Filmtagebuch: Wallnuss
Moderator: SFI
(500) Days of Summer
Rätsel: Welcher Film handelt von einem hoffnungslosen Romantiker, der sich in Los Angeles in die geheimnisvolle neue Fremde verliebt, sie irgendwann verliert und zurückerobern will? Okay, hört auf aufzuzählen. Tatsächlich gibt es wohl kaum ein Handlungsgerüst, dass langweiliger und vorhersehbarer ist, als das der klassischen romantischen Komödie (selbst das ausgelutschte "Teenager feiern Party in Blockhütte"-Horrorszenario wirkt dagegen oft noch unverbraucht). So ist es auch kaum verwunderlich, dass große Teile des Publikums schon automatisch die Augen verdrehen, wenn die nächste Ausgabe dieses Genres das Licht der Welt erblickt. Manchmal braucht man daher erst einen Regieneuling aus dem Musikvideo-Business, um frischen Wind und einen Hauch Innovation in die aufgestaute Langeweile zu bringen. So geschehen unter dem Kommando von Marc Webb bei "(500) Days of Summer".
Das Drehbuch selbst mag auf den ersten Blick nicht die Stärke der Produktion sein, verläuft es doch nach eben jenem Schema, welches jeder geregelte Kinogänger gebetsartig aufsagen kann. Erst nach und nach entlarvt Webb seinen Film als etwas geschickter, klüger. Bereits die anfängliche Ankündigung einer Erzählstimme, es handle sich bei dem folgenden Film nicht um eine Liebesgeschichte, wird den ein oder anderen Zuschauer irritieren. Und diese leichte Unsicherheit wächst stetig weiter, sobald Webb beginnt, die Chronologie seines Filmes auf den Kopf zu stellen. Immer durch die Zahl des aktuellen Tages (1-500, also die 500 Tage, über die sich die Erzählung des Filmes erschreckt) eingeleitet, springt er wild vor und zurück, erlaubt uns immer wieder einen Blick auf die drohende Zukunft der bevorstehenden Trennung, um uns dann wieder in der Sicherheit der anfänglich noch idyllischen Romanze zu wiegen. Ganz grandios der Moment, als der Protagonist nach der ersten gemeinsamen Nacht mit seiner Herzensdame in einer flotten und unerwarteten Musicaleinlage durch die Straßen von Los Angeles tanzt und die ganze Stadt mit seiner guten Laune ansteckt, bis zu dem Moment, an dem Webb einen Zeitsprung 300 Tage in die Zukunft macht und wir denselben lebensfrohen Kerl plötzlich als depressives Wrack nach seiner Trennung sehen. Natürlich nutzt sich dieses ständige Hin und Her im Verlauf der 95 Minuten irgendwann ab, doch ist es als Stilmittel lange Zeit effektiv genug, um "(500) Days of Summer" gekonnt von seiner Genrekonkurrenz abzuheben.
Ebenfalls eine Besonderheit neben der unchronologischen Szenenfolge ist der Realismusgehalt der Geschehnisse. Erinnern die meisten Romantic Comedys oft an moderne Märchen für frisch verliebte Pärchen, ist "(500) Days of Summer" zwar nicht komplett frei von jeglichen Klischees, doch entwickelt sich die Beziehung der beiden Hauptfiguren nach den ersten Annäherungen nicht selten in eine Richtung, die man nicht immer unbedingt erwartet, die aber durchaus griffig erscheint, weil vieles wie aus dem Leben gegriffen wirkt und (trotz einiger gekünstelter Exemplare) viele Dialoge angenehm kitschfrei verlaufen. Zum Realismus trägt auch das enorm nuancierte Spiel von Joseph Gordon-Levitt bei, der als Tom Dreh- und Angelpunkt der Erzählung und in jeder einzelnen Szene anwesend ist, gefühlt gibt es keine Einstellung, in der ich nicht im Bild zu sein scheint. Gordon-Levitts Minenspiel bleibt dabei fast immer auf simple Gefühlsregungen reduziert, die er allerdings durch eine schön differenzierte Sprechweise authentisch rüberzubringen weiß. Seine Spielpartnerin Zooey Deschanel kann als (nicht nur sexuell) emanzipierte titelgebende Summer schauspielerisch ebenfalls überzeugen und gibt gekonnt das Mysterium Frau in einer Person zusammengefasst, bekommt aber enttäuschend wenig zu tun und wirkt am Ende leider etwas verschenkt. In weiteren Nebenrollen tummeln sich bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen, wie etwa Matthew Gray Gubler oder Clark Gregg (Agent Coulson im "Marvel Cinematic Universe"), die allesamt einen passablen Job machen.
Passend zur kitschfreien Attitüde der Handlung erlaubt sich Webb mehrere inszenatorische Besonderheiten, wobei vor allem eine herausragende Szene gefällt, in der Tom von Summer auf eine Party eingeladen wird. Durch einen Split Screen zeigt uns Webb auf der linken Seite die romantischen Erwartungen Toms, während rechts der tatsächliche Ablauf der Party gezeigt wird, sodass die Enttäuschung Toms für den Betrachter nachvollziehbar wird, aber gleichzeitig die Szene auch eine gewisse Komik beinhaltet. Genau diese Balance zwischen Drama und Humor hält Webb souverän in der Hand, verlässt sich hier aber dann doch etwas oft auf Klischees und Standards, was allerdings dennoch die meiste Zeit funktioniert. Schade ist ein wenig, dass Webbs Hintergründe als Musikvideo-Regisseur ihn an einigen Stellen einzuholen scheinen. Während das Protrait der Stadt Los Angeles, welches er zeichnet, zu überraschen weiß und man zurecht sagen kann, dass die Stadt der Engel selten so unglamourös gezeigt wurde, fällt der Musikeinsatz durch seinen dicken Kitsch, den man eher in den konventionellen Genreablegern vermuten würde, schwer negativ ins Gewicht. Allgemein ist der Score von Mychael Danna und Rob Simonsen an manchen Stellen zu dick aufgetragen, doch Songs von Simon & Garfunkel oder Hall & Oates erwecken eben jenen Selbstzweck-haften Eindruck, den die Regie ansonsten bei der Verwendung ihrer Stilmittel gekonnt umging. Schade.
Fazit: Wer von der Freundin stets dazu genötigt wird, sich mit ihr vor dem heimischen TV-Bildschirm durch Horden von rosafarbenen Feel-Good-Movies zu quälen, dem sei "(500) Days of Summer" unbedingt ans Herz gelegt, hat er doch durch seinen ungezwungenen Charme und seine realistische Verordnung in einer so gar nicht idealisierten Welt das Potenzial, Männer und Frauen gleichermaßen zu verzaubern. Zooey Deschanel und ganz besonders Joseph Gordon-Levitt als Hauptdarsteller finden ähnlich wie die Regie stets den richtigen Weg zwischen Romantik, Drama, Humor und einer sanften Prise Kitsch, sodass man gerne mit den beiden bis zum überraschenden Ausgang mitfiebert. Marc Webb präsentiert mit seinem Regiedebüt eine gelungene Abwechslung zum üblichen Frauenfilm-Kinoprogramm, bleibt fairerweise allerdings dann oft zu nah an Konventionen, um einen wirklichen Klassiker hinzulegen. Für einen vergnüglichen Abend reicht es aber allemal.
Rätsel: Welcher Film handelt von einem hoffnungslosen Romantiker, der sich in Los Angeles in die geheimnisvolle neue Fremde verliebt, sie irgendwann verliert und zurückerobern will? Okay, hört auf aufzuzählen. Tatsächlich gibt es wohl kaum ein Handlungsgerüst, dass langweiliger und vorhersehbarer ist, als das der klassischen romantischen Komödie (selbst das ausgelutschte "Teenager feiern Party in Blockhütte"-Horrorszenario wirkt dagegen oft noch unverbraucht). So ist es auch kaum verwunderlich, dass große Teile des Publikums schon automatisch die Augen verdrehen, wenn die nächste Ausgabe dieses Genres das Licht der Welt erblickt. Manchmal braucht man daher erst einen Regieneuling aus dem Musikvideo-Business, um frischen Wind und einen Hauch Innovation in die aufgestaute Langeweile zu bringen. So geschehen unter dem Kommando von Marc Webb bei "(500) Days of Summer".
Das Drehbuch selbst mag auf den ersten Blick nicht die Stärke der Produktion sein, verläuft es doch nach eben jenem Schema, welches jeder geregelte Kinogänger gebetsartig aufsagen kann. Erst nach und nach entlarvt Webb seinen Film als etwas geschickter, klüger. Bereits die anfängliche Ankündigung einer Erzählstimme, es handle sich bei dem folgenden Film nicht um eine Liebesgeschichte, wird den ein oder anderen Zuschauer irritieren. Und diese leichte Unsicherheit wächst stetig weiter, sobald Webb beginnt, die Chronologie seines Filmes auf den Kopf zu stellen. Immer durch die Zahl des aktuellen Tages (1-500, also die 500 Tage, über die sich die Erzählung des Filmes erschreckt) eingeleitet, springt er wild vor und zurück, erlaubt uns immer wieder einen Blick auf die drohende Zukunft der bevorstehenden Trennung, um uns dann wieder in der Sicherheit der anfänglich noch idyllischen Romanze zu wiegen. Ganz grandios der Moment, als der Protagonist nach der ersten gemeinsamen Nacht mit seiner Herzensdame in einer flotten und unerwarteten Musicaleinlage durch die Straßen von Los Angeles tanzt und die ganze Stadt mit seiner guten Laune ansteckt, bis zu dem Moment, an dem Webb einen Zeitsprung 300 Tage in die Zukunft macht und wir denselben lebensfrohen Kerl plötzlich als depressives Wrack nach seiner Trennung sehen. Natürlich nutzt sich dieses ständige Hin und Her im Verlauf der 95 Minuten irgendwann ab, doch ist es als Stilmittel lange Zeit effektiv genug, um "(500) Days of Summer" gekonnt von seiner Genrekonkurrenz abzuheben.
Ebenfalls eine Besonderheit neben der unchronologischen Szenenfolge ist der Realismusgehalt der Geschehnisse. Erinnern die meisten Romantic Comedys oft an moderne Märchen für frisch verliebte Pärchen, ist "(500) Days of Summer" zwar nicht komplett frei von jeglichen Klischees, doch entwickelt sich die Beziehung der beiden Hauptfiguren nach den ersten Annäherungen nicht selten in eine Richtung, die man nicht immer unbedingt erwartet, die aber durchaus griffig erscheint, weil vieles wie aus dem Leben gegriffen wirkt und (trotz einiger gekünstelter Exemplare) viele Dialoge angenehm kitschfrei verlaufen. Zum Realismus trägt auch das enorm nuancierte Spiel von Joseph Gordon-Levitt bei, der als Tom Dreh- und Angelpunkt der Erzählung und in jeder einzelnen Szene anwesend ist, gefühlt gibt es keine Einstellung, in der ich nicht im Bild zu sein scheint. Gordon-Levitts Minenspiel bleibt dabei fast immer auf simple Gefühlsregungen reduziert, die er allerdings durch eine schön differenzierte Sprechweise authentisch rüberzubringen weiß. Seine Spielpartnerin Zooey Deschanel kann als (nicht nur sexuell) emanzipierte titelgebende Summer schauspielerisch ebenfalls überzeugen und gibt gekonnt das Mysterium Frau in einer Person zusammengefasst, bekommt aber enttäuschend wenig zu tun und wirkt am Ende leider etwas verschenkt. In weiteren Nebenrollen tummeln sich bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen, wie etwa Matthew Gray Gubler oder Clark Gregg (Agent Coulson im "Marvel Cinematic Universe"), die allesamt einen passablen Job machen.
Passend zur kitschfreien Attitüde der Handlung erlaubt sich Webb mehrere inszenatorische Besonderheiten, wobei vor allem eine herausragende Szene gefällt, in der Tom von Summer auf eine Party eingeladen wird. Durch einen Split Screen zeigt uns Webb auf der linken Seite die romantischen Erwartungen Toms, während rechts der tatsächliche Ablauf der Party gezeigt wird, sodass die Enttäuschung Toms für den Betrachter nachvollziehbar wird, aber gleichzeitig die Szene auch eine gewisse Komik beinhaltet. Genau diese Balance zwischen Drama und Humor hält Webb souverän in der Hand, verlässt sich hier aber dann doch etwas oft auf Klischees und Standards, was allerdings dennoch die meiste Zeit funktioniert. Schade ist ein wenig, dass Webbs Hintergründe als Musikvideo-Regisseur ihn an einigen Stellen einzuholen scheinen. Während das Protrait der Stadt Los Angeles, welches er zeichnet, zu überraschen weiß und man zurecht sagen kann, dass die Stadt der Engel selten so unglamourös gezeigt wurde, fällt der Musikeinsatz durch seinen dicken Kitsch, den man eher in den konventionellen Genreablegern vermuten würde, schwer negativ ins Gewicht. Allgemein ist der Score von Mychael Danna und Rob Simonsen an manchen Stellen zu dick aufgetragen, doch Songs von Simon & Garfunkel oder Hall & Oates erwecken eben jenen Selbstzweck-haften Eindruck, den die Regie ansonsten bei der Verwendung ihrer Stilmittel gekonnt umging. Schade.
Fazit: Wer von der Freundin stets dazu genötigt wird, sich mit ihr vor dem heimischen TV-Bildschirm durch Horden von rosafarbenen Feel-Good-Movies zu quälen, dem sei "(500) Days of Summer" unbedingt ans Herz gelegt, hat er doch durch seinen ungezwungenen Charme und seine realistische Verordnung in einer so gar nicht idealisierten Welt das Potenzial, Männer und Frauen gleichermaßen zu verzaubern. Zooey Deschanel und ganz besonders Joseph Gordon-Levitt als Hauptdarsteller finden ähnlich wie die Regie stets den richtigen Weg zwischen Romantik, Drama, Humor und einer sanften Prise Kitsch, sodass man gerne mit den beiden bis zum überraschenden Ausgang mitfiebert. Marc Webb präsentiert mit seinem Regiedebüt eine gelungene Abwechslung zum üblichen Frauenfilm-Kinoprogramm, bleibt fairerweise allerdings dann oft zu nah an Konventionen, um einen wirklichen Klassiker hinzulegen. Für einen vergnüglichen Abend reicht es aber allemal.
Wohlwollende Bewertung... es ist ja bald Weihnachten!
Planet der Affen (2001)
Mit einem kleinen leisen Scherz beginnt Tim Burton das, was im Vorfeld bereits wie ein Scherz klang. "Planet der Affen", jenes als Sci-Fi-Abenteuer getarnte politische Plädoyer für Toleranz und Tierschutz von Franklin J. Schaffner aus dem Jahre 1968, sollte kurz nach der Jahrtausendwende eine filmische Neuinterpretation erfahren. Über die Notwendigkeit einer solchen kann man sich selbstverständlich trefflich streiten, war das 60er Jahre Original zwar kein rundum gelungener Film, ist in seiner Moral und seinen angesprochenen Thematiken aber heute noch top aktuell und bedarf inhaltlich daher eigentlich keiner Erneuerung. Das Publikum von der Relevanz seiner Neuverfilmung überzeugen wollend leitet der bizarre Filmkünstler Burton den neuen "Planet der Affen" mit einem solchen Affen ein, der mit einem Raumschiff auf einen der Erde nicht unähnlichen Planeten abzustürzen droht. Natürlich entpuppt sich das ganze nur als Simulation auf einer von Menschen geleiteten Raumstation - nicht die einzige Überraschung in den folgenden 2 Stunden.
Das Remake zu "Planet der Affen", welches Jahre lang in Hollywood rumgereicht wurde und zig Planungsphasen durchlief, ist in seinem Handlungsverlauf natürlich immer noch klar als Nachfahre des legendär-gewordenen Originals auszumachen. Doch wirkt die Neuauflage beinahe so, als habe weder das Studio noch Burton als Regisseur die Klasse des Vorbildes überhaupt verstanden. Zurecht mag Schaffners Film für seine beeindruckenden Effekte, Sets und besonders für die von John Chambers kreierten Affen-Masken berühmt geworden sein, doch noch mehr war man als Zuschauer von der faszinierenden Parabel beeindruckt, die der Film konstruierte und die optischen Raffinessen dienten nur als Rahmen für die Geschichte, machten das Geschehen authentisch. Burtons Version dreht den Spieß um. Inhaltlich hat er dem Original nichts neues hinzuzufügen, spart an vielen Stellen sogar Leitmotive Schaffners ein und ersetzt ausgelassenes allzu gerne durch Actionszenen, in welchem CGI-Effekte und Affenkostüme im Vordergrund stehen. Überzeugen kann dies auf den ersten Blick rein visuell garantiert, die Weltraumeffekte sind ordentlich und die Kostüme ein Augenschmaus an Realismus und dennoch stets vorhandener Fiktion. Wenngleich es ein wenig ulkig erscheint, dass verglichen mit den 33 Jahre älteren Masken aus Schaffners Film eigentlich gar nicht so gravierende Unterschiede auszumachen sind.
Burtons Film sieht also zwar richtig gut aus, doch mangelt es ihm fortwährend an Substanz und Spannung. Darauf, anfangs den Protagonisten erst einmal den fremden Planeten erkunden zu lassen, hat Burton keine Lust, möglichst früh will er seine Affen und seine aufwendigen Affenstadt-Sets präsentieren. Das ist durch das hohe Tempo sicher auch längere Zeit ganz interessant und Helena Bonham Carter als Menschensympathisantin und Tim Roth als verrückt abgedrehter Millitärgeneral geben unter den Masken eine wirklich tolle mimische (und stimmliche!) Performance, aber schnell fällt auf, dass Burtons gesamtes Konzept leider zu redundant ist, um wirklich mitzureißen. Eine maßgebliche Änderung (hier können nun nicht nur die Affen, sondern auch die Menschen sprechen) macht den Rollentausch sehr früh beinahe hinfällig, die im Original vielsagende Struktur der Affengesellschaft ist nur noch im Detail erkennbar und trotz der Tatsache, dass sich der Verlauf der Handlung mehr an die literarische Vorlage von Pierre Boule hält als sein Vorgänger, kann Burton nicht verstecken, dass all seine Figuren oberflächlich und Abziehbild-artig gestaltet sind. Zwar versucht er immer wieder, ihnen (und der satirischen Grundhaltung der Story) in einzelnen Szenen ein wenig Schärfe beizumengen, doch nur manchmal gelingt das überzeugend, sodass sich gelungene und misslungene Elemente in "Planet der Affen" sehr schnell abwechseln können. Das ist schade, weil die erste Hälfte viele nette Ideen hat, weil viele Szenen eben wirklich gut funktionieren und weil Danny Elfmans aggressiver Score zwar nicht an Jerry Goldsmiths atonale Genüsse ranreicht, aber immerhin dennoch für sich stehend viele Qualitäten beinhaltet.
Öde ist Burtons Reinkarnation daher gewiss nicht so richtig. Schließlich ist man als Zuschauer auf einem seichten Niveau durchweg ins Geschehen involviert und trotz aller Vorhersehbarkeit ist durch die temporeichen Verfolgungsjagden und Kämpfe die Leinwand ständig in Bewegung, weshalb man sich nett unterhalten fühlt. Doch spätestens im letzten Drittel entgleitet der Film seinem Titel völlig. Moral, Komplexität und Aussagen spielten bis hierhin ohnehin keine große Rolle, doch wenn die Antwort auf die Frage nach der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Affe schlussendlich auf gegenseitiges Töten hinausläuft, fühlt der Fan der Vorlage sich mittelschwer verraten. Das abschließende Schlachtengetummel mag inszenatorisch zumindest handwerklich solide sein, doch unterhaltend ist das dank inhaltlicher Grundlage leider fast gar nicht mehr, wenn Burton einem allen Ernstes weiß machen will, der Mensch würde sich in diesem sozial-moralischen Dilemma nur durch den Besitz einer Schusswaffe von anderen Arten abgrenzen. Dass sich ein Mark Wahlberg als Charlton Heston Ersatz (letzterer bekommt immerhin einen Cameo) durch den Film langweilt, ist da wenig hilfreich, noch enttäuschender ist da nur, wie Burton hilflos versucht, eine ähnlich pointierte, überraschende und clevere Auflösung zu finden, wie es 1968 noch innerhalb von 3 Minuten gelang. In Kurzform: Geglückt ist es ihm nicht.
Fazit: Wirklich abstrafen kann man "Planet der Affen", zumindest wenn man ehrlich zu sich selbst ist, leider nicht. Zu lange hat man sich auf der puren Inhaltsebene ordentlich unterhalten gefühlt, denn auch wenn Burton jeden interessanten Ansatz der Handlung durch Tempo, Effekte und Action ersetzt hat, so zeigt sich hier eben, dass "Planet der Affen" als Abenteuergeschichte immerhin recht kurzweilig ist und in manchen Momenten (wie der Hinrichtung zweier Soldaten durch Roths General Thade) blitzt Burtons durch die "Batman"-Filme bekanntes Talent für schaurige Spannung auf. Und auch der unmotivierte Mark Wahlberg als Protagonist kann die tollen schauspielerischen Leistungen von Tim Roth und Helena Bonham Carter nicht vergessen machen. Doch nicht nur durch das letztlich missratene Finale bleibt am Ende ein Film in Erinnerung, den eigentlich niemand gebraucht hätte und der auch losgelöst vom Vergleichsmodell höchstens durchschnittlich funktioniert. Interessierte sollten daher lieber zum 68er Film greifen.
Mit einem kleinen leisen Scherz beginnt Tim Burton das, was im Vorfeld bereits wie ein Scherz klang. "Planet der Affen", jenes als Sci-Fi-Abenteuer getarnte politische Plädoyer für Toleranz und Tierschutz von Franklin J. Schaffner aus dem Jahre 1968, sollte kurz nach der Jahrtausendwende eine filmische Neuinterpretation erfahren. Über die Notwendigkeit einer solchen kann man sich selbstverständlich trefflich streiten, war das 60er Jahre Original zwar kein rundum gelungener Film, ist in seiner Moral und seinen angesprochenen Thematiken aber heute noch top aktuell und bedarf inhaltlich daher eigentlich keiner Erneuerung. Das Publikum von der Relevanz seiner Neuverfilmung überzeugen wollend leitet der bizarre Filmkünstler Burton den neuen "Planet der Affen" mit einem solchen Affen ein, der mit einem Raumschiff auf einen der Erde nicht unähnlichen Planeten abzustürzen droht. Natürlich entpuppt sich das ganze nur als Simulation auf einer von Menschen geleiteten Raumstation - nicht die einzige Überraschung in den folgenden 2 Stunden.
Das Remake zu "Planet der Affen", welches Jahre lang in Hollywood rumgereicht wurde und zig Planungsphasen durchlief, ist in seinem Handlungsverlauf natürlich immer noch klar als Nachfahre des legendär-gewordenen Originals auszumachen. Doch wirkt die Neuauflage beinahe so, als habe weder das Studio noch Burton als Regisseur die Klasse des Vorbildes überhaupt verstanden. Zurecht mag Schaffners Film für seine beeindruckenden Effekte, Sets und besonders für die von John Chambers kreierten Affen-Masken berühmt geworden sein, doch noch mehr war man als Zuschauer von der faszinierenden Parabel beeindruckt, die der Film konstruierte und die optischen Raffinessen dienten nur als Rahmen für die Geschichte, machten das Geschehen authentisch. Burtons Version dreht den Spieß um. Inhaltlich hat er dem Original nichts neues hinzuzufügen, spart an vielen Stellen sogar Leitmotive Schaffners ein und ersetzt ausgelassenes allzu gerne durch Actionszenen, in welchem CGI-Effekte und Affenkostüme im Vordergrund stehen. Überzeugen kann dies auf den ersten Blick rein visuell garantiert, die Weltraumeffekte sind ordentlich und die Kostüme ein Augenschmaus an Realismus und dennoch stets vorhandener Fiktion. Wenngleich es ein wenig ulkig erscheint, dass verglichen mit den 33 Jahre älteren Masken aus Schaffners Film eigentlich gar nicht so gravierende Unterschiede auszumachen sind.
Burtons Film sieht also zwar richtig gut aus, doch mangelt es ihm fortwährend an Substanz und Spannung. Darauf, anfangs den Protagonisten erst einmal den fremden Planeten erkunden zu lassen, hat Burton keine Lust, möglichst früh will er seine Affen und seine aufwendigen Affenstadt-Sets präsentieren. Das ist durch das hohe Tempo sicher auch längere Zeit ganz interessant und Helena Bonham Carter als Menschensympathisantin und Tim Roth als verrückt abgedrehter Millitärgeneral geben unter den Masken eine wirklich tolle mimische (und stimmliche!) Performance, aber schnell fällt auf, dass Burtons gesamtes Konzept leider zu redundant ist, um wirklich mitzureißen. Eine maßgebliche Änderung (hier können nun nicht nur die Affen, sondern auch die Menschen sprechen) macht den Rollentausch sehr früh beinahe hinfällig, die im Original vielsagende Struktur der Affengesellschaft ist nur noch im Detail erkennbar und trotz der Tatsache, dass sich der Verlauf der Handlung mehr an die literarische Vorlage von Pierre Boule hält als sein Vorgänger, kann Burton nicht verstecken, dass all seine Figuren oberflächlich und Abziehbild-artig gestaltet sind. Zwar versucht er immer wieder, ihnen (und der satirischen Grundhaltung der Story) in einzelnen Szenen ein wenig Schärfe beizumengen, doch nur manchmal gelingt das überzeugend, sodass sich gelungene und misslungene Elemente in "Planet der Affen" sehr schnell abwechseln können. Das ist schade, weil die erste Hälfte viele nette Ideen hat, weil viele Szenen eben wirklich gut funktionieren und weil Danny Elfmans aggressiver Score zwar nicht an Jerry Goldsmiths atonale Genüsse ranreicht, aber immerhin dennoch für sich stehend viele Qualitäten beinhaltet.
Öde ist Burtons Reinkarnation daher gewiss nicht so richtig. Schließlich ist man als Zuschauer auf einem seichten Niveau durchweg ins Geschehen involviert und trotz aller Vorhersehbarkeit ist durch die temporeichen Verfolgungsjagden und Kämpfe die Leinwand ständig in Bewegung, weshalb man sich nett unterhalten fühlt. Doch spätestens im letzten Drittel entgleitet der Film seinem Titel völlig. Moral, Komplexität und Aussagen spielten bis hierhin ohnehin keine große Rolle, doch wenn die Antwort auf die Frage nach der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Affe schlussendlich auf gegenseitiges Töten hinausläuft, fühlt der Fan der Vorlage sich mittelschwer verraten. Das abschließende Schlachtengetummel mag inszenatorisch zumindest handwerklich solide sein, doch unterhaltend ist das dank inhaltlicher Grundlage leider fast gar nicht mehr, wenn Burton einem allen Ernstes weiß machen will, der Mensch würde sich in diesem sozial-moralischen Dilemma nur durch den Besitz einer Schusswaffe von anderen Arten abgrenzen. Dass sich ein Mark Wahlberg als Charlton Heston Ersatz (letzterer bekommt immerhin einen Cameo) durch den Film langweilt, ist da wenig hilfreich, noch enttäuschender ist da nur, wie Burton hilflos versucht, eine ähnlich pointierte, überraschende und clevere Auflösung zu finden, wie es 1968 noch innerhalb von 3 Minuten gelang. In Kurzform: Geglückt ist es ihm nicht.
Fazit: Wirklich abstrafen kann man "Planet der Affen", zumindest wenn man ehrlich zu sich selbst ist, leider nicht. Zu lange hat man sich auf der puren Inhaltsebene ordentlich unterhalten gefühlt, denn auch wenn Burton jeden interessanten Ansatz der Handlung durch Tempo, Effekte und Action ersetzt hat, so zeigt sich hier eben, dass "Planet der Affen" als Abenteuergeschichte immerhin recht kurzweilig ist und in manchen Momenten (wie der Hinrichtung zweier Soldaten durch Roths General Thade) blitzt Burtons durch die "Batman"-Filme bekanntes Talent für schaurige Spannung auf. Und auch der unmotivierte Mark Wahlberg als Protagonist kann die tollen schauspielerischen Leistungen von Tim Roth und Helena Bonham Carter nicht vergessen machen. Doch nicht nur durch das letztlich missratene Finale bleibt am Ende ein Film in Erinnerung, den eigentlich niemand gebraucht hätte und der auch losgelöst vom Vergleichsmodell höchstens durchschnittlich funktioniert. Interessierte sollten daher lieber zum 68er Film greifen.
Der 90. Geburtstag oder Dinner For One
"Klassiker" - Ein Begriff, der heute nur allzu leichtfertig verwendet wird. Wann ist etwas wirklich ein Klassiker? Wie wird etwas zum Kult? Und wie lange sollte es dafür schon mindestens Bestand haben? Wie viele Generationen muss es überleben? Nun, am ehesten lässt sich der Begriff des Klassikers wohl durch eine TV-Produktion des NDRs erklären, die 1963 das erste Mal auf Sendung ging und heute den Weltrekord als "weltweit am häufigsten wiederholte Fernsehproduktion" hält. Dabei läuft dieser 18-minütige Comedysketch des britischen Komikers Freddie Frinton mit seiner Partnerin May Warton traditionell nur an einem Tag des Jahres: Dem 31. Dezember. Und das wieder und wieder und wieder... und zwar völlig zurecht! Ohne "Der 90. Geburtstag oder Dinner For One" kann sich Fernsehdeutschland das Ende eines jeden Jahres wohl nicht mehr vorstellen, was an Rezeption genügt und alles über die Zeitlosigkeit seines Humor auszusagen weiß.
Das Konzept ist denkbar einfach: Eine alte Frau aka May Warton wünscht sich zu ihrem 90. Geburtstag nichts sehnlicher als ihn mit ihren vier besten Freunden zu verbringen. Da die aber bereits alle über die Klinge gesprungen sind, muss Freddie Frinton als Butler James diese doubeln. Großzügigen Alkoholgenusses inklusive! Und so entfesseln die Akteuere und Regisseur Heinz Dunkhase eine sich immer wiederholende Spirale an Running Gags, die alle für sich Kultpotenzial haben. Das größte Lob muss dabei natürlich auch heute noch Freddie Frinton zugesprochen werden: Er trinkt und trinkt, imitiert am Anfang noch relativ ernst und auf den Punkt die vier Gäste, die nur durch seine fikitven Nachahmungen real zu werden scheinen, bis der Alkohol den Großteil seiner Performance übernimmt. Herrlich überzeichnet stellt er mit einfachsten - immer weiter ins Mark überzeichneten - Mitteln seine fortwährende Betrunkenheit dar, lallt unverständliche Laute vor sich hin und bringt sämtliche wiederholende Gags langsam immer mehr zu einem Höhepunkt, wobei sie erst in den Variationen so richtig zum brüllen einladen. Es ist ganz klar: Mit Frinton steht und fällt der ganze Sketch. Und solange er noch steht, lacht das Publikum und klatscht begeistert. Heute wie damals.
