Filmtagebuch: deBohli

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 12.06.2022, 17:17

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Les yeux sans visage
BD / Regie: Georges Franju
Poesie und Grauen in schönster Vereinigung: «Les yeux sans visage» ist ein bestechender Film, der von der ersten Sekunde (und den ersten Klängen der Filmmusik von Maurice Jarre) nicht mehr loslässt. Geschickt inszenierte Georges Franju das Geschehen mit fesselnden Sequenzen, einer grossartigen Garderobe und der nötigen Spur Horror. Näher an Gothic war das französische Gruselkino danach wohl selten. Da ist es keineswegs verwunderlich, ist der Film bis heute ein grosse Inspirationsquelle für kreative Menschen.
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The Gentlemen
DVD / Regie: Guy Ritchie
Coole Sprüche, das lässige Gangsterleben, eine durcheinandergewirbelte Struktur und viele Charaktergesichter: Was zu Beginn seiner Karriere Garant für witzig-abenteuerliche Filme war, wirkt nun ausgelutscht. Guy Ritchie kopiert mit «The Gentlemen» sein eigenes Schaffen und langweilt dadurch. Nicht einmal die tolle Besetzung hilft, das hat man alles schon fesselnder erlebt.
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My Life As A Dog
BD / Regie: Lasse Hallström
Das Drama «My Life As A Dog» ist tragisch, witzig und aufreibend zugleich. Die Geschichte um den jungen Ingemar wird von Lasse Hallström mit viel Hingabe für Emotionen und die Facetten des Lebens erzählt. Leichtigkeit und Spiel trifft auf Trauma und Gewalt.
Das geht unter die Haut, strapaziert in der zweiten Hälfte aber etwas die Geduld. Der Film schafft es leider nicht, die Spannung im letzten Drittel aufrecht zu erhalten, die Bilder überzeugen aber immer.
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The Other Bank
DVD / Regie: Giorgi Ovashvili
Erzählungen über den Krieg aus den Perspektiven von Kindern ist immer schwer auszuhalten, so erinnerte mich «The Other Bank» nicht selten an «Come And See». Giorgi Ovashvili lässt in seiner Geschichte den jungen Tedo im Grenzgebiet von Georgien umherirren und immer wieder als Spielball in unterdrückenden Handlungen werden.
Unschuld, Zugehörigkeit, Grenzen und Vermächtnis – Begriffe, die hier betrachtet werden und die brutale Realität wahrer Konflikte schonungslos darstellt.
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El buen patrón
Kino / Regie: Fernando León de Aranoa
Ganz klar ist dieser Film eine Schau des Könnens von Javier Bardem – und wie perfekt er den alternden Firmenchef spielt, mit Gestik, schmutzigem Lächeln und perfekter Sprache. Aber auch sonst ist die Gesellschafts- und Wirtschaftssatire von Fernando León de Aranoa lohnend. «El buen patrón» entlarvt die scheinbar guten Taten wichtiger Männer in hohen Positionen als egoistische Machtgier in perfekt dirigierten Bildern.
Mit einem Drehbuch, dass alle Handlungselemente zum Ende perfekt verflechtet und der nach «La abuela» wieder super auftretenden Almudena Amor, erhält man ein überzeugendes Gesamtpaket.
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The Voices
BD / Regie: Marjane Satrapi
Wären nicht Gemma Arterton, Anna Kendrick und Ryan Reynolds, wäre die bitterböse und blutige Komödie von Marjane Satrapi keinen Blick wert. Das Trio spielt entzückend auf, lässt Unschuld, Wahnsinn und Naivität gleichermassen in den Gesichtern passieren.
So macht «The Voices» in vielen Szenen Spass, kämpft aber mit einem zu belanglosen Drehbuch und viel Leerlauf. Eine Verdichtung hätte der Inszenierung mehr als gutgetan, besonders, da die Ausstattung, Kameraarbeit und das Design wunderbar anzuschauen sind.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 14.06.2022, 21:01

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Cops Vs. Thugs
BD / Regie: Kinji Fukasaku
Wenn Kinji Fukasaku Filme über die Yakuza gedreht hatte, dann war dies immer ein atemloses, chaotisches Vergnügen. Mit «Cops Vs. Thugs» hatte er an der Rezeptur nichts verändert, wohl aber den Rahmen. Ein wahrer Krieg zwischen den Familien und den korrupten Polizisten wogt in den Strassen, eine fast unüberschaubare Zahl an Namen und Figuren streifen durch den Film.
Die kinetische Kameraarbeit, der greifbare Realismus und das hohe Tempo machen aus der Produktion ein beeindruckendes Ergebnis des Gangster-Filmes, das sogar Zeit für filmtechnische Spielereien findet. Nur die Frauen haben, wie so oft, nichts zu lachen.
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The Last Wave
BD / Regie: Peter Weir
Es bahnt sich ein apokalyptisches Ereignis an, nur will dies niemand wahrhaben. Nein, wir sprechen hier nicht von «Take Shelter», sondern von «The Last Wave». Der Film von Peter Weir behandelte in den Siebzigerjahren ein spannendes Mischfeld aus indigenen Traditionen, Unterdrückung, unterschiedlichen Lebensweisen und unerforschten Lebensformen.
Der Regen fällt gnadenlos, Unglauben und Naivität werden ertränkt, die kolonialistische Seele Australiens angegriffen. Was schlussendlich wahr ist, spielt eine untergeordnete Rolle.
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Cry Macho
DVD / Regie: Clint Eastwood
Mit Neunzig legt man nur im Film einen lockeren Tanz hin und wird von massiv jüngeren Frauen angehimmelt. Doch wenn man Clint Eastwood heisst, erlaubt man sich dies. Bei «Cry Macho» liegt die Legende zwar meist rum oder sitzt in einem Stuhl, findet aber trotzdem Zeit zu knurren und junge Männer in die richtige Bahn zu lenken.
Die Geschichte ist aber zu zahm, die Inszenierung zu uninspiriert, um wirklich zu überzeugen. Vieles bleibt ein Klischee, Vorurteile werden als Wahrheit dargestellt, den Lerneffekt sucht man besser nicht. Die Zeiten von «Mystic River» sind halt doch länger vorbei.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von SFI » 15.06.2022, 06:41

Dito zu Cry Macho, da hatte ich mir auch deutlich mehr erhofft. Aktuell scheint er ja nichts in der Pipeline zu haben, hoffe er kriegt noch ein krönendes Abschlusswerk hin.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 15.06.2022, 07:25

Bei seiner Karriere hätte er es eigentlich gar nicht nötig, eventuell hat er den krönenden Abschlusspunkt aber schon lange verpasst.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von freeman » 15.06.2022, 20:19

Ich denke mal, er macht in seinem Alter einfach nur noch das, was ihn tatsächlich selbst irgendwie inspiriert. Finde das durchaus beachtlich, was er da noch abliefert. Gibts aktuell eigentlich einen älteren Regisseur als ihn?

