nach Schottland, um dort einen Survival-Thriller über eine Gruppe von Bergsteigern zu drehen. Einen Originalitätspreis wird er dafür wohl kaum gewinnen, überzeugen kann sein Independent Streifen in Teilen aber dennoch.
Selten war ein Titel zutreffender: "A Lonely Place to Die" - In der Tat. Die schottischen Highlands als einsame, aber auch wunderschöne Kulisse sind für einen Film immer und zu jeder Zeit ein tolles Setting. Das man nirgendwo auf der Welt Trostlosigkeit und die Schönheit der Natur so eng beieinander findet, fand auch Gilbey und seine prächtigen Landschaftsaufnahmen zeigen, dass er sich tatsächlich ein wenig in seine Location verliebt zu haben scheint. Damit schafft er gleich auch den idealen Kontrast zu seiner Handlung, die er schnell und ohne große Abschweifungen in die kurze Laufzeit von 97 Minuten presst. Nach nur wenig Exposition, in der er uns einen Blick auf die fünf Charaktere gewährt, schafft er auch schon mit dem Entdecken eines entführten und im Wald vergrabenen Kindes den ersten Kloß im Hals und beginnt sehr schön, die Intensität langsam aufzubauen. Natürlich hält sich die daraus resultierende Hetzjagd insgesamt recht dicht an die Konventionen des Genres und wer von den Gejagten am Ende wahrscheinlich lebend aus der Sache rauskommen wird, ist recht schnell zu erkennen, dafür lebt das Geschehen eher aus kleineren Komponenten, in denen Gilbey nett mit den Erwartungen des Publikums jongliert. Besonders die erste Szene mit den Killern beinhaltet einen netten Twist, genau wie auch der erste Tod in der Geschichte inszenatorisch ein kleiner Protest gegen die reißerischen Schockmomente heutiger Horrorfilme ist: völlig ohne Musik, Ankündigung und in Zeitlupe scheidet der erste der Bergsteiger dahin.
Dass selbst Gimmicks wie Handkamera-Gewackel nicht aus der Atmosphäre rausreißen, verdankt Gilbey dem realistischen Szenario, welches besonders durch die Hauptdarstellerin Melissa George noch verstärkt wird. Während alle anderen größeren Rollen im Film weniger auffallend präsentiert werden, wird ihr doch eine zentral-geordnetere Position zu teil, die sie nicht nur mit Charme, sondern auch mit betonter Körperlichkeit auszufüllen weiß. Die Schauspieler bei den Kletteraktionen an steilen Felsen zuzuschauen ist beinahe beängstigender, als die Flucht vor den beiden Mördern. Dabei gefallen diese sogar recht gut, eben dadurch, keine unnötigen Dämonisierungen zu erfahren, alberne Grimassen zu schneiden oder in irrationiale Wutausbrüche auszubrechen. Die beiden dürfen einfach böse sein und das funktioniert viel besser, als ihnen zusätzliche Merkmale zuzuschreiben. Gelungen ist Gilbey auf jeden Fall, der etwas abgenutzten Handlung ein gewisses Tempo, aber auch einen gewissen Rhythmus abzugewinnen. Beispielhaft gelingt es ihm, kontinuierlich die Spannung zu steigern und mit mäandern-förmigen Umwegen nicht den Eindruck zu erwecken, einfach nur einzelne Passagen aneinander zu reihen. Besonders dieses feine Gespür für den passenden Moment, für gelungene Szenen-Übergänge, den Einsatz (oder eben Non-Einsatz) von Musik und andere Feinheiten akzentuiert das Geschehen und bereitet dem Genre-Fan schöne Augenblicke vor großartiger Kulisse.
Gerade, wenn die wunderbar aufgebaute Spannungskurve ihren Höhepunkt erreichen soll, muss man jedoch festhalten: das Finale ist leider ziemlich schwach und völlig unverständlich. Unverständlich deshalb, weil Gilbey ohne erkennbaren Grund dafür den Schauplatz wechselt und ein Dorf als Handlungsort bemüht, was hier erstens nicht nötig gewesen wäre und zweitens die aufgebaute Atmosphäre, die eng mit der Location verknüpft war, zu Nichte macht. Unverständlich aber auch deshalb, weil er eine dritte Partei ins Geschehen involviert, die ebenfalls hinter dem Mädchen her ist, allerdings die letzten Konfrontationen nur unnötig in die Länge zieht. Zudem häufen sich in den letzten 20 Minuten ein paar fragwürdig abgehobene Stunts. Zwar hatte man bereits im Mittelteil einen unbeschadet überstandenen Sturz aus 50 Metern Höhe und eine etwas seltsame Trefferquote der Verfolger zu verzeichnen, doch konnte man dies angesichts der gelungenen Seiten einfacher verzeihen als hier. Auch inszenatorisch verliert "A Lonely Place to Die" hier eindeutig an Raffinesse. Während die Regie viele inhaltliche Vorhersehbarkeiten durch die Tempi-Gestaltungen auszugleichen wusste, will hier das Verhältnis unter einander nicht mehr so ganz stimmen. Insgesamt ist aber auch dieses Kapitel sicherlich qualitativ immer noch in Teilen überzeugend. Nur ist es eben kaum der Abschluss, auf den der Film vorab eigentlich hingearbeitet hatte.
Fazit: Julian Gibley gelingt hier mit einfachen Mitteln ein einfacher Film. Dies ist als Kompliment zu verstehen, denn Einfachheit ist genau das, was den Blick aufs Wesentliche stärkt und wie er im Mittelteil zeigt, wie ein gelungener Survival-Thriller auszusehen hat, zeichnet ihn sowohl als Künstler als auch seinen Film aus. Grade in Zeiten der immer ausgefalleneren Spektakel sind solch kleinen Abenteuer genau das richtige, um sich wieder der Kunst des Geschichtenerzählens zu widmen. Schade, dass genau dies im Schlussakt überhaupt nicht mehr gelingt und Gibley hier alle verliert, die sich auf einen vernünftigen Abschluss gefreut hatten. So bleibt am Ende ein leicht überdurchschnittlicher Eindruck für einen leicht überdurchschnittlichen Film und eine Empfehlung für die Bewunderer der schottischen Natur.
72 Stunden - The Next Three Days
Was tut man, wenn das Rechtssystem versagt? Wenn die eigene Ehefrau unschuldig für einen Mord hinter Gittern wandert, man aber nicht genügend Indizien hat, um die Polizei zur Wiederaufnahme des Falls zu bewegen? Die einen würden an dieser Situation wohl zerbrechen. Nicht aber John Brennan, Protagonist in "72 Stunden - The Next Three Days", bei dem Paul Haggis sowohl das Drehbuch beisteuerte als auch den Regieposten übernahm. Dass er für besagte Hauptrolle Charakterdarsteller Russell Crowe engagierte, scheint dabei allerdings langezeit sein einziger Verdienst, denn in den ersten 60 Minuten glaubt man beinahe schon, "The Next Three Days" sei ein weiterer langweiliger Möchtegern-Krimi von der Stange, der zu Unrecht auf Kinoformat gestreckt wurde. Gott sei Dank erweist sich das im späteren Verlauf aber doch als trügerisch. Man sollte einen Film eben doch nie ganz abschreiben, bevor er nicht auch zu Ende ist.
Zu allererst jedoch muss man wirklich festhalten, dass "The Next Three Days" mindestens eine halbe Stunde zu lang ist. Natürlich kann man, so wie Haggis es hier macht, die Hälfte seines Filmes dafür verwenden, die Charaktere ausführlich zu beleuchten und viel Exposition zu betreiben. Dann muss das ganze allerdings irgendeinen dramaturgischen Zusammenhalt haben. Ob man die Geschehnisse nun emotional auflädt oder inhaltlich auf einen Höhepunkt zu steuert, ist dabei egal, doch beides will Haggis irgendwie nicht leisten. Bis auf Russell Crowe gibt es in der ersten Hälfte des Filmes praktisch keinen anderen wirklichen Charakter, Auftritte von Liam Neeson oder Olivia Wilde beschränken sich auf wenige Minuten. Crowe muss den Film daher alleine tragen, vermag dies aber nicht immer zu schaffen, angesichts der Tatsache, dass er bewusst zurückhaltend agiert, um seine Figur umso unscheinbarer wirken zu lassen. In der Tat ist es zwar ganz interessant, ihm langsam dabei zuzusehen, wie er dazu lernt, wie er immer mehr in seine Rolle reinwächst und wie er teils auch mit sich hadert, nur schwenkt Haggis zu oft um und zeigt Szenen mit Crowe bei den Eltern, im Park mit seinem Film-Sohn, dessen Kinderdarsteller Ty Simpkins leider sehr ausdrucksschwach auftritt und im Gefängnis bei den Besuchen seiner Frau, die zwar einige interessante Charakterzüge aufweist, von Elizabeth Banks aber etwas zu drucklos portraitiert wird. Ein Nachteil ist leider auch, dass an der Unschuld von Johns Ehefrau nie der geringste Zweifel besteht. Gerade das wäre für das Publikum ein reizvoller Aspekt gewesen, der hier aber nicht ausgespielt wird.