Der Tigerkopf dürfte dabei übrigens der legendärste Running Gag sein. Nach jeder Runde, die der gute James um den Tisch wandert, stolpert er wieder über einen ausgestopften Tigerkopf... bis er dann doch einmal daran vorbeirennt oder über ihn rüber hüpft (natürlich nicht, ohne dann auf dem Rückweg doch wieder darüber zu stolpern). Doch noch anderes hat sich dem jährlichen Zuschauer ins Gedächtnis gebrannt: Sir Toby, der immer noch ein zusätzliches Einschenken verlangt, Admiral Schneider, der mit seinem militärischen Zusammenhauen der Hacken den armen James später noch in arge Bedrängnisse bringt und natürlich so manche berühmt-berüchtigte Folge des Alkoholkonsumes von James: Wenn er später am Glas vorbeigreift und stattdessen aus der Blumenvase trinkt oder statt Miss Sophie aus ihrem Stuhl zu helfen ihr eben diesen unterm Hintern wegzieht, dann ist das simpelster Humor auf ganz einfachem Niveau mit ganz einfacher Umsetzung, dabei aber eben unfassbar charmant und effektiv. Die Kürze des Sketches kommt einem dabei sehr zu Gute, so zeichnet sich von Dinnergang zu Dinnergang ein klarer Spannungsbogen ab, der die Erwartungen an die Variationen für die nächste Wiederholung immer weiter anschrauben. Das alles mag keine große Kunst sein, doch es ist eben auf eine ganz direkte Art und Weise lustig, wenn man mit James gleichzeitig lachen kann und den Armen für all die Strapazen des Geburtstages auch irgendwie bedauern muss.
Abgerundet wird die ständige Wiederholung der Gags durch den im Kern des Sketches stehenden, sich ebenfalls immer wiederholenden, Dialog zwischen Miss Sophie und James: "Same procedure as last year, Miss Sophie?", fragt der gute James vor jeder weiteren Runde, was von ihr stets mit einem augenzwinkerndem "Same procedure as every year, James." quittiert wird. Und so, wie dieser kurze Schlagabtausch (der folgerichtig in der letzten Minute ebenfalls einen ungeahnten Höhepunkt erreicht) selbstreflektierend das eigene Gagkonzept und bei heutiger Betrachtung auch die ständige Wiederholung des Kurzfilmes an Silvester widerspiegelt, ist er auch ironischerweise sicher nicht zuletzt der Grund für das Zusammengehörigkeitsgefühl, dass diesen Sketch für viele untrennbar mit Silvester werden lässt: Die Gewissheit, dass das nächste Jahr zwar neues bieten wird, aber manches sich eben niemals ändert. Entpuppt sich der jährliche Zuschauer also selbst als eine Miss Sophie, die trotz aller Änderungen sich einmal im Jahr zumindest ein Wiedersehen mit ihren besten Freunden wünscht... selbst, wenn diese längst Vergangenheit sind? Und tut "Dinner For One" als Film selbst dann für uns Zuschauer nichts anderes als James für Sophie und ermöglicht uns diesen Wunsch nach Beständigkeit, wenn auch nur für 18 Minuten? "I'll do my very best", sagt James und damit schließt der Sketch und - womöglich - auch das Vorhaben der kurzen Gag-Odyssee.
Fazit: Was "Der 90. Geburtstag oder Dinner For One" für einen selbst bedeutet, wird jeder einzelne für sich wissen oder noch herauskristallisieren. Und wenn man dabei nur zu dem Schluss kommen sollte, dass man mit dem Humor und der Tradition hinter diesem Sketch nichts anzufangen weiß, dann ist dies selbstverständlich ganz genauso in Ordnung. Am Ende ist es ja doch Geschmackssache und das Ende eines Jahres sollte von jedem so gefeiert oder nicht gefeiert werden, wie er es für richtig hält. Doch was "Dinner For One" so auszeichnet, ist nicht seine gewaltige Humorqualität (über die man schließlich streiten kann), sondern etwas ganz anderes. Während der eine Teil der Menschheit am 31. Dezember zurückblickt auf das was war und der andere Prognosen stellt für das, was sein wird, ist da eben immer die ruhige Gewissheit im Hintergrund, dass zumindest "Dinner For One" wie das Amen in der Kirche immer da war und immer da sein wird und zumindest für kurze Zeit die ganze Familie (mehr oder weniger freiwillig) vor der Flimmerkiste versammelt, bevor das große Geböllere losgeht. Und wie Miss Sophie ganz offensichtlich begriffen hat, geht es eben nicht um die großen Feierlichkeiten, um ein ausgefallenes Essen, um viel Tamtamm oder um einen guten Alkohol an einem solchen Tag. Es geht darum, ihn mit den Menschen zu verbringen, die man gerne um sich haben möchte. Völlig irrelevant, welche Hindernisse sich dort einem bieten.
Einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr euch allen! :)
"Klassiker" - Ein Begriff, der heute nur allzu leichtfertig verwendet wird. Wann ist etwas wirklich ein Klassiker? Wie wird etwas zum Kult? Und wie lange sollte es dafür schon mindestens Bestand haben? Wie viele Generationen muss es überleben? Nun, am ehesten lässt sich der Begriff des Klassikers wohl durch eine TV-Produktion des NDRs erklären, die 1963 das erste Mal auf Sendung ging und heute den Weltrekord als "weltweit am häufigsten wiederholte Fernsehproduktion" hält. Dabei läuft dieser 18-minütige Comedysketch des britischen Komikers Freddie Frinton mit seiner Partnerin May Warton traditionell nur an einem Tag des Jahres: Dem 31. Dezember. Und das wieder und wieder und wieder... und zwar völlig zurecht! Ohne "Der 90. Geburtstag oder Dinner For One" kann sich Fernsehdeutschland das Ende eines jeden Jahres wohl nicht mehr vorstellen, was an Rezeption genügt und alles über die Zeitlosigkeit seines Humor auszusagen weiß.
Das Konzept ist denkbar einfach: Eine alte Frau aka May Warton wünscht sich zu ihrem 90. Geburtstag nichts sehnlicher als ihn mit ihren vier besten Freunden zu verbringen. Da die aber bereits alle über die Klinge gesprungen sind, muss Freddie Frinton als Butler James diese doubeln. Großzügigen Alkoholgenusses inklusive! Und so entfesseln die Akteuere und Regisseur Heinz Dunkhase eine sich immer wiederholende Spirale an Running Gags, die alle für sich Kultpotenzial haben. Das größte Lob muss dabei natürlich auch heute noch Freddie Frinton zugesprochen werden: Er trinkt und trinkt, imitiert am Anfang noch relativ ernst und auf den Punkt die vier Gäste, die nur durch seine fikitven Nachahmungen real zu werden scheinen, bis der Alkohol den Großteil seiner Performance übernimmt. Herrlich überzeichnet stellt er mit einfachsten - immer weiter ins Mark überzeichneten - Mitteln seine fortwährende Betrunkenheit dar, lallt unverständliche Laute vor sich hin und bringt sämtliche wiederholende Gags langsam immer mehr zu einem Höhepunkt, wobei sie erst in den Variationen so richtig zum brüllen einladen. Es ist ganz klar: Mit Frinton steht und fällt der ganze Sketch. Und solange er noch steht, lacht das Publikum und klatscht begeistert. Heute wie damals.
Der Tigerkopf dürfte dabei übrigens der legendärste Running Gag sein. Nach jeder Runde, die der gute James um den Tisch wandert, stolpert er wieder über einen ausgestopften Tigerkopf... bis er dann doch einmal daran vorbeirennt oder über ihn rüber hüpft (natürlich nicht, ohne dann auf dem Rückweg doch wieder darüber zu stolpern). Doch noch anderes hat sich dem jährlichen Zuschauer ins Gedächtnis gebrannt: Sir Toby, der immer noch ein zusätzliches Einschenken verlangt, Admiral Schneider, der mit seinem militärischen Zusammenhauen der Hacken den armen James später noch in arge Bedrängnisse bringt und natürlich so manche berühmt-berüchtigte Folge des Alkoholkonsumes von James: Wenn er später am Glas vorbeigreift und stattdessen aus der Blumenvase trinkt oder statt Miss Sophie aus ihrem Stuhl zu helfen ihr eben diesen unterm Hintern wegzieht, dann ist das simpelster Humor auf ganz einfachem Niveau mit ganz einfacher Umsetzung, dabei aber eben unfassbar charmant und effektiv. Die Kürze des Sketches kommt einem dabei sehr zu Gute, so zeichnet sich von Dinnergang zu Dinnergang ein klarer Spannungsbogen ab, der die Erwartungen an die Variationen für die nächste Wiederholung immer weiter anschrauben. Das alles mag keine große Kunst sein, doch es ist eben auf eine ganz direkte Art und Weise lustig, wenn man mit James gleichzeitig lachen kann und den Armen für all die Strapazen des Geburtstages auch irgendwie bedauern muss.
Abgerundet wird die ständige Wiederholung der Gags durch den im Kern des Sketches stehenden, sich ebenfalls immer wiederholenden, Dialog zwischen Miss Sophie und James: "Same procedure as last year, Miss Sophie?", fragt der gute James vor jeder weiteren Runde, was von ihr stets mit einem augenzwinkerndem "Same procedure as every year, James." quittiert wird. Und so, wie dieser kurze Schlagabtausch (der folgerichtig in der letzten Minute ebenfalls einen ungeahnten Höhepunkt erreicht) selbstreflektierend das eigene Gagkonzept und bei heutiger Betrachtung auch die ständige Wiederholung des Kurzfilmes an Silvester widerspiegelt, ist er auch ironischerweise sicher nicht zuletzt der Grund für das Zusammengehörigkeitsgefühl, dass diesen Sketch für viele untrennbar mit Silvester werden lässt: Die Gewissheit, dass das nächste Jahr zwar neues bieten wird, aber manches sich eben niemals ändert. Entpuppt sich der jährliche Zuschauer also selbst als eine Miss Sophie, die trotz aller Änderungen sich einmal im Jahr zumindest ein Wiedersehen mit ihren besten Freunden wünscht... selbst, wenn diese längst Vergangenheit sind? Und tut "Dinner For One" als Film selbst dann für uns Zuschauer nichts anderes als James für Sophie und ermöglicht uns diesen Wunsch nach Beständigkeit, wenn auch nur für 18 Minuten? "I'll do my very best", sagt James und damit schließt der Sketch und - womöglich - auch das Vorhaben der kurzen Gag-Odyssee.
Fazit: Was "Der 90. Geburtstag oder Dinner For One" für einen selbst bedeutet, wird jeder einzelne für sich wissen oder noch herauskristallisieren. Und wenn man dabei nur zu dem Schluss kommen sollte, dass man mit dem Humor und der Tradition hinter diesem Sketch nichts anzufangen weiß, dann ist dies selbstverständlich ganz genauso in Ordnung. Am Ende ist es ja doch Geschmackssache und das Ende eines Jahres sollte von jedem so gefeiert oder nicht gefeiert werden, wie er es für richtig hält. Doch was "Dinner For One" so auszeichnet, ist nicht seine gewaltige Humorqualität (über die man schließlich streiten kann), sondern etwas ganz anderes. Während der eine Teil der Menschheit am 31. Dezember zurückblickt auf das was war und der andere Prognosen stellt für das, was sein wird, ist da eben immer die ruhige Gewissheit im Hintergrund, dass zumindest "Dinner For One" wie das Amen in der Kirche immer da war und immer da sein wird und zumindest für kurze Zeit die ganze Familie (mehr oder weniger freiwillig) vor der Flimmerkiste versammelt, bevor das große Geböllere losgeht. Und wie Miss Sophie ganz offensichtlich begriffen hat, geht es eben nicht um die großen Feierlichkeiten, um ein ausgefallenes Essen, um viel Tamtamm oder um einen guten Alkohol an einem solchen Tag. Es geht darum, ihn mit den Menschen zu verbringen, die man gerne um sich haben möchte. Völlig irrelevant, welche Hindernisse sich dort einem bieten.
Einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr euch allen! :)
Robin von Loxley ist in da hood!
Robin Hood - König der Diebe
Mit historischer Genauigkeit nimmt es Regisseur Kevin Reynolds in seiner 1991er Filmversion des legendären Robin-Hood-Mythos nicht allzu genau. Doch warum sollte er auch? Wohl jedem Kind sind die Abenteuer der Bande aus dem Sherwood Forest ein Begriff und jeder kennt die Geschichten über Bruder Tuck, Lady Marian, den Sheriff von Nottingham, Little John und dem titelgebenden Bogenschützen, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Und nicht umsonst haben diese Geschichten Jahrhunderte überdauert, transportieren sie doch eben jene Werte und Ideale, nach denen wir uns auch heute noch sehnen. Dementsprechend tat Reynolds alles, um diese Eigenschaften in moderner Form einem heutigen Publikum nahezubringen. Das Ergebnis ist ein bemerkenswerter Abenteuerfilm, den fesselnde Actionszenen, sympathische Charaktere, eine rührende Liebesgeschichte und ganz viel Humor ebenso auszeichnen wie seine perfekte Besetzung.
Ganz hervorragend ist die Art und Weise, wie Reynolds sich der bekannten Geschichte annimmt und sie für sich interpretiert. Selbstverständlich orientiert sich die Regie am klassischen Gut-Böse-Szenario und an einer Gegenüberstellung zwischen der Gier nach Macht und dem heroischen Auflehnen gegen die Unterdrückung die mit dieser einhergeht. Doch mit einem leicht verspielten Touch findet er dabei äußerst geschickt einen gelungenen Mittelweg aus bedrohlichen und düsteren Tönen (besonders die ersten Szenen während des Kreuzzuges in Jerusalem oder spätere Momente im Kerker des königlichen Schlosses zeugen von einer beeindruckend-effizient erzeugten dramaturgischen Schwere) und selbstironischen Einschüben, welche die Erzählung um das nötige Maß an Leichtigkeit bereichern. Dabei ist am bemerkenswertesten, dass trotz einer relativen eindeutigen Figurenaufteilung, die manche Charaktere von vornherein als humoristische Stichwortgeber kennzeichnet, Reynolds ein paar Überraschungen im Petto hat und so selbst unscheinbarere Figuren immer wieder persönliche Momente und zwischenmenschliche Beziehungen zu gesprochen bekommen. So ist "Robin Hood" einer der Filme, der seine (obligatorische) Liebesgeschichte nicht nur dazu benötigt, eine "Jungfrau in Nöten"-Situation zu konstruieren, sondern durch einfache Gesten und rührende Dialoge ganz viel Gefühl zu verkaufen weiß, was nicht zuletzt auch Michael Kamens Score zu verdanken ist, der all jene Eigenschaften des Filmes perfekt zu untermalen weiß.
Authenzität ist letzten Endes das Zauberwort, wenn man einen Film in der Zeit des Mittelalters umsetzt. Und trotz zahlreicher Anachronismen gelingt "Robin Hood" genau dies ohne jeden Zweifel. Imposant sind die überaus aufwendigen Kulissen, schwelgend die breiten Panoramaaufnahmen des mittelalterlichen Englands und dreckig Darsteller und Kostüme. Die faulige Unterkunft einer Hexe wirkt da nicht minder zum anfassen nah wie die dichten Wälder des Sherwood Forest. Als sehr gelungen kann Reynolds Arbeit als Erzähler bezeichnet werden: Trotz einer beachtlichen Länge von 155 Minuten manövrierte er ohne jede Länge durch das Geschehen, hält den Spannungsbogen stets hoch und gleicht den Nachteil des bekannten geschichtlichen Verlaufs doch kreative Ideen aus. Toll ist, wenn die Kamera abgeschossenen Pfeilen folgt oder manche Darsteller oft direkt in die Kamera sprechen und dabei den Zuschauer anstarren, ebenfalls makellos umgesetzt sind sämtliche Stunteinlagen, die selbst im Showdown nie das Maß des Übertriebenen annehmen und so stets den Schein einer halbwegs realistischen Umsetzung wahren. Dennoch herrscht Abwechslung, ob Männer von Pferden fallen, brennend in den Abgrund stürzen, an Seilen von Baum zu Baum schwingen oder sich packende Schwertkämpfe liefern, nie hat man das Gefühl, dass sich die Elemente zu sehr wiederholen und der allzeit zündende Witz lässt den Spaß an den beliebten Abenteuereigenschaften gerade zu entflammen.
Doch ohne die Besetzung wäre dieser "Robin Hood"-Film wohl dennoch nur einer von vielen. Was soll man sagen? Bis in die kleinsten Nebenrollen ist hier jede Casting-Entscheidung goldrichtig gewesen. Allen voran natürlich Kevin Costner, der demonstrativ entspannt und lässig den Rächer der Enterbten gibt, dabei aber dennoch gerade die Entwicklung seines Charakters vom zögernden Impulsiv-Mensch zum verantwortungsbewussten Action-Helden ohne Probleme aufzeigt. An seiner Seite begeistert besonders Morgan Freeman als muslimischer Sidekick Azeem, der für die meisten lustigen Momente verantwortlich ist und schnell zum größten Sympathieträger gibt, jedoch auch die notwendige religiöse Aura auf hohem Niveau nach außen präsentiert. Michael McShane, Christian Slater (dessen Figur für einen besonders interessanten Twist sorgt) und Nicholas Brimble sind als Gefährten der Sherwood-Bande eine ungemein sympathische Truppe und Mary Elizabeth Mastrantonio ist als Lady Marian gleichermaßen entzückend wie überraschend schlagfertig. Doch die größte Sensation ist Alan Rickman als psychopathischer Sheriff von Nottingham, der dermaßen einvernehmend auftritt, dass er seinen legendären "Die Hard"-Antagonisten Hans Gruber fast in Vergessenheit geraten lässt. Alles an seinem Spiel ist exzentrisch, spektakulär und eine ganz ganz eigene Interpretation des berühmten Robin Hood Fieslings, die im Vorbeigehen schon mal aus einer Laune heraus das Weihnachtsfest abzusagen befiehlt und für sich genommen eine zweite Sichtung des "Königs der Diebe" wert ist. Und am Ende gibt sich dann ein Schauspieler sogar noch die (königliche) Ehre zu einem ganz besonderem Gastauftritt... doch um wen es sich handelt, soll hier natürlich nicht verraten werden.
Fazit: Das Überliefern eines allzu klassischischen Materials in ein modernes Zeitalter hätte im Falle Robin Hoods kaum spaßiger ausfallen können und schöpft aus den Vollen, die das Unterhaltungskino zu bieten hat. Die Männer im Saal träumen davon, den Bösewicht in die Flucht zu schlagen und die schöne Marian zu küssen, die Frauen sehnen sich nach echten Kerlen, welche sie in ihren starken Armen halten und die Kinder fürchten sich vor dem diabolischen Sheriff und lachen über die Scherze des mutigen Azeems. Mehr Abenteuer geht nicht!
Mit historischer Genauigkeit nimmt es Regisseur Kevin Reynolds in seiner 1991er Filmversion des legendären Robin-Hood-Mythos nicht allzu genau. Doch warum sollte er auch? Wohl jedem Kind sind die Abenteuer der Bande aus dem Sherwood Forest ein Begriff und jeder kennt die Geschichten über Bruder Tuck, Lady Marian, den Sheriff von Nottingham, Little John und dem titelgebenden Bogenschützen, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Und nicht umsonst haben diese Geschichten Jahrhunderte überdauert, transportieren sie doch eben jene Werte und Ideale, nach denen wir uns auch heute noch sehnen. Dementsprechend tat Reynolds alles, um diese Eigenschaften in moderner Form einem heutigen Publikum nahezubringen. Das Ergebnis ist ein bemerkenswerter Abenteuerfilm, den fesselnde Actionszenen, sympathische Charaktere, eine rührende Liebesgeschichte und ganz viel Humor ebenso auszeichnen wie seine perfekte Besetzung.
Ganz hervorragend ist die Art und Weise, wie Reynolds sich der bekannten Geschichte annimmt und sie für sich interpretiert. Selbstverständlich orientiert sich die Regie am klassischen Gut-Böse-Szenario und an einer Gegenüberstellung zwischen der Gier nach Macht und dem heroischen Auflehnen gegen die Unterdrückung die mit dieser einhergeht. Doch mit einem leicht verspielten Touch findet er dabei äußerst geschickt einen gelungenen Mittelweg aus bedrohlichen und düsteren Tönen (besonders die ersten Szenen während des Kreuzzuges in Jerusalem oder spätere Momente im Kerker des königlichen Schlosses zeugen von einer beeindruckend-effizient erzeugten dramaturgischen Schwere) und selbstironischen Einschüben, welche die Erzählung um das nötige Maß an Leichtigkeit bereichern. Dabei ist am bemerkenswertesten, dass trotz einer relativen eindeutigen Figurenaufteilung, die manche Charaktere von vornherein als humoristische Stichwortgeber kennzeichnet, Reynolds ein paar Überraschungen im Petto hat und so selbst unscheinbarere Figuren immer wieder persönliche Momente und zwischenmenschliche Beziehungen zu gesprochen bekommen. So ist "Robin Hood" einer der Filme, der seine (obligatorische) Liebesgeschichte nicht nur dazu benötigt, eine "Jungfrau in Nöten"-Situation zu konstruieren, sondern durch einfache Gesten und rührende Dialoge ganz viel Gefühl zu verkaufen weiß, was nicht zuletzt auch Michael Kamens Score zu verdanken ist, der all jene Eigenschaften des Filmes perfekt zu untermalen weiß.
Authenzität ist letzten Endes das Zauberwort, wenn man einen Film in der Zeit des Mittelalters umsetzt. Und trotz zahlreicher Anachronismen gelingt "Robin Hood" genau dies ohne jeden Zweifel. Imposant sind die überaus aufwendigen Kulissen, schwelgend die breiten Panoramaaufnahmen des mittelalterlichen Englands und dreckig Darsteller und Kostüme. Die faulige Unterkunft einer Hexe wirkt da nicht minder zum anfassen nah wie die dichten Wälder des Sherwood Forest. Als sehr gelungen kann Reynolds Arbeit als Erzähler bezeichnet werden: Trotz einer beachtlichen Länge von 155 Minuten manövrierte er ohne jede Länge durch das Geschehen, hält den Spannungsbogen stets hoch und gleicht den Nachteil des bekannten geschichtlichen Verlaufs doch kreative Ideen aus. Toll ist, wenn die Kamera abgeschossenen Pfeilen folgt oder manche Darsteller oft direkt in die Kamera sprechen und dabei den Zuschauer anstarren, ebenfalls makellos umgesetzt sind sämtliche Stunteinlagen, die selbst im Showdown nie das Maß des Übertriebenen annehmen und so stets den Schein einer halbwegs realistischen Umsetzung wahren. Dennoch herrscht Abwechslung, ob Männer von Pferden fallen, brennend in den Abgrund stürzen, an Seilen von Baum zu Baum schwingen oder sich packende Schwertkämpfe liefern, nie hat man das Gefühl, dass sich die Elemente zu sehr wiederholen und der allzeit zündende Witz lässt den Spaß an den beliebten Abenteuereigenschaften gerade zu entflammen.
Doch ohne die Besetzung wäre dieser "Robin Hood"-Film wohl dennoch nur einer von vielen. Was soll man sagen? Bis in die kleinsten Nebenrollen ist hier jede Casting-Entscheidung goldrichtig gewesen. Allen voran natürlich Kevin Costner, der demonstrativ entspannt und lässig den Rächer der Enterbten gibt, dabei aber dennoch gerade die Entwicklung seines Charakters vom zögernden Impulsiv-Mensch zum verantwortungsbewussten Action-Helden ohne Probleme aufzeigt. An seiner Seite begeistert besonders Morgan Freeman als muslimischer Sidekick Azeem, der für die meisten lustigen Momente verantwortlich ist und schnell zum größten Sympathieträger gibt, jedoch auch die notwendige religiöse Aura auf hohem Niveau nach außen präsentiert. Michael McShane, Christian Slater (dessen Figur für einen besonders interessanten Twist sorgt) und Nicholas Brimble sind als Gefährten der Sherwood-Bande eine ungemein sympathische Truppe und Mary Elizabeth Mastrantonio ist als Lady Marian gleichermaßen entzückend wie überraschend schlagfertig. Doch die größte Sensation ist Alan Rickman als psychopathischer Sheriff von Nottingham, der dermaßen einvernehmend auftritt, dass er seinen legendären "Die Hard"-Antagonisten Hans Gruber fast in Vergessenheit geraten lässt. Alles an seinem Spiel ist exzentrisch, spektakulär und eine ganz ganz eigene Interpretation des berühmten Robin Hood Fieslings, die im Vorbeigehen schon mal aus einer Laune heraus das Weihnachtsfest abzusagen befiehlt und für sich genommen eine zweite Sichtung des "Königs der Diebe" wert ist. Und am Ende gibt sich dann ein Schauspieler sogar noch die (königliche) Ehre zu einem ganz besonderem Gastauftritt... doch um wen es sich handelt, soll hier natürlich nicht verraten werden.
Fazit: Das Überliefern eines allzu klassischischen Materials in ein modernes Zeitalter hätte im Falle Robin Hoods kaum spaßiger ausfallen können und schöpft aus den Vollen, die das Unterhaltungskino zu bieten hat. Die Männer im Saal träumen davon, den Bösewicht in die Flucht zu schlagen und die schöne Marian zu küssen, die Frauen sehnen sich nach echten Kerlen, welche sie in ihren starken Armen halten und die Kinder fürchten sich vor dem diabolischen Sheriff und lachen über die Scherze des mutigen Azeems. Mehr Abenteuer geht nicht!
Ich fand den schon damals öde. Liegt aber wohl auch an dem Stoff. Die Verfilmung mit Crowe zuletzt fand ich sogar noch öder. Lediglich die Disney-Trickvariante hab ich als Kind immer und immer wieder gesehen (aber eigentlich auch nur, weil die Tante, bei der wir immer zu Besuch waren, kein anderes Video hatte).
Ich gucke Filme eigentlich immer im OT, deswegen nenne ich die "Skandal-Blu-ray" sogar mein Eigen, weil sie einfach eine noch längere Filmfassung bietet, die (in meinen Augen) durch ihre zusätzlichen Szenen mit Rickman und der Hexe den Film doch um einiges zu bereichern weiß (abgesehen davon, dass der längere Subplot so atmosphärisch mehr wirken kann, sind zusätzliche Szenen mit Rickman ja eigentlich niemals irgendwie verkehrt). :)SFI hat geschrieben:Seit dem "Synchro-Skandal" immer noch auf eine entsprechende Blu-ray wartend.
Batman Forever
Der dritte Teil der Batman-Reihe, "Batman Forever", wurde 1995 von Fans sowohl der Comicvorlagen aus auch der beiden erfolgreichen Vorgänger weltweit mit Skepsis erwartet. Regisseur Tim Burton, der den ersten beiden Filmen seinen unvergleichlichen Gothic-Stil aufgedrückt und den dunklen Ritter von Gotham City als nachdenklichen Melancholiker präsentierte, konnte kein weiteres Mal für den Regieposten gewonnen werden und mit ihm verließ auch Hauptdarsteller Michael Keaton das erfolgreiche Franchise. Auf dem Regiestuhl nahm stattdessen Joel Schumacher Platz, welcher Val Kilmer in das Fledermaus-Kostüm schlüpfen ließ. Das Ergebnis ist ein gewaltiger Gegenentwurf zu den düsteren Ansätzen Burtons, überzeugt jedoch zu jeder Zeit als aufwendig produzierte Popcorn-Unterhaltung.
Wie auch über die Jahre verschiedene Zeichner (Bob Kane, Joel Silver oder Frank Miller) ihre ganz eigenen Stile in die Comicwelt des Dark Knight einfließen ließen und das Universum somit immer wieder neu gestalteten, nimmt sich auch Schumacher die Freiheit, seine eigene Vision des Batman-Mythos auf die Leinwand zu werfen. Vorbei ist es daher mit den operettenhaften Kulissen und schaurig-theatralischen Szenen, viel eher setzt "Batman Forever" durchgehend auf knallbunte Neon-Farben und macht aus Burtons märchenhaftem Gothamer Großstadt-Albtraum eine an Tokio angelehnte Metropole, die nicht selten Cartoon-Assoziationen zu wecken scheint. Dabei ist die Ausstattung zweifelsohne eine der größten Stärken des Actionabenteuers: Nahezu jede Szene erweckt glaubhaft den Eindruck, bei "Batman Forever" handle es sich um ein verfilmtes Comicheft. Höchst beeindruckend gestaltet sich die Licht- und insbesondere Schattensetzung des Filmes, die ganz eindeutig den Stil der 70er-Jahre Batman-Comics nachahmt und dabei eine sehr eigene Atmosphäre entwickelt, die dem drittem Batman-Film eine ungeahnte Perspektive entlockt, in welche man als Zuschauer gerne eintaucht und die durch ihre bewusst in Kauf genommene Künstlichkeit (bzw. Studio-Optik) ein gewisses Alleinstellungsmerkmal ihr Eigen nennen kann. die für sich alleine Schumachers Umsetzung der Dark-Knight-Legende vom Action-Einheitsbrei gekonnt abzuheben weiß.
A propos Ausstattung: Nicole Kidman, die als Love Interest ihren Vorgängerinnen Kim Basinger und Michelle Pfeiffer optisch alle Ehre macht, wandelt einzig und allein als Männertraum auf zwei Beinen durch das Geschehen, darf aber auch ein paar scheinbar kluge Sätze zu Batmans psychische Verfassung vom Stapel lassen. Doch die darstellerische Klasse in Schumachers Film geht wie schon bei Burton von den Gegenspielern aus: Jim Carrey ist als durchgeknallter Bruce-Wayne-Fan und Rätselfreak Riddler, der mit einem modernen TV-Gerät die Gehirne aller Menschen des Erdballes anzuzapfen gedenkt, der ganz große Wurf und dermaßen abgedreht am chargieren, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzuschauen, seine Kollegen lauthals gröhlend allesamt an die Wand zu spielen. Tommy Lee Jones gibt als Gehilfte Two-Face einen nicht minder bekannten Batman-Villain ähnlich genussvoll, auch wenn es manchmal etwas suboptimal erscheint, dass auch er durchgehend im Overacting-Modus festzustecken scheint. Doch wenn er gemeinsam mit Carrey den Fledermaus-Mann durch Gotham jagt, sind den beiden alle Lacher des Publikums gewiss. Chris O'Donnell spielt derweil die tragische und ungemein sympathische Figur des Dick Grayson mit angenehm zurückhaltendem Charisma und jugendlicher Energie, während Michael Gough bereits zum dritten Mal als Butler Alfred für subtil britische Humoreinlagen sorgt. Einzig Val Kilmer erweist sich als Fehlbesetzung: Weder gelingt es ihm, die unsichere Ader des Bruce Wayne auch nur annähernd vergleichbar gelungen wie Michael Keaton zu portraitieren, noch nimmt man ihm den eiskalten Berserker auf seiner Suche nach Gerechtigkeit so richtig ab.