In diesem Sinne:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 15.06.2022, 20:28

Das ist eine interessante Frage, mir fällt niemand in der Alterklasse ein. Und ja, es ist beachtlich, dass er immer noch weitermacht und all diese Projekte stemmt. Da wäre ich schon lange irgendwo an der Küste am dahinfaulen. :lol:
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 15.06.2022, 20:44

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Memoria
Kino / Regie: Apichatpong Weerasethakul
Es knallt im Kopf und überall auf der Welt. Der Alltag ist voller Geräusche, Lärm, energiezehrenden Aktivitäten – der Mensch agiert als Maschine, er muss funktionieren. Und wenn man innehält, sich besinnt, wird so vieles fremdartig.
Apichatpong Weerasethakul ist Gedanken wie diesen im Film «Memoria» nachgegangen und präsentiert einen Vertreter des Slow Cinemas, der mit dichter Atmosphäre und einem grossartigen Sounddesign gefangen nimmt. Tilda Swinton spricht Spanisch, die Axiome werden auf den Kopf gestellt. Ein facettenreiches und tiefes Werk, das am Ende leider etwas zu abgehoben wirkt.
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Luzzu
Streaming, Filmingo / Regie: Alex Camilleri
Traditionen und Bräuche aufzugeben ist nicht immer leicht, besonders, wenn die eigene Existenz davon abhängig ist. Mit «Luzzu» untersucht Alex Camilleri dies am Beruf des Fischers auf Malta. Ein Portrait über einen Mann, der im Wandel gefangen ist und sich dem gesellschaftlichen Druck beugen muss.
Emotional inszeniert mit schönen Aufnahmen und wunderbaren Laiendarsteller:innen, ein stetes Wogen zwischen Ehrlichkeit, Korruption und Aufgabe. Wie viele Male kann man sich verändern und trotzdem denselben Menschen bleiben?
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Vampyr
BD / Regie: Carl Theodor Dreyer
Der Bauer steht mit der Sense am Wasser, die Schatten tanzen von Körpern losgelöst durch den Raum, die Furcht lässt Wahnvorstellungen zur Realität werden. Mit «Vampyr» hat Carl Theodor Dreyer nicht bloss einen weiteren Film über Graf Dracula geschaffen, sondern ein vorzüglicher Film, der sich nie von der Mystik und dem Albtraum abwendet.
Mit vielen Texteinblendungen und wenig gesprochenen Sätzen ist «Vampyr» dem Stummfilm nahe und verstärkt dadurch die Wirkung der genial komponierten Bildern und echten Umgebungen. Schlafe ich, oder bin ich bereits tot?
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 19.06.2022, 12:03

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The Plumber
BD / Regie: Peter Weir
Ein Kammerspiel zwischen Keramik, Kupfer und Wasser. Mit dem kleinen und beklemmenden Psychospiel «The Plumber» lässt Peter Weir Vorurteile und Ängste aufeinanderprallen. Das plötzliche Auftauchen eines Klempners wirbelt nicht nur den Alltag eines Ehepaars an einer Uni durcheinander, sondern bringt Wahnvorstellungen und Hass hervor.
Mit einem bitterbösen Ende und toll gespielten Szenen überzeugt der Film, auch wenn gewisse Passagen und Handlungen in Wahrheit nie so funktionieren würden.
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Electrick Children
DVD / Regie: Rebecca Thomas
Schwanger durch die Kraft der Musik? Mit «Electrick Children» nähert sich Rebecca Thomas mit viel Einfühlsamkeit den Themen der sexuellen Misshandlung und der Abschottung in der Mormonen-Gesellschaft. Julia Garner spielt die Rolle der Rachel mit perfekter, zurückhaltender Verletzlichkeit und lässt alle in ihren Augen versinken. Dazu Billy Zane als Vater und Rory Culkin als verlorener Slacker, eine Millieustudie und ein Gesellschaftsdrama, wunderschön fotografiert von Mattias Troelstrup.
Ich hoffe, die Regisseurin darf sich bald wieder einem Film widmen – die Quibi-Produktion «When the Streetlights Go On» scheint nicht sehr gelungen zu sein.
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Dead Man Walking
DVD / Regie: Tim Robbins
Der Song von David Bowie kam im Film zwar nicht vor, dafür das wunderbare Lied von Bruce Springsteen und die fantastische Kollaboration zwischen Eddie Vedder und Nusrat Fateh Ali Khan. Viele Gefühle, welche «Dead Man Walking» von Tim Robbins auch sonst auslöst.
Die Geschichte um den eventuell falsch verurteilten Häftling im Todestrakt ist eine leicht angestaubt wirkende Untersuchung zum Thema Schuld und Verurteilung, und wie unsere Gesellschaft mit solchen Personen umgeht. Von Susan Sarandon und Sean Penn stark gespielt, mit dem nötigen Raum zur Reflektion.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 20.06.2022, 09:00

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Everything Everywhere All at Once
Kino / Regie: Daniel Scheinert, Daniel Kwan
Please, be kind.
Nebst all den verrückten Ideen, den visuellen Einfällen, den absurden Witzen ist die grösste Errungenschaft von «Everything Everywhere All at Once», dass der Film eine berührende Mutter-Tochter-Geschichte erzählt und im emotionalen Bereich alles richtig macht.
Es wird gekämpft, gestritten, versöhnt, geträumt und geliebt. Hervorragend die Leistungen von Michelle Yeoh, Stephanie Hsu (welch grossartige Kostüme) und Ke Huy Quan (was für ein Comeback), nach viel Verwirrung und Chaos bringen Daniel Scheinert und Daniel Kwan ihren Film am Schluss ergreifend ins Ziel: Das Herz der Zuschauer:innen.
So soll Kino sein. Überraschend, andersartig und empathisch.
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Sundown
Kino / Regie: Michel Franco
Heiss ist es, das Bier hilft nicht, die Zukunft ist nicht mehr fassbar. Tim Roth hat in «Sundown» den Lebensantrieb verloren und versinkt in den Wirrungen in Acapulco. Das bleibt lange mysteriös und fesselnd, leider aber versucht sich der Film am Ende an einer Erklärung.
Trotzdem: Was Michel Franco mit diesem Film abliefert, ist eine präzise und fokussierte Betrachtung eines Mannes und eines Landes, das in unmenschlichem Chaos zu implodieren droht. Jede Aufnahme sitzt, jede Szene ist perfekt inszeniert. Je weniger man über den Film weiss, desto erschütternder ist dessen Verlauf. Strandromantik, Fehlanzeige.
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Belle
Kino / Regie: Mamoru Hosoda
«Beauty And The Beast» im Social-Media-Zeitalter: «Belle» ist ein technisch umwerfend gestalteter Anime, der vor visuellen Einfällen nur so strotzt. Wenn wir mit den Figuren durch die virtuelle Umgebung von «U» streifen, ist alles möglich.
Schade, kann die Geschichte nicht immer mithalten, versucht sich Mamoru Hosoda etwas klischiert an Genre-typischen Themen wie erste Liebe, Mobbing, Verlust und Trauer. Emotional oft zu überzeichnet und stellenweise eine Spur zu lang geraten – man fiebert mit Suzu und ihren Freund:innen trotzdem mit.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 26.06.2022, 13:30