Doch dann, ganz urplötzlich, ist jener erhoffte Nervenkitzel plötzlich da. Mit Brennans Angriff auf einen von Kevin Corrigan gespielten Drogendealer zieht das Tempo plötzlich merklich an und Crowe zeigt schnell, dass er mehr kann, als er bisher zeigen durfte. Danny Elfman und Alberto Iglesias hauen ein paar flotte Rhythmen unter die Szenarie und in dichter und düsterer Atmosphäre zeigt Haggis einen unerwarteten ersten Höhepunkt, nach dem man tatsächlich erstmal erstaunt durchatmen muss. Leider verfällt er daraufhin wieder etwas in vorherigere Mechanismen, dieses Mal jedoch merklich straffer und effizienter, die einzelnen Szenen geraten immer größer, der große Knall bahnt sich allmählich an und der Zuschauer ist tatsächlich gespannt, worauf die Handlung nun hinausläuft. Die ermittelnden Polizisten tauchen zwar an diesem Punkt deutlich zu spät auf, bringen aber endlich mal so etwas wie eine Hürde für den Protagonisten ins Spiel. Gelungen ist, wie Haggis die Anspannung, die er mit seiner kurzen starken Dealer-Episode etabliert hat, beibehält, ohne effekthascherische Momente einbauen zu müssen. So kann er das Publikum bei Laune halten, ohne absurde Wendungen herbei konstruieren zu müssen.
Und dann geht es auch schon in den finalen Akt. Und dieser ist nicht nur deshalb so schön anzusehen, weil Elizabeth Banks endlich richtig im Film angekommen ist, sondern auch, weil Haggis nun nicht mehr auf die Bremse tritt. Stattdessen passiert wirklich mal etwas, die Charaktere geraten mit der Geschichte in Bewegung. Was folgt, ist eine konsequente und geradlinig spannende Inszenierung, die unvorhersehbar bleibt und handwerklich überragend gemacht ist. Da gibt es tolle Stunteinlagen, starke Dialoge und die Regie erweist sich als fähig, das Gefühl der Flucht nur durch die Bilder und den Schnitt dem Zuschauer zu vermitteln. Zugleich ist es beinahe schon unfreiwillig komisch, dass "The Next Three Days" aufgrund der langen ersten Hälfte im Schlussteil etwas durch die restlichen Szenen hetzen muss, denn genau dieser Umstand verschafft dem Publikum einen Grad an Nervosität, der wunderbar zu dem Geschehen auf der Leinwand passt. Die Hetzjagd macht aber auch klar, was viel früher hätte im Vordergrund stehen müssen: der Gefängnisausbruch. Exposition ist sicher wichtig und echtes Drama kann eben auch nur entstehen, wenn ein gewisser Zugang zu den Charakteren vorhanden ist, aber am Ende liegt es an der Regie, da den richtigen Mittelweg zu finden. So kommt "The Next Three Days" nach 133 Minuten zwar noch mit einem blauen Auge davon, hätte aber bei kürzerer Laufzeit vielleicht effektiver wirken können.
Fazit: Wer "72 Stunden - The Next Three Days" nicht zu früh aufgibt, wird nach einer viel zu zähen und belanglos aufgezogenen ersten Hälfte mit einer ansprechend inszenierten Hetzjagd belohnt, in der Paul Haggis schließlich aufzeigt, dass er doch handwerklich versiert genug ist, einen Thriller von Kinoformat aufziehen zu können. Was anfangs nach TV-Unterhaltung aussah, entwickelt sich also zum tempolastigen Suspense-Drama, weshalb man die vielen schwachen anfänglichen Momente und die verpassten Chancen zwar nicht vergessen sollte, aber immerhin durchaus befriedigt und mit einem versöhnlichen Bauchgefühl das Lichtspielhaus verlassen kann. Fans gut gemachter Thrillerkost und besonders natürlich Fans von Russell Crowe sollten also ruhig mal einen Blick kassieren, wenngleich sie eben die lange Laufzeit in Kauf nehmen müssen. Weniger wäre hier - wieder einmal - mehr gewesen.
Was tut man, wenn das Rechtssystem versagt? Wenn die eigene Ehefrau unschuldig für einen Mord hinter Gittern wandert, man aber nicht genügend Indizien hat, um die Polizei zur Wiederaufnahme des Falls zu bewegen? Die einen würden an dieser Situation wohl zerbrechen. Nicht aber John Brennan, Protagonist in "72 Stunden - The Next Three Days", bei dem Paul Haggis sowohl das Drehbuch beisteuerte als auch den Regieposten übernahm. Dass er für besagte Hauptrolle Charakterdarsteller Russell Crowe engagierte, scheint dabei allerdings langezeit sein einziger Verdienst, denn in den ersten 60 Minuten glaubt man beinahe schon, "The Next Three Days" sei ein weiterer langweiliger Möchtegern-Krimi von der Stange, der zu Unrecht auf Kinoformat gestreckt wurde. Gott sei Dank erweist sich das im späteren Verlauf aber doch als trügerisch. Man sollte einen Film eben doch nie ganz abschreiben, bevor er nicht auch zu Ende ist.
Zu allererst jedoch muss man wirklich festhalten, dass "The Next Three Days" mindestens eine halbe Stunde zu lang ist. Natürlich kann man, so wie Haggis es hier macht, die Hälfte seines Filmes dafür verwenden, die Charaktere ausführlich zu beleuchten und viel Exposition zu betreiben. Dann muss das ganze allerdings irgendeinen dramaturgischen Zusammenhalt haben. Ob man die Geschehnisse nun emotional auflädt oder inhaltlich auf einen Höhepunkt zu steuert, ist dabei egal, doch beides will Haggis irgendwie nicht leisten. Bis auf Russell Crowe gibt es in der ersten Hälfte des Filmes praktisch keinen anderen wirklichen Charakter, Auftritte von Liam Neeson oder Olivia Wilde beschränken sich auf wenige Minuten. Crowe muss den Film daher alleine tragen, vermag dies aber nicht immer zu schaffen, angesichts der Tatsache, dass er bewusst zurückhaltend agiert, um seine Figur umso unscheinbarer wirken zu lassen. In der Tat ist es zwar ganz interessant, ihm langsam dabei zuzusehen, wie er dazu lernt, wie er immer mehr in seine Rolle reinwächst und wie er teils auch mit sich hadert, nur schwenkt Haggis zu oft um und zeigt Szenen mit Crowe bei den Eltern, im Park mit seinem Film-Sohn, dessen Kinderdarsteller Ty Simpkins leider sehr ausdrucksschwach auftritt und im Gefängnis bei den Besuchen seiner Frau, die zwar einige interessante Charakterzüge aufweist, von Elizabeth Banks aber etwas zu drucklos portraitiert wird. Ein Nachteil ist leider auch, dass an der Unschuld von Johns Ehefrau nie der geringste Zweifel besteht. Gerade das wäre für das Publikum ein reizvoller Aspekt gewesen, der hier aber nicht ausgespielt wird.
Doch dann, ganz urplötzlich, ist jener erhoffte Nervenkitzel plötzlich da. Mit Brennans Angriff auf einen von Kevin Corrigan gespielten Drogendealer zieht das Tempo plötzlich merklich an und Crowe zeigt schnell, dass er mehr kann, als er bisher zeigen durfte. Danny Elfman und Alberto Iglesias hauen ein paar flotte Rhythmen unter die Szenarie und in dichter und düsterer Atmosphäre zeigt Haggis einen unerwarteten ersten Höhepunkt, nach dem man tatsächlich erstmal erstaunt durchatmen muss. Leider verfällt er daraufhin wieder etwas in vorherigere Mechanismen, dieses Mal jedoch merklich straffer und effizienter, die einzelnen Szenen geraten immer größer, der große Knall bahnt sich allmählich an und der Zuschauer ist tatsächlich gespannt, worauf die Handlung nun hinausläuft. Die ermittelnden Polizisten tauchen zwar an diesem Punkt deutlich zu spät auf, bringen aber endlich mal so etwas wie eine Hürde für den Protagonisten ins Spiel. Gelungen ist, wie Haggis die Anspannung, die er mit seiner kurzen starken Dealer-Episode etabliert hat, beibehält, ohne effekthascherische Momente einbauen zu müssen. So kann er das Publikum bei Laune halten, ohne absurde Wendungen herbei konstruieren zu müssen.
Und dann geht es auch schon in den finalen Akt. Und dieser ist nicht nur deshalb so schön anzusehen, weil Elizabeth Banks endlich richtig im Film angekommen ist, sondern auch, weil Haggis nun nicht mehr auf die Bremse tritt. Stattdessen passiert wirklich mal etwas, die Charaktere geraten mit der Geschichte in Bewegung. Was folgt, ist eine konsequente und geradlinig spannende Inszenierung, die unvorhersehbar bleibt und handwerklich überragend gemacht ist. Da gibt es tolle Stunteinlagen, starke Dialoge und die Regie erweist sich als fähig, das Gefühl der Flucht nur durch die Bilder und den Schnitt dem Zuschauer zu vermitteln. Zugleich ist es beinahe schon unfreiwillig komisch, dass "The Next Three Days" aufgrund der langen ersten Hälfte im Schlussteil etwas durch die restlichen Szenen hetzen muss, denn genau dieser Umstand verschafft dem Publikum einen Grad an Nervosität, der wunderbar zu dem Geschehen auf der Leinwand passt. Die Hetzjagd macht aber auch klar, was viel früher hätte im Vordergrund stehen müssen: der Gefängnisausbruch. Exposition ist sicher wichtig und echtes Drama kann eben auch nur entstehen, wenn ein gewisser Zugang zu den Charakteren vorhanden ist, aber am Ende liegt es an der Regie, da den richtigen Mittelweg zu finden. So kommt "The Next Three Days" nach 133 Minuten zwar noch mit einem blauen Auge davon, hätte aber bei kürzerer Laufzeit vielleicht effektiver wirken können.