Immerhin: Schumachers eingeschobene Analysen des Batman-Dilemmas haben Hand und Fuß und geben dem abgehobenen Irrsinn eine erfreulich menschliche Note. Ansonsten ist festzuhalten, dass das Drehbuch selbstredend ein einziger Blödsinn ist, der nur irgendwie möglichst viele Gelegenheiten für Heldenposen und Knalleffekte bieten soll und ohne jede Überraschungen bleibt, inhaltlich also kaum in einer Liga mit dem perfekt durchdachtem "Batmans Rückkehr" spielt, die ganz großen Dummheiten aber meistens noch knapp umschiffen kann. Die Actionszenen vereinen ebenfalls alle Qualitäten und Schwächen des Filmes: So sind besonders die großen Verfolgungsjagden und so manch ausgeklügelte Falle Two-Faces ein riesiger Spaß und der Comic-Charme des Geschehens in Verbindung mit rasanten Geschwindigkeiten und lauten Explosionen entsprechen im besten Sinne den Jungenfantasien, die Batman ursprünglich einmal befriedigen sollte. Gleichzeitig sind auch der Stunteinsatz und die komplizierte Modellarbeit lobend zu erwähnen, so ist "Batman Forever" technisch ganz klar auf der Höhe seiner Zeit und an nicht wenigen Stellen erstaunlich treffsicher umgesetzt. Schade ist, dass Schumacher der Zugkraft der Robin-Figur O'Donnells noch zu wenig zutraut und sich Team-Interaktionen zwischen Helferlein und Batman selbst für einen späteren Film aufhebt, genauso wie viele Anspielungen für das Massenpublikum schon fast zu speziell sein könnten, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Nichts desto trotz: Der stets leicht infantile Charakter, der Schumachers farbprächtigem Film-Bonbon umgibt, birgt eine vorzügliche selbstironische Kraft, welche so manche Doofheit spielerisch entschuldigt und womit sich "Batman Forever" als Partyfilm geradezu empfiehlt. Wer seinen Fledermaus-Ritter lieber grüblerisch mag, ist bei Schumacher sicherlich falsch addressiert, doch Fans der lockereren Comic-Vorlagen können hier durchaus viel Vergnügen finden.
Fazit: Vergleiche mit den Burton-Filmen sind bei einer Betrachtung von "Batman Forever" wohl unweigerlich und in der Tat kann Schumachers Version trotz aller Ambitionen im optischem Bereich inszenatorisch nicht mit seinen Vorgängern mithalten. Nichts desto trotz hat auch dieser Film seine ganz eigenen Vorzüge und wer sich von den Vorstellungen einer stilistisch ähnlichen Fortsetzungen der Reihe verabschieden und auf bunten Comic-Bombast einlassen kann, wird ohne offene Wünsche befriedigt den Kinosaal verlassen. Letzten Endes kann man "Batman Forever" schließlich kaum vorwerfen, spaßiges und vor allem witziges Entertainment-Programm zu sein. Daher gilt die Empfehlung: Kühles Bier bereitstellen, Freunde einladen und einfach mal das Gehirn abschalten. Dann kann der Riddler es auch viel leichter anzapfen.
Der dritte Teil der Batman-Reihe, "Batman Forever", wurde 1995 von Fans sowohl der Comicvorlagen aus auch der beiden erfolgreichen Vorgänger weltweit mit Skepsis erwartet. Regisseur Tim Burton, der den ersten beiden Filmen seinen unvergleichlichen Gothic-Stil aufgedrückt und den dunklen Ritter von Gotham City als nachdenklichen Melancholiker präsentierte, konnte kein weiteres Mal für den Regieposten gewonnen werden und mit ihm verließ auch Hauptdarsteller Michael Keaton das erfolgreiche Franchise. Auf dem Regiestuhl nahm stattdessen Joel Schumacher Platz, welcher Val Kilmer in das Fledermaus-Kostüm schlüpfen ließ. Das Ergebnis ist ein gewaltiger Gegenentwurf zu den düsteren Ansätzen Burtons, überzeugt jedoch zu jeder Zeit als aufwendig produzierte Popcorn-Unterhaltung.
Wie auch über die Jahre verschiedene Zeichner (Bob Kane, Joel Silver oder Frank Miller) ihre ganz eigenen Stile in die Comicwelt des Dark Knight einfließen ließen und das Universum somit immer wieder neu gestalteten, nimmt sich auch Schumacher die Freiheit, seine eigene Vision des Batman-Mythos auf die Leinwand zu werfen. Vorbei ist es daher mit den operettenhaften Kulissen und schaurig-theatralischen Szenen, viel eher setzt "Batman Forever" durchgehend auf knallbunte Neon-Farben und macht aus Burtons märchenhaftem Gothamer Großstadt-Albtraum eine an Tokio angelehnte Metropole, die nicht selten Cartoon-Assoziationen zu wecken scheint. Dabei ist die Ausstattung zweifelsohne eine der größten Stärken des Actionabenteuers: Nahezu jede Szene erweckt glaubhaft den Eindruck, bei "Batman Forever" handle es sich um ein verfilmtes Comicheft. Höchst beeindruckend gestaltet sich die Licht- und insbesondere Schattensetzung des Filmes, die ganz eindeutig den Stil der 70er-Jahre Batman-Comics nachahmt und dabei eine sehr eigene Atmosphäre entwickelt, die dem drittem Batman-Film eine ungeahnte Perspektive entlockt, in welche man als Zuschauer gerne eintaucht und die durch ihre bewusst in Kauf genommene Künstlichkeit (bzw. Studio-Optik) ein gewisses Alleinstellungsmerkmal ihr Eigen nennen kann. die für sich alleine Schumachers Umsetzung der Dark-Knight-Legende vom Action-Einheitsbrei gekonnt abzuheben weiß.
A propos Ausstattung: Nicole Kidman, die als Love Interest ihren Vorgängerinnen Kim Basinger und Michelle Pfeiffer optisch alle Ehre macht, wandelt einzig und allein als Männertraum auf zwei Beinen durch das Geschehen, darf aber auch ein paar scheinbar kluge Sätze zu Batmans psychische Verfassung vom Stapel lassen. Doch die darstellerische Klasse in Schumachers Film geht wie schon bei Burton von den Gegenspielern aus: Jim Carrey ist als durchgeknallter Bruce-Wayne-Fan und Rätselfreak Riddler, der mit einem modernen TV-Gerät die Gehirne aller Menschen des Erdballes anzuzapfen gedenkt, der ganz große Wurf und dermaßen abgedreht am chargieren, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzuschauen, seine Kollegen lauthals gröhlend allesamt an die Wand zu spielen. Tommy Lee Jones gibt als Gehilfte Two-Face einen nicht minder bekannten Batman-Villain ähnlich genussvoll, auch wenn es manchmal etwas suboptimal erscheint, dass auch er durchgehend im Overacting-Modus festzustecken scheint. Doch wenn er gemeinsam mit Carrey den Fledermaus-Mann durch Gotham jagt, sind den beiden alle Lacher des Publikums gewiss. Chris O'Donnell spielt derweil die tragische und ungemein sympathische Figur des Dick Grayson mit angenehm zurückhaltendem Charisma und jugendlicher Energie, während Michael Gough bereits zum dritten Mal als Butler Alfred für subtil britische Humoreinlagen sorgt. Einzig Val Kilmer erweist sich als Fehlbesetzung: Weder gelingt es ihm, die unsichere Ader des Bruce Wayne auch nur annähernd vergleichbar gelungen wie Michael Keaton zu portraitieren, noch nimmt man ihm den eiskalten Berserker auf seiner Suche nach Gerechtigkeit so richtig ab.
Immerhin: Schumachers eingeschobene Analysen des Batman-Dilemmas haben Hand und Fuß und geben dem abgehobenen Irrsinn eine erfreulich menschliche Note. Ansonsten ist festzuhalten, dass das Drehbuch selbstredend ein einziger Blödsinn ist, der nur irgendwie möglichst viele Gelegenheiten für Heldenposen und Knalleffekte bieten soll und ohne jede Überraschungen bleibt, inhaltlich also kaum in einer Liga mit dem perfekt durchdachtem "Batmans Rückkehr" spielt, die ganz großen Dummheiten aber meistens noch knapp umschiffen kann. Die Actionszenen vereinen ebenfalls alle Qualitäten und Schwächen des Filmes: So sind besonders die großen Verfolgungsjagden und so manch ausgeklügelte Falle Two-Faces ein riesiger Spaß und der Comic-Charme des Geschehens in Verbindung mit rasanten Geschwindigkeiten und lauten Explosionen entsprechen im besten Sinne den Jungenfantasien, die Batman ursprünglich einmal befriedigen sollte. Gleichzeitig sind auch der Stunteinsatz und die komplizierte Modellarbeit lobend zu erwähnen, so ist "Batman Forever" technisch ganz klar auf der Höhe seiner Zeit und an nicht wenigen Stellen erstaunlich treffsicher umgesetzt. Schade ist, dass Schumacher der Zugkraft der Robin-Figur O'Donnells noch zu wenig zutraut und sich Team-Interaktionen zwischen Helferlein und Batman selbst für einen späteren Film aufhebt, genauso wie viele Anspielungen für das Massenpublikum schon fast zu speziell sein könnten, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Nichts desto trotz: Der stets leicht infantile Charakter, der Schumachers farbprächtigem Film-Bonbon umgibt, birgt eine vorzügliche selbstironische Kraft, welche so manche Doofheit spielerisch entschuldigt und womit sich "Batman Forever" als Partyfilm geradezu empfiehlt. Wer seinen Fledermaus-Ritter lieber grüblerisch mag, ist bei Schumacher sicherlich falsch addressiert, doch Fans der lockereren Comic-Vorlagen können hier durchaus viel Vergnügen finden.
Fazit: Vergleiche mit den Burton-Filmen sind bei einer Betrachtung von "Batman Forever" wohl unweigerlich und in der Tat kann Schumachers Version trotz aller Ambitionen im optischem Bereich inszenatorisch nicht mit seinen Vorgängern mithalten. Nichts desto trotz hat auch dieser Film seine ganz eigenen Vorzüge und wer sich von den Vorstellungen einer stilistisch ähnlichen Fortsetzungen der Reihe verabschieden und auf bunten Comic-Bombast einlassen kann, wird ohne offene Wünsche befriedigt den Kinosaal verlassen. Letzten Endes kann man "Batman Forever" schließlich kaum vorwerfen, spaßiges und vor allem witziges Entertainment-Programm zu sein. Daher gilt die Empfehlung: Kühles Bier bereitstellen, Freunde einladen und einfach mal das Gehirn abschalten. Dann kann der Riddler es auch viel leichter anzapfen.
OSS 117 - Der Spion, der sich liebte
Er ist sexy, er ist gefährlich, er ist charmant, er ist kultiviert und er ist Geheimagent im Auftrag seiner Regierung. Sein Name ist B... Bath. Hubert Bonisseur de la Bath. Ganze vier Jahre bevor der britische Schriftsteller Ian Fleming 1953 seinen Erfolgsroman "Casino Royale" veröffentlichte und damit die britische Ikone James Bond zum Leben erweckte, schuf bereits der französische Autor Jean Bruce einen Geheimagenten, der seinem berühmtem Kollegen in nichts nach steht und allein unter Bruces Feder als Protagonist in 88 Romanen seine Abenteuer erlebte. Doch die im Jahre 2006 veröffentlichte Verfilmung "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" mag zwar einige Parallelen zu Bruces Schriften aufweisen, ist im großen und ganzen dann aber doch vor allem vom ruhmreichen Idol des Nachbarlandes gezeichnet. Das Ergebnis ist nicht nur eine der lebendigsten und liebevollsten Agentenfilmparodien überhaupt, sondern auch eine Zeitreise in eine längst vergessene Epoche.
Das erste absolut begeisternswerte Element an "OSS 117" ist die Art und Weise, wie Michel Hazanavicius in Anlehnung an die Bondfilme der 60er Jahre, seinen 1955 spielenden Film stets so aussehen lässt, als wäre er tatsächlich ein Produkt dieser vergangen Zeit. Was bei den sehr liebevollen Kostümen, den einfallsreichen Sets, knalligen Farben und Oldie-Autos anfängt, bekommt aber auch filmisch seinen speziellen Reiz: Häufig setzt Hazanavicius auf ganz offensichtliche Rückprojektionen oder verwendet absichtlich schlechte Tricks, die er dann auch noch einmal ins absurde zu steigern weiß. Mit genüsslicher Treffsicherheit schafft er so einen Bezug zu den filmischen Vorbildern, der nicht nur durch die Ausstattung, sondern auch durch den Look des Filmes selbst bestimmt wird. Der von Ludovic Bource komponierte Soundtrack zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dieses Gefühl der Nostalgie und die Stimmung alter Agentenklassiker glaubhaft zu vermitteln und dennoch an den richtigen Stellen ins überdreht komische zu wechseln. So beweisen Regie und der restliche Cast hinter der Kamera bereits bei der technischen Ausführung des Films, dass sie wirklich verstanden haben, was eine Parodie auszeichnet: Eine gute Beobachtung und gekonnte Überspitzung klassischer Genrekonventionen. Selten sah man dies im Bereich der Bond-Parodien so selbstverständlich und konsequent wie hier.
Konsequenz ist eigentlich das Stichwort. Mit fast schon unerbitterlicher Gradlinigkeit verfolgen die kreativen Köpfe hinter "OSS 117" ihr Ziel, ihren Film nicht nur als amüsante Parodie, sondern auch als würdigende Hommage an die Bondfilme von Terence Young oder Guy Hamilton zu verkaufen. So ist es auch inhaltlich beeindruckend, mit wie viel Maß an Respekt und einem dennoch hervorragendem Gespür für Komik es hier gelingt, die Atmosphäre des Filmes selbst nicht zu verletzen, die Vorbilder der 60er nicht ins lächerliche zu ziehen und dennoch einen Lachanfall nach dem anderen zu provozieren. Wenn OSS 117 am Anfang im Flughafen in Kairo ankommt, ist das nicht von ungefähr praktisch 1:1 einer identischen Szene im ersten 007-Film "Dr. No" nachempfunden und wird erst dadurch komisch, dass der französische Agent das "Codewort" ("Wie ist Ihr Frikassee?") der falschen Person mitteilt. Und so geht es im folgenden immer weiter: Die Actionszenen (unter anderem eine toll choreographierte Prügelei oder eine Verfolgungsjagd durchs nächtliche Kairo) sind trotz aller Komik höchst professionell und authentisch umgesetzt, die Einfälle an humoristischen Albernheiten schier grenzenlos. Die Dialoge sind dabei besonders zu loben, bieten sie doch rein sprachlich einen hohen Bezug zu Genreklassikern, offenbaren mit geschicktem Wortwitz aber immer wieder einen hohen Grad an politisch völlig inkorrekten Witzen, die hier oft auf Kosten der muslimischen Gläubigen geht (so ist das Zusammentreffen zwischen Hubert und einem Muezzin nicht nur eine sehr mutige, sondern auch urkomische Sequenz). Wobei betont werden muss, dass die Komik fast immer daraus resultiert, dass OSS 117 selbst der fremden Kultur mit völliger Ignoranz begegnet, worin dann sogar eine feinsinnig versteckte Aussage verborgen liegt, die das bunte Treiben umso sympathischer werden lässt.
Die Kirsche auf der Sahnetorte ist dann mit zwei Wörter zusammenzufassen: Jean Dujardin! Der französische Komiker ist als selbstverliebter intoleranter Gockel nicht nur wegen seiner optischen Ähnlichkeit zu Sean Connery eine perfekte Besetzung für OSS 117, viel mehr muss man festhalten, dass seine Mimik derartig fantastisch überzogen und bis in kleinste Detail genial durchdacht ausgeführt wirkt, dass man sich an ihm nicht satt sehen kann. Mit riesiger Freude scheint er in Fettnäpfchen nur so reinzuspringen (oder mit der Betätigung eines Lichtschalters schlafenden Hühnern auf den Keks zu gehen) und wirkt oft wie ein frühpubterierendes Kind, während sich aber seine Darstellung damit auszeichnen kann, eine mehr als intelligente satirische Nachahmung der ehemaligen Macho-Kultur zu sein. Die überaus bezaubernde Bérénice Bejo als ägyptische Partner-Agentin ist darstellerisch wie äußerlich ein Augenschmaus und eine notwendige Erdung für den überdrehten Möchtegern-Superhelden, in weiteren Nebenrollen glänzen Aure Atika als schöne Prinzessin, Richard Sammel als verschlagener Neonazi und der Belgier Francois Damiens in einem extrem absurdem Kurzauftritt. Etwas schade ist allerdings, dass ob der Fülle an Nebenfiguren und Running Gags einige Witze ins Leere laufen und besonders der Mittelteil die ein oder andere Länge aufzuweisen hat, immer dann, wenn Hazanavicius die gewollt blasse Geschichte vorantreiben muss, ansonsten gibt es hier nichts zu beklagen.
Fazit: James-Bond-Parodien gibts wie Sand am Meer. Doch erfreulicherweise ist OSS 117 kein weiterer Fachidiot vom Dienst, der als einzigen Eintrag im Lebenslauf seine pure Inkompetenz in allen Bereichen aufführen könnte, sondern durch seine Verachtung für fremde Kulturen und andere Religionen (und natürlich seiner grenzenlosen Selbstvernarrtheit) ein - nicht zuletzt durch die exzellente Interpretation des Hauptdarstellers - absolut liebenswertes Arschloch, der oft die Wirkung eines Autounfalls auf das Publikum hat: irgendwie will man nicht hinsehen, aber man muss. Abgerundet durch eine höchst einfallsreiche Regie und einen wundervoll stimmigen Soundtrack wird "Der Spion, der sich liebte" so zu einer mehr als eindrucksvollen Liebeserklärung, an der man bis auf wenige Feinheiten nichts auszusetzen hat und sich allerspätestens dann vor lachen nicht mehr halten kann, wenn 117 sich bei einer Undercoveraktion plötzlich vor Publikum als Gesangstalent behaupten darf. Charmanter als ihre Majestät erlaubt!
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Zusätzliche Anmerkung: Ein großes Kompliment gilt insbesondere der deutschen Synchronisation aus der Feder von Oliver Kalkofe, der auch höchstpersönlich Dujardin übernahm. Selten sah man eine Komödie mit so viel Wertschätzung für den feinen Wortwitz und die vielen Feinheiten übersetzt und dann auch noch so nonchalant von den Sprechern interpretiert, dass man von einer nahezu gleichwertigen Version sprechen kann! Meine Hochachtung!
Er ist sexy, er ist gefährlich, er ist charmant, er ist kultiviert und er ist Geheimagent im Auftrag seiner Regierung. Sein Name ist B... Bath. Hubert Bonisseur de la Bath. Ganze vier Jahre bevor der britische Schriftsteller Ian Fleming 1953 seinen Erfolgsroman "Casino Royale" veröffentlichte und damit die britische Ikone James Bond zum Leben erweckte, schuf bereits der französische Autor Jean Bruce einen Geheimagenten, der seinem berühmtem Kollegen in nichts nach steht und allein unter Bruces Feder als Protagonist in 88 Romanen seine Abenteuer erlebte. Doch die im Jahre 2006 veröffentlichte Verfilmung "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" mag zwar einige Parallelen zu Bruces Schriften aufweisen, ist im großen und ganzen dann aber doch vor allem vom ruhmreichen Idol des Nachbarlandes gezeichnet. Das Ergebnis ist nicht nur eine der lebendigsten und liebevollsten Agentenfilmparodien überhaupt, sondern auch eine Zeitreise in eine längst vergessene Epoche.
Das erste absolut begeisternswerte Element an "OSS 117" ist die Art und Weise, wie Michel Hazanavicius in Anlehnung an die Bondfilme der 60er Jahre, seinen 1955 spielenden Film stets so aussehen lässt, als wäre er tatsächlich ein Produkt dieser vergangen Zeit. Was bei den sehr liebevollen Kostümen, den einfallsreichen Sets, knalligen Farben und Oldie-Autos anfängt, bekommt aber auch filmisch seinen speziellen Reiz: Häufig setzt Hazanavicius auf ganz offensichtliche Rückprojektionen oder verwendet absichtlich schlechte Tricks, die er dann auch noch einmal ins absurde zu steigern weiß. Mit genüsslicher Treffsicherheit schafft er so einen Bezug zu den filmischen Vorbildern, der nicht nur durch die Ausstattung, sondern auch durch den Look des Filmes selbst bestimmt wird. Der von Ludovic Bource komponierte Soundtrack zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dieses Gefühl der Nostalgie und die Stimmung alter Agentenklassiker glaubhaft zu vermitteln und dennoch an den richtigen Stellen ins überdreht komische zu wechseln. So beweisen Regie und der restliche Cast hinter der Kamera bereits bei der technischen Ausführung des Films, dass sie wirklich verstanden haben, was eine Parodie auszeichnet: Eine gute Beobachtung und gekonnte Überspitzung klassischer Genrekonventionen. Selten sah man dies im Bereich der Bond-Parodien so selbstverständlich und konsequent wie hier.
Konsequenz ist eigentlich das Stichwort. Mit fast schon unerbitterlicher Gradlinigkeit verfolgen die kreativen Köpfe hinter "OSS 117" ihr Ziel, ihren Film nicht nur als amüsante Parodie, sondern auch als würdigende Hommage an die Bondfilme von Terence Young oder Guy Hamilton zu verkaufen. So ist es auch inhaltlich beeindruckend, mit wie viel Maß an Respekt und einem dennoch hervorragendem Gespür für Komik es hier gelingt, die Atmosphäre des Filmes selbst nicht zu verletzen, die Vorbilder der 60er nicht ins lächerliche zu ziehen und dennoch einen Lachanfall nach dem anderen zu provozieren. Wenn OSS 117 am Anfang im Flughafen in Kairo ankommt, ist das nicht von ungefähr praktisch 1:1 einer identischen Szene im ersten 007-Film "Dr. No" nachempfunden und wird erst dadurch komisch, dass der französische Agent das "Codewort" ("Wie ist Ihr Frikassee?") der falschen Person mitteilt. Und so geht es im folgenden immer weiter: Die Actionszenen (unter anderem eine toll choreographierte Prügelei oder eine Verfolgungsjagd durchs nächtliche Kairo) sind trotz aller Komik höchst professionell und authentisch umgesetzt, die Einfälle an humoristischen Albernheiten schier grenzenlos. Die Dialoge sind dabei besonders zu loben, bieten sie doch rein sprachlich einen hohen Bezug zu Genreklassikern, offenbaren mit geschicktem Wortwitz aber immer wieder einen hohen Grad an politisch völlig inkorrekten Witzen, die hier oft auf Kosten der muslimischen Gläubigen geht (so ist das Zusammentreffen zwischen Hubert und einem Muezzin nicht nur eine sehr mutige, sondern auch urkomische Sequenz). Wobei betont werden muss, dass die Komik fast immer daraus resultiert, dass OSS 117 selbst der fremden Kultur mit völliger Ignoranz begegnet, worin dann sogar eine feinsinnig versteckte Aussage verborgen liegt, die das bunte Treiben umso sympathischer werden lässt.
Die Kirsche auf der Sahnetorte ist dann mit zwei Wörter zusammenzufassen: Jean Dujardin! Der französische Komiker ist als selbstverliebter intoleranter Gockel nicht nur wegen seiner optischen Ähnlichkeit zu Sean Connery eine perfekte Besetzung für OSS 117, viel mehr muss man festhalten, dass seine Mimik derartig fantastisch überzogen und bis in kleinste Detail genial durchdacht ausgeführt wirkt, dass man sich an ihm nicht satt sehen kann. Mit riesiger Freude scheint er in Fettnäpfchen nur so reinzuspringen (oder mit der Betätigung eines Lichtschalters schlafenden Hühnern auf den Keks zu gehen) und wirkt oft wie ein frühpubterierendes Kind, während sich aber seine Darstellung damit auszeichnen kann, eine mehr als intelligente satirische Nachahmung der ehemaligen Macho-Kultur zu sein. Die überaus bezaubernde Bérénice Bejo als ägyptische Partner-Agentin ist darstellerisch wie äußerlich ein Augenschmaus und eine notwendige Erdung für den überdrehten Möchtegern-Superhelden, in weiteren Nebenrollen glänzen Aure Atika als schöne Prinzessin, Richard Sammel als verschlagener Neonazi und der Belgier Francois Damiens in einem extrem absurdem Kurzauftritt. Etwas schade ist allerdings, dass ob der Fülle an Nebenfiguren und Running Gags einige Witze ins Leere laufen und besonders der Mittelteil die ein oder andere Länge aufzuweisen hat, immer dann, wenn Hazanavicius die gewollt blasse Geschichte vorantreiben muss, ansonsten gibt es hier nichts zu beklagen.
Fazit: James-Bond-Parodien gibts wie Sand am Meer. Doch erfreulicherweise ist OSS 117 kein weiterer Fachidiot vom Dienst, der als einzigen Eintrag im Lebenslauf seine pure Inkompetenz in allen Bereichen aufführen könnte, sondern durch seine Verachtung für fremde Kulturen und andere Religionen (und natürlich seiner grenzenlosen Selbstvernarrtheit) ein - nicht zuletzt durch die exzellente Interpretation des Hauptdarstellers - absolut liebenswertes Arschloch, der oft die Wirkung eines Autounfalls auf das Publikum hat: irgendwie will man nicht hinsehen, aber man muss. Abgerundet durch eine höchst einfallsreiche Regie und einen wundervoll stimmigen Soundtrack wird "Der Spion, der sich liebte" so zu einer mehr als eindrucksvollen Liebeserklärung, an der man bis auf wenige Feinheiten nichts auszusetzen hat und sich allerspätestens dann vor lachen nicht mehr halten kann, wenn 117 sich bei einer Undercoveraktion plötzlich vor Publikum als Gesangstalent behaupten darf. Charmanter als ihre Majestät erlaubt!
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Zusätzliche Anmerkung: Ein großes Kompliment gilt insbesondere der deutschen Synchronisation aus der Feder von Oliver Kalkofe, der auch höchstpersönlich Dujardin übernahm. Selten sah man eine Komödie mit so viel Wertschätzung für den feinen Wortwitz und die vielen Feinheiten übersetzt und dann auch noch so nonchalant von den Sprechern interpretiert, dass man von einer nahezu gleichwertigen Version sprechen kann! Meine Hochachtung!
Woods Woods Cabin Woods Woods
The Cabin in the Woods
Bereits 2009 abgedreht, doch erst 2012 veröffentlicht: "The Cabin in the Woods" entführt den Zuschauer mit fünf Jugendlichen (der Jungfrau, den Draufgänger, den Akademiker, den systemkritischen Vollzeit-Hippie und die attraktive Blondine) in eine alte Hütte im Wald, nahe eines modrigen Sees, wo sie nichts anderes suchen als Spaß, Sonne und Sex. Doch kaum sind die fünf dort angekommen, gehen seltsame Dinge vor sich und bald spielen die Teenies unfreiwillig "Zehn kleine Negerlein" mit ein paar mordlüsternen Untoten. So weit, so vorhersehbar: Falsch gedacht! Regisseur Drew Goddard und "The Avengers"-Mastermind Joss Whedon als Produzent liefern mit "The Cabin in the Woods" den wohl spannendsten Horrorfilm seit Jahrzehnten ab, der das Potenzial hat, zum Kultfilm einer Generation zu werden.
Die anfängliche Handlung sowie die Zusammensetzung der Protagonisten (unter anderem besetzt mit Kristen Connolly und "Thor"-Star Chris Hemsworth) scheinen dem Einmaleins des Horrorfilms entsprungen zu sein. Und so gestalten sich die ersten dreißig Minuten des 95-Minüters in der Tat nach altbekanntem Muster: Klassische Beziehungsdilemmata, die mysteriöse Andeutung eines Fluchs und ein dunkler Keller, den niemand zu betreten wagt: bis hierhin könnte man fast meinen, Goddard und Whedon bekämen eine Prämie für jedes noch so alte Genreklischee, welches sie einzubauen gedenken. Doch erst im Nachhinein offenbart sich, dass diese Szenen nur die Vorarbeit für etwas ist, dass man so in der Form bislang nicht präsentiert bekommen hat: Eine völlige Demontage sämtlicher Horror-Konventionen. Das fängt bereits damit an, dass immer wieder Schocker angedeutet werden, die dann zu nichts oder etwas völlig banalem führen und geht Schritt für Schritt schließlich sogar soweit, dass wichtige Twists, die andere Filme ganz ans Ende stellen würden, ohne viel Bohei von Beginn an offen präsentiert werden. Ironischerweise ist diese genüssliche systematische (und richtig witzige!) Zerlegung bekannter Teenie-Slasher seitens der Regie dann aber ausgerechnet auch das Element, welches "The Cabin in the Woods" dazu verhilft, zusätzlich zur Komik noch spannend und packend zu sein. Denn obgleich die Charaktere (trotz vollständig überzeugender darstellerischer Leistungen) nur wandelnde Blutlachen sind, so kommt man dank der Unvorhersehbarkeit der nächsten Ereiginisse nicht drumherum, mit ihnen mitzufiebern.
Doch wirkliches Klassikerpotenzial birgt eindeutig die zweite Handlungsebene des Filmes: Zwei von Bradley Whitford und Richard Jenkins gespielte Wissenschaftler sitzen in einem Forschungslabor und steuern von dort aus die Geschehnisse im Zombie-Albtraum ihrer armen Opfer. Und hier entwickelt sich "The Cabin in the Woods" langsam aber sicher zu einer hervorragend bissigen Satire auf den perversen Voyeurismus des Genre-Publikums, den sich die immer brutaleren Horrorfilme des 21. Jahrhunderts (und auch dieser hier!) zunehmend zu Nutze machen, wenn er die Fragen, warum in solchen Filmen die Jungfrau immer als letztes stirbt oder Monster grundsätzlich nach dem ersten vermeintlichen Tod ein zweites Mal die Augen öffnen damit beantwortet: "Weil der Zuschauer das eben so will". Mit bitterem Zynismus der schwärzesten Sorte ziehen Whedon und Goddard an allen Strängen, um Verachtung für das hinterhältige Spiel zu suggerieren... immer im Hinterkopf, dass sie mit diesen Szenen ihren eigenen Zuschauern nur den Spiegel vorhalten. Gleichzeitig ist "The Cabin in the Woods" auch eine geschickte Analogie auf den Beruf des Regisseurs: Wenn durch bewusstseinskontrollierende Gase oder andere Gadgets von den Forschern das Verhalten der Teenager stets in die gewünschte Richtung gelenkt wird oder sogar das gesamte Arreal im Wald sich als ein großes "Studio" erweist, erreicht der Horrorspaß eine besonders beeindruckende Note, die eine außergewöhnliche Meta-Ebene eröffnet und damit das abgehobene Grauen realer scheinen lässt, als man zunächst glaubte.
Als Herzstück des Films erweist sich jedoch erst der dritte Akt: Nach dem man bereits dachte, das Drehbuch hätte all sein Pulver verschossen, dreht Goddard erst so richtig auf: Ohne zu viel vorweggreifen zu wollen, steigert die Regie die Meta-Einflüsse der Handlung auf ein absolutes Maximum und präsentiert ein wildes Sammelsurium an verrückten und völlig unvorhersehbaren Ideen, die alle 2-3 Minuten immer noch absurdere Twists hervorbringen und irgendwann dermaßen obskure Gestalt annehmen, dass die schlussendlichen Auswirkungen so viel Gigantomanie offenbaren, dass man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt (und wie die beiden kreativen Köpfe dahinter es dennoch verstehen, dass man weiterhin mit den Figuren mitfiebert, ist ein kleines cineastisches Wunder). Dennoch: Eine grundsätzliche Ablehnung des Horrorgenres steht nicht im Interesse des Films, bereits der angenehm vielseitige Score von David Julyan, die manipulative Kameraführung von Peter Deming, die vielen Zitate berühmter Horrorvorbilder (die in einem köstlichen finalen Cameo münden) oder die detailverliebte Inszenierung der angreifenden Monster machen das deutlich: Hier steckt so viel Liebe und Anerkennung für das Genre und seine Spielregeln drin, dass es eine wahre Freude für den geneigten Fan ist und das ganze filmisch so stimmig und intelligent verpackt, wie man diesen komplett aus allen Rudern laufenden Trip nur erzählen kann, ohne je überfrachtet zu wirken. Die letzte Einstellung ist dann ein besonders fieser (aber nur konsequenter) ausgestreckter Mittelfinger gegen alles und jeden und so ikonenverdächtig, dass man sie in Bälde vermutlich selbst als Zitat in anderen Filmen wird wiederfinden können.