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Carol
BD / Regie: Todd Haynes
Wie könnte Cate Blanchett auch nicht Rooney Mara als Therese verfallen, oder war es umgekehrt? Welche anmutige Schönheit, welch zuckersüsses Aussehen mit dieser Weihnachtsmütze. Lange hält das Glücksgefühl im Film von Todd Haynes aber nicht an, mit seiner Literaturverfilmung zeichnet er ein realistisches Bild der Fünfzigerjahre.
«Carol» ist ein wunderschöner Film über die Liebe zwischen zwei Frauen, eingefangen mit perfekten Aufnahmen und von den Hauptdarstellerinnen ehrlich und packend gespielt. Dramatisch, mitreissend und feinfühlig.
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Secrets & Lies
BD / Regie: Mike Leigh
Schlussendlich spielt es bei «Secrets & Lies» keine grosse Rolle, was die Figuren für schlimme Dinge angestellt haben, wieso sie sich gegenseitig in die Haare geraten sind. Denn in diesem Drama von Mike Leigh ist die Schauspielkunst auf höchstem Niveau und lange Aufnahmen ohne Schnitte lassen das Talent der Besetzung spürbar werden.
Ob die Szene im Diner, beim Grillfest im Garten oder die abschliessende Aussprache, man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders Brenda Blethyn und Marianne Jean-Baptiste sind fantastisch, wunderbar ergänzt von Timothy Spall und Claire Rushbrook.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 06.07.2022, 22:43

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Doberman Cop
BD / Regie: Kinji Fukasaku
Shin'ichi Chiba passt gut in die Rolle des «Doberman Cop», doch mir wollte der Film nicht so richtig passen. Das einzige Mal, das sich Kinji Fukasaku in seiner Karriere als Regisseur einer direkten Manga-Adaption widmete, was in einer Mixtur aus Komik, Popkultur und Kriminalfilm resultierte.
Nicht ohne Reiz, aber etwas weniger ansprechend als seine kinetischen Gangster-Gewitter. Was auch hier gilt: Die Frauen werden allesamt schrecklich schlecht behandelt.
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Die verlorene Ehre der Katharina Blum
BD / Regie: Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta
Die Macht der Medien, oder noch schlimmer, der Boulevard-Presse, war schon immer sehr gross. Da ist ein Missbrauch schnell passiert, wie es «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» in packender Weise aufzeigt. Angela Winkler wird von Mario Adorf als Polizist beschuldigt, die Reporter sorgen für den Rest.
Die erste Regiearbeit von Margarethe von Trotta, noch im Gespann mit Volker Schlöndorff, ist eine Geschichte, die weiterhin sehr gut in unsere Gesellschaft passt. Ohne zu drastisch zu werden, ohne etwas schön zu zeichnen.
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Une Vie
BD / Regie: Stéphane Brizé
Das Leben einer Dame, das Leiden, die Missstände. Was als Buch von Guy de Maupassant eine Betrachtung der Oberschicht war, wird von Stéphane Brizé in seinem Film «Une Vie» mit dem naturalistischen Element angereichert.
Gut gespielt und schön gefilmt funktioniert die Erzählung vor allem deswegen, weil die Leerstellen und Schnitte genauso wichtig sind, wie das Gezeigte. So gleiten die Momente wie Erinnerungen vorbei, Schrecken und Leid geben sich die Hand.
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The Last Movie
BD / Regie: Dennis Hopper
Obwohl die Produktion von «The Last Movie» keine einfache war und der Film nach der Veröffentlichung rasch in Vergessenheit geriet, ist die zweite Regiearbeit von Dennis Hopper bis heute sehr sehenswert. Ein Versuch in Experimentalfilm, gemischt mit Kritik an der amerikanischen Lebensweise – das holpert an vielen Stellen und sucht keine einfachen Wege, bietet dafür umso mehr Schichten und reizvolle Gedanken.
Western, Sozialstudie, Drogenabsturz, Grössenwahn, Unterdrückung und der ewige Traum nach Freiheit und Selbstverwirklichung: «The Last Movie» spiegelt das reale Leben der Macher von damals und fesselt mit einem losen und spiralförmigen Ende.
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Mr. Right
DVD / Regie: Paco Cabezas
Sich in Schauspieler:innen zu vergucken kann mühsam sein, möchte man dadurch deren gesamte Filmografie durcharbeiten. So geschah es mir mit Anna Kendrick, leider aber entspricht ihre Rollenwahl selten meinen Präferenzen. Da bei «Mr. Right» von Paco Cabezas aber noch Sam Rockwell und Tim Roth mitspielen, wurde die Action-Komödie von mir bereitwillig angeschaut.
Das Resultat? Frau Kendrick ist wundervoll. Alles andere an dem Film eher nicht, oft sogar sehr stupide. Die drei Punkte gibt es für das Trio der Hauptbesetzung, den Rest lösche ich wieder aus meinem Kopf.
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Wild At Heart
DVD / Regie: David Lynch
Wer zaubert denn hier? Sind wir noch in Kansas? Warum brennt die Liebe so vieles nieder? Mit seinem blutigen und erotischen Roadmovie lieferte David Lynch eine fesselnde Erzählung ab, in der sich Rätsel und Kohärenz knapp die Waage halten.
«Wild At Heart» versprüht dabei dieselbe Stimmung wie die spätere Arbeit «Mulholland Drive», weiss aber kompakter zu funktionieren. Unsterblich nebst gewissen Bildern und der Musik natürlich Laura Dern und Nicolas Cage in den Hauptrollen. Was für eine Energie.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 08.07.2022, 12:19