Fazit: Wer "72 Stunden - The Next Three Days" nicht zu früh aufgibt, wird nach einer viel zu zähen und belanglos aufgezogenen ersten Hälfte mit einer ansprechend inszenierten Hetzjagd belohnt, in der Paul Haggis schließlich aufzeigt, dass er doch handwerklich versiert genug ist, einen Thriller von Kinoformat aufziehen zu können. Was anfangs nach TV-Unterhaltung aussah, entwickelt sich also zum tempolastigen Suspense-Drama, weshalb man die vielen schwachen anfänglichen Momente und die verpassten Chancen zwar nicht vergessen sollte, aber immerhin durchaus befriedigt und mit einem versöhnlichen Bauchgefühl das Lichtspielhaus verlassen kann. Fans gut gemachter Thrillerkost und besonders natürlich Fans von Russell Crowe sollten also ruhig mal einen Blick kassieren, wenngleich sie eben die lange Laufzeit in Kauf nehmen müssen. Weniger wäre hier - wieder einmal - mehr gewesen.
Matrix Reloaded
Bereits bevor 2003 - und damit vier Jahre nach dem Vorgänger - die erste Fortsetzung zum Science-Fiction-Meisterwerk "Matrix" in die Kinos kam, wurde von Filmfans auf aller Welt kein gutes Haar an den beiden bevorstehenden Sequels gelassen. Die Erwartungen waren, spätestens als sich der erste Teil als Revolution des Mediums herausstellte, astronomisch hoch und so wunderte es niemanden, als die Regisseure Laurence und Andy Wachowski sowie Produzent Joel Silver von der versammelten Kritikerelite in Grund und Boden vernichtet wurden. "Matrix Reloaded" sei zu lang, zu kompliziert, zu selbstverliebt... tatsächlich aber ist Matrix 2 wohl eher perfekt dosiert, komplex aufgebaut und ästhetisch. Und damit der würdigste Nachfolger, den man sich hätte wünschen können.
In jeder Hinsicht baut "Matrix Reloaded" auf dem Erfolgsrezept des Vorgängers auf, nur immer mit einer zusätzlichen Ergänzung. Wie bereits in "Matrix" nehmen sich die Wachoswki-Brüder fast eine Stunde Zeit, alle Charaktere neu in Stellung zu bringen, die neuen Ausgangssituationen zu etablieren (den unbesiegbaren gottgleichen Neo, die Zerstörung Zions etc.) und gleichzeitig die Entwicklung der Charaktere aufzuzeigen. Bereits in dieser langen Zeitspanne aber ist es ihr Gespür für Szenenlängen, der epische und brachiale Look in Kombination mit dem mutigen und ungewöhnlichen Soundtrack und die ersten kurzen Actionmomente, die "Matrix Reloaded" auf ein höheres Niveau als die Konkurrenz heben. Doch was auf die Exposition folgt, lässt sich kaum in Worte fassen: mit dem erneut grandios geschriebenen Auftritt des Orakels und der Wiedergeburt von Hugo Weavings Agent Smith beginnt ein Actionfeuerwerk, dass es in sich hat, einen Höhepunkt auf den anderen kommen lässt und dazwischen philosophisch-bedeutsame Themen so geschickt mit dem Plot verpackt, dass die Erläuterungen niemals oberlehrerhaft wirken, sondern sogar verständlich (aber nicht zu vereinfacht) ankommen und gleichzeitig zur Spannung und Intensität einer Szene beitragen. Grandios!
Die Handlung selbst ist eigentlich furchtbar simpel. Neo muss eine Geisel retten, mit dieser eine verborgene Tür öffnen und dann den Computer der Maschinenwelt abschalten. Doch bereits in Teil 1 war der Aufhänger für das monumentale Finale einfachster Natur. Wirklich beeindruckend ist viel eher, welche Themenvielfalt die Wachowskis in diesem Film verpackt haben. Bereits in der Exposition geht es um die Abhängigkeit des Menschen von den Maschinen, aber auch im umgekehrten Verhältnis, was später aber vergessen wird, wenn das Script noch tiefgründiger wird. Das Orakel spricht davon, dass der Auserwählte eine Entscheidung wird treffen müssen, die er aber bereits getroffen hätte. Doch nur kurz darauf begeistert "Matrix Reloaded" mit einer seltenen Dialogperle des Blockbusters: dem Auftreten von Lambert Wilson als Merowinger. Seine philosophischen Exkurse über die Kausalität und das Verhältnis von Aktion - Reaktion sind nicht nur ungemein nährreich und auf den Punkt gebracht geschrieben, sondern auch noch für den Film ein spannender Wendepunkt, der das vorher aufgebaute direkt in Frage stellt. Und wenn dann im Showdown der wunderbare Helmut Bakaitis in einem facettenreichen und vielschichtigen Monolog die wahre Bestimmung des Auserwählten offenbart, dann ist zwar nicht alles was er sagt beim ersten Mal verständlich und nur das in dem Moment wirklich bedeutsame klar formuliert, doch lohnt sich speziell diese Szene zum mehrfachen Anschauen, so viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten stecken in ihr, von Anfang an aufgelockert durch die Aussage, Neo (und damit der Zuschauer) würde ohnehin das Folgende nicht vollständig verstehen. "Matrix Reloaded" hat wie eine Zwiebel Schichten, die man nach Lust und Laune interpretieren kann. Ansätze dafür gibt es en masse.
Nun hat sicher nicht jeder Zuschauer aber Lust auf eine komplexe Auseinandersetzung mit all diesen Themen. Doch "Matrix Reloaded" überfordert sein Publikum niemals. Denn auch in den tiefgründigsten Metaphern bleibt das auf Handlungsebene geschehende immer klar verständlich und zielgerichtet. Außerdem gibt es da ja noch einen anderen Aspekt: die Action. Praktisch immer auf einen langen komplizierten Dialog folgt eine große Actionsequenz. Und auch hier folgt das Sequel sklavisch dem Vorgänger, denn Action ist bei den Wachowskis nicht einfach nur abgefilmtes Handeln. Jede Aktion kommt einem Tanz gleich. Die Kung-Fu-Kampfszenen sind organisch, lebendig und elegant, die Effekte ergänzen perfekt die echten Aufnahmen, die visuellen Spielereien reichen von großzügig eingesetzten Zeitlupen bis hin zu Bullet-Time-Einsätzen. Aber sogar in der Action, besonders in den drei größten, jeweils 15-minütigen Szenen, hört die Symbolik nicht auf. Smith wird als gefallener Engel inszeniert, Neos Wandel vom Auserwählten zum Märtyrer in den Bildern deutlich gemacht, Autokennzeichen in der famosen Autoverfolgungsjagd verweisen auf Bibelverse, die die Handlung betreffen. Es ist Detailverliebtheit im Zusammenspiel mit dem Mut, bei diesem Film noch einen Schritt weiterzugehen, in der Philosophie über den Tellerrand hinaus zu schauen und sogar am Ende den christlichen Gott in seinem Umgang mit den Menschen des alten Testamentes zu kritisieren. Die Wachowskis setzen auf ästhetisches Kino und übertreffen sich und ihr vorheriges Schaffen dabei sogar selbst.
Fazit: Wo dem Rezensenten die Worte ausgehen, fängt "Matrix Reloaded" erst an. Für die einen bietet das erste Sequel der Matrix-Reihe einfach nur optischen Bombast und astethisch zelebriertes Actionkino der modernsten Art und Weise, das intellektuellere Publikum findet in all den Themen zusätzlich jedoch so viel mehr, dass man ganze Abhandlungen über die verschiedenen Verständnisebenen schreiben könnte. Was man "Matrix Reloaded" in der Tat vorwerfen könnte und weshalb er bei vielen wohl auch so scheiterte, ist natürlich, nicht denselben Überraschungseffekt erzielt zu haben, wie der Vorgänger. Doch entweder will man etwas völlig anderes, dann ist eine Fortsetzung überflüssig oder eine konsequente Weiterentwicklung. Und wenn "Matrix" die Revolution des Blockbusters war, ist "Matrix Reloaded" der Prototyp einer neuen Ära.
Bereits bevor 2003 - und damit vier Jahre nach dem Vorgänger - die erste Fortsetzung zum Science-Fiction-Meisterwerk "Matrix" in die Kinos kam, wurde von Filmfans auf aller Welt kein gutes Haar an den beiden bevorstehenden Sequels gelassen. Die Erwartungen waren, spätestens als sich der erste Teil als Revolution des Mediums herausstellte, astronomisch hoch und so wunderte es niemanden, als die Regisseure Laurence und Andy Wachowski sowie Produzent Joel Silver von der versammelten Kritikerelite in Grund und Boden vernichtet wurden. "Matrix Reloaded" sei zu lang, zu kompliziert, zu selbstverliebt... tatsächlich aber ist Matrix 2 wohl eher perfekt dosiert, komplex aufgebaut und ästhetisch. Und damit der würdigste Nachfolger, den man sich hätte wünschen können.
In jeder Hinsicht baut "Matrix Reloaded" auf dem Erfolgsrezept des Vorgängers auf, nur immer mit einer zusätzlichen Ergänzung. Wie bereits in "Matrix" nehmen sich die Wachoswki-Brüder fast eine Stunde Zeit, alle Charaktere neu in Stellung zu bringen, die neuen Ausgangssituationen zu etablieren (den unbesiegbaren gottgleichen Neo, die Zerstörung Zions etc.) und gleichzeitig die Entwicklung der Charaktere aufzuzeigen. Bereits in dieser langen Zeitspanne aber ist es ihr Gespür für Szenenlängen, der epische und brachiale Look in Kombination mit dem mutigen und ungewöhnlichen Soundtrack und die ersten kurzen Actionmomente, die "Matrix Reloaded" auf ein höheres Niveau als die Konkurrenz heben. Doch was auf die Exposition folgt, lässt sich kaum in Worte fassen: mit dem erneut grandios geschriebenen Auftritt des Orakels und der Wiedergeburt von Hugo Weavings Agent Smith beginnt ein Actionfeuerwerk, dass es in sich hat, einen Höhepunkt auf den anderen kommen lässt und dazwischen philosophisch-bedeutsame Themen so geschickt mit dem Plot verpackt, dass die Erläuterungen niemals oberlehrerhaft wirken, sondern sogar verständlich (aber nicht zu vereinfacht) ankommen und gleichzeitig zur Spannung und Intensität einer Szene beitragen. Grandios!