Fazit: Ein Horrorfilm, der die voyeuristischen Grundprinzipien eines Horrorfilms selbst zum Bedrohungsszenario macht, eine Geschichte, die nach anfänglich gewohnten Bahnen ins grotesk-fantastische abdriftet, Kritik am Zuschauer des Genres, Kritik an den Machern des Genres und gleichzeitig eine Liebeserklärung an eben jenes Genre: "The Cabin in the Woods" bietet viele Interpretationsmöglichkeiten und Betrachtungsweisen, ist in erster Linie aber vor allem ein herrlich inspirierender Spaß, der als Parodie für den Teenie-Slasher das ist, was "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" für den Agentenfilm bedeutet. Dabei gelingt ihm aber das seltene Kunststück, trotz parodierender Elemente eine merkwürdige innere Ernsthaftigkeit zu bewahren, die schlussendlich eine gehörige Portion Nervenkitzel bereithält. Hier wird der Horrorfilm gleichermaßen demontiert wie eindrucksvoll reanimiert. Volltreffer!
Bereits 2009 abgedreht, doch erst 2012 veröffentlicht: "The Cabin in the Woods" entführt den Zuschauer mit fünf Jugendlichen (der Jungfrau, den Draufgänger, den Akademiker, den systemkritischen Vollzeit-Hippie und die attraktive Blondine) in eine alte Hütte im Wald, nahe eines modrigen Sees, wo sie nichts anderes suchen als Spaß, Sonne und Sex. Doch kaum sind die fünf dort angekommen, gehen seltsame Dinge vor sich und bald spielen die Teenies unfreiwillig "Zehn kleine Negerlein" mit ein paar mordlüsternen Untoten. So weit, so vorhersehbar: Falsch gedacht! Regisseur Drew Goddard und "The Avengers"-Mastermind Joss Whedon als Produzent liefern mit "The Cabin in the Woods" den wohl spannendsten Horrorfilm seit Jahrzehnten ab, der das Potenzial hat, zum Kultfilm einer Generation zu werden.
Die anfängliche Handlung sowie die Zusammensetzung der Protagonisten (unter anderem besetzt mit Kristen Connolly und "Thor"-Star Chris Hemsworth) scheinen dem Einmaleins des Horrorfilms entsprungen zu sein. Und so gestalten sich die ersten dreißig Minuten des 95-Minüters in der Tat nach altbekanntem Muster: Klassische Beziehungsdilemmata, die mysteriöse Andeutung eines Fluchs und ein dunkler Keller, den niemand zu betreten wagt: bis hierhin könnte man fast meinen, Goddard und Whedon bekämen eine Prämie für jedes noch so alte Genreklischee, welches sie einzubauen gedenken. Doch erst im Nachhinein offenbart sich, dass diese Szenen nur die Vorarbeit für etwas ist, dass man so in der Form bislang nicht präsentiert bekommen hat: Eine völlige Demontage sämtlicher Horror-Konventionen. Das fängt bereits damit an, dass immer wieder Schocker angedeutet werden, die dann zu nichts oder etwas völlig banalem führen und geht Schritt für Schritt schließlich sogar soweit, dass wichtige Twists, die andere Filme ganz ans Ende stellen würden, ohne viel Bohei von Beginn an offen präsentiert werden. Ironischerweise ist diese genüssliche systematische (und richtig witzige!) Zerlegung bekannter Teenie-Slasher seitens der Regie dann aber ausgerechnet auch das Element, welches "The Cabin in the Woods" dazu verhilft, zusätzlich zur Komik noch spannend und packend zu sein. Denn obgleich die Charaktere (trotz vollständig überzeugender darstellerischer Leistungen) nur wandelnde Blutlachen sind, so kommt man dank der Unvorhersehbarkeit der nächsten Ereiginisse nicht drumherum, mit ihnen mitzufiebern.
Doch wirkliches Klassikerpotenzial birgt eindeutig die zweite Handlungsebene des Filmes: Zwei von Bradley Whitford und Richard Jenkins gespielte Wissenschaftler sitzen in einem Forschungslabor und steuern von dort aus die Geschehnisse im Zombie-Albtraum ihrer armen Opfer. Und hier entwickelt sich "The Cabin in the Woods" langsam aber sicher zu einer hervorragend bissigen Satire auf den perversen Voyeurismus des Genre-Publikums, den sich die immer brutaleren Horrorfilme des 21. Jahrhunderts (und auch dieser hier!) zunehmend zu Nutze machen, wenn er die Fragen, warum in solchen Filmen die Jungfrau immer als letztes stirbt oder Monster grundsätzlich nach dem ersten vermeintlichen Tod ein zweites Mal die Augen öffnen damit beantwortet: "Weil der Zuschauer das eben so will". Mit bitterem Zynismus der schwärzesten Sorte ziehen Whedon und Goddard an allen Strängen, um Verachtung für das hinterhältige Spiel zu suggerieren... immer im Hinterkopf, dass sie mit diesen Szenen ihren eigenen Zuschauern nur den Spiegel vorhalten. Gleichzeitig ist "The Cabin in the Woods" auch eine geschickte Analogie auf den Beruf des Regisseurs: Wenn durch bewusstseinskontrollierende Gase oder andere Gadgets von den Forschern das Verhalten der Teenager stets in die gewünschte Richtung gelenkt wird oder sogar das gesamte Arreal im Wald sich als ein großes "Studio" erweist, erreicht der Horrorspaß eine besonders beeindruckende Note, die eine außergewöhnliche Meta-Ebene eröffnet und damit das abgehobene Grauen realer scheinen lässt, als man zunächst glaubte.
Als Herzstück des Films erweist sich jedoch erst der dritte Akt: Nach dem man bereits dachte, das Drehbuch hätte all sein Pulver verschossen, dreht Goddard erst so richtig auf: Ohne zu viel vorweggreifen zu wollen, steigert die Regie die Meta-Einflüsse der Handlung auf ein absolutes Maximum und präsentiert ein wildes Sammelsurium an verrückten und völlig unvorhersehbaren Ideen, die alle 2-3 Minuten immer noch absurdere Twists hervorbringen und irgendwann dermaßen obskure Gestalt annehmen, dass die schlussendlichen Auswirkungen so viel Gigantomanie offenbaren, dass man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt (und wie die beiden kreativen Köpfe dahinter es dennoch verstehen, dass man weiterhin mit den Figuren mitfiebert, ist ein kleines cineastisches Wunder). Dennoch: Eine grundsätzliche Ablehnung des Horrorgenres steht nicht im Interesse des Films, bereits der angenehm vielseitige Score von David Julyan, die manipulative Kameraführung von Peter Deming, die vielen Zitate berühmter Horrorvorbilder (die in einem köstlichen finalen Cameo münden) oder die detailverliebte Inszenierung der angreifenden Monster machen das deutlich: Hier steckt so viel Liebe und Anerkennung für das Genre und seine Spielregeln drin, dass es eine wahre Freude für den geneigten Fan ist und das ganze filmisch so stimmig und intelligent verpackt, wie man diesen komplett aus allen Rudern laufenden Trip nur erzählen kann, ohne je überfrachtet zu wirken. Die letzte Einstellung ist dann ein besonders fieser (aber nur konsequenter) ausgestreckter Mittelfinger gegen alles und jeden und so ikonenverdächtig, dass man sie in Bälde vermutlich selbst als Zitat in anderen Filmen wird wiederfinden können.
Fazit: Ein Horrorfilm, der die voyeuristischen Grundprinzipien eines Horrorfilms selbst zum Bedrohungsszenario macht, eine Geschichte, die nach anfänglich gewohnten Bahnen ins grotesk-fantastische abdriftet, Kritik am Zuschauer des Genres, Kritik an den Machern des Genres und gleichzeitig eine Liebeserklärung an eben jenes Genre: "The Cabin in the Woods" bietet viele Interpretationsmöglichkeiten und Betrachtungsweisen, ist in erster Linie aber vor allem ein herrlich inspirierender Spaß, der als Parodie für den Teenie-Slasher das ist, was "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" für den Agentenfilm bedeutet. Dabei gelingt ihm aber das seltene Kunststück, trotz parodierender Elemente eine merkwürdige innere Ernsthaftigkeit zu bewahren, die schlussendlich eine gehörige Portion Nervenkitzel bereithält. Hier wird der Horrorfilm gleichermaßen demontiert wie eindrucksvoll reanimiert. Volltreffer!
Bei mir war es tendenziell eher andersrum. Von dem Streifen hatte ich ganz klar zu viel oder besser ausgedrückt etwas anderes erwartet. Mich hat vor allem der Action-Overkill am Schluss gestört. Ich hätte mir ein atmosphärischeres Werk und langsameren Grusel gewünscht, zumal man inhaltlich stark zu Lovecraft rüber schielt. Soll aber nicht heißen, dass der Film schlecht wäre.
Deadpool
Zwischen all den Comicfiguren, die in US-Groschenheftchen so durch die Gegend turnen, ist der Antiheld Deadpool eine der schillerndsten Persönlichkeiten. Nicht genug, dass er laufend mit der vierten Wand bricht und den Leser direkt anspricht (sehr zum Leid der anderen Charaktere) und generell nie mit dem Quasseln aufhört, auch seine äußerst brutalen und obszönen Tötungsarten/Verhaltensweisen machen ihn zu einer wandelnden Ausnahme auf zwei Beinen zwischen all seinen (leider oft austauschbaren) Kollegen. Doch im Zuge des Comicverfilmungswahns, der 2000 unter anderem mit Bryan Singers "X-Men" begann, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser etwas andere Superheld seinen großen Leinwandauftritt bekommen sollte. 2009 war es dann soweit: Bloß konnte Gavin Hood in "X-Men Origins: Wolverine" mit Ryan Reynolds in der Figur nichts anfangen und enttäuschte Fans auf der ganzen Welt. Sieben Jahre später meldet sich Reynolds mit einem eigenständigen Spin-Off zum "X-Men"-Franchise zurück - und präsentiert damit den blutigsten Genrevertreter seit "Sin City".
Unter der Regie von Tim Miller ist "Deadpool" nach "Marvels Guardians of the Galaxy" schon der zweite Comicfilm in 3 Jahren, der einen durchgängig selbstironischen, beinahe schon parodistischen Ansatz annimmt und versucht, ein wenig mit etablierten und totgesehenen Klischees zu brechen. Von daher ist es nur positiv zu bewerten, dass ohne Rücksicht auf angestrebte Idealfreigaben Miller in "Deadpool" nicht davor scheut, einiges an CGI-Blut und verbalen F-Bomben loszulassen. Praktisch durchgehend präsentiert der Protagonist sich als perverser Massenschlächter, der schon mal mit einem Kopfschuss gleich drei austauschbare Gangsterlein ins Jenseits befördert - mit dem Verweis darauf, sich am Abend selbst dafür zu "belohnen". Reynolds, der schon im Wolverine-Solo als Wade Wilson aka Deadpool überzeugend charismatisch agierte, zeigt hier die vermutlich bislang stärkste und authentischste Performance seiner Karriere, was angesichts der Absurdität des Filmes und seiner Figur eine beachtliche Leistung ist. Ihm ist es dann auch zu verdanken, dass trotz aller Abscheulichkeiten keine zu große Distanz zwischen der emotionalen Bindung des Publikums und dem Charakter aufkommt, er findet den richtigen Ton, die notwendige "Helden-Autorität" zu wahren und fällt durch seine souveräne Präsenz und sein überraschend enormes Charisma durchgehend positiv auf (und das obwohl er in mindestens 50% der Szenen in einem Ganzkörperanzug auftritt).
Leider ist "Deadpool" ansonsten zwar (meist durch die genannten positiven Attribute) nette Abendunterhaltung, allerdings auch ein Film, der zahlreiche Chancen und Möglichkeiten ungenutzt versickern lässt. Was böte ein Charakter mit fortlaufender Interaktion mit dem Publikum und ihm eigenem selbstreferenziellem Touch nur für Möglichkeiten, das Genre wirklich auf den Kopf zu stellen und gekonnt zu dekonstruieren? Schockierenderweise jedoch hat Miller an solchen ausgefeilten Paradigmenwechseln gar kein Interesse, viel mehr ist "Deadpool" im Kern ein in jeder Hinsicht völlig normaler Origin-Film, wie man ihn durch Filme wie "Iron Man", "Thor" oder "Ant-Man" in den letzten Jahren zu Genüge ertragen musste, folgt in der sehr langen ersten Hälfte praktisch vollständig dem obligatorischem und altbekanntem Aufbau und scheint nur im gelegentlichem Tabu-Bruch mal ein wenig aus dem Trott zu kommen. Denn auch wenn der Ansatz, banale menschliche Konflikte wie die Angst vor dem Tod und den Verlust der großen Liebe (verkörpert durch die zuckersüße Morena Baccarin) als Kontrast zu Deadpools späterem Treibem effektiv sein könnte, so kommt man nicht drumrum, festhalten zu müssen, dass die Handlung des Films allgemein fürchterlich vorhersehbar und eindimensional verläuft und durch all die humoristischen Untertöne und die resultierende mangelnde Ernsthaftigkeit erst recht keine Spannung aufzubauen weiß. Auch die regelmäßigen Tabu-Brüche werden schnell zur berechenbaren Masche und sind leider oft zu pubertär und albern, als dass sie das (durch den hohen Grad an Gewalt und Beleidigungen) angepeilte erwachsene Publikum auf Dauer erheitern könnten.
Auch actiontechnisch ist "Deadpool" durchgehend durchschnittlich kurzweilig, inszenatorisch muss man Miller allerdings attestieren, verglichen mit einem Bryan Singer, Jon Favreau, Joss Whedon oder Matthew Vaughn dann doch nicht mehr als ein begabter Handwerker zu sein, sodass es zumindest schon einmal erstaunlich ist, dass manche visuelle Spielerei dann relativ gelungen eingebunden scheint, oft genug aber dann doch zu beliebig eingeschobene Elemente bleiben. Nicht selten kommt man daher im Kino zu der Fragestellung, was ein Visionär wie Quentin Tarantino aus vergleichbarem Material wohl gemacht hätte, erst recht, wenn auch der Schlussakt das Potenzial der Hauptfigur nur ankratzt und stattdessen das übliche Effektgewitter präsentiert. Auch sonst ist "Deadpool" in fast allen Belangen okay und teilweise auch gelungen, steht sich aber selbst in Weg. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Ed Skrein einen passablen Bösewicht abgibt, T. J. Miller als nerdiger Sidekick für ein paar gute Lacher sorgt und mit den Auftritten zweier X-Men der B-Liga eine gekonnte Verbindung zum Ur-Franchise hergestellt wird... wenngleich nicht ganz einleuchtet, wie jener platte und jugendliche Brutalo-Stil Deadpools in die gesellschaftskritische Welt der Mutantenliga passen soll. Abschließend soll noch der hörbare Score von Junkie XL erwähnt werden, der den Ton des Filmes durchaus passend protzig unterstreicht, mit seiner außergewöhnlichen Musikwahl aber freilich nicht den Wow-Effekt der Guardians von Marvel wiederholen kann.
Fazit: "Deadpool" mag der erste Superheldenfilm sein, den nur Erwachsene im Kino sehen dürfen, ist aber weit davon entfernt, ein erwachsener Film zu sein. Das provokante Macho-Spektakel erfreut sich an ausufernden expliziten Brutalitäten, perversen Onelinern im Minutentakt, einigen visuellen Mätzchen, schnell choreographierten Fights und vereint diese Eigenschaften im tragendem Hauptdarsteller. Wem diese Eigenschaften ausreichen, kann 109 Minuten insgesamt deutlich schlechter verbringen, als sich auf "Deadpool" und seine Eigenarten einzulassen. Wer darüber hinaus allerdings eine neue Perspektive des Comicfilms, eine clever aufgebaute Verdrehung der Genrekonventionen oder gar eine spannende Handlung mit interessanten Charakteren erwartet, wird den Kinosaal ob der Schemenlastigkeit ernüchtert und eher enttäuscht verlassen und sollte sein Glück lieber bei Marvels galaktischen Beschützern suchen.
Zwischen all den Comicfiguren, die in US-Groschenheftchen so durch die Gegend turnen, ist der Antiheld Deadpool eine der schillerndsten Persönlichkeiten. Nicht genug, dass er laufend mit der vierten Wand bricht und den Leser direkt anspricht (sehr zum Leid der anderen Charaktere) und generell nie mit dem Quasseln aufhört, auch seine äußerst brutalen und obszönen Tötungsarten/Verhaltensweisen machen ihn zu einer wandelnden Ausnahme auf zwei Beinen zwischen all seinen (leider oft austauschbaren) Kollegen. Doch im Zuge des Comicverfilmungswahns, der 2000 unter anderem mit Bryan Singers "X-Men" begann, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser etwas andere Superheld seinen großen Leinwandauftritt bekommen sollte. 2009 war es dann soweit: Bloß konnte Gavin Hood in "X-Men Origins: Wolverine" mit Ryan Reynolds in der Figur nichts anfangen und enttäuschte Fans auf der ganzen Welt. Sieben Jahre später meldet sich Reynolds mit einem eigenständigen Spin-Off zum "X-Men"-Franchise zurück - und präsentiert damit den blutigsten Genrevertreter seit "Sin City".
Unter der Regie von Tim Miller ist "Deadpool" nach "Marvels Guardians of the Galaxy" schon der zweite Comicfilm in 3 Jahren, der einen durchgängig selbstironischen, beinahe schon parodistischen Ansatz annimmt und versucht, ein wenig mit etablierten und totgesehenen Klischees zu brechen. Von daher ist es nur positiv zu bewerten, dass ohne Rücksicht auf angestrebte Idealfreigaben Miller in "Deadpool" nicht davor scheut, einiges an CGI-Blut und verbalen F-Bomben loszulassen. Praktisch durchgehend präsentiert der Protagonist sich als perverser Massenschlächter, der schon mal mit einem Kopfschuss gleich drei austauschbare Gangsterlein ins Jenseits befördert - mit dem Verweis darauf, sich am Abend selbst dafür zu "belohnen". Reynolds, der schon im Wolverine-Solo als Wade Wilson aka Deadpool überzeugend charismatisch agierte, zeigt hier die vermutlich bislang stärkste und authentischste Performance seiner Karriere, was angesichts der Absurdität des Filmes und seiner Figur eine beachtliche Leistung ist. Ihm ist es dann auch zu verdanken, dass trotz aller Abscheulichkeiten keine zu große Distanz zwischen der emotionalen Bindung des Publikums und dem Charakter aufkommt, er findet den richtigen Ton, die notwendige "Helden-Autorität" zu wahren und fällt durch seine souveräne Präsenz und sein überraschend enormes Charisma durchgehend positiv auf (und das obwohl er in mindestens 50% der Szenen in einem Ganzkörperanzug auftritt).
Leider ist "Deadpool" ansonsten zwar (meist durch die genannten positiven Attribute) nette Abendunterhaltung, allerdings auch ein Film, der zahlreiche Chancen und Möglichkeiten ungenutzt versickern lässt. Was böte ein Charakter mit fortlaufender Interaktion mit dem Publikum und ihm eigenem selbstreferenziellem Touch nur für Möglichkeiten, das Genre wirklich auf den Kopf zu stellen und gekonnt zu dekonstruieren? Schockierenderweise jedoch hat Miller an solchen ausgefeilten Paradigmenwechseln gar kein Interesse, viel mehr ist "Deadpool" im Kern ein in jeder Hinsicht völlig normaler Origin-Film, wie man ihn durch Filme wie "Iron Man", "Thor" oder "Ant-Man" in den letzten Jahren zu Genüge ertragen musste, folgt in der sehr langen ersten Hälfte praktisch vollständig dem obligatorischem und altbekanntem Aufbau und scheint nur im gelegentlichem Tabu-Bruch mal ein wenig aus dem Trott zu kommen. Denn auch wenn der Ansatz, banale menschliche Konflikte wie die Angst vor dem Tod und den Verlust der großen Liebe (verkörpert durch die zuckersüße Morena Baccarin) als Kontrast zu Deadpools späterem Treibem effektiv sein könnte, so kommt man nicht drumrum, festhalten zu müssen, dass die Handlung des Films allgemein fürchterlich vorhersehbar und eindimensional verläuft und durch all die humoristischen Untertöne und die resultierende mangelnde Ernsthaftigkeit erst recht keine Spannung aufzubauen weiß. Auch die regelmäßigen Tabu-Brüche werden schnell zur berechenbaren Masche und sind leider oft zu pubertär und albern, als dass sie das (durch den hohen Grad an Gewalt und Beleidigungen) angepeilte erwachsene Publikum auf Dauer erheitern könnten.
Auch actiontechnisch ist "Deadpool" durchgehend durchschnittlich kurzweilig, inszenatorisch muss man Miller allerdings attestieren, verglichen mit einem Bryan Singer, Jon Favreau, Joss Whedon oder Matthew Vaughn dann doch nicht mehr als ein begabter Handwerker zu sein, sodass es zumindest schon einmal erstaunlich ist, dass manche visuelle Spielerei dann relativ gelungen eingebunden scheint, oft genug aber dann doch zu beliebig eingeschobene Elemente bleiben. Nicht selten kommt man daher im Kino zu der Fragestellung, was ein Visionär wie Quentin Tarantino aus vergleichbarem Material wohl gemacht hätte, erst recht, wenn auch der Schlussakt das Potenzial der Hauptfigur nur ankratzt und stattdessen das übliche Effektgewitter präsentiert. Auch sonst ist "Deadpool" in fast allen Belangen okay und teilweise auch gelungen, steht sich aber selbst in Weg. Dennoch soll nicht unerwähnt bleiben, dass Ed Skrein einen passablen Bösewicht abgibt, T. J. Miller als nerdiger Sidekick für ein paar gute Lacher sorgt und mit den Auftritten zweier X-Men der B-Liga eine gekonnte Verbindung zum Ur-Franchise hergestellt wird... wenngleich nicht ganz einleuchtet, wie jener platte und jugendliche Brutalo-Stil Deadpools in die gesellschaftskritische Welt der Mutantenliga passen soll. Abschließend soll noch der hörbare Score von Junkie XL erwähnt werden, der den Ton des Filmes durchaus passend protzig unterstreicht, mit seiner außergewöhnlichen Musikwahl aber freilich nicht den Wow-Effekt der Guardians von Marvel wiederholen kann.
Fazit: "Deadpool" mag der erste Superheldenfilm sein, den nur Erwachsene im Kino sehen dürfen, ist aber weit davon entfernt, ein erwachsener Film zu sein. Das provokante Macho-Spektakel erfreut sich an ausufernden expliziten Brutalitäten, perversen Onelinern im Minutentakt, einigen visuellen Mätzchen, schnell choreographierten Fights und vereint diese Eigenschaften im tragendem Hauptdarsteller. Wem diese Eigenschaften ausreichen, kann 109 Minuten insgesamt deutlich schlechter verbringen, als sich auf "Deadpool" und seine Eigenarten einzulassen. Wer darüber hinaus allerdings eine neue Perspektive des Comicfilms, eine clever aufgebaute Verdrehung der Genrekonventionen oder gar eine spannende Handlung mit interessanten Charakteren erwartet, wird den Kinosaal ob der Schemenlastigkeit ernüchtert und eher enttäuscht verlassen und sollte sein Glück lieber bei Marvels galaktischen Beschützern suchen.
There Won't Be Many Coming Home...
The Hateful Eight
Ursprünglich wollte Quentin Tarantino seinen zweiten geplanten Western nach "Django Unchained" gar nicht mehr in die Tat umsetzen, als das Drehbuch in die Öffentlichkeit gelangte. Und man kann nur höchstglücklich sein, dass der Meister es sich noch einmal anders überlegt hat, denn, so viel soll vorweg verraten werden, "The Hateful Eight" ist nicht nur einer der besten Filme der letzten Jahre und eine unglaubliche Steigerung zum eh schon atemberaubenden Vorgänger, sondern neben seinen politisch-historischen Themen auch das perfekte exemplarische Beispiel für kongeniale Spannungserzeugung und all das im Rahmen eines Western-Kammerspiel-Crossovers. Kann da noch etwas schiefgehen? Mitnichten!
Tarantino nähert sich seinen großen filmischen Vorbildern mit unerschütterlicher Konsequenz an: Im 70-Millimeter-Breitwandformat-Gewand präsentiert sich sein neuester Streich, dazu gibt es einen Soundtrack von dem einzig wahren Westernkomponisten Ennio Morricone, der mit seiner Musik alleine "The Hateful Eight" zu einem der lohnendsten Kinobesuche seines Jahres machen dürfte. Und das 70mm Format zahlt sich aus: Mit von gewaltiger Schönheit strotzenden Panorama-Aufnahmen begeisternder Qualität eröffnet er seinen Film, nur um recht schnell jedes Geschehen erst in eine Kutsche und dann in eine dunkle Blockhütte zu verbannen. Was erst ein großer Widerspruch zu sein scheint, wird zum größten Geniestreich in Tarantinos Regiekarriere. Nichts zeugt mehr von der klaustrophobischen Spannung in den engen Räumlichkeiten als die opulent tiefenscharfe Optik, die lieber ausführlich das Geschehen in den Gesichtern der brillant besetzten Akteure erforscht als die kalten Landschaften außerhalb. "The Hateful Eight" könnte damit oft auch als filmisches Theaterstück durchgehen, ohne aber jemals theatralisch zu sein. Trotz zahlreicher Anachronismen (oft sprachlicher Natur) ist sein Film ein unter die Haut gehendes Personendrama, dass schnell offenbart, dass nicht nur niemand das ist, was er scheint, sondern es hier auch noch im größeren Sinne um etwas ganz anderes geht. Weiß und Schwarz, Mann und Frau, Norden und Süden, Neid und Verachtung, Tarantino gelingt es, mit geschickten Gegensatzpaaren unter den Figuren nicht nur das größtmögliche Spannungspotenzial auszunutzen, sondern auch ein politisch-historisches Statement zu verbreiten.
Nicht umsonst ist es einzig und allein Kurt Russells Hangman-Charakter, der mit seinem zivilisiertem Willen, seine Gefangene nicht tot, sondern lebendig der Justiz zu übergeben, wie ein Fremdkörper wirkt, doch auch er kann jene moralische Überlegenheit nicht bis zum Ende durchhalten. Und auch der fantastisch um sein Leben spielende Samuel L. Jackson kann sich als Nigger zwischen den weißen Männern nur durch die Lüge behaupten, einen Brief des glorreichen US-Präsidenten Lincoln (als Sinnbild des amerikanischen Traums) sein Eigen zu nennen. Zwischen all den Männern, die von einer nihilistisch-bestialischen Mörderin (hervorragend: Jennifer Jason Leigh) zum Narren gehalten werden, verlieren Begriffe wie Androkratie und Patriarchat schnell an Gewicht und Aussagekraft und wenn sich im letzten gewalttätigen Drittel, indem all die aufgebauten Spannungen zu einer unweigerlichen Explosion gelangen, zwischen all den Leichen und abgefeuerten Kugeln nur noch niedere Kopfgeldjäger und abgezockte Verbrecher gegenüberstehen, scheint unweigerlich die düstere Macht des Kapitalismus jedes bisschen Menschlichkeit aus der blutgetränkten Kulisse vertrieben zu haben. Die grandiose Besetzung neben den drei deutlich im Vordergrund stehenden Akteuren (u.a. Walton Goggins, Tim Roth, Michael Madsen und Channing Tatum) sorgt zuletzt dafür, dass dieser intellektuelle wie brutale Film einen edlen Touch bekommt, ohne jemals aufgesetzt zu wirken. Hier hat keiner nichts und jeder alles verdient!
Die enorme Länge des Films kommt Tarantino dabei sogar zu Gute. Mit erschreckender Präzision macht er sich die repetitiven Abläufe seiner Handlung (wie das mehrfache Zunageln der Tür) zu Nutze, um Unruhe und Irritation zu verbreiten, setzt geschickte Rückblenden famoser surrealer Natur, eröffnet endlos wirkende unnötige Dialoge, um ihnen mal spätere Relevanz zuzugestehen oder sie einfach im Sande verlaufen zu lassen... immer wieder gelingt es ihm, den Zuschauer zu verblüffen (erst recht, als nach 100 Minuten das erste Mal auktoriale Erzählungen das Geschehen ergänzen) oder zu schockieren und seine als Ode an die Langsamkeit empfundenen expositionellen Züge werden zur eigentlichen Ästhetik an sich. Doch nur die thematischen Gegenüberstellungen alleine reichen Tarantino noch nicht, um den letzten Biss zum Kriminalspiel beizutragen: Wie der Titel andeutet, geht es in "The Hateful Eight" vor allem um Hass und wie der Hass langsam jede Möglichkeit auf Hoffnung tilgt. So ist der tödliche Schneesturm als metrologisches Element nur die Spitze des Eisberges eines fortwährenden Strudels tiefer abstoßender Gefühle für den jeweils anderen, die dem Zuschauer die erschütternde Erkenntnis näherbringen, dass Helden in dieser Welt nicht existieren, nicht existieren dürfen oder gar existieren können. Selbst Jacksons Wiggins, der am ehesten zum Sympathieträger taugt, hat seine Gräueltaten verbrochen, muss als kleinstes Übel aber letztendlich zum notwendiges Festklammern an verlorene Werte missbraucht werden, was der Geschichte eine niederschmetternde tragische Qualität verleiht, von der andere Autoren nur träumen können. Und so ist ganz am Ende von den Panorama-Landschaften draußen oder von der anfangs trügerischen Idylle sowie der kurz angedeuteten Menschlichkeit im Gefallen am tierischen Abschlachten des Gegenübers (was erst dann seine wahre Bedeutung erlangt, wenn man dies auf die von Tarantino ständig angedeuteten Sezessionskriege der damaligen Zeit projiziert) nichts übrig geblieben, außer der Feststellung, dass am Ende alle Parteien nur gescheitert sind, weil sie scheitern mussten, weil es ihre Bestimmung und ihre einzige Funktion war, unterzugehen.
Fazit: Nur selten treffen thematische Geschlossenheit, auf den Punkt interpretierte schauspielerische Leistungen und visuelle ästhetische Brillanz so unmittelbar aufeinander, wie es in Quentin Tarantinos "The Hateful Eight" geglückt ist. Und so darf, kann und sollte man winzige dramaturgische Feinheiten verzeihen, wenn das Endresultat dermaßen überzeugend eine düstere, beinahe vorapokalyptische Stimmung zeichnen kann, die noch lange nach dem Einsetzen des Abspanns unter phänomenaler musikalischer Unterstützung dem Zuschaer im Kopf nachhallen wird. Der Glaube an eine bessere Welt und die Hoffnung sterben eben bekanntlich zuletzt... aber sie sterben.