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Badlands
DVD / Regie: Terrence Malick
Martin Sheen und Sissy Spacek haben in «Badlands» genug vom langweiligen und aussichtslosen Leben im Kaff – und machen sich auf eine mörderische Tour in die persönliche Freiheit auf. Das Vorhaben ist zwar von Beginn an zum Scheitern verurteilt, Terrence Malick zeigt damit aber gut die fehlenden Perspektiven der damaligen Generation.
Das Debüt des legendären Regisseurs ist geerdet, wirkt ehrlich und erzählt die, auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte in kompaktem Format.
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La noire de...
DVD / Regie: Ousman Sembène
Der erste Spielfilm aus Afrika, der ohne Regie einer weissen Person gedreht wurde – «La noire de...» ist ein feinfühliges und ruhiges Portrait einer Frau, die unter dem Kolonialismus leidet. Ousman Sembène zeigt den Arbeits- und Lebensalltag in ehrlichen Szenen, die Ausbeutung und Misshandlungen führen zum schrecklichen Ende.
Dank der Restauration des «World Cinema Project» ist der sehenswerte Film heute in bester Qualität erhältlich und als wichtiges Erbe in der Kulturgeschichte Senegals zugänglich.
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White Building
Streaming, Filmingo / Regie: Kavich Neang
Mit dem Roller durch die Strassen, mit den Freunden auf der Bühne – die drei Jungs in «White Building» schlagen sich in Phnom Penh knapp durch und suchen ihren Weg im Strudel von Armut, Zugehörigkeit und prekären Zuständen.
Kavich Neang inszeniert das Drama aus Kambodscha mit schön ausgeleuchteten Bildern und emotionalen Szenen, der Fokus liegt immer wieder auf Details, Gebäuden und vorherrschenden Stimmungen. Eine atmosphärische Erzählung, die schwebend und melancholisch die heutige Zeit abbildet.
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La vaca que canto una cancion sobre el future
Kino, NIFFF / Regie: Francisca Alegría
Im Film von Francisca Alegría will nicht alles perfekt zusammenpassen, Erklärungen bietet «La vaca que canto una cancion sobre el future» sowieso nicht. Trotzdem überzeugt das berührende Werk mit der gemächlichen Inszenierung, der wunderbaren und melancholischen Stimmung und den angesprochenen Fragen zu unserem Umgang mit Natur und Tierwelt.
Mía Maestro als zentrale Person und Anker, die Gesänge der Fauna als ergreifende Umgebung – so hat man Science-Fiction und Mystery in den letzten Jahren selten gesehen. Auch, weil Alegría die Themen der Sexualität, Gender und Familie ohne Scham integriert. Der Film bleibt lange im Kopf und Herzen.
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Family Dinner
Kino, NIFFF / Regie: Peter Hengl
Ein Debüt im Genrebereich, Österreich macht die Fans erneut glücklich. Peter Hengl tritt in grosse Fussstapfen, weiss diese mit seinem Debüt «Family Dinner» aber bereits sehr gut auszufüllen. Der klein gehaltene Film mischt Naturhorror mit Ängsten und Wünschen zu unseren Körpern, alles im Rahmen eines reduzierten Familientreffens.
Schade bloss, weiss das Drehbuch nie die oft betretenen Wege zu verlassen. Wer gut aufpasst, hat dank Filmtitel und ersten Geschehnissen das Ende bereits früh erraten. Die gelungene Inszenierung macht «Family Dinner» aber trotzdem sehenswert, ich bin auf weitere Werke gespannt.
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RRR
Streaming, Netflix / Regie: S. S. Rajamouli
Das Lied von Feuer und Wasser.
Wie sollte ein Actionfilm aussehen, sich anfühlen? Welche Vorstellungen man auch immer vom Genre hat, «RRR» übertrifft diese. Mit wahnwitzigen Einfällen, übertriebenen Bildern und einer Geschichte, die trotz dreistündiger Laufzeit fast nie Tempo rausnimmt.
Der Film von S. S. Rajamouli ist eine humorvolle, ernsthafte, bunte, blutige und romantische Angelegenheit. Es wird gekämpft, es wird verbrüdert, eine Revolution gestartet und das britische Empire mit einem Zoo in Bedrängnis gebracht. Hervorragend Szenen wie das Tanz-Duell, die Rettung auf der Brücke oder die Montage der aufblühenden Freundschaft übertönen die politisch unschönen Schwingungen.
Klar sieht vieles unecht und stark nach CGI aus, logisch wird viel gesungen und getanzt. Aber wie oft man bei diesem Streifen vor Freude und Überraschung laut ausruft, das ist unübertroffen.
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Reminiscence
BD / Regie: Lisa Joy
Mit ihrer ersten Regiearbeit bleibt Lisa Joy im Gebiet der High-Concept Science-Fiction und verknüpft gewisse Aspekte der nostalgischen Genre-Aspekte mit realistischen Zukunftsvisionen. Durch die gute Besetzung (allen voran Rebecca Ferguson), den gelungenen Bildern und spannenden Einfällen ist «Reminiscence» stellenweise aufregend, kann aber wegen dem Drehbuch nie komplett überzeugen.
Es fehlt an Logik, an Zusammenhalt und aufwühlenden Momenten. Der Film verkommt manchmal zu einem Fest an Klischees in den Bereichen Action und Romantik, die Geschichte um Verrat, Betrug und Gedächtnis wäre gerne intelligenter, als sie schlussendlich ist.
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Belfast
DVD / Regie: Kenneth Branagh
Eine hübsche Verpackung hilft nicht immer weiter – etwa bei diesen Kindheitserinnerungen von Kenneth Branagh an seinen Heimatort «Belfast». In Schwarzweiss gehalten mit tollen Aufnahmen, dümpelt der Film, ohne auf emotional ehrliche Weise zu packen, vor sich hin. Der Schnitt ist destruktiv und macht aus allen Momenten willkürliche Bilder im Familienalbum, die sich weder gegenseitig befruchten noch einen Mehrwert bieten.
Dafür überzeugt Jude Hill in der Hauptrolle und der Beginn weckt eigene Erinnerungen an die Stadt – auch wenn diese Einführung direkt aus einem Marketingvideo für Tourismus stammen könnte.
Besser hat Bill Douglas das Thema des Heranwachsens in einem unwirtlichen Umfeld mit seiner Trilogie auf Film gebannt («My Childhood», «My Ain Folk» und «My Way Home»).
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 15.07.2022, 22:51