Die Handlung selbst ist eigentlich furchtbar simpel. Neo muss eine Geisel retten, mit dieser eine verborgene Tür öffnen und dann den Computer der Maschinenwelt abschalten. Doch bereits in Teil 1 war der Aufhänger für das monumentale Finale einfachster Natur. Wirklich beeindruckend ist viel eher, welche Themenvielfalt die Wachowskis in diesem Film verpackt haben. Bereits in der Exposition geht es um die Abhängigkeit des Menschen von den Maschinen, aber auch im umgekehrten Verhältnis, was später aber vergessen wird, wenn das Script noch tiefgründiger wird. Das Orakel spricht davon, dass der Auserwählte eine Entscheidung wird treffen müssen, die er aber bereits getroffen hätte. Doch nur kurz darauf begeistert "Matrix Reloaded" mit einer seltenen Dialogperle des Blockbusters: dem Auftreten von Lambert Wilson als Merowinger. Seine philosophischen Exkurse über die Kausalität und das Verhältnis von Aktion - Reaktion sind nicht nur ungemein nährreich und auf den Punkt gebracht geschrieben, sondern auch noch für den Film ein spannender Wendepunkt, der das vorher aufgebaute direkt in Frage stellt. Und wenn dann im Showdown der wunderbare Helmut Bakaitis in einem facettenreichen und vielschichtigen Monolog die wahre Bestimmung des Auserwählten offenbart, dann ist zwar nicht alles was er sagt beim ersten Mal verständlich und nur das in dem Moment wirklich bedeutsame klar formuliert, doch lohnt sich speziell diese Szene zum mehrfachen Anschauen, so viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten stecken in ihr, von Anfang an aufgelockert durch die Aussage, Neo (und damit der Zuschauer) würde ohnehin das Folgende nicht vollständig verstehen. "Matrix Reloaded" hat wie eine Zwiebel Schichten, die man nach Lust und Laune interpretieren kann. Ansätze dafür gibt es en masse.
Nun hat sicher nicht jeder Zuschauer aber Lust auf eine komplexe Auseinandersetzung mit all diesen Themen. Doch "Matrix Reloaded" überfordert sein Publikum niemals. Denn auch in den tiefgründigsten Metaphern bleibt das auf Handlungsebene geschehende immer klar verständlich und zielgerichtet. Außerdem gibt es da ja noch einen anderen Aspekt: die Action. Praktisch immer auf einen langen komplizierten Dialog folgt eine große Actionsequenz. Und auch hier folgt das Sequel sklavisch dem Vorgänger, denn Action ist bei den Wachowskis nicht einfach nur abgefilmtes Handeln. Jede Aktion kommt einem Tanz gleich. Die Kung-Fu-Kampfszenen sind organisch, lebendig und elegant, die Effekte ergänzen perfekt die echten Aufnahmen, die visuellen Spielereien reichen von großzügig eingesetzten Zeitlupen bis hin zu Bullet-Time-Einsätzen. Aber sogar in der Action, besonders in den drei größten, jeweils 15-minütigen Szenen, hört die Symbolik nicht auf. Smith wird als gefallener Engel inszeniert, Neos Wandel vom Auserwählten zum Märtyrer in den Bildern deutlich gemacht, Autokennzeichen in der famosen Autoverfolgungsjagd verweisen auf Bibelverse, die die Handlung betreffen. Es ist Detailverliebtheit im Zusammenspiel mit dem Mut, bei diesem Film noch einen Schritt weiterzugehen, in der Philosophie über den Tellerrand hinaus zu schauen und sogar am Ende den christlichen Gott in seinem Umgang mit den Menschen des alten Testamentes zu kritisieren. Die Wachowskis setzen auf ästhetisches Kino und übertreffen sich und ihr vorheriges Schaffen dabei sogar selbst.
Fazit: Wo dem Rezensenten die Worte ausgehen, fängt "Matrix Reloaded" erst an. Für die einen bietet das erste Sequel der Matrix-Reihe einfach nur optischen Bombast und astethisch zelebriertes Actionkino der modernsten Art und Weise, das intellektuellere Publikum findet in all den Themen zusätzlich jedoch so viel mehr, dass man ganze Abhandlungen über die verschiedenen Verständnisebenen schreiben könnte. Was man "Matrix Reloaded" in der Tat vorwerfen könnte und weshalb er bei vielen wohl auch so scheiterte, ist natürlich, nicht denselben Überraschungseffekt erzielt zu haben, wie der Vorgänger. Doch entweder will man etwas völlig anderes, dann ist eine Fortsetzung überflüssig oder eine konsequente Weiterentwicklung. Und wenn "Matrix" die Revolution des Blockbusters war, ist "Matrix Reloaded" der Prototyp einer neuen Ära.
Da ich genau dieses "Gefühl" oder diesen Genuss in Filmen immer suche, kann ich Matrix 2 da letzten Endes auch nichts anderes geben. Er steht da für mich auch völlig auf einem Niveau mit dem ersten Teil und ich finde es doch immer sehr schade, wie er oft in der Wahrnehmung der Leute mit Teil 3 gleichgesetzt und daher schlechter geredet wird, als er ist. (Obwohl es natürlich auch genügend Personen gibt, die Matrix 2 da ganz unabhängig von seinem Nachfolger sehen.) Aber in Matrix 2 steckt wirklich sehr viel drin und ich kann da jedem nur mal empfehlen, sich das Teil (besonders wenn es schon mehrere Jahre her ist) noch einmal anzusehen und zu versuchen, diese ganzen Ansätze in den Dialogen nachzuvollziehen. Da steckt immens viel drin, was auch die Handlung selbst aufwertet, da es dem einfachen Geschehen ganz neue Kniffe und Identitäten verleiht. (Ähnlich, wie das auch die Vasen-Frage aus dem ersten Teil tat.) Schade, dass der Trilogie-Abschluss dann... naja, dazu vielleicht später mehr.SFI hat geschrieben:Schön, wenn man so viel Genuß bei einem Film verspürt.
Mortdecai - Der Teilzeitgauner
Ein überaffektierter Aristokrat mit buschigem Gesichtsaccessoire jettet um die Welt, um ein verschwundenes Gemälde zu retten? Das schreit doch nahezu nach einer Komödie mit Gesichtsakrobatiker Johnny Depp, nicht wahr? So kam es auch, als Regisseur David Koepp für seine Verfilmung der Roman-Trilogie von Kyril Emanuel George Bonfiglioli nach der Idealbesetzung für den schrulligen Protagonisten Ausschau hielt. Dass Depp Grimassen schneiden kann, wie kein anderer in Hollywood, dürfte bekannt sein. Dementsprechend ist "Mortdecai" auch voll und ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten. Stören sollte das allerdings niemanden, denn der ist mit reichlich Spaß bei der Sache und macht wie immer eine gute Show. Das ist auch bitter nötig, denn unterm Strich ist "Mortdecai" ein kurzweiliges Vergnügen, aber leider auch ziemlich ideenlos.
Johnny Depp ist - wie erwähnt - mal wieder bester Laune und albert sich gekonnt und grinsend durch das Abenteuer. Dabei hat er eigentlich mit einem ziemlichen Problem zu kämpfen, denn im Gegensatz zu den charmanten Nebenfiguren ist sein Lord Mortdecai selbst eine recht unsympathische Figur, die wenig Identifikationspotenzial mit sich bringt. Depp gelingt es aber, mit seinem natürlichen Charme das Publikum an sich zu binden und beweist ohnehin ein gutes Timing in den Gags. An seiner Seite begeistert vor allem Ewan McGregor, der als James-Bond-Verschnitt locker aufspielt und in seinen besten Momenten der wunderschönen Gwyneth Paltrow hinterher schmachtet, die hier unter Beweis stellt, dass man auch mit 42 immer noch zu den attraktivsten Frauen des Filmgeschäfts gehören kann. In einigen Dialogen spielt sie Depp förmlich an die Wand, hat aber unabhängig davon meist die schlechteren Witze abbekommen. Als heimlicher Sympathieträger überzeugt außerdem Paul Bettany als Mortdecais Diener Lock, der auf der einen Seite die meisten Actionszenen spielen darf und damit bereits relativ aktiv auf der Leinwand zu sehen ist, dessen Charakter allerdings auch noch für einen amüsanten Running-Gag sorgt, schließlich nagelt der gute Lock in diesem Film häufiger als die Römer im neuen Testament.
Dies mag erst einmal billig klingen und ist es vielleicht auch. Aber deshalb noch lange nicht unwitzig. Fest steht nämlich, "Mortdecai" bedient sich haufenweise am heute typischen Fäkalhumor. Doch Koepps Film ist insgesamt dennoch, auch durch seine britischen Attribute, sehr charmant und verkauft selbst die flachsten Gags mit einer entlarvenden Würde, sodass man sich ungeniert traut, darüber zu lachen. Natürlich funktioniert das aber nicht immer und so gehen etwa 30 Prozent dieser Witze daneben, dafür gibt es aber über die gesamte Laufzeit verteilt auch ungemein clevere Späße. Einige Stellen sind gelungene satirische Bemerkungen, in der zweiten Hälfte erlaubt sich Depps Mortdecai sogar Seitenhiebe auf das moderne US-amerikanische Selbstverständnis, was den britischen Charakter des Filmes enorm steigert. Schön ist auch, dass Koepp eben nicht einfach nur abfilmt, sondern mit bunter Effektspielerei, meist bei der Reise Mortdecais von einer Stadt zur anderen, sich auch hin und wieder mal bemerkbar macht. Was man "Mortdecai" allerdings vorwerfen muss, ist, dass er bei aller Leichtigkeit auch immer etwas gezwungen daherkommt. Besonders in den oberflächlich gesehen dramatischeren Phasen beschreit man die heitere Stimmung des Filmes etwas zu sehr, was den Zuschauer eher stört, als das es das Lachen fördern würde.