Ursprünglich wollte Quentin Tarantino seinen zweiten geplanten Western nach "Django Unchained" gar nicht mehr in die Tat umsetzen, als das Drehbuch in die Öffentlichkeit gelangte. Und man kann nur höchstglücklich sein, dass der Meister es sich noch einmal anders überlegt hat, denn, so viel soll vorweg verraten werden, "The Hateful Eight" ist nicht nur einer der besten Filme der letzten Jahre und eine unglaubliche Steigerung zum eh schon atemberaubenden Vorgänger, sondern neben seinen politisch-historischen Themen auch das perfekte exemplarische Beispiel für kongeniale Spannungserzeugung und all das im Rahmen eines Western-Kammerspiel-Crossovers. Kann da noch etwas schiefgehen? Mitnichten!
Tarantino nähert sich seinen großen filmischen Vorbildern mit unerschütterlicher Konsequenz an: Im 70-Millimeter-Breitwandformat-Gewand präsentiert sich sein neuester Streich, dazu gibt es einen Soundtrack von dem einzig wahren Westernkomponisten Ennio Morricone, der mit seiner Musik alleine "The Hateful Eight" zu einem der lohnendsten Kinobesuche seines Jahres machen dürfte. Und das 70mm Format zahlt sich aus: Mit von gewaltiger Schönheit strotzenden Panorama-Aufnahmen begeisternder Qualität eröffnet er seinen Film, nur um recht schnell jedes Geschehen erst in eine Kutsche und dann in eine dunkle Blockhütte zu verbannen. Was erst ein großer Widerspruch zu sein scheint, wird zum größten Geniestreich in Tarantinos Regiekarriere. Nichts zeugt mehr von der klaustrophobischen Spannung in den engen Räumlichkeiten als die opulent tiefenscharfe Optik, die lieber ausführlich das Geschehen in den Gesichtern der brillant besetzten Akteure erforscht als die kalten Landschaften außerhalb. "The Hateful Eight" könnte damit oft auch als filmisches Theaterstück durchgehen, ohne aber jemals theatralisch zu sein. Trotz zahlreicher Anachronismen (oft sprachlicher Natur) ist sein Film ein unter die Haut gehendes Personendrama, dass schnell offenbart, dass nicht nur niemand das ist, was er scheint, sondern es hier auch noch im größeren Sinne um etwas ganz anderes geht. Weiß und Schwarz, Mann und Frau, Norden und Süden, Neid und Verachtung, Tarantino gelingt es, mit geschickten Gegensatzpaaren unter den Figuren nicht nur das größtmögliche Spannungspotenzial auszunutzen, sondern auch ein politisch-historisches Statement zu verbreiten.
Nicht umsonst ist es einzig und allein Kurt Russells Hangman-Charakter, der mit seinem zivilisiertem Willen, seine Gefangene nicht tot, sondern lebendig der Justiz zu übergeben, wie ein Fremdkörper wirkt, doch auch er kann jene moralische Überlegenheit nicht bis zum Ende durchhalten. Und auch der fantastisch um sein Leben spielende Samuel L. Jackson kann sich als Nigger zwischen den weißen Männern nur durch die Lüge behaupten, einen Brief des glorreichen US-Präsidenten Lincoln (als Sinnbild des amerikanischen Traums) sein Eigen zu nennen. Zwischen all den Männern, die von einer nihilistisch-bestialischen Mörderin (hervorragend: Jennifer Jason Leigh) zum Narren gehalten werden, verlieren Begriffe wie Androkratie und Patriarchat schnell an Gewicht und Aussagekraft und wenn sich im letzten gewalttätigen Drittel, indem all die aufgebauten Spannungen zu einer unweigerlichen Explosion gelangen, zwischen all den Leichen und abgefeuerten Kugeln nur noch niedere Kopfgeldjäger und abgezockte Verbrecher gegenüberstehen, scheint unweigerlich die düstere Macht des Kapitalismus jedes bisschen Menschlichkeit aus der blutgetränkten Kulisse vertrieben zu haben. Die grandiose Besetzung neben den drei deutlich im Vordergrund stehenden Akteuren (u.a. Walton Goggins, Tim Roth, Michael Madsen und Channing Tatum) sorgt zuletzt dafür, dass dieser intellektuelle wie brutale Film einen edlen Touch bekommt, ohne jemals aufgesetzt zu wirken. Hier hat keiner nichts und jeder alles verdient!
Die enorme Länge des Films kommt Tarantino dabei sogar zu Gute. Mit erschreckender Präzision macht er sich die repetitiven Abläufe seiner Handlung (wie das mehrfache Zunageln der Tür) zu Nutze, um Unruhe und Irritation zu verbreiten, setzt geschickte Rückblenden famoser surrealer Natur, eröffnet endlos wirkende unnötige Dialoge, um ihnen mal spätere Relevanz zuzugestehen oder sie einfach im Sande verlaufen zu lassen... immer wieder gelingt es ihm, den Zuschauer zu verblüffen (erst recht, als nach 100 Minuten das erste Mal auktoriale Erzählungen das Geschehen ergänzen) oder zu schockieren und seine als Ode an die Langsamkeit empfundenen expositionellen Züge werden zur eigentlichen Ästhetik an sich. Doch nur die thematischen Gegenüberstellungen alleine reichen Tarantino noch nicht, um den letzten Biss zum Kriminalspiel beizutragen: Wie der Titel andeutet, geht es in "The Hateful Eight" vor allem um Hass und wie der Hass langsam jede Möglichkeit auf Hoffnung tilgt. So ist der tödliche Schneesturm als metrologisches Element nur die Spitze des Eisberges eines fortwährenden Strudels tiefer abstoßender Gefühle für den jeweils anderen, die dem Zuschauer die erschütternde Erkenntnis näherbringen, dass Helden in dieser Welt nicht existieren, nicht existieren dürfen oder gar existieren können. Selbst Jacksons Wiggins, der am ehesten zum Sympathieträger taugt, hat seine Gräueltaten verbrochen, muss als kleinstes Übel aber letztendlich zum notwendiges Festklammern an verlorene Werte missbraucht werden, was der Geschichte eine niederschmetternde tragische Qualität verleiht, von der andere Autoren nur träumen können. Und so ist ganz am Ende von den Panorama-Landschaften draußen oder von der anfangs trügerischen Idylle sowie der kurz angedeuteten Menschlichkeit im Gefallen am tierischen Abschlachten des Gegenübers (was erst dann seine wahre Bedeutung erlangt, wenn man dies auf die von Tarantino ständig angedeuteten Sezessionskriege der damaligen Zeit projiziert) nichts übrig geblieben, außer der Feststellung, dass am Ende alle Parteien nur gescheitert sind, weil sie scheitern mussten, weil es ihre Bestimmung und ihre einzige Funktion war, unterzugehen.
Fazit: Nur selten treffen thematische Geschlossenheit, auf den Punkt interpretierte schauspielerische Leistungen und visuelle ästhetische Brillanz so unmittelbar aufeinander, wie es in Quentin Tarantinos "The Hateful Eight" geglückt ist. Und so darf, kann und sollte man winzige dramaturgische Feinheiten verzeihen, wenn das Endresultat dermaßen überzeugend eine düstere, beinahe vorapokalyptische Stimmung zeichnen kann, die noch lange nach dem Einsetzen des Abspanns unter phänomenaler musikalischer Unterstützung dem Zuschaer im Kopf nachhallen wird. Der Glaube an eine bessere Welt und die Hoffnung sterben eben bekanntlich zuletzt... aber sie sterben.
Nobody commits a murder for the experiment of committing it
Cocktail für eine Leiche
Hier in Deutschland ist das auf einem Theaterstück von Patrick Hamilton basierende Krimi-Drama Alfred Hitchcocks aus dem Jahre 1948 unter dem Titel "Cocktail für eine Leiche" bestens bekannt. Doch im Original scheint es mit dem simplen Begriff "Rope" tatsächlich deutlich passender betitelt zu sein. Schließlich ist neben einer antiken Holzkiste und zwei Kerzenständern in der Tat ein altes Seil der eigentliche Hauptdarsteller der Theater-ähnlichen Erzählung. In insgesamt gerade mal acht langen Szenen mit einer ungefähren Länge von jeweils 10 Minuten und einer insgesamt nur sehr begrenzten Anzahl an sichtbaren Schnitten ist "Rope" vom filmischen Theaterstück oft nur wenig entfernt. Dennoch oder vielleicht auch deswegen gilt das Lehrstück um die Frage nach den Wert des Individuums heute als Klassiker des Genres und eine der interessantesten Abhandlungen über die "Illusion" des perfekten Mordes. Ein Klassikerstatus, der sogar den Test der Zeit überdauert hat.
In der dünnen Laufzeit von achtzig Minuten auf das nötigste beschränkt, stehen bei "Rope" die Dialoge und die wenigen Akteure im Vordergrund. Und es ist wohl Hitchcocks ruhiger Führung und dem Talent der beiden zentralen Protagonisten John Dall und Farley Granger zu verdanken, dass dabei die Spannung nie in Vergessenheit gerät. Dall tritt als dominanterer Partner der ungleichen Partnerschaft mit einer direkt hassenswerten Arroganz auf, die ihres Gleichen sucht, während Grangers Charakter als klassischer Mitläufer das subtilste Spiel verlangt und er zunehmend immer weiter an Profil und Intensität gewinnt. Aber allgemein ist bewunderswert, wie hervorragend der Cast von gerade einmal acht Darstellern zusammenpasst, wie jeder Charakter mit jedem in Interaktion gerät und eine allgemeine Chemie unter einander festzustellen ist, die das zunehmende Unbehagen der Party-Beiwohner nie zu sehr überschattet. Natürlich ist es aber neben den beiden mehr oder weniger eiskalten Mörder hauptsächlich der großartige James Stewart, der als Philosophie-Professor die moralische Instanz und gleichzeitig den tragischen Helden verkörpert, welcher hier hervorsticht, da seine Figur neben der von Granger den interessantesten Verlauf nimmt.
Denn obwohl Hitchcock die Geschichte auf das Wesentliche konzentriert, ist sie überraschend tiefgründig und auch nach beinahe 70 Jahren aktuell wie eh und je. Kurz nach der Zeit der NS-Ideologie entstanden, erscheint "Rope" schnell als Plädoyer zum eigenständigen Denken und der Gefahr rein theoretisch gemeinter philosophischer Gedankenmodelle. Nicht umsonst entbrennt auf der abendlichen Party eine immer aggressivere Debatte über Friedrich Nietzsches Theorie des Übermenschen und die gesellschaftliche und möglicherweise sogar künstlerische Notwendigkeit des Mordens als puren Akt an sich, nicht getrieben von in simple Moralvorstellungen einzuteilende Motive, sondern einzig durch das Überlegensein des überlegenen Individuums gegenüber niederen Wesen legitimiert. Ja, teilweise schneidet das Script allzu plakativ derartige Motive an, doch sobald sie etabliert sind, erreichen die Diskurse anregenden intellektuellen Charakter und rahmen die ansonsten ohnehin schon spannende Katz-/Mauskonstellation reizvoll ein, scheinen gar zum eigentlichen Hauptanliegen Hitchcocks zu werden, der sogar offen lässt, welche Figur der Zuschauer sich als empathischen Fixpunkt suchen soll. Ist es der charismatische Brandon, der jedoch ein eiskalter Mörder ist, ist es Prof. Rupert Cadell, dessen Ansichten in den Diskussionen gleichermaßen Zynismus wie Ernst sein könnten oder sympathisiert man mit der illustren Mrs. Atwater, die sich aus jeglichen Debatten eher raushält und stattdessen an die übersinnliche Sternendeutung klammert? Der Zuschauer kann wählen, sich selbst in "Rope" wiederfinden oder entscheiden, das Gesehene kritisch zu betrachten und zu hinterfragen.
Umstritten ist die Theaterinszenierung Hitchcocks. Die Ruhe der Kamerafahrten machen zunehmend nervös und konzentrieren den Film komplett auf das Spiel der Akteure, doch nicht immer spielt das theatralische der Aufmachung der Geschichte in die Karten und Douglas Dick als Kenneth Lawrence scheint insbesondere hin und wieder seine Probleme mit der geforderten Form des Schauspiels zu haben. Dennoch gibt es herausragend gefilmte Momente und eine spannende Art Hitchcocks, seine Handlung anhand von Alltagsgegenständen wie dem eingangs erwähnten Rope zu erzählen. Besonders im letzten Abschnitt des Filmes zieht die Inszenierung noch einmal ordentlich an und das abschließende Schlussplädoyer spielt endlich die finale dramatische und tragische Komponente der Handlung aus, die vorher einmal zu oft angedeutet wurde. Thematisch findet Hitchcock den richtigen Ton, seine Erzählung zu beenden, auch dramaturgisch scheint der finale Höhepunkt schlüssig gesetzt und clever an das unvermeidliche Resultieren der Charaktere gebunden, Stil, Entwicklung und Botschaft gehen Hand in Hand. Abschließend bleiben zwar die Fragen, ob der Film ohne den eingangs gezeigten Mord nicht an Überraschung gewonnen hätte und ob der Mittelteil nicht mit noch mehr dramaturgischen Mäandern seine Echtheit nicht hätte steigern können, doch auch so ist "Rope" ein begeisterndes Kammerspiel, dass ohne jede Effekthascherei seinen Weg immerhin konsequent bis zum Ende geht und sicher nicht ungehört bleibt.
Fazit: Wirken Filmklassiker irgendwann aus optischer oder thematischer Sicht schnell veraltet, kann Hitchcocks Studie der Art of Murder auch im 21. Jahrhundert noch ein Publikum finden. Es bleibt eine Binsenweisheit, doch ist sie unbestritten wahr: Gute Geschichten veraltern nicht. Und so ist es immer noch eindrucksvoll wie abstoßend, wenn Brandon vor seinen Gästen über Wert und Nichtigkeit der Leben des gemeinen Volks sinniert und sich selbst gottgleich über die zu stellen meint, die intellektuell und physisch nicht mit seinem Ideal der menschlichen Rasse Schritt halten können - Parallelen zur Historie, die wohl niemandem erläutert werden müssen. Gleichzeitig ist das tragische Scheitern Cadells genau das, als was Hitchcock es zeigt: Ein Resultat aus Überlegungen ohne direkte handelnde Konsequenzen, die vom Einzeltäter zur Rechtfertigung abscheulicher Verbrechen zweckentfremdet werden können. Schlussendlich gewinnen jedoch Vernunft und allzu menschliches Verhalten... und ein simples "Rope" sorgt ironischerweise dafür, dass alle verbliebenen Stricke reißen.
Hier in Deutschland ist das auf einem Theaterstück von Patrick Hamilton basierende Krimi-Drama Alfred Hitchcocks aus dem Jahre 1948 unter dem Titel "Cocktail für eine Leiche" bestens bekannt. Doch im Original scheint es mit dem simplen Begriff "Rope" tatsächlich deutlich passender betitelt zu sein. Schließlich ist neben einer antiken Holzkiste und zwei Kerzenständern in der Tat ein altes Seil der eigentliche Hauptdarsteller der Theater-ähnlichen Erzählung. In insgesamt gerade mal acht langen Szenen mit einer ungefähren Länge von jeweils 10 Minuten und einer insgesamt nur sehr begrenzten Anzahl an sichtbaren Schnitten ist "Rope" vom filmischen Theaterstück oft nur wenig entfernt. Dennoch oder vielleicht auch deswegen gilt das Lehrstück um die Frage nach den Wert des Individuums heute als Klassiker des Genres und eine der interessantesten Abhandlungen über die "Illusion" des perfekten Mordes. Ein Klassikerstatus, der sogar den Test der Zeit überdauert hat.
In der dünnen Laufzeit von achtzig Minuten auf das nötigste beschränkt, stehen bei "Rope" die Dialoge und die wenigen Akteure im Vordergrund. Und es ist wohl Hitchcocks ruhiger Führung und dem Talent der beiden zentralen Protagonisten John Dall und Farley Granger zu verdanken, dass dabei die Spannung nie in Vergessenheit gerät. Dall tritt als dominanterer Partner der ungleichen Partnerschaft mit einer direkt hassenswerten Arroganz auf, die ihres Gleichen sucht, während Grangers Charakter als klassischer Mitläufer das subtilste Spiel verlangt und er zunehmend immer weiter an Profil und Intensität gewinnt. Aber allgemein ist bewunderswert, wie hervorragend der Cast von gerade einmal acht Darstellern zusammenpasst, wie jeder Charakter mit jedem in Interaktion gerät und eine allgemeine Chemie unter einander festzustellen ist, die das zunehmende Unbehagen der Party-Beiwohner nie zu sehr überschattet. Natürlich ist es aber neben den beiden mehr oder weniger eiskalten Mörder hauptsächlich der großartige James Stewart, der als Philosophie-Professor die moralische Instanz und gleichzeitig den tragischen Helden verkörpert, welcher hier hervorsticht, da seine Figur neben der von Granger den interessantesten Verlauf nimmt.
Denn obwohl Hitchcock die Geschichte auf das Wesentliche konzentriert, ist sie überraschend tiefgründig und auch nach beinahe 70 Jahren aktuell wie eh und je. Kurz nach der Zeit der NS-Ideologie entstanden, erscheint "Rope" schnell als Plädoyer zum eigenständigen Denken und der Gefahr rein theoretisch gemeinter philosophischer Gedankenmodelle. Nicht umsonst entbrennt auf der abendlichen Party eine immer aggressivere Debatte über Friedrich Nietzsches Theorie des Übermenschen und die gesellschaftliche und möglicherweise sogar künstlerische Notwendigkeit des Mordens als puren Akt an sich, nicht getrieben von in simple Moralvorstellungen einzuteilende Motive, sondern einzig durch das Überlegensein des überlegenen Individuums gegenüber niederen Wesen legitimiert. Ja, teilweise schneidet das Script allzu plakativ derartige Motive an, doch sobald sie etabliert sind, erreichen die Diskurse anregenden intellektuellen Charakter und rahmen die ansonsten ohnehin schon spannende Katz-/Mauskonstellation reizvoll ein, scheinen gar zum eigentlichen Hauptanliegen Hitchcocks zu werden, der sogar offen lässt, welche Figur der Zuschauer sich als empathischen Fixpunkt suchen soll. Ist es der charismatische Brandon, der jedoch ein eiskalter Mörder ist, ist es Prof. Rupert Cadell, dessen Ansichten in den Diskussionen gleichermaßen Zynismus wie Ernst sein könnten oder sympathisiert man mit der illustren Mrs. Atwater, die sich aus jeglichen Debatten eher raushält und stattdessen an die übersinnliche Sternendeutung klammert? Der Zuschauer kann wählen, sich selbst in "Rope" wiederfinden oder entscheiden, das Gesehene kritisch zu betrachten und zu hinterfragen.
Umstritten ist die Theaterinszenierung Hitchcocks. Die Ruhe der Kamerafahrten machen zunehmend nervös und konzentrieren den Film komplett auf das Spiel der Akteure, doch nicht immer spielt das theatralische der Aufmachung der Geschichte in die Karten und Douglas Dick als Kenneth Lawrence scheint insbesondere hin und wieder seine Probleme mit der geforderten Form des Schauspiels zu haben. Dennoch gibt es herausragend gefilmte Momente und eine spannende Art Hitchcocks, seine Handlung anhand von Alltagsgegenständen wie dem eingangs erwähnten Rope zu erzählen. Besonders im letzten Abschnitt des Filmes zieht die Inszenierung noch einmal ordentlich an und das abschließende Schlussplädoyer spielt endlich die finale dramatische und tragische Komponente der Handlung aus, die vorher einmal zu oft angedeutet wurde. Thematisch findet Hitchcock den richtigen Ton, seine Erzählung zu beenden, auch dramaturgisch scheint der finale Höhepunkt schlüssig gesetzt und clever an das unvermeidliche Resultieren der Charaktere gebunden, Stil, Entwicklung und Botschaft gehen Hand in Hand. Abschließend bleiben zwar die Fragen, ob der Film ohne den eingangs gezeigten Mord nicht an Überraschung gewonnen hätte und ob der Mittelteil nicht mit noch mehr dramaturgischen Mäandern seine Echtheit nicht hätte steigern können, doch auch so ist "Rope" ein begeisterndes Kammerspiel, dass ohne jede Effekthascherei seinen Weg immerhin konsequent bis zum Ende geht und sicher nicht ungehört bleibt.
Fazit: Wirken Filmklassiker irgendwann aus optischer oder thematischer Sicht schnell veraltet, kann Hitchcocks Studie der Art of Murder auch im 21. Jahrhundert noch ein Publikum finden. Es bleibt eine Binsenweisheit, doch ist sie unbestritten wahr: Gute Geschichten veraltern nicht. Und so ist es immer noch eindrucksvoll wie abstoßend, wenn Brandon vor seinen Gästen über Wert und Nichtigkeit der Leben des gemeinen Volks sinniert und sich selbst gottgleich über die zu stellen meint, die intellektuell und physisch nicht mit seinem Ideal der menschlichen Rasse Schritt halten können - Parallelen zur Historie, die wohl niemandem erläutert werden müssen. Gleichzeitig ist das tragische Scheitern Cadells genau das, als was Hitchcock es zeigt: Ein Resultat aus Überlegungen ohne direkte handelnde Konsequenzen, die vom Einzeltäter zur Rechtfertigung abscheulicher Verbrechen zweckentfremdet werden können. Schlussendlich gewinnen jedoch Vernunft und allzu menschliches Verhalten... und ein simples "Rope" sorgt ironischerweise dafür, dass alle verbliebenen Stricke reißen.
- kaiserfranz
- Action Prolet
- Beiträge: 1133
- Registriert: 18.06.2005, 12:56
Jupiter Jones - Erster Detektiv!
Jupiter Ascending
Erinnern Sie sich an die Zeiten, als die Wachoswki-Geschwister mit ihrem 99er Überraschungshit "Matrix" große Erfolge feierten und mit ihrer klugen Verbindung von bombastischem Actionkino und nachdenklichen philosophischen Geschichten ein kleines Stück Filmgeschichte schrieben? Wenn ja, können Sie sich noch daran erinnern, wie 2003 ein empörtes Raunen durch die Filmwelt ging, als die Nachfolger "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" an den hohen Erwartungen der Kritiker und Zuschauer zerschellten? Wissen Sie noch, wie diese beiden Filme dermaßen zerrissen wurden, als stünden sie allein für alles schlechte, dass man dem Kino allgemein attestieren kann? "Jupiter Ascending", der 2014 erschienene neueste Streich der beiden ehemaligen Kino-Visionäre, ist tatsächlich so schlecht!
Nichts, aber auch gar nichts will an "Jupiter Ascending" funktionieren. Anfangen tut das mit dem selten dämlichen Drehbuch, dass einfach sämtliche Motive der "Matrix"-Trilogie wiederholt und mit einer langweiligen moderinisierten Aschenputtel-Handlung aufpeppelt, an einer Stelle sogar eine komplett absurde Regierungskritik übt. Gerade zu grotesk versuchen die Wachowskis, ähnlich dem ersten "Krieg der Sterne", ein lebendiges und gefülltes Universum zu erschaffen, scheitern aber bereits hier an der Redundanz all ihrer optischen und inhaltlichen Ideen, die zu keinem Zeitpunkt über den Status kalter Massenproduktionen herauskommen. Trotz bis ins letzte Detail perfekt ausgeklügelter CGI-Effekte en masse, die in dieser optischen Brillanz neue Standards für das Kino schaffen, sieht "Jupiter Ascending" durchgehend langweilig aus, auch, weil die Architekturen der Welten zu verworren und mythologisch-verschwurbelt prätentiös gestaltet wurden und man sich ständig in einem abstrakten Kunstgemälde gefangen sieht. Leider tragen zu dieser Künstlichkeit die extrem schwachen Dialoge bei, die oft dermaßen aufgesetzt wirken und außerdem komplett den Eindruck erwecken, in tausendfachen Variationen bereits gehört worden zu sein. Spannend ist das mittlerweile gar nicht mehr, "Jupiter Ascending" kommt allein inhaltlich mindestens 30 Jahre zu spät. Dass Channing Tatum als Strahlemann mit alberner Wolfsfrisur und peinlichen Fliegeschühchen auf der Suche nach seinen verlorenen Engelsflügeln (kein Scherz...) durch die komatöse Erscheinung wandelt, verschlimmert die unfreiwillige Komik nicht unerheblich.
Darstellerisch ist "Jupiter Ascending" leider ebenfalls eine Nullnummer. Während Tatum als charismatischer Leinwandheld vollends versagt, wirkt Mila Kunis als Jupiter merkwürdig teilnahmslos und scheint von den Dimensionen, die sich ihr eröffnen gänzlich unbeeindruckt - kaum eine Erwähnung wert, dass sie als Damsel In Distress nach etwa 30 Minuten ohnehin nur noch dazu da ist, andauernd von Tatums Wolfsmensch gerettet zu werden und sich hemmungslos in ihn zu verlieben. Daneben quälen sich unter anderem ein sichtlich gelangweilter Sean Bean durch das Krawallfeuerwerk und Eddie Redmayne gibt als Schurken die wohl fürchterlichste Overacting-Darstellung seit Jahren ab, so scheint ihm jedes Wort körperliche Schmerzen zu verursachen und seine Schreianfälle ganze Galaxien zu bedrohen. Ansonsten bleibt "Jupiter Ascending" erstaunlich leer, die Ideen der Menschen als Energiereserven und der durch eine Prophezeiung zur Rettung der Welt auserkorene hat man alle schon mal irgendwo gesehen, der Score von Michael Giacchino töst mit derartigem Rums daher, dass er den peinlichen Eindruck der Chose unangenehm verstärkt. Dazu kommen Szenen, die nicht den Hauch eine Sinnes ergeben, unangenehme philosophische Exkurse, die so tiefgründig wie die eigene flache Hand sind (und vermutlich nur des "Matrix"-Rufes der Regisseure wegen überhaupt eingebettet wurden in das enorm instabile Konstrukt) und eine Fülle an Anspielungen auf ein Universum, dass kein Profil hat und für das man sich ohnehin nicht interessiert. Das hier wohl wirklich versucht werden sollte, aus einem Nichts an beinahe allem ein Franchise zu kreieren, ist so witzig wie schockierend zugleich.
Einzig punkten könnte "Jupiter Ascending" also durch die Actionszenen, doch auch hier machen gute Effekte noch keinen guten Film. Was die Wachowskis an nicht enden wollenden Actionorgien auf den Zuschauer loslassen, übertrifft in seinen Ausmaßen selbst die härtesten Konfrontationen der jüngeren "Star Wars"-Prequels. In endlosen Verfolgungsjagden durch Großstädte, außerirdische Industriekomplexe (hier wird es besonders wahnwitzig) oder Asteroidenfelder rasen und jagen die Raumschiffe sich in gigantischen Materialschlachten, die Kamera mal nah, mal fern, mal aus der Vogelperspektive, meist jedoch aus der Verfolgerperspektive, manchmal mit 180 Grad Fahrten gefilmt, aber stets zu hektisch, zu wild, zu unfokussiert, der Schnitt von Alexander Berner katastrophal rhythmus uneinheitlich, sodass schnell auf der heimischen Couch das Spiel "Suche die Protagonisten im Bild" entstehen könnte. Alles an der Action des Sci-Fi-Flicks steht unter dem Prädikat "Reizüberflutung", bunte Bildchen explodieren in Hülle und Fülle und ploppen nach Belieben auf, doch jede Übersichtlichkeit, jedes Gefühl für das Geschehen oder die irgendwo am Rande des Bildes umher irrenden Charaktere geht dabei verloren, man geistert orientierungslos zwischen den Bildern hin und her. Ärgerlich und enttäuschend geraten so stolze 127 Minuten Screentime, bei denen man aber schon nach spätestens einer Stunde nicht mehr so recht weiß, wer grade warum mit wem und es auch vermutlich gar nicht mehr wissen will, erst recht nicht, wenn der dicke Pathos ertönt und Tatum zur nächsten Rettungsmission für Mila Ku, äh, Jupiter Jones aufbricht...
Fazit: Wenn die Wachowskis nach "Matrix" jemals so etwas wie ein kulturelles Phänomen gewesen sein sollten, gelingt es ihnen, mit "Jupiter Ascending" mit nur einem Film ihrem Status und Ruf ein eigenes Grab zu schaufeln und diesen mit dem Sargnagel auf immer in der kalten Erde zu verdammen. "Jupiter Ascending" ist ein technisch brillanter Film und der feuchte Traum jeder Effektschmiede... alles andere hingegen spottet der Bezeichnung als "Unterhaltungsfilm" fast gänzlich, höchstens die einleitenden dreißig Minuten können noch einigermaßen als akzeptabel angesehen werden. Danach präsentiert sich ein Albtraum-"Spektakel", wie man es noch nie gesehen hat, mit lauter Versatzstücken, die man schon tausendfach gesehen hat, zusätzlich mit der Einsicht, dass einem das alles vollständig ohne Selbstironie präsentiert wurde, was zu bitteren Erkenntnis führt: Die meinen das tatsächlich ernst!
Erinnern Sie sich an die Zeiten, als die Wachoswki-Geschwister mit ihrem 99er Überraschungshit "Matrix" große Erfolge feierten und mit ihrer klugen Verbindung von bombastischem Actionkino und nachdenklichen philosophischen Geschichten ein kleines Stück Filmgeschichte schrieben? Wenn ja, können Sie sich noch daran erinnern, wie 2003 ein empörtes Raunen durch die Filmwelt ging, als die Nachfolger "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" an den hohen Erwartungen der Kritiker und Zuschauer zerschellten? Wissen Sie noch, wie diese beiden Filme dermaßen zerrissen wurden, als stünden sie allein für alles schlechte, dass man dem Kino allgemein attestieren kann? "Jupiter Ascending", der 2014 erschienene neueste Streich der beiden ehemaligen Kino-Visionäre, ist tatsächlich so schlecht!
Nichts, aber auch gar nichts will an "Jupiter Ascending" funktionieren. Anfangen tut das mit dem selten dämlichen Drehbuch, dass einfach sämtliche Motive der "Matrix"-Trilogie wiederholt und mit einer langweiligen moderinisierten Aschenputtel-Handlung aufpeppelt, an einer Stelle sogar eine komplett absurde Regierungskritik übt. Gerade zu grotesk versuchen die Wachowskis, ähnlich dem ersten "Krieg der Sterne", ein lebendiges und gefülltes Universum zu erschaffen, scheitern aber bereits hier an der Redundanz all ihrer optischen und inhaltlichen Ideen, die zu keinem Zeitpunkt über den Status kalter Massenproduktionen herauskommen. Trotz bis ins letzte Detail perfekt ausgeklügelter CGI-Effekte en masse, die in dieser optischen Brillanz neue Standards für das Kino schaffen, sieht "Jupiter Ascending" durchgehend langweilig aus, auch, weil die Architekturen der Welten zu verworren und mythologisch-verschwurbelt prätentiös gestaltet wurden und man sich ständig in einem abstrakten Kunstgemälde gefangen sieht. Leider tragen zu dieser Künstlichkeit die extrem schwachen Dialoge bei, die oft dermaßen aufgesetzt wirken und außerdem komplett den Eindruck erwecken, in tausendfachen Variationen bereits gehört worden zu sein. Spannend ist das mittlerweile gar nicht mehr, "Jupiter Ascending" kommt allein inhaltlich mindestens 30 Jahre zu spät. Dass Channing Tatum als Strahlemann mit alberner Wolfsfrisur und peinlichen Fliegeschühchen auf der Suche nach seinen verlorenen Engelsflügeln (kein Scherz...) durch die komatöse Erscheinung wandelt, verschlimmert die unfreiwillige Komik nicht unerheblich.