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Rien à foutre
Kino / Regie: Emmanuel Marre, Julie Lecoustre
«Nichts zu pfuttern!»
Wenn Adèle Exarchopoulos zu den Klängen von Vangelis durch die triste Umgebung schreitet, schafft es “Rien à foutre” die Leere der gesamten Generation zu erfassen. Mit ihrem kritischen und brandaktuellen Film bieten Emmanuel Marre und Julie Lecoustre einen fesselnden Einblick in den Arbeitsalltag von Fluggesellschaften.
Schade wird diese dichte Inszenierung in der zweiten Hälfte beiseitegeschoben, um dem Familienleben und den Problemen und fehlenden Perspektiven im Alltag mehr Raum zu geben. Das macht die Erzählung zwar gesamtheitlicher, lässt aber zugleich die Spannung vermissen.
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Pleasure
Streaming, Filmingo / Regie: Ninja Thyberg
Die Geräusche und das Gestöhne auf schwarzem Grund reichten bereits aus, um bei mir unangenehme Empfindungen auszulösen. Das blieb bis zum Schluss von «Pleasure», dem Film von Ninja Thyberg über die Porno-Branche in den USA. Direkt, gnadenlos und ehrlich – mit Personen aus dem Business gedreht und alle Lügen und den falschen Schein entlarvend.
Zwar wirkt einiges etwas plump und die Geschichte um die rasch aufsteigende Novizin Bella Cherry ist nicht sehr ausgearbeitet, der Blick hinter die Kulissen dafür umso intensiver. Und Evelyn Claire ist echt ein Hingucker.
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The Girlfriend Experience
DVD / Regie: Steven Soderbergh
Dass Sasha Grey auf dem DVD-Backcover lasziv abgebildet ist, verfehlt die inhaltliche Aussage von «The Girlfriend Experience» zwar, ist aber fast aufregender als der Film von Steven Soderbergh. Die Geschichte um das Escort-Girl in Zeiten der Wirtschaftskrise macht es sich moralisch etwas zu einfach, will viel und sieht stellenweise billig aus.
Die harten Schnittfolgen und der Umgang mit Licht und Kamera erinnerten mich oft an die Filme von Olivier Assayas, Soderbergh hat in seiner Karriere allerdings viele bessere Werke abgeliefert als dieses.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 16.07.2022, 14:28

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Foxcatcher
DVD / Regie: Bennett Miller
Ein Sportlerdrama und ein Kriminalfilm mit realen Begebenheiten vereint – «Foxcatcher» schafft dies mit einer düsteren und hoffnungslosen Grundstimmung. Macht und Korruption treffen auf ehrliche Intentionen, unter der Regie von Bennett Miller leisten Steve Carell, Channing Tatum und Mark Ruffalo grossartiges. Schade bloss, erhielt Sienna Miller so wenig Raum.
Mich konnte der Film überzeugen und mitreissen. Eventuell half es, dass ich die wahren Hintergründe der Geschichte nicht kannte und mich deswegen vom Verlauf und Ende überraschen liess.
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Madres paralelas
DVD / Regie: Pedro Almodóvar
Viele Wendungen nimmt die Geschichte von «Madres paralelas», manche erkennt man früh, andere wiederum passieren unerwartet. Trotzdem bleibt der Film von Pedro Almodóvar etwas zahm und kann sich nicht richtig entscheiden, wie die Kritik an der spanischen Regierung und deren Verhalten in der Nachkriegszeit mit den persönlichen Dramen zusammenkommen wollen.
Grossartig hingegen die beiden Hauptdarstellerinnen Penélope Cruz und Milena Smit, sowie die Farben und Ausstattung. Wie bunt und warm die Welt und Wohnungen in Madrid doch wirken können.
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Gaslight
BD/ Regie: Thorold Dickinson
Trotz Adaption in das Filmformat wirkt «Gaslight» von Thorold Dickinson wie ein Theaterspiel. Die wenigen Handlungsorte und Figuren wurden perfekt eingesetzt, der selten gesehene Film aus 1940 ist eine Perle in den Bereichen Schnitt, Besetzung und Dialogen.
Zu jeder Sekunde bleibt man gefesselt, das Drama um physische Misshandlung in einer Ehe sagt weiterhin vieles aus. Kein Wunder, spricht man nach diesen Vorlagen (Theater von Patrick Hamilton und zusätzlich die amerikanische Verfilmung von George Cukor) bis heute von «Gaslighting» im spezifischen Missbrauchsfall.
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Petrov’s Flu
Kino / Regie: Kirill Serebrennikov
Wäre die Zeit wie eine Matrjoschka aufgebaut, sie würde sich so anfühlen wie in «Petrov’s Flu». Vergangenes und Aktuelles wird geschichtet, Dialogzeilen, Gegenstände, Ereignisse und Handlungen wiederholen sich, Wahrheit, Wahn und Fantasie werden zu einer Flüssigkeit.
Mit seiner atemlosen und überfrachteten Inszenierung tritt Kirill Serebrennikov in die Fussstapfen von Regisseuren wie Aleksei Yuryevich German, kritisiert die junge Vergangenheit Russlands und verbindet emotionale und abgedrehte Aspekte ohne Mühe. Da nichts erklärt wird, benötigt der Film viel Aufmerksamkeit und Energie – eine lohnende Investition.
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Incroyable mais vrai
Kino / Regie: Quentin Dupieux
Niemals hätte ich gedacht, dass mir ein Film von Quentin Dupieux zu normal sein könnte. Mit seinem neusten Werk «Incroyable mais vrai» ist dies aber eingetroffen. Die Satire, welche auf die Oberschicht in der Gesellschaft abzielt, ist voller verrückter Einfälle und Entscheidungen, allerdings auch geradlinig und stringent.
Was sich stellenweise wie eine moderne Fassung von Luis Buñuels «Le Charme discret de la bourgeoisie» anfühlt, hat Herz und schöne Aufnahmen, aber viel Zurückhaltung. Dafür kann die Musik von Jon Santo herrlich lange im Kopf herumkrabbeln und die lange Montage ohne Dialoge ist fantastisch gemacht.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 30.07.2022, 12:24