Das wirklich gravierende Problem des Filmes liegt aber woanders. Während besonders die erste Hälfte noch ein hohes Tempo bereithält und mit vielen sehr guten Gags aufwarten kann, gerät man im Mittelteil in Not, ein wenig von der Geschichte erzählen zu müssen, um die es oberflächlich gesehen geht. Und eine solche ist hier wirklich nie vorhanden. Da ist ein verschollenes Goya-Gemälde, da sind böse Russen (Gähn!), die dieses stehlen wollen, da sind drei oder vier weitere interessierte Parteien, da tauchen mit Olivia Munn und dem Cameo von Jeff Goldblum wichtige Charaktere viel zu spät auf. Daher muss man leider immer, wenn es Richtung Handlung geht, leidenschaftslos den Kopf schütteln. Eine Komödie wie "Mortdecai" braucht nicht mehr als einen kleinen Anreiz und ein paar schrullige Figuren könnte man meinen, aber nicht einmal das bekommt das Drehbuch vernünftig geordnet. Schlimmer noch, der episodenhaften Aneinanderreihung von Geschehnissen, die meist in - immerhin souverän inszenierten - Actionszenen ihren Höhepunkt finden, fehlt es völlig an einem roten Faden. Wer wo mit wem gerade weshalb was eigentlich erlangen will, wird nie so recht deutlich. Hier hätte man wesentlich kompakter und damit effektiver erzählen müssen, stattdessen verliert man den Zuschauer so zwischendurch immer mal wieder für ein paar Minütchen. Ein Glück, dass nach einer längeren Durststrecke am Ende der Humor wieder goldrichtig sitzt und so der Abschluss versöhnlich geraten ist.
Fazit: Muss man sich fragen, ob man zu hohe Ansprüche gehabt hat, wenn man bei einer Gaunerkomödie wie "Mortdecai" zumindest ein wenig Handlung im Vorfeld voraussetzte? Nein, muss man nicht, denn unterfordert werden will man auch in lustigen Filmen nicht. Unterforderung langweilt. Und zumindest das tut "Mortdecai" nicht. Dies liegt zwar weniger an der Verbindung unzusammenhängender Gags, welches im Abspann fälschlicherweise als Drehbuch bezeichnet wurde, sondern mehr an der spaßigen Atmosphäre des betont britischen Abenteuers, welche einem auch die niveauloseren Witze schmackhaft macht und an den perfekt aufgelegten Darstellern, bei denen zwar ein gewohnt großartiger Johnny Depp heraussticht, sich aber das restliche Ensemble sicher nicht vor ihm zu verstecken braucht. "Mortdecai" ist kurzweilig und amüsant und erfüllt damit genau die Erwartungen seines Publikums. Die wirre Story dürfte daher kaum jemanden stören. In diesem Zusammenhang passen auch die Worte des antiken lateinischen Schriftstellers Aulus Gellius: "Ich sehe einen Bart und einen Mantel, aber noch keinen Philosophen." Dafür sitzen Bart und Mantel immerhin.
Ein überaffektierter Aristokrat mit buschigem Gesichtsaccessoire jettet um die Welt, um ein verschwundenes Gemälde zu retten? Das schreit doch nahezu nach einer Komödie mit Gesichtsakrobatiker Johnny Depp, nicht wahr? So kam es auch, als Regisseur David Koepp für seine Verfilmung der Roman-Trilogie von Kyril Emanuel George Bonfiglioli nach der Idealbesetzung für den schrulligen Protagonisten Ausschau hielt. Dass Depp Grimassen schneiden kann, wie kein anderer in Hollywood, dürfte bekannt sein. Dementsprechend ist "Mortdecai" auch voll und ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten. Stören sollte das allerdings niemanden, denn der ist mit reichlich Spaß bei der Sache und macht wie immer eine gute Show. Das ist auch bitter nötig, denn unterm Strich ist "Mortdecai" ein kurzweiliges Vergnügen, aber leider auch ziemlich ideenlos.
Johnny Depp ist - wie erwähnt - mal wieder bester Laune und albert sich gekonnt und grinsend durch das Abenteuer. Dabei hat er eigentlich mit einem ziemlichen Problem zu kämpfen, denn im Gegensatz zu den charmanten Nebenfiguren ist sein Lord Mortdecai selbst eine recht unsympathische Figur, die wenig Identifikationspotenzial mit sich bringt. Depp gelingt es aber, mit seinem natürlichen Charme das Publikum an sich zu binden und beweist ohnehin ein gutes Timing in den Gags. An seiner Seite begeistert vor allem Ewan McGregor, der als James-Bond-Verschnitt locker aufspielt und in seinen besten Momenten der wunderschönen Gwyneth Paltrow hinterher schmachtet, die hier unter Beweis stellt, dass man auch mit 42 immer noch zu den attraktivsten Frauen des Filmgeschäfts gehören kann. In einigen Dialogen spielt sie Depp förmlich an die Wand, hat aber unabhängig davon meist die schlechteren Witze abbekommen. Als heimlicher Sympathieträger überzeugt außerdem Paul Bettany als Mortdecais Diener Lock, der auf der einen Seite die meisten Actionszenen spielen darf und damit bereits relativ aktiv auf der Leinwand zu sehen ist, dessen Charakter allerdings auch noch für einen amüsanten Running-Gag sorgt, schließlich nagelt der gute Lock in diesem Film häufiger als die Römer im neuen Testament.
Dies mag erst einmal billig klingen und ist es vielleicht auch. Aber deshalb noch lange nicht unwitzig. Fest steht nämlich, "Mortdecai" bedient sich haufenweise am heute typischen Fäkalhumor. Doch Koepps Film ist insgesamt dennoch, auch durch seine britischen Attribute, sehr charmant und verkauft selbst die flachsten Gags mit einer entlarvenden Würde, sodass man sich ungeniert traut, darüber zu lachen. Natürlich funktioniert das aber nicht immer und so gehen etwa 30 Prozent dieser Witze daneben, dafür gibt es aber über die gesamte Laufzeit verteilt auch ungemein clevere Späße. Einige Stellen sind gelungene satirische Bemerkungen, in der zweiten Hälfte erlaubt sich Depps Mortdecai sogar Seitenhiebe auf das moderne US-amerikanische Selbstverständnis, was den britischen Charakter des Filmes enorm steigert. Schön ist auch, dass Koepp eben nicht einfach nur abfilmt, sondern mit bunter Effektspielerei, meist bei der Reise Mortdecais von einer Stadt zur anderen, sich auch hin und wieder mal bemerkbar macht. Was man "Mortdecai" allerdings vorwerfen muss, ist, dass er bei aller Leichtigkeit auch immer etwas gezwungen daherkommt. Besonders in den oberflächlich gesehen dramatischeren Phasen beschreit man die heitere Stimmung des Filmes etwas zu sehr, was den Zuschauer eher stört, als das es das Lachen fördern würde.
Das wirklich gravierende Problem des Filmes liegt aber woanders. Während besonders die erste Hälfte noch ein hohes Tempo bereithält und mit vielen sehr guten Gags aufwarten kann, gerät man im Mittelteil in Not, ein wenig von der Geschichte erzählen zu müssen, um die es oberflächlich gesehen geht. Und eine solche ist hier wirklich nie vorhanden. Da ist ein verschollenes Goya-Gemälde, da sind böse Russen (Gähn!), die dieses stehlen wollen, da sind drei oder vier weitere interessierte Parteien, da tauchen mit Olivia Munn und dem Cameo von Jeff Goldblum wichtige Charaktere viel zu spät auf. Daher muss man leider immer, wenn es Richtung Handlung geht, leidenschaftslos den Kopf schütteln. Eine Komödie wie "Mortdecai" braucht nicht mehr als einen kleinen Anreiz und ein paar schrullige Figuren könnte man meinen, aber nicht einmal das bekommt das Drehbuch vernünftig geordnet. Schlimmer noch, der episodenhaften Aneinanderreihung von Geschehnissen, die meist in - immerhin souverän inszenierten - Actionszenen ihren Höhepunkt finden, fehlt es völlig an einem roten Faden. Wer wo mit wem gerade weshalb was eigentlich erlangen will, wird nie so recht deutlich. Hier hätte man wesentlich kompakter und damit effektiver erzählen müssen, stattdessen verliert man den Zuschauer so zwischendurch immer mal wieder für ein paar Minütchen. Ein Glück, dass nach einer längeren Durststrecke am Ende der Humor wieder goldrichtig sitzt und so der Abschluss versöhnlich geraten ist.
Fazit: Muss man sich fragen, ob man zu hohe Ansprüche gehabt hat, wenn man bei einer Gaunerkomödie wie "Mortdecai" zumindest ein wenig Handlung im Vorfeld voraussetzte? Nein, muss man nicht, denn unterfordert werden will man auch in lustigen Filmen nicht. Unterforderung langweilt. Und zumindest das tut "Mortdecai" nicht. Dies liegt zwar weniger an der Verbindung unzusammenhängender Gags, welches im Abspann fälschlicherweise als Drehbuch bezeichnet wurde, sondern mehr an der spaßigen Atmosphäre des betont britischen Abenteuers, welche einem auch die niveauloseren Witze schmackhaft macht und an den perfekt aufgelegten Darstellern, bei denen zwar ein gewohnt großartiger Johnny Depp heraussticht, sich aber das restliche Ensemble sicher nicht vor ihm zu verstecken braucht. "Mortdecai" ist kurzweilig und amüsant und erfüllt damit genau die Erwartungen seines Publikums. Die wirre Story dürfte daher kaum jemanden stören. In diesem Zusammenhang passen auch die Worte des antiken lateinischen Schriftstellers Aulus Gellius: "Ich sehe einen Bart und einen Mantel, aber noch keinen Philosophen." Dafür sitzen Bart und Mantel immerhin.
Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)
Ein Film spielt Theater. Regisseur Alejandro González Iñárritu bringt 2014 mit "Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" einen Film in die Kinos, der vom Theater handelt, aber gleichzeitig auch vom Beruf des Schauspielers und der Filmwelt im Allgemeinen. Mit "Birdman" kritisiert er gleichzeitig den aktuellen Boom des Superheldenkinos durch Filme wie "The Avengers", "Sin City" oder "X-Men", teilt kräftig gegen Kollegen wie Robert Downey Jr., Michael Fassbender oder Jeremy Renner aus, prügelt voller Bosheit mit demaskierender Satire auf die heutige Medienlandschaft à la facebook und twitter ein, erlaubt sich deftige Seitenhiebe auf die elitäre und selbstverliebte Kritikerbranche und erzählt nebenbei auch noch behutsam und authentisch die Geschichte eines gescheiterten Stars, der zurück in den Olymp will. Und glaubte man anfangs noch, dass so viele Inhalte nicht in 119 Minuten passen werden, muss man sich von Iñárritus kleinem cineastischem Wunder überraschen lassen.
Während in modernen Actionfilmen immer mehr auf Wackelkamera und schnelle wirre Schnittfolgen gesetzt wird, liefert Iñárritu das Kontrabeispiel: "Birdman" wirkt durch unsichtbare Schnitts und andere Tricks, als sei er eine lange Plansequenz. Mit Ruhe, aber bestimmt folgt Kameramann Emmanuel Lubezki den Schauspielern durch das St. James Theatre und das Labyrinth dieser Gänge, nur selten verlässt er für kurze Zeit das Theaterhaus und macht beispielsweise eine Fahrt über den Times Square. Mit dieser nie aufhörenden Rotierung verleiht er seinem Film nicht nur eine gewisse Nervosität, sondern auch ein tolles Maß an Eleganz, Leichtfüßigkeit und irgendwann entwickelt diese Technik ihren eigenen Sog, der einen ganz tief an die Geschichte fesselt. Immer wieder fängt die Kamera einen Schauspieler ein und folgt ihm ein Stückweit, ohne, dass es eine episodenhafte Aneinanderreihung von kurzen Szenen zu werden droht. Natürlich funktioniert das auch, weil die Besetzung selbst wie die berühmte Faust aufs Auge passt. In Nebenrollen glänzen Naomi Watts, Andrea Riseborough und Amy Ryan und Komiker Zach Galifianakis sowie Schönheit Emma Stone überzeugen in für sie völlig untypischen Rollen durch ein besonders nuanciertes Auftreten.
Die wahren Stars sind aber zwei Darsteller, die (ironischerweise) bereits in großen Comic-Blockbustern den Helden spielten. Als erster ist da "Der unglaubliche Hulk"-Edward Norton zu nennen, der als exzentrischer Schauspieler Mike Shriner eine hervorragende Performance abgibt. In seinen besten Momenten darf er völlig enthemmt und irre aufspielen, nur um kurz darauf im Zusammenspiel mit Stone tiefe Einblicke in das Seelenleben Shriners offen zu legen. Doch die mit Abstand beste Leistung liefert Hauptdarsteller Michael Keaton, dessen Schauspiel hier vermutlich der Höhepunkt seiner Karriere sein dürfte. Die Parallelen zwischen ihm und seiner Figur Riggan Thomson sind unübersehbar: während Keaton 1989 in Tim Burtons "Batman" als titelgebender Held berühmt wurde, ist Thomson Held der fiktiven 90er "Birdman"-Trilogie gewesen und sehnt sich nun, ein wenig wie Keaton vielleicht auch, nach neuen Erfolgen. Und wie Keaton dieser ihm nicht unähnlichen Figur Leben einhaucht, ist ganz großes Kino. Er trifft mit jedem Gesichtsausdruck perfekt die Stimmung seiner Person, spielt sich gleichermaßen in Ekstase wie auch in eine erschreckende Authenzität. Wenn er in einem tosenden Wutanfall voller Selbsthass sein Zimmer verwüstet, seine imaginäre Stimme anschreit, auf der Bühne nicht nur eine fremde Person spielt, sondern auch sein Selbst offenbart, all das gelingt Keaton mit spielerischer Leichtigkeit.
Ansonsten schert sich Iñárritu außerdem einen Dreck um filmische Konventionen. Riggan Thomson, seinem Protagonisten, verleiht er eine surreale Aura. Thomson schwebt über den Boden, bewegt Dinge mit Kraft seiner Gedanken und kann sogar fliegen... zumindest erzählt uns das die Kamera. Wie viel "Birdman" wirklich in Thomson steckt, erfahren wir nie. Wie bei einem guten Film gewollt, verwischt Iñárritu die Grenze zwischen Realität und Fiktion und der Zuschauer kann sie nie ganz sicher sein, woran er ist. Der heftige Schlagzeug-Soundtrack von Antonio Sánchez verstärkt diesen unwirklichen Eindruck ungemein, erst recht, wenn der Schlagzeuger plötzlich im Film selbst zu sehen ist und völlig ohne Erklärung im Theater rum sitzt. Und mit seinen zahlreichen kritischen Ansätzen hält der Regisseur auch nie lange hinterm Berg. Thomson wird regelmäßig als mittelmäßiger Schauspieler bezeichnet, was einem direkter Schlag ins Antlitz aller Superhelden-Darsteller gleichkommt, er selbst teilt ordentlich gegen eine selbstdarstellerische Theaterkritikerin aus und wenn er durch einen blöden Zufall nackt durch die Öffentlichkeit rennt, hat das nicht nur eine gewisse Komik, an der es in "Birdman" aber auch nie mangelt, tatsächlich ist Iñárritus Drehbuch voller lustiger Dialoge, sondern auch ein direkter Seitenhieb auf die Generation Facebook, an einigen Stellen blitzen sogar kurz existenzialistische Inhalte von Albert Camus oder Jean-Paul Sartre durch. Aber jetzt nicht gleich erschrecken: in erster Linie ist "Birdman" einfach nur große Unterhaltung. Und perfekt gelungene auch noch dazu.
Fazit: "Birdman" ist kein Film für irgendwen. Er ist für ein sehr spezielles Publikum gedacht und richtet sich besonders an Film- und Theaterliebhaber, aber ist gleichzeitig auch offen genug, alle irgendwo faszinieren zu können. Und genau das tut er auch: faszinieren, begeistern und erstaunen. Jedoch auf eine Art, die mit Worten schwer zu beschreiben ist. Denn Iñárritus Werk ist ungemein filmisch, mutig sowieso und von Vergleichen ausgeschlossen, da es so etwas in der Form in der Tat noch nicht gegeben hat. Es ist eine überzeugende Charakterstudie eines Mannes, der um ein wenig Anerkennung kämpft, es ist eine selbstironische und ungemein witzige Parodie ihrer selbst und gleichzeitig ein direkter Angriff nicht nur auf die Traumfabrik Hollywood, sondern auch auf die Zuschauer, die immer weniger an echter Kunst interessiert sind. Doch was genau den Reiz Birdmans ausmacht, ist nicht zu erklären und sollte vielleicht deshalb auch nicht versucht werden. Viel mehr sollte den Rhythmus und Flow, die Symbiose aus Bild und Ton, jeder einzelne selbst auf sich wirken lassen und dann entscheiden, was "Birdman" für ihn bedeutet. Magie ist eben etwas Abstraktes. Und das sollte sie manchmal auch bleiben.
Ein Film spielt Theater. Regisseur Alejandro González Iñárritu bringt 2014 mit "Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" einen Film in die Kinos, der vom Theater handelt, aber gleichzeitig auch vom Beruf des Schauspielers und der Filmwelt im Allgemeinen. Mit "Birdman" kritisiert er gleichzeitig den aktuellen Boom des Superheldenkinos durch Filme wie "The Avengers", "Sin City" oder "X-Men", teilt kräftig gegen Kollegen wie Robert Downey Jr., Michael Fassbender oder Jeremy Renner aus, prügelt voller Bosheit mit demaskierender Satire auf die heutige Medienlandschaft à la facebook und twitter ein, erlaubt sich deftige Seitenhiebe auf die elitäre und selbstverliebte Kritikerbranche und erzählt nebenbei auch noch behutsam und authentisch die Geschichte eines gescheiterten Stars, der zurück in den Olymp will. Und glaubte man anfangs noch, dass so viele Inhalte nicht in 119 Minuten passen werden, muss man sich von Iñárritus kleinem cineastischem Wunder überraschen lassen.
Während in modernen Actionfilmen immer mehr auf Wackelkamera und schnelle wirre Schnittfolgen gesetzt wird, liefert Iñárritu das Kontrabeispiel: "Birdman" wirkt durch unsichtbare Schnitts und andere Tricks, als sei er eine lange Plansequenz. Mit Ruhe, aber bestimmt folgt Kameramann Emmanuel Lubezki den Schauspielern durch das St. James Theatre und das Labyrinth dieser Gänge, nur selten verlässt er für kurze Zeit das Theaterhaus und macht beispielsweise eine Fahrt über den Times Square. Mit dieser nie aufhörenden Rotierung verleiht er seinem Film nicht nur eine gewisse Nervosität, sondern auch ein tolles Maß an Eleganz, Leichtfüßigkeit und irgendwann entwickelt diese Technik ihren eigenen Sog, der einen ganz tief an die Geschichte fesselt. Immer wieder fängt die Kamera einen Schauspieler ein und folgt ihm ein Stückweit, ohne, dass es eine episodenhafte Aneinanderreihung von kurzen Szenen zu werden droht. Natürlich funktioniert das auch, weil die Besetzung selbst wie die berühmte Faust aufs Auge passt. In Nebenrollen glänzen Naomi Watts, Andrea Riseborough und Amy Ryan und Komiker Zach Galifianakis sowie Schönheit Emma Stone überzeugen in für sie völlig untypischen Rollen durch ein besonders nuanciertes Auftreten.