Darstellerisch ist "Jupiter Ascending" leider ebenfalls eine Nullnummer. Während Tatum als charismatischer Leinwandheld vollends versagt, wirkt Mila Kunis als Jupiter merkwürdig teilnahmslos und scheint von den Dimensionen, die sich ihr eröffnen gänzlich unbeeindruckt - kaum eine Erwähnung wert, dass sie als Damsel In Distress nach etwa 30 Minuten ohnehin nur noch dazu da ist, andauernd von Tatums Wolfsmensch gerettet zu werden und sich hemmungslos in ihn zu verlieben. Daneben quälen sich unter anderem ein sichtlich gelangweilter Sean Bean durch das Krawallfeuerwerk und Eddie Redmayne gibt als Schurken die wohl fürchterlichste Overacting-Darstellung seit Jahren ab, so scheint ihm jedes Wort körperliche Schmerzen zu verursachen und seine Schreianfälle ganze Galaxien zu bedrohen. Ansonsten bleibt "Jupiter Ascending" erstaunlich leer, die Ideen der Menschen als Energiereserven und der durch eine Prophezeiung zur Rettung der Welt auserkorene hat man alle schon mal irgendwo gesehen, der Score von Michael Giacchino töst mit derartigem Rums daher, dass er den peinlichen Eindruck der Chose unangenehm verstärkt. Dazu kommen Szenen, die nicht den Hauch eine Sinnes ergeben, unangenehme philosophische Exkurse, die so tiefgründig wie die eigene flache Hand sind (und vermutlich nur des "Matrix"-Rufes der Regisseure wegen überhaupt eingebettet wurden in das enorm instabile Konstrukt) und eine Fülle an Anspielungen auf ein Universum, dass kein Profil hat und für das man sich ohnehin nicht interessiert. Das hier wohl wirklich versucht werden sollte, aus einem Nichts an beinahe allem ein Franchise zu kreieren, ist so witzig wie schockierend zugleich.
Einzig punkten könnte "Jupiter Ascending" also durch die Actionszenen, doch auch hier machen gute Effekte noch keinen guten Film. Was die Wachowskis an nicht enden wollenden Actionorgien auf den Zuschauer loslassen, übertrifft in seinen Ausmaßen selbst die härtesten Konfrontationen der jüngeren "Star Wars"-Prequels. In endlosen Verfolgungsjagden durch Großstädte, außerirdische Industriekomplexe (hier wird es besonders wahnwitzig) oder Asteroidenfelder rasen und jagen die Raumschiffe sich in gigantischen Materialschlachten, die Kamera mal nah, mal fern, mal aus der Vogelperspektive, meist jedoch aus der Verfolgerperspektive, manchmal mit 180 Grad Fahrten gefilmt, aber stets zu hektisch, zu wild, zu unfokussiert, der Schnitt von Alexander Berner katastrophal rhythmus uneinheitlich, sodass schnell auf der heimischen Couch das Spiel "Suche die Protagonisten im Bild" entstehen könnte. Alles an der Action des Sci-Fi-Flicks steht unter dem Prädikat "Reizüberflutung", bunte Bildchen explodieren in Hülle und Fülle und ploppen nach Belieben auf, doch jede Übersichtlichkeit, jedes Gefühl für das Geschehen oder die irgendwo am Rande des Bildes umher irrenden Charaktere geht dabei verloren, man geistert orientierungslos zwischen den Bildern hin und her. Ärgerlich und enttäuschend geraten so stolze 127 Minuten Screentime, bei denen man aber schon nach spätestens einer Stunde nicht mehr so recht weiß, wer grade warum mit wem und es auch vermutlich gar nicht mehr wissen will, erst recht nicht, wenn der dicke Pathos ertönt und Tatum zur nächsten Rettungsmission für Mila Ku, äh, Jupiter Jones aufbricht...
Fazit: Wenn die Wachowskis nach "Matrix" jemals so etwas wie ein kulturelles Phänomen gewesen sein sollten, gelingt es ihnen, mit "Jupiter Ascending" mit nur einem Film ihrem Status und Ruf ein eigenes Grab zu schaufeln und diesen mit dem Sargnagel auf immer in der kalten Erde zu verdammen. "Jupiter Ascending" ist ein technisch brillanter Film und der feuchte Traum jeder Effektschmiede... alles andere hingegen spottet der Bezeichnung als "Unterhaltungsfilm" fast gänzlich, höchstens die einleitenden dreißig Minuten können noch einigermaßen als akzeptabel angesehen werden. Danach präsentiert sich ein Albtraum-"Spektakel", wie man es noch nie gesehen hat, mit lauter Versatzstücken, die man schon tausendfach gesehen hat, zusätzlich mit der Einsicht, dass einem das alles vollständig ohne Selbstironie präsentiert wurde, was zu bitteren Erkenntnis führt: Die meinen das tatsächlich ernst!
Cats come when they feel like it. Not when they're told.
Catwoman
Hautenges Lederoutfit, katzengleiche Bewegungen und mehr Energie als eine Rugby-Mannschaft - welcher Mann kann da schon nein sagen? Bereits in Tim Burtons 1992er Comicadaption "Batmans Rückkehr" machte Michelle Pfeiffer die Männer (unter ihnen der legendäre Fledermaus-Rächer) als verschlagene Meisterdiebin Catwoman verrückt. 2004 war nun der französische Regisseur Pitof an der Reihe, "seine" Hauptdarstellerin Halle Berry zum Blickfang des männlichen Publikums zu machen. Und siehe da: Berry, die als Mutantin Storm im "X-Men"-Franchise bereits Erfahrungen im Comicfilm-Metier machen durfte und in "Stirb an einem anderen Tag" schon mit "Superheld" James Bond flirtete, macht im Katzendress eine ausgezeichnete Figur. Viel mehr positives bleibt über "Catwoman" aber leider nicht zu sagen, denn die Verfilmung aus dem Hause Detective Comics dürfte als Musterbeispiel in die Geschichte eingehen, dafür, wie man Fans und Normalzuschauer gleichermaßen hintergehen kann.
Gotham City oder gar Batman selbst spielen in Pitofs Film keine Rolle: "Catwoman" nutzt lediglich wenige Motive der beliebten Vorlagen und legt sein Augenmerk lieber auf die lasziv posierende Hauptdarstellerin. Leider bleibt eine nachvollziehbare Geschichte dafür auf der Strecke. Schon von Beginn an überlädt Pitof beinahe jede Szene, baut wilde Kamerafahrten über CGI-Straßenzüge ein und lässt Cutterin Sylvie Landra mitten in Dialogen aufgeregt hin und her schneiden, als stünde sie unter permanenter Anstrengung. So macht "Catwoman" von Anfang an einen furchtbar gehetzten Eindruck, als wäre die Inszenierung eine lästige Qual für alle Beteiligten gewesen. Derweil sieht der Zuschauer eine Halle Berry, die als Mauerblümchen Patience Phillips mindestens ebenso übereifrig und zappelnd ans Werk geht, nur um nach einem kleinen Säurebad à la Joker zum erotischen Männertraum zu werden. Akklimatisation - wozu denn? Patience hat für ihre körperlichen Veränderungen und ihre neuentdeckten Fähigkeiten nur ein müdes Lächeln übrig und ist nach fünf Sekunden der Verwunderung bereit, die alte Garderobe gegen Lack und Leder einzutauschen und sich den süßen Cop von Nebenan zu angeln... ach ja, und da sie irgendwer ja auch ermordet hatte, will sie den dann wohl auch noch finden. So genau wissen kann man das eigentlich nicht, die Motivation muss oft erraten werden. Besonders absurd gerät das, als Frances Conroy in der obligatorischen Mentoren-Rolle Patience von einem ominösen jahrhundertealten Katzenkult berichtet, was bei jedem denkenden Zuschauer sofort heftiges Kopfschütteln generiert... mit Ausnahme von Patience natürlich.
Die Geschichte ist tatsächlich noch einfallsloser, als man es sich vorstellen mag. Kaum hat Patience ihre Fähigkeiten entdeckt, lässt Pitof sie in mehreren überstilisierten Actionszenen ihre Katzen-Ähnlichkeit unter Beweis stellen. Ärgerlicherweise können die Computeranimationen dem hohen Budget von 100 Millionen Dollar nie gerecht werden. Allzu deutlich springen hier modellierte Pixel mit langen Ohren und Peitsche durch die Lüfte, sodass man kaum gewillt ist, Halle Berry für ihr Alter Ego den Credit zu verleihen. Eine Bedrohung scheint das Drehbuch von immerhin drei Autoren auch nicht für nötig zu halten: Der aus "Matrix Reloaded" bekannte Lambert Wilson und die völlig deplatzierte Sharon Stone spielen ein High Socitey Ehepaar, welches mit giftigen Kosmektikartikeln reich werden will und dafür über Leichen geht. Was hier zumindest in Ansätzen eine reizvolle Variation klassischer Schurkenpläne auf aktuelle Beispiele gemünzt hätte werden können, verliert spätestens dann an Glaubwürdigkeit, wenn das Botox-Wundermittel nicht nur abhängig macht und bei Absetzung schlimme Gesichtsnarben hinterlässt, sondern sogar übermenschliche Kräfte verleiht. Während das Script im Minutentakt an Infantilismus zunimmt (und dabei schwerlich Spannung aufbaut), quält sich ein sichtlich unterforderter Benjamin Brett als männlicher Love Interest durch schräge Dialoge. Kaum erwähnenswert, dass der einzig gelungene Moment der blassen Liebesgeschichte ein im MTV-Musikvideo-Stil inszeniertes Basketball-Duell zwischen ihm und Patience darstellt. Bleibt noch Alex Borstein, die als humoristischer Einschub nicht nur nicht zünden will, sondern um die auch noch ein Subplot aufgemacht wird, den Pitof am Ende glatt zu vergessen scheint. Damit bleibt Borsteins Charakter eine herausstechende Kuriosität in den auch sonst kuriosen 104 Minuten Spielzeit.
Besonders ärgerlich gerät "Catwoman" dann, wenn er versucht, emanzipatorischen Charakter zu beweisen. Doch Patience scheint an der Entfaltung ihres inneren Ichs gar nicht interessiert zu sein. Die Dualität zwischen ihr und Catwoman akzeptiert sie nicht nur unglaublich schnell, sondern nimmt ihren neuen Bewusstseinszustand müde hin, weil sie ansonsten nichts anderes zu tun hat. So geraten manche heldenhaften Momente (kleines Highlight: Ein außer Kontrolle geratenes Riesenrad) ihrerseins zwar leicht charmant, retten aber nicht den Eindruck, dass der Janusköpfigkeit der Protagonistin vom Film und von ihr selbst mit konstantem Desinteresse begegnet wird. Dass jeder Eindruck einer starken unabhängigen Frau spätestens bei Berrys x-ter erotischer PG-13-Selbstinszenierung von Dannen ist, erklärt sich von selbst, und dem Entdecken der Weiblichkeit weicht zusehends die Angst um den rechtschaffenen Mann an ihrer Seite. Wenn sich Stone und Berry im Showdown zu merkwürdig mechanischen Klängen von Klaus Badelt in auf Hochglanz polierter Videoclip-Optik durch ein Modeatelier meterweit durch die Luft werfen, ist die unfreiwillige Komik das einzige Maß an Unterhaltung, welches "Catwoman" immerhin davor rettet, als das schlimmste Machwerk seiner Art in die Geschichte einzugehen.
Fazit: Predigen Frauenzeitschiften nicht schon seit Urzeiten die Gefahren des Schönheitswahns und prangern die bösen Pharmakonzerne an? Mit "Catwoman" hat Hollywood endlich eine Heldin gefunden, die sich dieser Ungerechtigkeit nicht nur mutig entgegenstellt, sondern dabei 12-jährigen Pubertierenden auch noch Fantasien ins Oberstübchen hämmert, von denen diese früher nicht mal geträumt hätten. Ja, Berry sieht fantastisch aus und gibt sich freizügiger denn je. Doch was nützt das, wenn Handlung und Ambitionen sogar noch dünner bekleidet sind als die Hauptdarstellerin? "Catwoman" wird Fans vor den Kopf stoßen, Feministinnen verärgern und hat dabei auch noch ne ganze Stange Geld gekostet. Wer das wie Patience rigoros verschmerzen kann, kann sich zumindest an mancher Albernheit erfreuen. Prädikat: Katzenjammer.
Hautenges Lederoutfit, katzengleiche Bewegungen und mehr Energie als eine Rugby-Mannschaft - welcher Mann kann da schon nein sagen? Bereits in Tim Burtons 1992er Comicadaption "Batmans Rückkehr" machte Michelle Pfeiffer die Männer (unter ihnen der legendäre Fledermaus-Rächer) als verschlagene Meisterdiebin Catwoman verrückt. 2004 war nun der französische Regisseur Pitof an der Reihe, "seine" Hauptdarstellerin Halle Berry zum Blickfang des männlichen Publikums zu machen. Und siehe da: Berry, die als Mutantin Storm im "X-Men"-Franchise bereits Erfahrungen im Comicfilm-Metier machen durfte und in "Stirb an einem anderen Tag" schon mit "Superheld" James Bond flirtete, macht im Katzendress eine ausgezeichnete Figur. Viel mehr positives bleibt über "Catwoman" aber leider nicht zu sagen, denn die Verfilmung aus dem Hause Detective Comics dürfte als Musterbeispiel in die Geschichte eingehen, dafür, wie man Fans und Normalzuschauer gleichermaßen hintergehen kann.
Gotham City oder gar Batman selbst spielen in Pitofs Film keine Rolle: "Catwoman" nutzt lediglich wenige Motive der beliebten Vorlagen und legt sein Augenmerk lieber auf die lasziv posierende Hauptdarstellerin. Leider bleibt eine nachvollziehbare Geschichte dafür auf der Strecke. Schon von Beginn an überlädt Pitof beinahe jede Szene, baut wilde Kamerafahrten über CGI-Straßenzüge ein und lässt Cutterin Sylvie Landra mitten in Dialogen aufgeregt hin und her schneiden, als stünde sie unter permanenter Anstrengung. So macht "Catwoman" von Anfang an einen furchtbar gehetzten Eindruck, als wäre die Inszenierung eine lästige Qual für alle Beteiligten gewesen. Derweil sieht der Zuschauer eine Halle Berry, die als Mauerblümchen Patience Phillips mindestens ebenso übereifrig und zappelnd ans Werk geht, nur um nach einem kleinen Säurebad à la Joker zum erotischen Männertraum zu werden. Akklimatisation - wozu denn? Patience hat für ihre körperlichen Veränderungen und ihre neuentdeckten Fähigkeiten nur ein müdes Lächeln übrig und ist nach fünf Sekunden der Verwunderung bereit, die alte Garderobe gegen Lack und Leder einzutauschen und sich den süßen Cop von Nebenan zu angeln... ach ja, und da sie irgendwer ja auch ermordet hatte, will sie den dann wohl auch noch finden. So genau wissen kann man das eigentlich nicht, die Motivation muss oft erraten werden. Besonders absurd gerät das, als Frances Conroy in der obligatorischen Mentoren-Rolle Patience von einem ominösen jahrhundertealten Katzenkult berichtet, was bei jedem denkenden Zuschauer sofort heftiges Kopfschütteln generiert... mit Ausnahme von Patience natürlich.
Die Geschichte ist tatsächlich noch einfallsloser, als man es sich vorstellen mag. Kaum hat Patience ihre Fähigkeiten entdeckt, lässt Pitof sie in mehreren überstilisierten Actionszenen ihre Katzen-Ähnlichkeit unter Beweis stellen. Ärgerlicherweise können die Computeranimationen dem hohen Budget von 100 Millionen Dollar nie gerecht werden. Allzu deutlich springen hier modellierte Pixel mit langen Ohren und Peitsche durch die Lüfte, sodass man kaum gewillt ist, Halle Berry für ihr Alter Ego den Credit zu verleihen. Eine Bedrohung scheint das Drehbuch von immerhin drei Autoren auch nicht für nötig zu halten: Der aus "Matrix Reloaded" bekannte Lambert Wilson und die völlig deplatzierte Sharon Stone spielen ein High Socitey Ehepaar, welches mit giftigen Kosmektikartikeln reich werden will und dafür über Leichen geht. Was hier zumindest in Ansätzen eine reizvolle Variation klassischer Schurkenpläne auf aktuelle Beispiele gemünzt hätte werden können, verliert spätestens dann an Glaubwürdigkeit, wenn das Botox-Wundermittel nicht nur abhängig macht und bei Absetzung schlimme Gesichtsnarben hinterlässt, sondern sogar übermenschliche Kräfte verleiht. Während das Script im Minutentakt an Infantilismus zunimmt (und dabei schwerlich Spannung aufbaut), quält sich ein sichtlich unterforderter Benjamin Brett als männlicher Love Interest durch schräge Dialoge. Kaum erwähnenswert, dass der einzig gelungene Moment der blassen Liebesgeschichte ein im MTV-Musikvideo-Stil inszeniertes Basketball-Duell zwischen ihm und Patience darstellt. Bleibt noch Alex Borstein, die als humoristischer Einschub nicht nur nicht zünden will, sondern um die auch noch ein Subplot aufgemacht wird, den Pitof am Ende glatt zu vergessen scheint. Damit bleibt Borsteins Charakter eine herausstechende Kuriosität in den auch sonst kuriosen 104 Minuten Spielzeit.
Besonders ärgerlich gerät "Catwoman" dann, wenn er versucht, emanzipatorischen Charakter zu beweisen. Doch Patience scheint an der Entfaltung ihres inneren Ichs gar nicht interessiert zu sein. Die Dualität zwischen ihr und Catwoman akzeptiert sie nicht nur unglaublich schnell, sondern nimmt ihren neuen Bewusstseinszustand müde hin, weil sie ansonsten nichts anderes zu tun hat. So geraten manche heldenhaften Momente (kleines Highlight: Ein außer Kontrolle geratenes Riesenrad) ihrerseins zwar leicht charmant, retten aber nicht den Eindruck, dass der Janusköpfigkeit der Protagonistin vom Film und von ihr selbst mit konstantem Desinteresse begegnet wird. Dass jeder Eindruck einer starken unabhängigen Frau spätestens bei Berrys x-ter erotischer PG-13-Selbstinszenierung von Dannen ist, erklärt sich von selbst, und dem Entdecken der Weiblichkeit weicht zusehends die Angst um den rechtschaffenen Mann an ihrer Seite. Wenn sich Stone und Berry im Showdown zu merkwürdig mechanischen Klängen von Klaus Badelt in auf Hochglanz polierter Videoclip-Optik durch ein Modeatelier meterweit durch die Luft werfen, ist die unfreiwillige Komik das einzige Maß an Unterhaltung, welches "Catwoman" immerhin davor rettet, als das schlimmste Machwerk seiner Art in die Geschichte einzugehen.
Fazit: Predigen Frauenzeitschiften nicht schon seit Urzeiten die Gefahren des Schönheitswahns und prangern die bösen Pharmakonzerne an? Mit "Catwoman" hat Hollywood endlich eine Heldin gefunden, die sich dieser Ungerechtigkeit nicht nur mutig entgegenstellt, sondern dabei 12-jährigen Pubertierenden auch noch Fantasien ins Oberstübchen hämmert, von denen diese früher nicht mal geträumt hätten. Ja, Berry sieht fantastisch aus und gibt sich freizügiger denn je. Doch was nützt das, wenn Handlung und Ambitionen sogar noch dünner bekleidet sind als die Hauptdarstellerin? "Catwoman" wird Fans vor den Kopf stoßen, Feministinnen verärgern und hat dabei auch noch ne ganze Stange Geld gekostet. Wer das wie Patience rigoros verschmerzen kann, kann sich zumindest an mancher Albernheit erfreuen. Prädikat: Katzenjammer.
Independence Day
Schon immer gab es sie: Die abwertenden Bezeichnungen für die großen Unterhaltungsfilme für die Massen. "Popcorn-Kino", "Mainstream-Film", "No-Brainer", nicht wenige große Filmklassiker oder auch moderne Spaßfilme müssen sich solche Betitelungen gefallen lassen. Und ist ja auch durchaus was dran an der Bedeutung hinter der Rhetorik, denn so ganz abstreiten kann man es dann ja nicht, dass manche Filme eben noch deutlicher als andere jede innere Logik über Bord gehen lassen und unverblümt dem gepflegtem Schwachsinn mit viel Knalleffekt frönen. Wenn es sie jedenfalls wirklich geben sollte, die klassischen Popcorn-Filme und einfältigen Spektakelwerke, dann dürfte Roland Emmerichs 1996er Alien-Invasionsapokalypse die Mutter aller No-Brainer sein. Nichts an dem 140 Minuten langem Sci-Fi-Abenteuer scheint auch nur den Hauch eines Sinnes zu ergeben - und dennoch macht die launige Chose einen Heidenspaß.
"Independence Day" ist in der Tat kein sonderlich komplexes Werk: Metaebenen, Symbolcharakter, Tiefgang, Mehrdeutigkeit... das alles hat Emmerichs Film nicht und mit einer höchst plakativen Öko-Recycling-Botschaft ist in dieser Hinsicht das Höchstmaß der Gefühle schnell erreicht. Doch man kann "ID4" (wie er gerne abgekürzt wird) nur hoch anrechnen, genau das auch selbst zu wissen. Das die Handlung nur dazu dient, erst beinahe den gesamten Erdball zu vernichten, um ihn dann im dritten Akt möglichst schnell zurückzuerobern - egal! Emmerich inszeniert über solche Banalitäten wie Nachvollziehbarkeit oder gar Logik ohne Probleme hinweg und liefert eine handwerklich perfekt choreographierte und filmisch umgesetzte Zerstörungsorgie, die ihres gleichen sucht. Mit aufwendigen Computeranimationen aller erster Güte und selten brillanten Modellen, die vergleichbare Arbeiten der "James Bond"-Reihe mühellos übertreffen, werden in ID4 ganze Großstädte wie New York City dem Erdboden gleich gemacht, während in der Luft in "Krieg der Sterne" ähnlichen Luftschlachten mehrere Dutzend US-Militärflugzeuge gegen gar hunderte Ein-Mann-Raumschiffe von Statten gehen. ID4 ist optisches Kino in jeder Hinsicht und lässt die Kinnlade neue Tiefen entdecken. Sorgfältig bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Sequenzen zeigen ein in jeder Bildschirmecke perfektioniertes Massensterben, wie es gigantomanischer kaum umsetzbar erscheint. Dennoch verliert Emmerich das Ziel nicht aus den Augen: Mit natürlich übertriebenem, aber damit genau richtigem Pathos und dickem Heroismus fügt er jeder Beinahe-Apokalypse etwas heldenhaftes bei und rundet dies stets mit lockerer Selbstironie ab: So macht der Weltuntergang Spaß!
Charakterlich setzt er dabei vier verschiedene Ur-Amerikaner vor, die anfangs ihre eigenen Probleme haben, später durch die Katastrophen jedoch alle miteinander vernetzt werden. Bill Pullman sticht als US-Präsident Whitmore besonders heraus, präsentiert die Ideal-Version eines Staatsführers und schafft es, durch leise schauspielerische Akzente das persönliche Drama seiner Person wirklich menschlich und authentisch rüberzubringen und gefühlvolle Momente nicht einfach verstreuen zu lassen. Gleichzeitig gestattet es ihm die Regie, eine der wohl epischsten Ansprachen der Filmgeschichte zu halten, die zwar vor Patriotismus nur so übersprudelt, dafür mit David Arnolds großartigem Soundtrack und der emotionalen Sprechweise Pullmans einfach mitreißend ist. Co-Star Jeff Goldblum liefert ebenfalls eine wunderbare Performance ab (die im Kern nur seine "Jurassic Park" Rolle wiederholt), und kann im Zusammenspiel mit Filmpapa Judd Hirsch für wunderbare Lacher sorgen, ebenso gefällt Randy Quaid als Tramper mit Alkoholproblemen und Kampfpilot-Erfahrungen und darf den Heroismus des Filmes im Showdown dermaßen gekonnt auf die Spitze treiben, dass es eine Freude ist und mit dem ansonsten vorherrschendem Familienideal ein wenig brechen. Einzig Will Smith wirkt als Captain Hiller nicht unbedingt glaubhaft und in seinen schlechtesten Momenten selbst für einen Film wie diesen überdreht, genau wie ein Cameoauftritt von Brent Spiner eine Spur zu ausgefallen geraten ist. Ansonsten ist es tatsächlich der Cast, der ID4 zusammenhält und das Spektakel unterhaltsam und spannend gestaltet, dazu gehörig seinen Spaß an der Sache zu haben scheint und erfreulicherweise gerne bereit ist, ihn mit uns zu teilen.
Die bereits angedeutete starke Amerikanisierung mag für viele ein Kritikpunkt sein, doch da es ID4 völlig fern liegt, auch nur im Entferntesten politische Statements zu verbreiten, sollte Emmerich dies verziehen werden, erst recht, da in wenigen Momenten der Patriotismus ebenfalls sein selbstironisches Momentum erreicht. Selbstredend ist ID4 eine Zusammenstellung aller erdenklichen Klischees und der Ausgang für jeden Kinogänger sofort erratbar. Doch Emmerich sollte nicht Unrecht getan werden, diesen Film damit abzukanzeln, denn es liegt etwas enorm mitreißendes in vielen Szenen und das ganze ist höchst effizient zusammengesteckt und trotz der Länge erstaunlich temporeich gestaltet. Optisch kann man ihm hier sowieso keinen Vorwurf machen und jedem Raumschifffan sollte spätestens bei der Vernichtung des Weißen Hauses und allerspätestens im intergalaktischen Showdown das Herz aufgehen. Hin und wieder mag das Spektakel da über die Stränge schlagen, allerdings auch dabei charmant genug, um etwaige Doofheiten zu verzeihen oder sie leicht schmunzelnd als übersteigernde Eigenreferenz zu betrachten. Wer an "Independence Day" seine Freude hat, der muss sich sicher nicht schämen: Handwerklich astrein, erzählerisch sehr gekonnt und dabei immer ehrlich dem Publikum gegenüber. Da gerät die Bezeichnung "No-Brainer" doch glatt zum Kompliment an die ideale Nutzung des 75 Millionen Dollar Budgets. America!
Fazit: Destruktives Kino par excellence, dass genussvoll selbst banalste Dinge bis ins Unermessliche überzogen zeigt und dabei dank eines glänzend aufgelegten Hauptdarstellers auch die menschliche Komponente nicht vernachlässigt. Mit hervorragender musikalischer Untermalung und herausragenden Effekten gesegnet, kann der Zuschauer so das Gehirn beruhigt ausschalten und den Bilderfluss ungehemmt wirken lassen. Das Schlussdrittel mag da etwas schwächeln und die schlussendlichen Konfrontationen das erlösende Momentum doch deutlich zu lange herauszögern - dem Spaß tut das keinen großen Abbruch. Das Resultat mag kein nachhallendes Meisterwerk sein oder cineastische Ästhetik in Reinkultur präsentieren - die Unterhaltung kommt ganz sicher nicht zu kurz. Und den Anti-Patrioten sei gesagt: Ein wenig Amerika steckt doch in uns allen. Oder?
Schon immer gab es sie: Die abwertenden Bezeichnungen für die großen Unterhaltungsfilme für die Massen. "Popcorn-Kino", "Mainstream-Film", "No-Brainer", nicht wenige große Filmklassiker oder auch moderne Spaßfilme müssen sich solche Betitelungen gefallen lassen. Und ist ja auch durchaus was dran an der Bedeutung hinter der Rhetorik, denn so ganz abstreiten kann man es dann ja nicht, dass manche Filme eben noch deutlicher als andere jede innere Logik über Bord gehen lassen und unverblümt dem gepflegtem Schwachsinn mit viel Knalleffekt frönen. Wenn es sie jedenfalls wirklich geben sollte, die klassischen Popcorn-Filme und einfältigen Spektakelwerke, dann dürfte Roland Emmerichs 1996er Alien-Invasionsapokalypse die Mutter aller No-Brainer sein. Nichts an dem 140 Minuten langem Sci-Fi-Abenteuer scheint auch nur den Hauch eines Sinnes zu ergeben - und dennoch macht die launige Chose einen Heidenspaß.
"Independence Day" ist in der Tat kein sonderlich komplexes Werk: Metaebenen, Symbolcharakter, Tiefgang, Mehrdeutigkeit... das alles hat Emmerichs Film nicht und mit einer höchst plakativen Öko-Recycling-Botschaft ist in dieser Hinsicht das Höchstmaß der Gefühle schnell erreicht. Doch man kann "ID4" (wie er gerne abgekürzt wird) nur hoch anrechnen, genau das auch selbst zu wissen. Das die Handlung nur dazu dient, erst beinahe den gesamten Erdball zu vernichten, um ihn dann im dritten Akt möglichst schnell zurückzuerobern - egal! Emmerich inszeniert über solche Banalitäten wie Nachvollziehbarkeit oder gar Logik ohne Probleme hinweg und liefert eine handwerklich perfekt choreographierte und filmisch umgesetzte Zerstörungsorgie, die ihres gleichen sucht. Mit aufwendigen Computeranimationen aller erster Güte und selten brillanten Modellen, die vergleichbare Arbeiten der "James Bond"-Reihe mühellos übertreffen, werden in ID4 ganze Großstädte wie New York City dem Erdboden gleich gemacht, während in der Luft in "Krieg der Sterne" ähnlichen Luftschlachten mehrere Dutzend US-Militärflugzeuge gegen gar hunderte Ein-Mann-Raumschiffe von Statten gehen. ID4 ist optisches Kino in jeder Hinsicht und lässt die Kinnlade neue Tiefen entdecken. Sorgfältig bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Sequenzen zeigen ein in jeder Bildschirmecke perfektioniertes Massensterben, wie es gigantomanischer kaum umsetzbar erscheint. Dennoch verliert Emmerich das Ziel nicht aus den Augen: Mit natürlich übertriebenem, aber damit genau richtigem Pathos und dickem Heroismus fügt er jeder Beinahe-Apokalypse etwas heldenhaftes bei und rundet dies stets mit lockerer Selbstironie ab: So macht der Weltuntergang Spaß!