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Pickup On South Street
BD / Regie: Samuel Fuller
Film Noir von Samuel Fuller ist vielfach ein Garant für sehr gute Unterhaltung, so auch bei «Pickup On South Street». Der vorzüglich inszenierte Film über Gangster und kommunistische Agenten in New York City ist spannend, Jean Peters als Candy perfekt.
Zwar ist der Inhalt nicht sonderlich tiefgründig oder komplex, dank den tollen Aufnahmen, spritzigen Dialogen und wunderbaren Schnitten wurde ich aber vorzüglich unterhalten.
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Rumble Fish
BD / Regie: Francis Ford Coppola
Wie fantastisch und wunderschön Kameraführung und Aufnahmen bei «Rumble Fish» sind. Das Drama um die perspektivenlose Jugend und den gewaltdurchzogenen Alltag wirkt elegant, empathisch und verzaubernd. Natürlich hilft es, dass Matt Dillon und Mickey Rourke wunderbar spielen, sowie viele Nebenrollen mit bekannten Namen besetzt wurden.
Die Arbeit gehört für mich auf jeden Fall zu den besten im Oeuvre von Francis Ford Coppola und ist eine sehr gelungene Literatur-Adaption.
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The Warriors
Kino / Regie: Walter Hill
Vieles an «The Warriors» ist eigentlich doof, etwa die Klamotten der Gangs oder der hauchdünne Plot. Trotzdem macht es Freude, die Hetzjagd durch ein dystopisch wirkendes und von normalen Menschen scheinbar verlassenes New York mitzuverfolgen.
Walter Hill drehte einen Kultklassiker, der weiterhin wunderbar unterhält und als 35mm-Projektion im Open Air Kino in Wien richtig atmosphärisch rüberkam – den heissen Temperaturen sei Dank. Ebenso entzückend: Die voran gezeigte Trailer-Show mit herrlich doofen Vorschauen von damals. «Ein Supertyp haut auf die Pauke», wie grossartig die Titelschmiede in Deutschland in den Siebzigern war.
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Rimini
Kino / Regie: Ulrich Seidl
Wenn Ulrich Seidl Filme dreht, dann wird die Gesellschaft der westlichen Welt ohne Zurückhaltung oder Gnade analysiert und dargestellt. So auch in «Rimini», in dem Michael Thomas famos als abgehalfterter Schlagersänger Ritchie Bravo das titelgebende Ferienparadies im Winter aushalten darf.
Etwas weniger brüsk als zum Beispiel die «Paradies»-Trilogie, zeigt Seidl in bedrückend echt wirkender und schmutziger Weise die Abgründe. Älterwerden, Selbstsucht, Geltungsdrang und sogar die Flüchtlingsproblematik finden Platz, unsere kaputten Systeme werden demontiert.
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Corsage
Kino / Regie: Marie Kreutzer
Wenn man in Wien unterwegs ist, schaut man sich gerne den neuen Film über die Kaiserin Elisabeth an. Die Darstellung, welche Marie Kreutzer für «Corsage» gewählt hat, ist allerdings sehr weit von der kitschig-klischierten Version der bekannten «Sissi» entfernt.
Vicky Krieps spielt sich kraftvoll in der Hauptrolle durch den Film und lässt uns zusammen mit ihrer Figur leiden, den sinnlosen Alltag in ihrer repräsentativen Position erleben. Der Film ist frech mit anachronistischen Elementen und erdachten Möglichkeiten der Biografie versetzt, mit genialen Kostümen versehen und angenehm düster. Schade nur, wollte die emotionale Anbindung nicht immer funktionieren.
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The Ascent
BD / Regie: Larisa Shepitko
Der Horror des Krieges, das unendliche Leiden. «The Ascent» war die letzte Regiearbeit von Larisa Shepitko und ist ein Anti-Kriegsfilm, der tief unter die Haut geht. Weniger drastisch etwa als «Come And See», mit mehr Ruhe und religiösen Anleihen ausgestattet.
Die Hauptdarsteller Boris Plotnikov und Vladimir Gostyukhin sind grossartig, die Aufnahmen der schneebedeckten Umgebung trostlos, die Aussagen zur Wahrhaftigkeit des Menschen voller schmerzender Abgründe.
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Sixteen Candles
DVD / Regie: John Hughes
Was in den ersten Minuten noch liebenswürdig und wärmend wirkt (und somit Hughes nachfolgende Grosstat «The Breakfast Club» andeutet), verliert sich leider zu schnell in angestaubten, sexistischen und rassistischen Zoten.
«Sixteen Candles» trumpft zwar mit der knuffigen Molly Ringwald auf, wirklich viel Mitreissendes wusste Regie-Debütant John Hughes aber nicht aus der Geschichte um den vergessenen Geburtstag herauszuholen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 31.07.2022, 10:13

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Men
Kino / Regie: Alex Garland
Ganz sicher bin ich mir nicht, was ich von «Men» halten soll. Alex Garland legt einen stellenweise erschütternden Film über Misogynie vor, kombiniert dies geschickt mit Elementen des Horror- und Folk-Filmes und schlägt doch etwas zu fest auf die Pauke. Am genialen Spiel von Jessie Buckley und Rory Kinnear liegt es nicht, die zwei tragen jede Minute des Filmes.
Wenn sich die anfänglich dichte, erdrückende und atmosphärische Geschichte gegen Ende von «Men» allerdings zu einer Effektorgie entwickelt und die Metaphern ohne Rücksicht serviert werden, trübt das den Gesamteindruck. Aufgewühlt und nachdenklich lässt der Film aber zurück – und das ist gut so. Nicht zu vergessen die grossartige Musik und das Sounddesign.
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Hatching
Kino / Regie: Hanna Bergholm
Pastellfarben und blumenbemustert das Dasein, doch immer mehr Risse treten auf und lassen die Scheinwelt der Familie in Finnland wie ein Ei aufbrechen. «Hatching» ist ein weiterer Vertreter im Bereich des Coming-Of-Age-Horrorfilms und transformiert die körperlichen Veränderungen eines Mädchens auf einen Vogel.
Dank der stilsicheren Regie von Debütantin Hanna Bergholm, den sehr gelungenen Effekten und vor allem dem famosen Spiel von Siiri Solalinna funktioniert alles sehr gut. Die Wendungen sind überraschend und gewisse Stellen effektiv gruselig und eklig – ohne die leichteren Momente zu überschatten.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von StS » 31.07.2022, 10:22

"Men" hatte ich mir letzten Monat in Riga angeschaut und fand ihn ebenfalls einer 8/10 würdig.
Von ihm und "Hatching" hab ich mir jeweils schon das Mediabook vorbestellt...

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von Vince » 31.07.2022, 11:08

Mir machen bei solchen Filmen in der Regel auch grobschlächtige Metaphern nicht viel aus, ich freue mich auf jeden Fall auf den Film. Hatching klingt auch nicht verkehrt.

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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 01.08.2022, 09:18

Das stimmt, geht mir ähnlich. Sonst wäre die 8 wohl nicht dringewesen.