Die wahren Stars sind aber zwei Darsteller, die (ironischerweise) bereits in großen Comic-Blockbustern den Helden spielten. Als erster ist da "Der unglaubliche Hulk"-Edward Norton zu nennen, der als exzentrischer Schauspieler Mike Shriner eine hervorragende Performance abgibt. In seinen besten Momenten darf er völlig enthemmt und irre aufspielen, nur um kurz darauf im Zusammenspiel mit Stone tiefe Einblicke in das Seelenleben Shriners offen zu legen. Doch die mit Abstand beste Leistung liefert Hauptdarsteller Michael Keaton, dessen Schauspiel hier vermutlich der Höhepunkt seiner Karriere sein dürfte. Die Parallelen zwischen ihm und seiner Figur Riggan Thomson sind unübersehbar: während Keaton 1989 in Tim Burtons "Batman" als titelgebender Held berühmt wurde, ist Thomson Held der fiktiven 90er "Birdman"-Trilogie gewesen und sehnt sich nun, ein wenig wie Keaton vielleicht auch, nach neuen Erfolgen. Und wie Keaton dieser ihm nicht unähnlichen Figur Leben einhaucht, ist ganz großes Kino. Er trifft mit jedem Gesichtsausdruck perfekt die Stimmung seiner Person, spielt sich gleichermaßen in Ekstase wie auch in eine erschreckende Authenzität. Wenn er in einem tosenden Wutanfall voller Selbsthass sein Zimmer verwüstet, seine imaginäre Stimme anschreit, auf der Bühne nicht nur eine fremde Person spielt, sondern auch sein Selbst offenbart, all das gelingt Keaton mit spielerischer Leichtigkeit.
Ansonsten schert sich Iñárritu außerdem einen Dreck um filmische Konventionen. Riggan Thomson, seinem Protagonisten, verleiht er eine surreale Aura. Thomson schwebt über den Boden, bewegt Dinge mit Kraft seiner Gedanken und kann sogar fliegen... zumindest erzählt uns das die Kamera. Wie viel "Birdman" wirklich in Thomson steckt, erfahren wir nie. Wie bei einem guten Film gewollt, verwischt Iñárritu die Grenze zwischen Realität und Fiktion und der Zuschauer kann sie nie ganz sicher sein, woran er ist. Der heftige Schlagzeug-Soundtrack von Antonio Sánchez verstärkt diesen unwirklichen Eindruck ungemein, erst recht, wenn der Schlagzeuger plötzlich im Film selbst zu sehen ist und völlig ohne Erklärung im Theater rum sitzt. Und mit seinen zahlreichen kritischen Ansätzen hält der Regisseur auch nie lange hinterm Berg. Thomson wird regelmäßig als mittelmäßiger Schauspieler bezeichnet, was einem direkter Schlag ins Antlitz aller Superhelden-Darsteller gleichkommt, er selbst teilt ordentlich gegen eine selbstdarstellerische Theaterkritikerin aus und wenn er durch einen blöden Zufall nackt durch die Öffentlichkeit rennt, hat das nicht nur eine gewisse Komik, an der es in "Birdman" aber auch nie mangelt, tatsächlich ist Iñárritus Drehbuch voller lustiger Dialoge, sondern auch ein direkter Seitenhieb auf die Generation Facebook, an einigen Stellen blitzen sogar kurz existenzialistische Inhalte von Albert Camus oder Jean-Paul Sartre durch. Aber jetzt nicht gleich erschrecken: in erster Linie ist "Birdman" einfach nur große Unterhaltung. Und perfekt gelungene auch noch dazu.
Fazit: "Birdman" ist kein Film für irgendwen. Er ist für ein sehr spezielles Publikum gedacht und richtet sich besonders an Film- und Theaterliebhaber, aber ist gleichzeitig auch offen genug, alle irgendwo faszinieren zu können. Und genau das tut er auch: faszinieren, begeistern und erstaunen. Jedoch auf eine Art, die mit Worten schwer zu beschreiben ist. Denn Iñárritus Werk ist ungemein filmisch, mutig sowieso und von Vergleichen ausgeschlossen, da es so etwas in der Form in der Tat noch nicht gegeben hat. Es ist eine überzeugende Charakterstudie eines Mannes, der um ein wenig Anerkennung kämpft, es ist eine selbstironische und ungemein witzige Parodie ihrer selbst und gleichzeitig ein direkter Angriff nicht nur auf die Traumfabrik Hollywood, sondern auch auf die Zuschauer, die immer weniger an echter Kunst interessiert sind. Doch was genau den Reiz Birdmans ausmacht, ist nicht zu erklären und sollte vielleicht deshalb auch nicht versucht werden. Viel mehr sollte den Rhythmus und Flow, die Symbiose aus Bild und Ton, jeder einzelne selbst auf sich wirken lassen und dann entscheiden, was "Birdman" für ihn bedeutet. Magie ist eben etwas Abstraktes. Und das sollte sie manchmal auch bleiben.
You ever dance with the devil in the pale moonlight?
Batman
Er ist einer der größten Helden der Filmgeschichte. Was ihn auszeichnet? Natürlich sein fabelhafter Sinn für einen ausgefallenen Kleidungsstil. Sein guter Geschmack im Punkto Frauen. Seine unglaublichen Fähigkeiten im Nahkampf. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Seine übernatürlichen technischen Spielzeuge. Und sein Fledermaus-Kostüm. Moment, was? In diesem Fall ist die Rede eben nicht von Geheimagent James Bond, sondern von einem seiner ebenbürtigsten Konkurrenten im Blockbuster-Bereich: Batman. Auf einer Comicreihe von Zeichner Bob Kane basierend, machte sich Regisseur Tim Burton 1989 daran, mit "Batman" einen Helden in die Kinos zu bringen, der sich in seiner Extravaganz perfekt für die große Leinwand eignet.
Dabei spielt Burton sehr geschickt mit seinen Charakteren, wobei hier drei zentral im Vordergrund stehen. Da wäre natürlich einmal Michael Keaton, der in seiner Doppelrolle als Milliardär Bruce Wayne und als maskierter Rächer enorme Wandlungsfähigkeiten unter Beweis stellen muss. Besonders als Bruce Wayne gelingt es ihm dabei sehr gut, durch sein schüchternes Auftreten, dass so gar nicht zu einem Superhelden passen will, einen Kontrast der beiden Persönlichkeiten wirken zu lassen, sodass die leichte Schizophrenie des Protagonisten immer wieder leise thematisiert wird. Doch da der Held, grade ein eher schweigsamer, meist nur so gut wie der Bösewicht funktioniert, liegt natürlich großes Augenmerk auf Jack Nicholson, der erst als Mafiagangster Jack Napier auftritt, dann aber relativ früh seine Verwandlung zum wahnsinnigen Psychpathen-Clown Joker vollzieht. Und Nicholson füllt diese Rolle hervorragend mit Leben. Grade der Joker, der ob seiner puren Abgedrehtheit eine schmale Gradwanderung ist, interpretiert er perfekt und ohne ein zu übertriebenes Maß an Overacting. Kim Basinger ist in ihrer Rolle als Reporterin Vicki Vale leider nur optisches Beiwerk und ihre Liebesgeschichte mit Bruce Standardware. Genauso ist es auch schade, dass andere potenziell interessante Rollen wie Harvey Dent alias Billy Dee Williams oder James Gordon alias Pat Hingle nicht genug Screentime erhalten, um einen größeren Eindruck zu hinterlassen.
Wenn man aber von der wirklich belanglosen Prozedur zwischen Bruce und Vicki mal absieht, ist die Geschichte in Burtons "Batman" zwar denkbar einfach, wird aber ungemein packend erzählt. Wie Burton den Helden in einer stilvollen Passage einführt und dann im zunehmenden Verlauf immer mehr auf den Charakter Batmans blickt, meist aus der Sicht von anderen heraus, ist toll gemacht und charmant erzählt. Stil und Charme stehen ohnehin ganz groß in "Batman". Burtons Film hat die Aura eines Märchens für ein erwachsenes Publikum, es ist eine Stilrichtung, die sich irgendwo zwischen einem Comicheft und einem Gothic-Festival versammelt, einem Trend, dem auch Danny Elfmans pompöser Soundtrack größenteils folgt. Was ihm dabei grandios gelingt ist sicherlich, eine Atmosphäre zu schaffen, in der das korrupte Gotham gleichermaßen existiert, man sich aber dennoch als Zuschauer wohl fühlt während der Sichtung. Burton weiß eben, wie man einen Unterhaltungsfilm aufzieht. Besonders schön ist, dass er die Unterhaltung häufig durch Humor erreicht, was sich durch den Joker ja schließlich auch anbot. Die Spannung in "Batman" ist keine nervenzerfetzende, es ist eher leichte Unterhaltung, die dafür aber schwungvoll und witzig erzählt wird. Grade in den Actionszenen, die sehr elegant, aber eben durch die Gadgets des Helden (besonders im Finale) auch recht abgedreht daherkommen, ist der Humor das ironische Augenzwinkern, das dem Zuschauer den Zugang zu dieser "Comicwelt" deutlich erleichtert.