Charakterlich setzt er dabei vier verschiedene Ur-Amerikaner vor, die anfangs ihre eigenen Probleme haben, später durch die Katastrophen jedoch alle miteinander vernetzt werden. Bill Pullman sticht als US-Präsident Whitmore besonders heraus, präsentiert die Ideal-Version eines Staatsführers und schafft es, durch leise schauspielerische Akzente das persönliche Drama seiner Person wirklich menschlich und authentisch rüberzubringen und gefühlvolle Momente nicht einfach verstreuen zu lassen. Gleichzeitig gestattet es ihm die Regie, eine der wohl epischsten Ansprachen der Filmgeschichte zu halten, die zwar vor Patriotismus nur so übersprudelt, dafür mit David Arnolds großartigem Soundtrack und der emotionalen Sprechweise Pullmans einfach mitreißend ist. Co-Star Jeff Goldblum liefert ebenfalls eine wunderbare Performance ab (die im Kern nur seine "Jurassic Park" Rolle wiederholt), und kann im Zusammenspiel mit Filmpapa Judd Hirsch für wunderbare Lacher sorgen, ebenso gefällt Randy Quaid als Tramper mit Alkoholproblemen und Kampfpilot-Erfahrungen und darf den Heroismus des Filmes im Showdown dermaßen gekonnt auf die Spitze treiben, dass es eine Freude ist und mit dem ansonsten vorherrschendem Familienideal ein wenig brechen. Einzig Will Smith wirkt als Captain Hiller nicht unbedingt glaubhaft und in seinen schlechtesten Momenten selbst für einen Film wie diesen überdreht, genau wie ein Cameoauftritt von Brent Spiner eine Spur zu ausgefallen geraten ist. Ansonsten ist es tatsächlich der Cast, der ID4 zusammenhält und das Spektakel unterhaltsam und spannend gestaltet, dazu gehörig seinen Spaß an der Sache zu haben scheint und erfreulicherweise gerne bereit ist, ihn mit uns zu teilen.
Die bereits angedeutete starke Amerikanisierung mag für viele ein Kritikpunkt sein, doch da es ID4 völlig fern liegt, auch nur im Entferntesten politische Statements zu verbreiten, sollte Emmerich dies verziehen werden, erst recht, da in wenigen Momenten der Patriotismus ebenfalls sein selbstironisches Momentum erreicht. Selbstredend ist ID4 eine Zusammenstellung aller erdenklichen Klischees und der Ausgang für jeden Kinogänger sofort erratbar. Doch Emmerich sollte nicht Unrecht getan werden, diesen Film damit abzukanzeln, denn es liegt etwas enorm mitreißendes in vielen Szenen und das ganze ist höchst effizient zusammengesteckt und trotz der Länge erstaunlich temporeich gestaltet. Optisch kann man ihm hier sowieso keinen Vorwurf machen und jedem Raumschifffan sollte spätestens bei der Vernichtung des Weißen Hauses und allerspätestens im intergalaktischen Showdown das Herz aufgehen. Hin und wieder mag das Spektakel da über die Stränge schlagen, allerdings auch dabei charmant genug, um etwaige Doofheiten zu verzeihen oder sie leicht schmunzelnd als übersteigernde Eigenreferenz zu betrachten. Wer an "Independence Day" seine Freude hat, der muss sich sicher nicht schämen: Handwerklich astrein, erzählerisch sehr gekonnt und dabei immer ehrlich dem Publikum gegenüber. Da gerät die Bezeichnung "No-Brainer" doch glatt zum Kompliment an die ideale Nutzung des 75 Millionen Dollar Budgets. America!
Fazit: Destruktives Kino par excellence, dass genussvoll selbst banalste Dinge bis ins Unermessliche überzogen zeigt und dabei dank eines glänzend aufgelegten Hauptdarstellers auch die menschliche Komponente nicht vernachlässigt. Mit hervorragender musikalischer Untermalung und herausragenden Effekten gesegnet, kann der Zuschauer so das Gehirn beruhigt ausschalten und den Bilderfluss ungehemmt wirken lassen. Das Schlussdrittel mag da etwas schwächeln und die schlussendlichen Konfrontationen das erlösende Momentum doch deutlich zu lange herauszögern - dem Spaß tut das keinen großen Abbruch. Das Resultat mag kein nachhallendes Meisterwerk sein oder cineastische Ästhetik in Reinkultur präsentieren - die Unterhaltung kommt ganz sicher nicht zu kurz. Und den Anti-Patrioten sei gesagt: Ein wenig Amerika steckt doch in uns allen. Oder?
Kiss Kiss Bang Bang
Ist die Definition eines "Arzt-Filmes" jedem geläufig? Wem nicht, der schaue sich Shane Blacks Regiedebüt aus dem Jahre 2005 an, die Krimikomödie "Kiss Kiss Bang Bang", die sich als Verballhornung klassischer Buddy-Movies mit Elementen des Film Noir gespickt versteht. Black, der als Drehbuchautor jahrelang Filme dieses Genres nach klassischer Formel entwarf und sich dafür immer auf die gleichen - vom Publikum aber eben besonders geschätzten - Stereotypen und Handlungsabläufe verließ, rechnet in "Kiss Kiss Bang Bang" schonungslos mit all jenen Klischees ab, vom homophoben Macho-Helden bis hin zum tausendfach gesehenen vermeintlichen Heldentod im letzten Drittel. Wie ein Befreiungsschlag anmutend, dekonstruiert Black alles, was ihm an den sich stets wiederholenden Genrevertretern immer anzuöden weiß - schade nur, das er mit zunehmender Laufzeit selbst keine bessere Lösung parat hat, als sich jener Muster zu bedienen.
Als erzählerisch besonders herausragendes Element fällt bei "Kiss Kiss Bang Bang" als allererstes der männliche Protagonist Harry, gespielt von einem köstlich non-chalanten Robert Downey Jr., auf, der nicht nur ein ziemlich tollpatschiger und dennoch irgendwie sympathischer Zeitgenosse ist, sondern auch aus dem Off als Erzähler durch die Geschichte führt - wobei er nicht nur ziemlich unzuverlässig erscheint, sondern auch noch ständig Dinge vergisst und dementsprechend den Filmverlauf ein paar Mal reseten muss. Gags dieser Art hätte man Blacks Script mehr gegönnt, denn leider ist nach etwa 30 Minuten von dieser doch sehr frischen Erzähltechnick (die im Übrigen nicht selten mit einigen klugen visuellen Einfällen kombiniert ist) nicht mehr viel übrig und es geht weitestgehend linear zu. Dabei ist dies anfangs jedoch wenig problematisch. Die sich anbahnende (nicht so ganz perfekte Romanze) zwischen Harry und der wie immer gekonnt niedlichen Michelle Monaghan als für Harry oft schockierend sexuell offenes Landei punket mit ein paar amüsanten Witzeleien und die verunsichernden Einschübe Downey Jrs. gepaart mit geschickt auf den Kopf gestellten obligatorischen Inhalten (die nächtliche Observierung oder der erste Kontakt mit den Mördern) sind gleichermaßen abwechslungsreich wie spaßig aufbereitet.
Doch bereits relativ früh bahnt sich an, was im späteren Verlauf immer mehr zur Kernproblematik wird: Black will zu viel und versucht alles auf einmal, bringt dafür aber nichts so richtig zu Ende. So sind ihm die Schlagabtausche der beiden "Buddys" beinahe durchgehend geglückt und ein paar durchaus nachhallende Oneliner bleiben haften, aber auf der anderen Seite gibt es da eben auch noch diesen Kriminalplot, der erzählt werden will. Und Black scheint sich nur selten sicher zu sein, in welchem Tempo er Handlung und Komik entwickeln und voran bringen will. Hinzu kommt, dass der Kontrast zwischen knallharter Gangstergeschichte und schwarzer Situationskomik immer weniger effektiv erscheint. Während das anfängliche Problem, eine immer wieder ungünstig auftauchende Leiche möglichst schnell und nachhaltig zu entsorgen, die Balance zwischen geschickter Grenzüberschreitung und sinnvoller Plotentwicklung halten kann, gerät eine spätere "Jagd" nach einem abgetrennten Finger nicht nur nervend und die Rahmenhandlung aufhaltend, sondern verliert sich auch in frivolen Geschmacklosigkeiten. Dazu kommen unnötig brutale Einschübe seitens Black, die merkwürdig inkohärent mit dem lockeren Ton der Erzählung erscheinen. Gerade noch wackelte Harry leicht unter Drogen angeheitert durch eine ihm unbekannte Kulisse, da wird direkt neben ihm eine wehrlose junge Frau hingerichtet. Was zur reizvollen Mischung hätte werden können, büßt im Tempo der Regie (und des oft besonders nervös eifrigen Schnitts) an Effekt ein und verwässert so das eigentliche Konzept. Morde mögen in Krimiparodien dazu gehören, doch warum ausgerechnet Kindesmissbrauch zum zentralen Thema werden musste, bleibt bis zum Schluss unklar.
Schade auch, dass mit Ex-Batman Val Kilmer als homosexuellen Privatdetektiv kein entsprechend ausdrucksstarkes Gegengewicht für Downey Jrs. Spitzbübigkeit gefunden werden konnte, so dass er gefühlt doch zu sehr im Vordergrund steht, als das viele Momente als tatsächliche Persiflage auf Buddy-Movies funktionieren könnten. Immerhin: Die Chemie zwischen den beiden stimmt trotz schauspielerischer Ungleichheiten und John Ottmans jazzbetonter Soundtrack ist eine musikalisch wirklich interessante Auseinandersetzung mit dem Film Noir vergangener Tage und an vielen Stellen eine gekonnte Modernisierung bekannter Arrangements. Dennoch ist es schade, dass nach einer sehr guten halben Stunde nur noch wenig im weiteren Verlauf der etwas zu langen 100 Minuten aufgeboten wird, dass einen überdurchschnittlichen Eindruck vermitteln könnte. Gerade der Detektivplot wird im letzten Drittel sehr konventionell und vorhersehbar zu Ende gebracht, kommt völlig überraschungsarm daher und scheint logisch kaum Sinn zu ergeben, ist dazu noch zu kompliziert und verworren erzählt, um wirklich zu fesseln. Einer kreativen Bankrotterklärung gleich kommt dann die Entscheidung, als Finale eine einfallslose Stuntnummer abzuspulen, die zwar handwerklich einige überraschende Kameraperspektiven wählt, aber genau die Art von abgenudelten Eintagsbrei repräsentiert, den "Kiss Kiss Bang Bang" eigentlich verurteilen möchte. Sollte hier allerdings die wahre Aussage des Filmes verborgen liegen, so gelingt es Black zumindest nicht, diese klar genug heraus zu kristallisieren. Zurück bleibt ein leicht enttäuschter Eindruck, obgleich man dank des hohen Tempos und der tollen Downey Jr. Darbietung nie wirklich gelangweilt oder teilnahmslos dabei gewesen wäre.
Fazit: Als abendliche Couchunterhaltung mit ein paar netten Dialogen und witzigen Ideen ist "Kiss Kiss Bang Bang" mit kleinen Einschränkungen nicht verkehrt geraten und bietet eine passable Actionkomödie vom Fließband. Schlecht ist das nicht, verwerflich schon gar nicht, ärgerlich aber schon, jedenfalls wenn man bedenkt, dass Blacks Drehbuch das Potenzial gehabt hätte, dem ausgelutschten Krimi-Einmaleins ein paar neue Seiten abzugewinnen und neue Perspektiven zu ermöglichen. So bleibt ein Film, der in großen Teilen das geworden ist, was er kritisieren will, weshalb die Enttäuschung etwas schwerer wiegt als bei vergleichbaren Konkurrenz-Filmen. Für Fans von Robert Downey Jr. ist er allerdings Pflichtprogramm, überzeugt dieser nämlich nicht nur durch die Bank hindurch und spielt den blassen Val Kilmer durchgehend an die Wand, sondern redet in manchen Momenten auch direkt mit dem Publikum. Und welcher Fan möchte nicht einmal von seinem Idol angesprochen werden?
Ist die Definition eines "Arzt-Filmes" jedem geläufig? Wem nicht, der schaue sich Shane Blacks Regiedebüt aus dem Jahre 2005 an, die Krimikomödie "Kiss Kiss Bang Bang", die sich als Verballhornung klassischer Buddy-Movies mit Elementen des Film Noir gespickt versteht. Black, der als Drehbuchautor jahrelang Filme dieses Genres nach klassischer Formel entwarf und sich dafür immer auf die gleichen - vom Publikum aber eben besonders geschätzten - Stereotypen und Handlungsabläufe verließ, rechnet in "Kiss Kiss Bang Bang" schonungslos mit all jenen Klischees ab, vom homophoben Macho-Helden bis hin zum tausendfach gesehenen vermeintlichen Heldentod im letzten Drittel. Wie ein Befreiungsschlag anmutend, dekonstruiert Black alles, was ihm an den sich stets wiederholenden Genrevertretern immer anzuöden weiß - schade nur, das er mit zunehmender Laufzeit selbst keine bessere Lösung parat hat, als sich jener Muster zu bedienen.
Als erzählerisch besonders herausragendes Element fällt bei "Kiss Kiss Bang Bang" als allererstes der männliche Protagonist Harry, gespielt von einem köstlich non-chalanten Robert Downey Jr., auf, der nicht nur ein ziemlich tollpatschiger und dennoch irgendwie sympathischer Zeitgenosse ist, sondern auch aus dem Off als Erzähler durch die Geschichte führt - wobei er nicht nur ziemlich unzuverlässig erscheint, sondern auch noch ständig Dinge vergisst und dementsprechend den Filmverlauf ein paar Mal reseten muss. Gags dieser Art hätte man Blacks Script mehr gegönnt, denn leider ist nach etwa 30 Minuten von dieser doch sehr frischen Erzähltechnick (die im Übrigen nicht selten mit einigen klugen visuellen Einfällen kombiniert ist) nicht mehr viel übrig und es geht weitestgehend linear zu. Dabei ist dies anfangs jedoch wenig problematisch. Die sich anbahnende (nicht so ganz perfekte Romanze) zwischen Harry und der wie immer gekonnt niedlichen Michelle Monaghan als für Harry oft schockierend sexuell offenes Landei punket mit ein paar amüsanten Witzeleien und die verunsichernden Einschübe Downey Jrs. gepaart mit geschickt auf den Kopf gestellten obligatorischen Inhalten (die nächtliche Observierung oder der erste Kontakt mit den Mördern) sind gleichermaßen abwechslungsreich wie spaßig aufbereitet.
Doch bereits relativ früh bahnt sich an, was im späteren Verlauf immer mehr zur Kernproblematik wird: Black will zu viel und versucht alles auf einmal, bringt dafür aber nichts so richtig zu Ende. So sind ihm die Schlagabtausche der beiden "Buddys" beinahe durchgehend geglückt und ein paar durchaus nachhallende Oneliner bleiben haften, aber auf der anderen Seite gibt es da eben auch noch diesen Kriminalplot, der erzählt werden will. Und Black scheint sich nur selten sicher zu sein, in welchem Tempo er Handlung und Komik entwickeln und voran bringen will. Hinzu kommt, dass der Kontrast zwischen knallharter Gangstergeschichte und schwarzer Situationskomik immer weniger effektiv erscheint. Während das anfängliche Problem, eine immer wieder ungünstig auftauchende Leiche möglichst schnell und nachhaltig zu entsorgen, die Balance zwischen geschickter Grenzüberschreitung und sinnvoller Plotentwicklung halten kann, gerät eine spätere "Jagd" nach einem abgetrennten Finger nicht nur nervend und die Rahmenhandlung aufhaltend, sondern verliert sich auch in frivolen Geschmacklosigkeiten. Dazu kommen unnötig brutale Einschübe seitens Black, die merkwürdig inkohärent mit dem lockeren Ton der Erzählung erscheinen. Gerade noch wackelte Harry leicht unter Drogen angeheitert durch eine ihm unbekannte Kulisse, da wird direkt neben ihm eine wehrlose junge Frau hingerichtet. Was zur reizvollen Mischung hätte werden können, büßt im Tempo der Regie (und des oft besonders nervös eifrigen Schnitts) an Effekt ein und verwässert so das eigentliche Konzept. Morde mögen in Krimiparodien dazu gehören, doch warum ausgerechnet Kindesmissbrauch zum zentralen Thema werden musste, bleibt bis zum Schluss unklar.
Schade auch, dass mit Ex-Batman Val Kilmer als homosexuellen Privatdetektiv kein entsprechend ausdrucksstarkes Gegengewicht für Downey Jrs. Spitzbübigkeit gefunden werden konnte, so dass er gefühlt doch zu sehr im Vordergrund steht, als das viele Momente als tatsächliche Persiflage auf Buddy-Movies funktionieren könnten. Immerhin: Die Chemie zwischen den beiden stimmt trotz schauspielerischer Ungleichheiten und John Ottmans jazzbetonter Soundtrack ist eine musikalisch wirklich interessante Auseinandersetzung mit dem Film Noir vergangener Tage und an vielen Stellen eine gekonnte Modernisierung bekannter Arrangements. Dennoch ist es schade, dass nach einer sehr guten halben Stunde nur noch wenig im weiteren Verlauf der etwas zu langen 100 Minuten aufgeboten wird, dass einen überdurchschnittlichen Eindruck vermitteln könnte. Gerade der Detektivplot wird im letzten Drittel sehr konventionell und vorhersehbar zu Ende gebracht, kommt völlig überraschungsarm daher und scheint logisch kaum Sinn zu ergeben, ist dazu noch zu kompliziert und verworren erzählt, um wirklich zu fesseln. Einer kreativen Bankrotterklärung gleich kommt dann die Entscheidung, als Finale eine einfallslose Stuntnummer abzuspulen, die zwar handwerklich einige überraschende Kameraperspektiven wählt, aber genau die Art von abgenudelten Eintagsbrei repräsentiert, den "Kiss Kiss Bang Bang" eigentlich verurteilen möchte. Sollte hier allerdings die wahre Aussage des Filmes verborgen liegen, so gelingt es Black zumindest nicht, diese klar genug heraus zu kristallisieren. Zurück bleibt ein leicht enttäuschter Eindruck, obgleich man dank des hohen Tempos und der tollen Downey Jr. Darbietung nie wirklich gelangweilt oder teilnahmslos dabei gewesen wäre.
Fazit: Als abendliche Couchunterhaltung mit ein paar netten Dialogen und witzigen Ideen ist "Kiss Kiss Bang Bang" mit kleinen Einschränkungen nicht verkehrt geraten und bietet eine passable Actionkomödie vom Fließband. Schlecht ist das nicht, verwerflich schon gar nicht, ärgerlich aber schon, jedenfalls wenn man bedenkt, dass Blacks Drehbuch das Potenzial gehabt hätte, dem ausgelutschten Krimi-Einmaleins ein paar neue Seiten abzugewinnen und neue Perspektiven zu ermöglichen. So bleibt ein Film, der in großen Teilen das geworden ist, was er kritisieren will, weshalb die Enttäuschung etwas schwerer wiegt als bei vergleichbaren Konkurrenz-Filmen. Für Fans von Robert Downey Jr. ist er allerdings Pflichtprogramm, überzeugt dieser nämlich nicht nur durch die Bank hindurch und spielt den blassen Val Kilmer durchgehend an die Wand, sondern redet in manchen Momenten auch direkt mit dem Publikum. Und welcher Fan möchte nicht einmal von seinem Idol angesprochen werden?
Stand by me
Nur wenige Menschen können in dem, was sie beruflich tun, als Meister oder Visionäre bezeichnet werden. Stephen King, seines Zeichens einer der bekanntesten, beliebtesten und erfolgreichsten Autoren, der sich je in die tiefen Gefilde von Mystery und Horror begab, ist einer dieser wenigen, welche sich einen solchen Status erarbeiten konnte. Doch seine Novelle "Die Leiche" ist so ganz anders als sein übriges Ouevre und in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmewerk in dessen Biographie. Es ist eine Geschichte von vier Freunden aus dem kleinen US-Dorf Castle Rock Ende der 50er Jahre, die in den fernen Wald wollen, um die Leiche eines Jungen in ihrem Alter zu finden. Dahinter steckt eine tiefe und emotionale Erzählung über das Mysterium der Freundschaft, die Entdeckung der großen weiten Welt und die langsame Reifung der vier (noch-)Kinder, doch in erster Linie ist "Stand by me" (nach dem gleichnamigen Song von Ben E. King benannt) ein ruhiger und atmosphärischer Abenteuerfilm.
Trotz früh-jugendlicher, bzw. eher kindlicher Protagonisten ist "Stand by me" weit davon entfernt, ein Kinderfilm zu sein. Denn wie Regisseur Rob Reiner bereits früh offenbart, ist keiner der vier noch ganz unschuldig: Sie alle haben ihre eigenen Dämonen zu tragen, ob sie von ihrem Vater schwer misshandelt wurden, im Schatten ihres verstorbenem toten Bruders stehen oder einfach in eine von der Gesellschaft missachtete Familie geboren wurden, jeder von ihnen ist ein Außenseiter, die vermutlich deshalb eine eigene starke Gruppe bilden. Und Reiner gelingt es sofort, diesen Kindern Leben und Sympathie zu verleihen, welches von mehr als talentierten Darstellern getragen wird, ganz zentral natürlich Wil Wheaton und River Phoenix. Wheatons Figur ist als moralischer Kompass der Gruppe (und Erzähler der Geschichte) weit mehr als nur Fixpunkt für den Zuschauer, sondern ein atmender Charakter, dessen Entwicklungsprozess zum Selbstbewusstsein mehr als souverän verbildlicht wird, während Phoenix den Anführer der Gruppe und die interessanteste Person ist. Phoenix spielt für sein junges Alter überragend den verschmähten Unruhestifter, der verzweifelt die Anerkennung anderer sucht und immer weiß, was zu tun ist - außer bei sich selbst. Auch Corey Feldman und Jerry O'Connell bringen die exzentrischeren Rollen ohne erkennbaren Mühnen lebensecht auf die Leinwand und runden mit Kiefer Sutherland als obligatorischem, aber an sich überflüssigem Fiesling das tolle Ensemble gekonnt ab.
Wie bereits erwähnt: "Stand by me" ist eine Abenteuergeschichte, die Reiner mit klassischen, aber wohl gewählten Mitteln umzusetzen weiß. Die Charaktereigenschaft "Unaufgeregtheit" ist dabei die größte Stärke seiner Inszenierung. Obwohl mit 89 Minuten nicht allzu lang, lässt sich die Erzählung nie hetzen und setzt stets auf kurzzeitige Tempiwechsel. Größtenteils stehen einfach nur die Kinder und ihre Dialoge sowie ihre Entdeckung der Natur (wunderschön: eine morgendliche Begnung mit einem zahmen Reh) im Vordergrund, schwelgerisch begleitet durch lange Kamerafahrten und weite Aufnahmen über die romantisch idealisierte Landschaft - eben aus Kinderaugen betrachtet. Jeder Baum hat in "Stand by me" etwas erhabenes, jeder Sonnenaufgang etwas belebendes und jedes nächtliche Geräusch lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Genauso ist auch die anfängliche Heimat (oder eher Festung?) Castle Rock natürlich die Klischeekulisse schlechthin, doch damit absolut passend als Ambiente für die Handlung. Wie die Kinder ist man schnell überzeugt, dass über Castle Rock als Mittelpunkt des Universums die Sonne auf- und untergeht, sodass der Ausflug mit seinem Beginn wie ein Befreiungsschlag wirkt und dennoch nie zu ausführlich gerät. Durch geschickt gesetzte Spannungshöhepunkte weiß die Regie immer wieder zu überraschen, so kommt es zu einer Mutprobe auf offenen Gleisen, bedrohlichen Begegnungen mit bissigen Hunden und Blutegeln, einer nächtlichen (herzhaft komischen) Wachaktion und einer zweiten Konfrontation mit einem Zug - diesmal auf einer hochgelegenen Brücke. Das alles spannend und packend inszeniert, und dennoch ohne allzu sehr aufs Gaspedal drücken zu müssen. "Stand by me" behält seine Geschwindigkeit bei, aber er kommt an.
Natürlich hat "Stand by me" neben aller Ruhe und Besinnlichkeit auch viel King-typischen Humor zu bieten, besonders eine Gute Nacht Geschichte, welche die Hauptfigur Gordie erzählt und sehr ausführlich bebildert wird, bleibt im Gedächtnis. Trotzdem hat Reiners Film eine Schwere und eine von Sehnsüchten geprägte Form der Melancholie, die als direktes Resultat der sehr präsenten Naturdarstellung auch Auswirkungen auf das Leben der Protagonisten zu haben scheint. Zusehends verlieren die Bildkompositionen an Leichtigkeit und Frohsinn, immer mehr weichen die Farben aus dem Bild und das Ende nimmt gar tragische Züge an und wirkt erstaunlich pessimistisch. Tatsächlich ist den Jungen jedoch kein Leid oder gar Unheil widerfahren, sie sind schlicht und ergreifend erwachsen geworden. Immer wieder nutzen Regie und Script die Abenteuergeschichte als Metapher für die unaufhaltsame mentale Heranwachsung. Kaum zufällig lernen wir die Kinder beim heimlichen Rauchen und gemeinsamem Lachen über perverse Witze kennen: Sie spielen Erwachsene und träumen von Respekt und Anerkennung. Doch jugendlicher Leichtsinn (der sich in ihrer Odyssee immer bemerkbarer macht), Neugierde und mutige Entscheidungen lassen sie zusehends ernster und nachdenklicher werden, bis Castle Rock am Ende gar nicht mehr so groß und global scheint. Und dabei sind sie nur den Bahnschienen gefolgt - erst in die eine Richtung und dann wieder in die andere. Rückentwicklung durch Fortschritt oder Unabwendbarkeit der Zeit? Dies bleibt dem Zuschauer überlassen.
Fazit: "Stand by me" ist gleichermaßen Charakterstudie wie Abenteuergeschichte und zugleich ein Film über Freundschaft als auch über Trennung, thematisiert Kindheit genauso sehr wie das dunkle und triste Erwachsensein. Dabei wird ohne viel Aufsehen oder großen Pathos eine ehrliche und authentische Handlung nach gängiger Dramaturgie erzählt, die ihrer Einfachheit und Direktheit wegen auf unkomplizierte Art und Weise ihr Ziel nicht verfehlt. Dank des fantastischen Casts, der in allen wichtigen Rollen ideal besetzt ist, der ein oder anderen emotionalen Passage und den spannenden Darstellungen der Handlungsorte (wie einer geschickten Imitierungen der späten 50er im Jahr 1986) ist "Stand by me" ein formal sehr gelungener Streifen, dessen Sensibilität und Melancholie ihn gleichermaßen unscheinbar wie rhythmisch fließend wirken lassen.
Nur wenige Menschen können in dem, was sie beruflich tun, als Meister oder Visionäre bezeichnet werden. Stephen King, seines Zeichens einer der bekanntesten, beliebtesten und erfolgreichsten Autoren, der sich je in die tiefen Gefilde von Mystery und Horror begab, ist einer dieser wenigen, welche sich einen solchen Status erarbeiten konnte. Doch seine Novelle "Die Leiche" ist so ganz anders als sein übriges Ouevre und in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmewerk in dessen Biographie. Es ist eine Geschichte von vier Freunden aus dem kleinen US-Dorf Castle Rock Ende der 50er Jahre, die in den fernen Wald wollen, um die Leiche eines Jungen in ihrem Alter zu finden. Dahinter steckt eine tiefe und emotionale Erzählung über das Mysterium der Freundschaft, die Entdeckung der großen weiten Welt und die langsame Reifung der vier (noch-)Kinder, doch in erster Linie ist "Stand by me" (nach dem gleichnamigen Song von Ben E. King benannt) ein ruhiger und atmosphärischer Abenteuerfilm.
Trotz früh-jugendlicher, bzw. eher kindlicher Protagonisten ist "Stand by me" weit davon entfernt, ein Kinderfilm zu sein. Denn wie Regisseur Rob Reiner bereits früh offenbart, ist keiner der vier noch ganz unschuldig: Sie alle haben ihre eigenen Dämonen zu tragen, ob sie von ihrem Vater schwer misshandelt wurden, im Schatten ihres verstorbenem toten Bruders stehen oder einfach in eine von der Gesellschaft missachtete Familie geboren wurden, jeder von ihnen ist ein Außenseiter, die vermutlich deshalb eine eigene starke Gruppe bilden. Und Reiner gelingt es sofort, diesen Kindern Leben und Sympathie zu verleihen, welches von mehr als talentierten Darstellern getragen wird, ganz zentral natürlich Wil Wheaton und River Phoenix. Wheatons Figur ist als moralischer Kompass der Gruppe (und Erzähler der Geschichte) weit mehr als nur Fixpunkt für den Zuschauer, sondern ein atmender Charakter, dessen Entwicklungsprozess zum Selbstbewusstsein mehr als souverän verbildlicht wird, während Phoenix den Anführer der Gruppe und die interessanteste Person ist. Phoenix spielt für sein junges Alter überragend den verschmähten Unruhestifter, der verzweifelt die Anerkennung anderer sucht und immer weiß, was zu tun ist - außer bei sich selbst. Auch Corey Feldman und Jerry O'Connell bringen die exzentrischeren Rollen ohne erkennbaren Mühnen lebensecht auf die Leinwand und runden mit Kiefer Sutherland als obligatorischem, aber an sich überflüssigem Fiesling das tolle Ensemble gekonnt ab.
Wie bereits erwähnt: "Stand by me" ist eine Abenteuergeschichte, die Reiner mit klassischen, aber wohl gewählten Mitteln umzusetzen weiß. Die Charaktereigenschaft "Unaufgeregtheit" ist dabei die größte Stärke seiner Inszenierung. Obwohl mit 89 Minuten nicht allzu lang, lässt sich die Erzählung nie hetzen und setzt stets auf kurzzeitige Tempiwechsel. Größtenteils stehen einfach nur die Kinder und ihre Dialoge sowie ihre Entdeckung der Natur (wunderschön: eine morgendliche Begnung mit einem zahmen Reh) im Vordergrund, schwelgerisch begleitet durch lange Kamerafahrten und weite Aufnahmen über die romantisch idealisierte Landschaft - eben aus Kinderaugen betrachtet. Jeder Baum hat in "Stand by me" etwas erhabenes, jeder Sonnenaufgang etwas belebendes und jedes nächtliche Geräusch lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Genauso ist auch die anfängliche Heimat (oder eher Festung?) Castle Rock natürlich die Klischeekulisse schlechthin, doch damit absolut passend als Ambiente für die Handlung. Wie die Kinder ist man schnell überzeugt, dass über Castle Rock als Mittelpunkt des Universums die Sonne auf- und untergeht, sodass der Ausflug mit seinem Beginn wie ein Befreiungsschlag wirkt und dennoch nie zu ausführlich gerät. Durch geschickt gesetzte Spannungshöhepunkte weiß die Regie immer wieder zu überraschen, so kommt es zu einer Mutprobe auf offenen Gleisen, bedrohlichen Begegnungen mit bissigen Hunden und Blutegeln, einer nächtlichen (herzhaft komischen) Wachaktion und einer zweiten Konfrontation mit einem Zug - diesmal auf einer hochgelegenen Brücke. Das alles spannend und packend inszeniert, und dennoch ohne allzu sehr aufs Gaspedal drücken zu müssen. "Stand by me" behält seine Geschwindigkeit bei, aber er kommt an.