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The Gray Man
Streaming, Netflix / Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Sommerurlaub im Actionfilm: Ryan Gosling, Ana de Armas und Chris Evans gurken in «The Gray Man» durch Europa und missachten dabei nicht nur Verkehrsregeln, physikalische Grundlagen und geografische Gegebenheiten, sondern die Kunst des Schnitts. Gewisse Abfolgen liessen Erinnerungen an die stümperhaften Montagen von «Don't Look Up» wachwerden.
Anthony und Joe Russo servieren mit ihrem neuen Netflix-Koloss eine Geschichte, die nur wenige einzelne Bytes auf dem CIA-Server in Anspruch nimmt und dort für Fehler im System sorgt. Was als Start einer neuen Filmreihe gedacht ist, geht zwischen unübersichtlicher Action, sympathischer, aber verschenkter Besetzung (Jessica Henwick und Shea Whigham in Nebenrollen) und viel Green Screen mit schlechtem Rendering unter.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 06.08.2022, 13:13

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Notturno
Streaming, Filmingo / Regie: Gianfranco Rosi
Das Leid eines Krieges trägt immer die Zivilbevölkerung – «Notturno» zeigt dies mit leisen Bildern ohne Kommentare oder Interviews. Der Dokumentarfilm von Gianfranco Rosi sucht die scheinbar verlorene Schönheit in aktuellen Krisengebieten und klammert sich an die letzte Spur Menschlichkeit. Doch egal, was der Film alles zeigt, am Schluss bleiben die Leerstellen und der ewige Schmerz.
Ein meditatives und berührendes Erlebnis, das unser selbstverständliches Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit ins Wanken bringt.
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Henry: Portrait of a Serial Killer
BD / Regie: John McNaughton
Viele Legenden ranken sich um den Mörder Henry Lee Lucas, der gegen Ende des 20. Jahrhunderts in den USA aktiv war. John McNaughtons Film versucht sich nahe an der Realität zu halten und besticht mit dreckigen, bedrückenden Szenen. «Henry: Portrait of a Serial Killer» ist ein Low-Budget-Thriller, der schmuddelig und real wirkt.
Michael Rooker ist perfekt besetzt, Tracy Arnold und Tom Towles hingegen geben sich etwas hölzern, die damalig experimentelle Musik überholt. Trotzdem ist der Film ein befleckter Spiegel einer kaputten Gesellschaft, der sich nie einer Glorifizierung der Taten hingibt und den unsäglichen Wahnsinn entlarvt.
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Boiling Point
Kino / Regie: Philip Barantini
Der Spielfilm als Ein-Gang-Menü: Philip Barantini serviert uns mit «Boiling Point» eine schnittlose und atemberaubende Langversion seines gleichnamigen Kurzfilmes. Die Kamera hetzt durch das real existierende Restaurant Jones & Sons in London, lässt das Drama überkochen und den gnadenlosen Alltag dieser Profession spürbar werden.
Natürlich ist das Geschehen stark verdichtet und absurd viele Konflikte treten in der kurzen Zeit auf, was dem adrenalinfördernden und grossartig gespielten Film (Stephen Graham, Vinette Robinson, Ray Panthaki) aber keinen Dämpfer verleiht. Nur die Wahl des Schlusssongs sorgte bei mir für allergische Reaktionen.
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Overlord
BD / Regie: Stuart Cooper
Die unmöglich wirkende Maschinerie des Krieges wird meist anhand von greifbaren Einzelschicksalen erzählt, «Overlord» macht dies zur Hälfte auch so. Allerdings zeigt der Film von Stuart Cooper beeindruckend auf, wie sich der einzelne Soldat im Zweiten Weltkrieg in diesem alles zerstörenden Ungetüm verlor.
Durch die geniale Verbindung von Archivaufnahmen und fiktivem Schauspiel entsteht eine packende Geschichte über Aufrüstung, Tod und den Untergang der zivilen Unschuld, die sich tausendfach nicht nur am D-Day so abgespielt hat.
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Werckmeister Harmonies
DVD / Regie: Béla Tarr
Harmonisches Leben in der Kleinstadt? Missgunst und Umsturz? In schwarzweissen Bildern und langen Einstellungen lässt Béla Tarr bei «Werckmeister Harmonies» eine rätselhafte Erzählung über eine Gesellschaft anwachsen, die nie ganz konkret zu beschreiben ist, dafür umso faszinierender nachwirkt.
Die Augen des Walfischs, die Theorie der Musik, das Misstrauen in der Seele, die Feuer auf dem Platz. Schade bloss, sind die technischen Aspekte der DVD-Ausgabe von Artificial Eye unterdurchschnittlich – besonders beim Bild.
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Pastor Hall
BD / Regie: Roy Boulting
Auch wenn man bei «Pastor Hall» in den ersten Minuten denkt, einem theatralischen Liebesdrama beizuwohnen, biegt der Film rasch in Richtung Kritik an Faschismus und Nationalismus ab. 1940 von Roy Boulting inszeniert, wird ein Blick auf ein Bergdorf in Deutschland geworfen, in dem sich ein Pfarrer nicht der neuen Doktrin der NS unterwerfen will.
Mit klugen Dialogen, annehmbaren Spiel und nett gemachten Kulissen vermag die Erzählung zu fesseln, besonders, wenn man den Zeitpunkt der Entstehung beachtet. Wie schlimm es für alle in den Folgejahren noch werden sollte, konnte man damals nur ahnen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 09.08.2022, 19:32

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Abwärts
BD / Regie: Carl Schenkel
Runter kommt man immer, egal ob höhentechnisch oder in der Gesellschaft. Beim Kammerspielt «Abwärts» von Carl Schenkel vermengen sich diese Aspekte in der Erzählung und wird begleiten unter anderem Götz George, Renée Soutendijk und Wolfgang Kieling beim Versuch, in einem defekten Lift nicht durchzudrehen.
Das alles ist trotz den gegebenen Restriktionen immer spannend, weiss als Thriller zu gefallen und wird am Ende gar überraschend blutig. Diese gefahrenvolle Fahrt werde ich wieder einmal antreten.
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The Flight of the Phoenix
BD / Regie: Robert Aldrich
Es kann so wunderbar sein, Figuren beim Problemlösen und Basteln zuzuschauen. Perfekt inszeniert hat Robert Aldrich diese Vorgänge mit seinem Abenteuerfilm «The Flight of the Phoenix». Die Notlandung in der Wüste wird mit Grips und Ingenieurskraft angegangen, die internen Spannungen mit sehr gut gespielten Dialogszenen entschärft.
Dass man beim Treiben talentierten Herren wie Richard Attenborough, James Stewart und Ernest Borgnine zugucken darf, macht die Angelegenheit noch unterhaltsamer. Die guten Aufnahmen, welche die mechanische Transformation des Flugzeugs festhalten ebenfalls.
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Moonfall
DVD / Regie: Roland Emmerich
Hmm, you were there in the turnstiles, with the wind at your heels
You stretched for the stars and you know how it feels
to reach too high
Too far
Too soon
You saw the whole of the moon