Wer die Vorlagen kennt, könnte von "Batman" zwar ursprünglich mehr erwartet haben, als eine Gut-Böse-Konstellation als Aufhänger, doch kommen am Rande von Burtons Spektakel, dass sich übrigens nie im Gigantismus verliert, viele Facetten der Charaktere durchaus zum Vorschein. Die bereits erwähnte Zweipoligkeit der Hauptfigur wird schön aufgezeigt, ohne, dass man zu tief ginge und damit vom Thema abweiche und besonders in Nicholsons Joker Rolle finden sich viele angedeutete Möglichkeiten für eine tiefere Beschäftigung mit den Motiven, die Burton aber bewusst ungenutzt lässt, aber für die Fans immerhin in vereinfachter Form beinhaltet. Was sein Film dafür nicht beinhaltet, ist eine wirkliche Einordnung in die Zeit. Gotham existiert einfach irgendwann. Natürlich kommen moderne Waffen und ähnliches vor, doch der Kleidungsstil und die Setgestaltungen lassen auf kein Jahrzehnt schließen, sodass "Batman" optisch zeitlos funktioniert, inhaltlich unterstützt davon, dass die Geschichte eher durch die Charaktere, als durch die Ereignisse lebt. Was aber auch für eine enorme Schwäche sorgt: die späte Wendung rund um Jokers und Waynes gemeinsame Vergangenheit ist nicht nur unnötig an den Haaren herbeigezogen, sondern auch ein vergeblicher Versuch Burtons, dass Finale mit einer zusätzlichen dramatischen Komponente zu versehen, was jedoch durch die viel zu späte und dafür im Kern zu absurde Wendung nicht erreicht werden kann. Das ist besonders deshalb schade, weil die Hintergrundgeschichte Bruce Waynes umso besser funktioniert hätte, wenn sie für sich gestanden hätte, durch ihre Involvierung in die Haupthandlung wirkt dieses Kapitel dann allerdings am Ende beinahe abgeschlossen, was den Charakter Batman aber entkräften würde. Zwar bemüht sich Burton, eine gewisse Metapher im gegenseitigen Erschaffen von gut und böse einzubringen, die aber nur schwach über den müden Twist hinwegtrösten kann.
Fazit: "Batman" ist nicht nur in den Comics eine interessante Figur, sondern präsentiert sich auch in seinem ersten Leinwandauftritt als potenziell vielversprechender Franchise-Protagonist. Burtons zeitlose und stilsichere Regie verleiht der Geschichte gleichzeitig etwas altmodisches, aber auch frisches, sodass der Film auch in vielen Jahren einen Großteil seines Charmes nicht verloren haben wird. Kleine Schwächen wie die schwache Liebesgeschichte und der unnötige Twist sind da nur kleine Schönheitsfehler in einem ansonsten unterhaltsamen und - vor allem - flüssig erzählten Märchenfilm für Jung und Alt.
Er ist einer der größten Helden der Filmgeschichte. Was ihn auszeichnet? Natürlich sein fabelhafter Sinn für einen ausgefallenen Kleidungsstil. Sein guter Geschmack im Punkto Frauen. Seine unglaublichen Fähigkeiten im Nahkampf. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Seine übernatürlichen technischen Spielzeuge. Und sein Fledermaus-Kostüm. Moment, was? In diesem Fall ist die Rede eben nicht von Geheimagent James Bond, sondern von einem seiner ebenbürtigsten Konkurrenten im Blockbuster-Bereich: Batman. Auf einer Comicreihe von Zeichner Bob Kane basierend, machte sich Regisseur Tim Burton 1989 daran, mit "Batman" einen Helden in die Kinos zu bringen, der sich in seiner Extravaganz perfekt für die große Leinwand eignet.
Dabei spielt Burton sehr geschickt mit seinen Charakteren, wobei hier drei zentral im Vordergrund stehen. Da wäre natürlich einmal Michael Keaton, der in seiner Doppelrolle als Milliardär Bruce Wayne und als maskierter Rächer enorme Wandlungsfähigkeiten unter Beweis stellen muss. Besonders als Bruce Wayne gelingt es ihm dabei sehr gut, durch sein schüchternes Auftreten, dass so gar nicht zu einem Superhelden passen will, einen Kontrast der beiden Persönlichkeiten wirken zu lassen, sodass die leichte Schizophrenie des Protagonisten immer wieder leise thematisiert wird. Doch da der Held, grade ein eher schweigsamer, meist nur so gut wie der Bösewicht funktioniert, liegt natürlich großes Augenmerk auf Jack Nicholson, der erst als Mafiagangster Jack Napier auftritt, dann aber relativ früh seine Verwandlung zum wahnsinnigen Psychpathen-Clown Joker vollzieht. Und Nicholson füllt diese Rolle hervorragend mit Leben. Grade der Joker, der ob seiner puren Abgedrehtheit eine schmale Gradwanderung ist, interpretiert er perfekt und ohne ein zu übertriebenes Maß an Overacting. Kim Basinger ist in ihrer Rolle als Reporterin Vicki Vale leider nur optisches Beiwerk und ihre Liebesgeschichte mit Bruce Standardware. Genauso ist es auch schade, dass andere potenziell interessante Rollen wie Harvey Dent alias Billy Dee Williams oder James Gordon alias Pat Hingle nicht genug Screentime erhalten, um einen größeren Eindruck zu hinterlassen.
Wenn man aber von der wirklich belanglosen Prozedur zwischen Bruce und Vicki mal absieht, ist die Geschichte in Burtons "Batman" zwar denkbar einfach, wird aber ungemein packend erzählt. Wie Burton den Helden in einer stilvollen Passage einführt und dann im zunehmenden Verlauf immer mehr auf den Charakter Batmans blickt, meist aus der Sicht von anderen heraus, ist toll gemacht und charmant erzählt. Stil und Charme stehen ohnehin ganz groß in "Batman". Burtons Film hat die Aura eines Märchens für ein erwachsenes Publikum, es ist eine Stilrichtung, die sich irgendwo zwischen einem Comicheft und einem Gothic-Festival versammelt, einem Trend, dem auch Danny Elfmans pompöser Soundtrack größenteils folgt. Was ihm dabei grandios gelingt ist sicherlich, eine Atmosphäre zu schaffen, in der das korrupte Gotham gleichermaßen existiert, man sich aber dennoch als Zuschauer wohl fühlt während der Sichtung. Burton weiß eben, wie man einen Unterhaltungsfilm aufzieht. Besonders schön ist, dass er die Unterhaltung häufig durch Humor erreicht, was sich durch den Joker ja schließlich auch anbot. Die Spannung in "Batman" ist keine nervenzerfetzende, es ist eher leichte Unterhaltung, die dafür aber schwungvoll und witzig erzählt wird. Grade in den Actionszenen, die sehr elegant, aber eben durch die Gadgets des Helden (besonders im Finale) auch recht abgedreht daherkommen, ist der Humor das ironische Augenzwinkern, das dem Zuschauer den Zugang zu dieser "Comicwelt" deutlich erleichtert.
Wer die Vorlagen kennt, könnte von "Batman" zwar ursprünglich mehr erwartet haben, als eine Gut-Böse-Konstellation als Aufhänger, doch kommen am Rande von Burtons Spektakel, dass sich übrigens nie im Gigantismus verliert, viele Facetten der Charaktere durchaus zum Vorschein. Die bereits erwähnte Zweipoligkeit der Hauptfigur wird schön aufgezeigt, ohne, dass man zu tief ginge und damit vom Thema abweiche und besonders in Nicholsons Joker Rolle finden sich viele angedeutete Möglichkeiten für eine tiefere Beschäftigung mit den Motiven, die Burton aber bewusst ungenutzt lässt, aber für die Fans immerhin in vereinfachter Form beinhaltet. Was sein Film dafür nicht beinhaltet, ist eine wirkliche Einordnung in die Zeit. Gotham existiert einfach irgendwann. Natürlich kommen moderne Waffen und ähnliches vor, doch der Kleidungsstil und die Setgestaltungen lassen auf kein Jahrzehnt schließen, sodass "Batman" optisch zeitlos funktioniert, inhaltlich unterstützt davon, dass die Geschichte eher durch die Charaktere, als durch die Ereignisse lebt. Was aber auch für eine enorme Schwäche sorgt: die späte Wendung rund um Jokers und Waynes gemeinsame Vergangenheit ist nicht nur unnötig an den Haaren herbeigezogen, sondern auch ein vergeblicher Versuch Burtons, dass Finale mit einer zusätzlichen dramatischen Komponente zu versehen, was jedoch durch die viel zu späte und dafür im Kern zu absurde Wendung nicht erreicht werden kann. Das ist besonders deshalb schade, weil die Hintergrundgeschichte Bruce Waynes umso besser funktioniert hätte, wenn sie für sich gestanden hätte, durch ihre Involvierung in die Haupthandlung wirkt dieses Kapitel dann allerdings am Ende beinahe abgeschlossen, was den Charakter Batman aber entkräften würde. Zwar bemüht sich Burton, eine gewisse Metapher im gegenseitigen Erschaffen von gut und böse einzubringen, die aber nur schwach über den müden Twist hinwegtrösten kann.
Fazit: "Batman" ist nicht nur in den Comics eine interessante Figur, sondern präsentiert sich auch in seinem ersten Leinwandauftritt als potenziell vielversprechender Franchise-Protagonist. Burtons zeitlose und stilsichere Regie verleiht der Geschichte gleichzeitig etwas altmodisches, aber auch frisches, sodass der Film auch in vielen Jahren einen Großteil seines Charmes nicht verloren haben wird. Kleine Schwächen wie die schwache Liebesgeschichte und der unnötige Twist sind da nur kleine Schönheitsfehler in einem ansonsten unterhaltsamen und - vor allem - flüssig erzählten Märchenfilm für Jung und Alt.
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