Natürlich hat "Stand by me" neben aller Ruhe und Besinnlichkeit auch viel King-typischen Humor zu bieten, besonders eine Gute Nacht Geschichte, welche die Hauptfigur Gordie erzählt und sehr ausführlich bebildert wird, bleibt im Gedächtnis. Trotzdem hat Reiners Film eine Schwere und eine von Sehnsüchten geprägte Form der Melancholie, die als direktes Resultat der sehr präsenten Naturdarstellung auch Auswirkungen auf das Leben der Protagonisten zu haben scheint. Zusehends verlieren die Bildkompositionen an Leichtigkeit und Frohsinn, immer mehr weichen die Farben aus dem Bild und das Ende nimmt gar tragische Züge an und wirkt erstaunlich pessimistisch. Tatsächlich ist den Jungen jedoch kein Leid oder gar Unheil widerfahren, sie sind schlicht und ergreifend erwachsen geworden. Immer wieder nutzen Regie und Script die Abenteuergeschichte als Metapher für die unaufhaltsame mentale Heranwachsung. Kaum zufällig lernen wir die Kinder beim heimlichen Rauchen und gemeinsamem Lachen über perverse Witze kennen: Sie spielen Erwachsene und träumen von Respekt und Anerkennung. Doch jugendlicher Leichtsinn (der sich in ihrer Odyssee immer bemerkbarer macht), Neugierde und mutige Entscheidungen lassen sie zusehends ernster und nachdenklicher werden, bis Castle Rock am Ende gar nicht mehr so groß und global scheint. Und dabei sind sie nur den Bahnschienen gefolgt - erst in die eine Richtung und dann wieder in die andere. Rückentwicklung durch Fortschritt oder Unabwendbarkeit der Zeit? Dies bleibt dem Zuschauer überlassen.
Fazit: "Stand by me" ist gleichermaßen Charakterstudie wie Abenteuergeschichte und zugleich ein Film über Freundschaft als auch über Trennung, thematisiert Kindheit genauso sehr wie das dunkle und triste Erwachsensein. Dabei wird ohne viel Aufsehen oder großen Pathos eine ehrliche und authentische Handlung nach gängiger Dramaturgie erzählt, die ihrer Einfachheit und Direktheit wegen auf unkomplizierte Art und Weise ihr Ziel nicht verfehlt. Dank des fantastischen Casts, der in allen wichtigen Rollen ideal besetzt ist, der ein oder anderen emotionalen Passage und den spannenden Darstellungen der Handlungsorte (wie einer geschickten Imitierungen der späten 50er im Jahr 1986) ist "Stand by me" ein formal sehr gelungener Streifen, dessen Sensibilität und Melancholie ihn gleichermaßen unscheinbar wie rhythmisch fließend wirken lassen.
Für eine Handvoll Dollar
Ob es die extremen Nahaufnahmen von Gesichtern, der schnelle Wechsel zwischen der Hand, dem Gesicht und dem Colt oder die immer wieder irritierenden Supertotalen sind: Der Italowestern und seine Mechanismen sind im popkulturellem Gedächtnis zentral verankert. Drei Namen sind dabei sogar bis heute untrennbar mit dem Italowestern verbunden. Denn als 1964 ein kleines, für wenig Geld in Spanien produziertes Western-Abenteuer das Licht der Welt erblickte, schockierten seine hemmungslosen Gewaltdarstellungen und fehlenden moralischen Werte nicht wenige, doch es rechnete dabei gleichzeitig auch ohne wenn und aber mit dem amerikanischstem aller Heldentypen ab: Dem edlen Cowboy, der wacker im Sattel sitzend für Recht und Ordnung eintritt. Ein aufrechter, konservativer Hüter des Gesetzes, der schneller "moralisierend" sagen kann, als irgendwer anders schießen. Drei Namen, die 1964 für eine grundlegende Änderung dieses Motivs sorgten: Sergio Leone, Clint Eastwood und Ennio Morricone.
Beinahe alles, was an Leones Meilenstein revolutionär war, lässt sich am Protagonisten ableiten: Eastwoods Pistolero, der von allen nur "Joe" genannt wird, ist kein Held, kein Sympathieträger. Er ist ein Gesetzloser, intelligent, skrupellos, verschlagen und brand gefährlich. Wenn er sich dazu entschliesst, die verfeindeten Banden der Rojos und Baxters gegeneinander auszuspielen, geschieht dies nicht aus Nächstenliebe zu den gepeinigten Dorfbewohnern (die ohnehin nur minimalen Handlungseinfluss haben), Altruismus ist in "Für eine Handvoll Dollar" ein Fremdwort ohne Inhalt. Joe ist einzig und allein am persönlichem Vorteil interessiert. Er schmiedet Intrigen und mordet ohne zuckende Wimpern, danach will er den Ort verlassen, wie er gekommen ist - den Zigarillo im Mund, den Poncho umgehängt und die Augen zusammen gekniffen, aber um eine Handvoll Dollar reicher. Clint Eastwood verkörpert all das: die unbändige Coolness und Männlichkeit, die Striktheit, das Entschlossene, aber auch den Verlust jeder Empathie und Gewissensstrukturen. Nur einmal spricht Joe von "Unrecht" und handelt ohne Eigennutzen. Eine Tat, auf die die unmittelbare Enttarnung seiner Geheimaktivitäten folgt. Doch Leone inszeniert dies nie als heroische Märtyrer-Qual auf dem Weg zur christlichen Absolution im Himmelsreich, sondern als das, was es ist: Eine Bestrafung für ein Handeln nach gesellschaftlichen Konventionen. Dieser bittere lebensverneinende Zynismus zeichnet Eastwoods Spiel zusätzlich aus: er ist ein einsamer Wolf und dazu bestimmt, ein einsamer Wolf zu bleiben.
Die Regie genießt derweil das symbolische Motivspiel und ergötzt sich einer Ästhetik, die nie die großen Geschütze auffahren muss, um ihre Wirkung vollends zu entfalten. Durch die zwei rivalisierenden Banden, zwischen denen der Eastwood-Charakter sich mittig platziert, bot sich ein Spiel mit Gegensätzen und Kontrasten gerade zu an: Kaum erwähnenswert daher, dass der brennende Wüstensand und die hell flackernde Sonne am wolkenlosen Himmel das niedere und folglich "düstere" Treiben der Akteure nur konterkarieren. Leones Stil kann jedoch weitaus mehr, etwa wenn auf grandiose Art und Weise mit Ton und Stille gespielt wird, sodass ein Schuss in der Nacht auch nicht anders klingt als eine große Explosion bei Tag. Zu bewundern ist außerdem Leones mehr als gekonntes Farbspiel im Bildaufbau: Nicht selten wirkt die Dunkelheit im Vordergrund heller als das flackernde Lagerfeuerlicht am Bildrand, und selbst die naheliegend einfache Symbolik des in der Mitte stehenden Saloons als Joes Bleibe und die gegenüberliegende Position des Rojo und Baxter Sitzes bekommen bei Leone ein Gesicht, eine Farbe, einen eigenen Anstrich. Die gelungenen Schauspielleistungen der Rojo-Brüder (fabelhaft: Gian Maria Volonté, ebenfalls ansprechend: Sieghardt Rupp), das gekonnte Weglassen von Informationen (wie dem Nicht-Zeigen der Entführung des Baxter-Sohnes) oder die interessante dominante Frauenrolle im Sitz der Baxter runden einen hervorragenden Gesamteindruck entsprechend ab.
Als letzter steht Ennio Morricone auf der Liste, der diesen Klassiker ganz besonders veredelte und in vieler Hinsicht an den Charakter des Sargtischlers Piripero erinnert, welcher Joe bei seinen Gräueltaten beklatscht und umjubelt. Morricones Score ist in Teilen als anarchische Zerdröselung sämtlicher Standards für klassische Filmmusik zu bezeichnen, in Wahrheit aber noch weit mehr als nur das. Schon zum gnadenlos stilisierten Opening offenbart Morricones Musik, dass sie nicht dazu gedacht ist, den Inhalt zu unterstreichen oder verstärkend die Atmosphäre zu bereichern, sondern oft zur eigentlichen Substanz des Geschehens werden will. Das eingängige Leitthema, dass mit einigen wirren Klängen und einem nicht nachgiebigem Pfeifen aufwartet, ist melodisch nicht etwa eine Komposition mit dem Wunsch nach Konformität, sondern der Fixpunkt von Regie und Bildaufbau und spielt sich bewusst immer wieder in den Vordergrund, wächst über die simple Bedeutung des "Filmsoundtracks" hinaus. Stilprägend, aufgesetzt, aber stets sinnig gestaltet Morricone so eine ganz eigene Handlung, die mal als Parallele zu Leones Film läuft oder diese wie eine Tangente nur kurz schneidet. Als besonderer inszenatorischer Genuss sei damit die Szene genannt, in der die Baxter den Gang zum Abendessen bei den Rojos antreten - wie hier Filmhandlung, Musikhandlung und die Inszenierung beider Elemente einen gemeinsamen Orgasmus an Stil anstreben, ist bemerkenswert schlicht wie tiefgründig.
Fazit: Was "Für eine Handvoll Dollar" Mitte der 60er losgetreten hat, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. Eine Vielzahl an Kultfilmen (und Unmengen an schnell produzierten Plagiaten) wurden direkt von Leones einzigartigem Stil inspiriert, bis heute sind wesentliche Gestaltungsmerkmale noch präsent. Gleichzeitig steigerte sich auch die Gewaltdarstellung in den Folgejahren: Während hier noch etwa drei Dutzend Männer bei Schießereien ohne Einschusslöcher ihre Todespirouetten drehen, sollten Blut und Massentode immer drastischer und eindringlicher Einzug in den Italowestern erhalten. Zurecht war der Einfluss Leones, Eastwoods und Morricones auf diese Welle enorm, zeichnet sich "Für eine Handvoll Dollar" schließlich auch noch heute als ein bemerkenswert hochklassig inszenierter Film aus, dessen Spannung sehr direkt greifbar wird und der mit weiteren Sichtungen sogar noch an Effizienz und Wirkung zunimmt - wenngleich das ganz große Moment, dass den Meilenstein zum Meisterwerk machen würde, ausbleibt.
Ob es die extremen Nahaufnahmen von Gesichtern, der schnelle Wechsel zwischen der Hand, dem Gesicht und dem Colt oder die immer wieder irritierenden Supertotalen sind: Der Italowestern und seine Mechanismen sind im popkulturellem Gedächtnis zentral verankert. Drei Namen sind dabei sogar bis heute untrennbar mit dem Italowestern verbunden. Denn als 1964 ein kleines, für wenig Geld in Spanien produziertes Western-Abenteuer das Licht der Welt erblickte, schockierten seine hemmungslosen Gewaltdarstellungen und fehlenden moralischen Werte nicht wenige, doch es rechnete dabei gleichzeitig auch ohne wenn und aber mit dem amerikanischstem aller Heldentypen ab: Dem edlen Cowboy, der wacker im Sattel sitzend für Recht und Ordnung eintritt. Ein aufrechter, konservativer Hüter des Gesetzes, der schneller "moralisierend" sagen kann, als irgendwer anders schießen. Drei Namen, die 1964 für eine grundlegende Änderung dieses Motivs sorgten: Sergio Leone, Clint Eastwood und Ennio Morricone.
Beinahe alles, was an Leones Meilenstein revolutionär war, lässt sich am Protagonisten ableiten: Eastwoods Pistolero, der von allen nur "Joe" genannt wird, ist kein Held, kein Sympathieträger. Er ist ein Gesetzloser, intelligent, skrupellos, verschlagen und brand gefährlich. Wenn er sich dazu entschliesst, die verfeindeten Banden der Rojos und Baxters gegeneinander auszuspielen, geschieht dies nicht aus Nächstenliebe zu den gepeinigten Dorfbewohnern (die ohnehin nur minimalen Handlungseinfluss haben), Altruismus ist in "Für eine Handvoll Dollar" ein Fremdwort ohne Inhalt. Joe ist einzig und allein am persönlichem Vorteil interessiert. Er schmiedet Intrigen und mordet ohne zuckende Wimpern, danach will er den Ort verlassen, wie er gekommen ist - den Zigarillo im Mund, den Poncho umgehängt und die Augen zusammen gekniffen, aber um eine Handvoll Dollar reicher. Clint Eastwood verkörpert all das: die unbändige Coolness und Männlichkeit, die Striktheit, das Entschlossene, aber auch den Verlust jeder Empathie und Gewissensstrukturen. Nur einmal spricht Joe von "Unrecht" und handelt ohne Eigennutzen. Eine Tat, auf die die unmittelbare Enttarnung seiner Geheimaktivitäten folgt. Doch Leone inszeniert dies nie als heroische Märtyrer-Qual auf dem Weg zur christlichen Absolution im Himmelsreich, sondern als das, was es ist: Eine Bestrafung für ein Handeln nach gesellschaftlichen Konventionen. Dieser bittere lebensverneinende Zynismus zeichnet Eastwoods Spiel zusätzlich aus: er ist ein einsamer Wolf und dazu bestimmt, ein einsamer Wolf zu bleiben.
Die Regie genießt derweil das symbolische Motivspiel und ergötzt sich einer Ästhetik, die nie die großen Geschütze auffahren muss, um ihre Wirkung vollends zu entfalten. Durch die zwei rivalisierenden Banden, zwischen denen der Eastwood-Charakter sich mittig platziert, bot sich ein Spiel mit Gegensätzen und Kontrasten gerade zu an: Kaum erwähnenswert daher, dass der brennende Wüstensand und die hell flackernde Sonne am wolkenlosen Himmel das niedere und folglich "düstere" Treiben der Akteure nur konterkarieren. Leones Stil kann jedoch weitaus mehr, etwa wenn auf grandiose Art und Weise mit Ton und Stille gespielt wird, sodass ein Schuss in der Nacht auch nicht anders klingt als eine große Explosion bei Tag. Zu bewundern ist außerdem Leones mehr als gekonntes Farbspiel im Bildaufbau: Nicht selten wirkt die Dunkelheit im Vordergrund heller als das flackernde Lagerfeuerlicht am Bildrand, und selbst die naheliegend einfache Symbolik des in der Mitte stehenden Saloons als Joes Bleibe und die gegenüberliegende Position des Rojo und Baxter Sitzes bekommen bei Leone ein Gesicht, eine Farbe, einen eigenen Anstrich. Die gelungenen Schauspielleistungen der Rojo-Brüder (fabelhaft: Gian Maria Volonté, ebenfalls ansprechend: Sieghardt Rupp), das gekonnte Weglassen von Informationen (wie dem Nicht-Zeigen der Entführung des Baxter-Sohnes) oder die interessante dominante Frauenrolle im Sitz der Baxter runden einen hervorragenden Gesamteindruck entsprechend ab.
Als letzter steht Ennio Morricone auf der Liste, der diesen Klassiker ganz besonders veredelte und in vieler Hinsicht an den Charakter des Sargtischlers Piripero erinnert, welcher Joe bei seinen Gräueltaten beklatscht und umjubelt. Morricones Score ist in Teilen als anarchische Zerdröselung sämtlicher Standards für klassische Filmmusik zu bezeichnen, in Wahrheit aber noch weit mehr als nur das. Schon zum gnadenlos stilisierten Opening offenbart Morricones Musik, dass sie nicht dazu gedacht ist, den Inhalt zu unterstreichen oder verstärkend die Atmosphäre zu bereichern, sondern oft zur eigentlichen Substanz des Geschehens werden will. Das eingängige Leitthema, dass mit einigen wirren Klängen und einem nicht nachgiebigem Pfeifen aufwartet, ist melodisch nicht etwa eine Komposition mit dem Wunsch nach Konformität, sondern der Fixpunkt von Regie und Bildaufbau und spielt sich bewusst immer wieder in den Vordergrund, wächst über die simple Bedeutung des "Filmsoundtracks" hinaus. Stilprägend, aufgesetzt, aber stets sinnig gestaltet Morricone so eine ganz eigene Handlung, die mal als Parallele zu Leones Film läuft oder diese wie eine Tangente nur kurz schneidet. Als besonderer inszenatorischer Genuss sei damit die Szene genannt, in der die Baxter den Gang zum Abendessen bei den Rojos antreten - wie hier Filmhandlung, Musikhandlung und die Inszenierung beider Elemente einen gemeinsamen Orgasmus an Stil anstreben, ist bemerkenswert schlicht wie tiefgründig.
Fazit: Was "Für eine Handvoll Dollar" Mitte der 60er losgetreten hat, lässt sich heute kaum noch nachvollziehen. Eine Vielzahl an Kultfilmen (und Unmengen an schnell produzierten Plagiaten) wurden direkt von Leones einzigartigem Stil inspiriert, bis heute sind wesentliche Gestaltungsmerkmale noch präsent. Gleichzeitig steigerte sich auch die Gewaltdarstellung in den Folgejahren: Während hier noch etwa drei Dutzend Männer bei Schießereien ohne Einschusslöcher ihre Todespirouetten drehen, sollten Blut und Massentode immer drastischer und eindringlicher Einzug in den Italowestern erhalten. Zurecht war der Einfluss Leones, Eastwoods und Morricones auf diese Welle enorm, zeichnet sich "Für eine Handvoll Dollar" schließlich auch noch heute als ein bemerkenswert hochklassig inszenierter Film aus, dessen Spannung sehr direkt greifbar wird und der mit weiteren Sichtungen sogar noch an Effizienz und Wirkung zunimmt - wenngleich das ganz große Moment, dass den Meilenstein zum Meisterwerk machen würde, ausbleibt.
Surf's up, Dude!
Könige der Wellen
"Könige der Wellen" schaut großartig aus! Was sich anfangs noch in den Kinderstuben befand, ist mindestens nach der Jahrtausendwende zur wirklich ausgereiften Technik mutiert. Und bei derartig großen Budgets, wie die Filmstudios sie heute für ihre CGI-Animations-Kinderfilm-Abenteuer verschleudern, ist es wohl kaum verwunderlich, dass diese sich laufend an Optik und Detailreichtum übertreffen. So eben auch "Könige der Wellen" der Regisseure Ash Brannon und Chris Buck von 2007, welcher eine Geschichte über surfende Pinguine auf Pin Gu Island erzählt. Ohne Frage: Die Bewegungsanimationen sind auf der Höhe des technisch Machbarem, die Karibik und Antarktis als Locations sehen authentisch und nicht zu geleckt aus und bessere Wasser- und Sandeffekte konnte man nur selten bestaunen. Dazu kommt, dass Buck und Brannon sich für eine ungewöhnliche Erzählweise entschieden haben, die anfangs viel Spaß macht, mit der sehr flachen Geschichte jedoch zusehends in Konflikt gerät.
Da visuelle Perfektion längst zum Standard geworden ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Animationsfilmbereich erste größere Experimente gewagt werden würden. Brannon & Buck verkaufen ihren Kinderspaß daher als Mockumentary, sprich: die gesamte Erzählung nimmt die Gestalt einer (offensichtlich gefaketen) Dokumentation an. Der anfangs verwunderte Stil bietet die günstige Gelegenheit, inszenatorisch eigene Wege zu beschreiten und sich vor allem von der enormen Konkurrenz abzuheben. Und das ist durchaus überzeugend umgesetzt. Hier schauen die Charaktere (zumeist Pinguine, aber auch wenige andere tierische Mitbewohner) plötzlich einmal direkt in die Kamera, kommentieren die vorherigen Szenen auf amüsante Art und Weise oder geben dem Regieteam (von Buck und Brannon selbst synchronisiert) Interviews zu den kleinen Fragen, die das Leben so aufwirft. Hinzu kommt der gelungene "Handkamera-Einsatz", der tatsächlich den klassischen Doku-Stil einfangen kann und immer mal wieder pointiert auf die Spitze getrieben wird: Meist in den obligatorischen kleinen Actionhighlights, in denen "Kameramänner" und "Tonarbeiter" nicht selten ein wenig zu Schaden kommen. Auch kleine passende Gimmicks wie offensichtliche "Wassertropfen" auf der Linse machen Spaß und ergänzen das sorgfältig ausgearbeitete Konzept. Dazu kommt ein Score von Mychael Danna, der sich gerne auch mal zurückhält und auf Grunge- oder Rock-Musik zurückgreift: Green Day, Incubus, Pearl Jam und während des Abspanns sogar Nirvana Titel passen zur Surfer-Stimmung und unaufgeregten Erzählweise.
Geschickt nutzt das von insgesamt vier Autoren geschriebene Drehbuch die Möglichkeit, den Doku-Anstrich als Weg hin zu selbstreferenziellen Anspielungen zu verwenden. Anspielungen auf andere Animationsfilme gehören ja längst zum Inventar, doch Dokumentationen und ganz besonders Surfer-Geschichten werden hier mitunter relativ stimmig parodiert, da fügt sich dann auch der ein oder andere Klischeemoment als eigen-reflektierte Pflichterfüllung ein. Dies ist auch bitter nötig, da der übliche Slapstick-Humor, wie er bei solchen Filmen nun einmal dazu gehört, hier viel zu flach ist, um der Zielgruppe über maximal 10 Jahren etwaige Lacher bescheren zu können. Oft läuft es auf kleinere, hin und wieder halbwegs süffisante Momente hinaus, die man zwar mal mit einem Schmunzeln hinnimmt, sich aber wohl kaum an einen davon nach der Sichtung erinnern wird. Ganz anders verläuft es da mit einem kleinen beigemengtem Subplot über den als Kifferparodie gedachten und von John Heder gesprochenem Gockel Chicken Joe, der sich auf die Suche nach Hauptfigur Cody durch manch verzwickte Situation kämpfen muss und trotz wenig Screentime schnell zum Helden für Jung und Alt im Kinosaal werden wird. Davon ab ist der Humor von den netten Anspielungen abgesehen durchschnittlich und funktioniert am besten im direkten Zusammenhang mit dem Mockumentary-Konzept.
Leider kann dieses aber nicht die kurzen 86 Minuten durchgehalten werden. Mit zunehmender Laufzeit will eben auch die Geschichte von Cody und seinem Surfer-Mentor Geek erzählt werden - und diese bleibt flach, uninteressant und wenig packend, trotz prominenter Sprechbesetzung durch Shia LaBeouf und Jeff Bridges. Problematisch erscheint hierbei vor allem, dass sich das kleine Sportler-Drama zu sehr an Genrerichtlinien orientiert - also eben denen, welche man vorher noch zu verulken versuchte. So hat man wieder einmal den Zuhause verschmähten Rebellen, die süße (Pinguin-)Dame von nebenan, den fiesen Raufbold mit Gott-Komplex, den pressesüchtigen Coach und den weisen Lehrmeister mit mysteriöser Vergangenheit. Das alles ist auf Dauer dann doch zu trocken und insgesamt zu altbekannt, als das es einen wirklich mitnehmen könnte. Ebenfalls unglücklich kommt erschwerend hinzu, dass eine emotionale Basis zu den Figuren weitestgehend verwehrt bleibt, sodass man an den Konflikten untereinander nie teilnehmen darf. Auch hier ist die Schuld beim Humor zu suchen: Zu oft wird über die Charaktere, statt mit ihnen gelacht. Sie bleiben einem, wohl auch der Doku-Inszenierung wegen fremd. Ein Umstand, den der Film zunächst freiwillig in Kauf nahm, sich dann aber bei der Hingabe zur "normalen" Dramaturgie darin verzettelt. Der klassische Fall des Eigentors wird hier zelebriert, weshalb die opulente Effektschau im großen Finale vermutlich selbst für kleinste Zuschauer merkwürdig steril bleibt.
Fazit: Man wäre gewillt, "Könige der Wellen" besonders für seine innovative Herangehensweise an animierte Kinderunterhaltung in der ersten Hälfte zu loben und diesen Mut auch angemessen zu honorieren - doch irgendwann werden die Längen bei einem so kurzen Film dann eben zu groß für eine höhere Gunst. Was positiv in Erinnerung bleibt sind technisch perfekte Animationen auf allerhöchstem Niveau und ein bemerkenswerter erzählerischer Kniff, aus dem aber dann leider jegliche Kraft des Streifens alleine zu resultieren scheint. Dass dieser durch die angepeilte Zielgruppe, welche von der ganzen Mockumentary-Geschichte ohnehin schon einigermaßen irritiert sein wird, nicht durchgängig aufrecht erhalten werden kann, ist folgerichtig, problematisch aber deshalb, weil Brannon und Buck zu den tausendfach gesehenen Coming-of-age-Themen nichts wirklich neues zu sagen haben. Für eine abendliche Couch-Sitzung ist das neue Animationsabenteuer von Sony Pictures Animation also schon noch einen Blick wert, würde einen zweiten aber schon weit weniger vertragen.
"Könige der Wellen" schaut großartig aus! Was sich anfangs noch in den Kinderstuben befand, ist mindestens nach der Jahrtausendwende zur wirklich ausgereiften Technik mutiert. Und bei derartig großen Budgets, wie die Filmstudios sie heute für ihre CGI-Animations-Kinderfilm-Abenteuer verschleudern, ist es wohl kaum verwunderlich, dass diese sich laufend an Optik und Detailreichtum übertreffen. So eben auch "Könige der Wellen" der Regisseure Ash Brannon und Chris Buck von 2007, welcher eine Geschichte über surfende Pinguine auf Pin Gu Island erzählt. Ohne Frage: Die Bewegungsanimationen sind auf der Höhe des technisch Machbarem, die Karibik und Antarktis als Locations sehen authentisch und nicht zu geleckt aus und bessere Wasser- und Sandeffekte konnte man nur selten bestaunen. Dazu kommt, dass Buck und Brannon sich für eine ungewöhnliche Erzählweise entschieden haben, die anfangs viel Spaß macht, mit der sehr flachen Geschichte jedoch zusehends in Konflikt gerät.
Da visuelle Perfektion längst zum Standard geworden ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Animationsfilmbereich erste größere Experimente gewagt werden würden. Brannon & Buck verkaufen ihren Kinderspaß daher als Mockumentary, sprich: die gesamte Erzählung nimmt die Gestalt einer (offensichtlich gefaketen) Dokumentation an. Der anfangs verwunderte Stil bietet die günstige Gelegenheit, inszenatorisch eigene Wege zu beschreiten und sich vor allem von der enormen Konkurrenz abzuheben. Und das ist durchaus überzeugend umgesetzt. Hier schauen die Charaktere (zumeist Pinguine, aber auch wenige andere tierische Mitbewohner) plötzlich einmal direkt in die Kamera, kommentieren die vorherigen Szenen auf amüsante Art und Weise oder geben dem Regieteam (von Buck und Brannon selbst synchronisiert) Interviews zu den kleinen Fragen, die das Leben so aufwirft. Hinzu kommt der gelungene "Handkamera-Einsatz", der tatsächlich den klassischen Doku-Stil einfangen kann und immer mal wieder pointiert auf die Spitze getrieben wird: Meist in den obligatorischen kleinen Actionhighlights, in denen "Kameramänner" und "Tonarbeiter" nicht selten ein wenig zu Schaden kommen. Auch kleine passende Gimmicks wie offensichtliche "Wassertropfen" auf der Linse machen Spaß und ergänzen das sorgfältig ausgearbeitete Konzept. Dazu kommt ein Score von Mychael Danna, der sich gerne auch mal zurückhält und auf Grunge- oder Rock-Musik zurückgreift: Green Day, Incubus, Pearl Jam und während des Abspanns sogar Nirvana Titel passen zur Surfer-Stimmung und unaufgeregten Erzählweise.
Geschickt nutzt das von insgesamt vier Autoren geschriebene Drehbuch die Möglichkeit, den Doku-Anstrich als Weg hin zu selbstreferenziellen Anspielungen zu verwenden. Anspielungen auf andere Animationsfilme gehören ja längst zum Inventar, doch Dokumentationen und ganz besonders Surfer-Geschichten werden hier mitunter relativ stimmig parodiert, da fügt sich dann auch der ein oder andere Klischeemoment als eigen-reflektierte Pflichterfüllung ein. Dies ist auch bitter nötig, da der übliche Slapstick-Humor, wie er bei solchen Filmen nun einmal dazu gehört, hier viel zu flach ist, um der Zielgruppe über maximal 10 Jahren etwaige Lacher bescheren zu können. Oft läuft es auf kleinere, hin und wieder halbwegs süffisante Momente hinaus, die man zwar mal mit einem Schmunzeln hinnimmt, sich aber wohl kaum an einen davon nach der Sichtung erinnern wird. Ganz anders verläuft es da mit einem kleinen beigemengtem Subplot über den als Kifferparodie gedachten und von John Heder gesprochenem Gockel Chicken Joe, der sich auf die Suche nach Hauptfigur Cody durch manch verzwickte Situation kämpfen muss und trotz wenig Screentime schnell zum Helden für Jung und Alt im Kinosaal werden wird. Davon ab ist der Humor von den netten Anspielungen abgesehen durchschnittlich und funktioniert am besten im direkten Zusammenhang mit dem Mockumentary-Konzept.
Leider kann dieses aber nicht die kurzen 86 Minuten durchgehalten werden. Mit zunehmender Laufzeit will eben auch die Geschichte von Cody und seinem Surfer-Mentor Geek erzählt werden - und diese bleibt flach, uninteressant und wenig packend, trotz prominenter Sprechbesetzung durch Shia LaBeouf und Jeff Bridges. Problematisch erscheint hierbei vor allem, dass sich das kleine Sportler-Drama zu sehr an Genrerichtlinien orientiert - also eben denen, welche man vorher noch zu verulken versuchte. So hat man wieder einmal den Zuhause verschmähten Rebellen, die süße (Pinguin-)Dame von nebenan, den fiesen Raufbold mit Gott-Komplex, den pressesüchtigen Coach und den weisen Lehrmeister mit mysteriöser Vergangenheit. Das alles ist auf Dauer dann doch zu trocken und insgesamt zu altbekannt, als das es einen wirklich mitnehmen könnte. Ebenfalls unglücklich kommt erschwerend hinzu, dass eine emotionale Basis zu den Figuren weitestgehend verwehrt bleibt, sodass man an den Konflikten untereinander nie teilnehmen darf. Auch hier ist die Schuld beim Humor zu suchen: Zu oft wird über die Charaktere, statt mit ihnen gelacht. Sie bleiben einem, wohl auch der Doku-Inszenierung wegen fremd. Ein Umstand, den der Film zunächst freiwillig in Kauf nahm, sich dann aber bei der Hingabe zur "normalen" Dramaturgie darin verzettelt. Der klassische Fall des Eigentors wird hier zelebriert, weshalb die opulente Effektschau im großen Finale vermutlich selbst für kleinste Zuschauer merkwürdig steril bleibt.
Fazit: Man wäre gewillt, "Könige der Wellen" besonders für seine innovative Herangehensweise an animierte Kinderunterhaltung in der ersten Hälfte zu loben und diesen Mut auch angemessen zu honorieren - doch irgendwann werden die Längen bei einem so kurzen Film dann eben zu groß für eine höhere Gunst. Was positiv in Erinnerung bleibt sind technisch perfekte Animationen auf allerhöchstem Niveau und ein bemerkenswerter erzählerischer Kniff, aus dem aber dann leider jegliche Kraft des Streifens alleine zu resultieren scheint. Dass dieser durch die angepeilte Zielgruppe, welche von der ganzen Mockumentary-Geschichte ohnehin schon einigermaßen irritiert sein wird, nicht durchgängig aufrecht erhalten werden kann, ist folgerichtig, problematisch aber deshalb, weil Brannon und Buck zu den tausendfach gesehenen Coming-of-age-Themen nichts wirklich neues zu sagen haben. Für eine abendliche Couch-Sitzung ist das neue Animationsabenteuer von Sony Pictures Animation also schon noch einen Blick wert, würde einen zweiten aber schon weit weniger vertragen.
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