The Waterboys - The Whole Of The Moon

Und nein, ich möchte weiterhin keine Produkte von Lexus und Kaspersky kaufen.
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Lifeboat
BD / Regie: Alfred Hitchcock
Es ist nur fantastisch, wie Alfred Hitchcock seine Szenen und Einstellungen bei «Lifeboat» aufgebaut hat. Wie ein Schattentheater wirken gewisse Aufnahmen, dann wieder machen simple Kamerabewegungen aus dem einengenden Schauplatz des Rettungsbootes eine filmische Abenteuerfahrt.
Im Zentrum der Handlung strahlen Tullulah Bankhead und Walter Slezak mit ihren Darstellungen, die kritischen Aspekte der Erzählung über Kriegshandlungen, Gewalt und Hass sind bis heute diskussionswürdig. Meisterhaft.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 13.08.2022, 13:12

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Notre-Dame du Nil
Streaming, Filmingo / Regie: Atiq Rahimi
In den Siebzigerjahren wurde in Ruanda durch die kolonialistische Herrschaft die Bevölkerung nicht nur in unterschiedliche Gruppen unterteilt, die man gegeneinander aufhetzte, sondern der christliche Glauben in missionarischen Schulen den jungen Mädchen eingetrichtert. Von einer solchen Schule handelt «Notre-Dame du Nil», vom Alltag und dem alles verändernden Gewaltakt.
Der Film von Atiq Rahimi ist trotz der Thematik keinesfalls düster und deprimierend, sondern findet viele Momente der Leichtigkeit und zeigt die Freundschaft zwischen den Mädchen und ihr zweigeteiltes Leben zwischen Herkunft und Doktrin. Leider aber wollen sich die einzelnen Szenen nicht perfekt zu einem Ganzen zusammenfügen und der Film bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.
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Erie
BD / Regie: Kevin Jerome Everson
Das erstaunliche an den dokumentarischen Filmen von Kevin Jerome Everson ist, dass ihre emotionale Wirkung in der Erinnerung stärker nachhallt als beim Genuss selbst. So ist es auch mit der längeren Arbeit «Erie», die das Alltagsleben der schwarzen Gesellschaft um den titelgebenden See beobachtet.
Lange Einstellungen auf 16mm-Film gebannt, keine Kommentare oder informative Einordnung – hier wird der Film als Kunstform dazu verwendet, eine inklusive Chronik einer oft vernachlässigten Gesellschaft zu erschaffen.
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Das zweite Erwachen der Christa Klages
BD / Regie: Margarethe von Trotta
Der erste Film, bei dem Margarethe von Trotta alleinig Regie führte, wandelt zuerst in den Pfaden eines gesellschaftskritischen Kriminalfilmes, bevor er als Betrachtung einer tiefen Frauenfreundschaft endet. Von Tina Engel, Silvia Reize und Katharina Thalbach toll gespielt, feinfühlig inszeniert und mit interessanten Beobachtungen gespickt ist «Das zweite Erwachen der Christa Klages» zwar nicht ohne Schwachstellen, gefällt aber trotzdem sehr.
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Not Okay
Streaming, Disney+ / Regie: Quinn Shephard
Als in einer Dialogzeile den Ausdruck «sus» verwendet wurde, war das für mich cringe – was meinen Status als Boomer offenbarte. Auch sonst beinhaltete «Not Okay» viele Elemente und aktuelle Verhaltensweisen und Lebensinhalte, die mich an der Menschheit zweifeln liessen.
Im Film von Quinn Shephard muss das sein, da der herrschende Geltungsdrang angeprangert wird. Leider aber versucht der Film dies satirisch und ernsthaft zugleich zu gestalten, was besonders im selbstreferenziellen Ende gar nicht funktioniert. Dafür ist Mia Isaac sehr cool.
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Prey
Streaming, Disney+ / Regie: Dan Trachtenberg
Da liefert Dan Trachtenberg als Debüt den unterhaltsamen «10 Cloverfield Lane» ab, nur um uns sechs Jahre auf seinen nächsten Spielfilm warten zu lassen. Mit «Prey» ist diese Durststrecke beendet und was erhalten wir? Einen «Predator»-Klon, der sich gelassen einer Simplizität hingibt, die Laune macht.
Amber Midthunder ist eine wunderbare Hauptdarstellerin, das Setting von Nordamerika im 18. Jahrhundert angenehm unverbraucht. Die Jagd auf das ausserirdische Wesen ist hübsch inszeniert und bietet einige brutale Kampfszenen, langweilig wird es nie. Einen Mehrwert kann man aus «Prey» zwar nicht herausfiltern, die Filmreihe um den «Predator» hat dafür wieder heisses Blut in den Adern.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 14.08.2022, 10:19

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Nope
Kino / Regie: Jordan Peele
Wertschätzung, Sichtbarkeit, Unterwerfung, territoriale Verdrängung, Übermacht, Auslöschung, Zusammengehörigkeit, Erbe – fast zu viele Stichworte und Aspekte drängten sich nach dem Kinobesuch in mein Gehirn. «Nope» gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden und Jordan Peele hat mit seinem dritten Film ein Horror-Vergnügen abgeliefert, das eine schier unendliche Tiefe aufweist.
Das lässt sich nicht alles ohne Probleme mit den gezeigten Szenen und Handlungselemente verbinden, das verdrängt glücklicherweise das absurd-abenteuerliche Gefühl nicht. «Nope» macht Spass, macht Angst, regt an und lässt dank den vielen Einfällen, visuellen Spielereien und wundervollen Aufnahmen von DP Hoyte van Hoytema begeistert zurück.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 14.08.2022, 20:19

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The Princess
Streaming, Disney+ / Regie: Lê Văn Kiệt
Joey King zuzuschauen, wie sie sich als selbstermächtigte Prinzessin durch die Menge von grobschlächtigen Rittern und Vagabunden schnetzelt, macht Spass. Leider allerdings weiss nicht viel anderes am Film von Lê Văn Kiệt zu überzeugen.
Die Ausstattung von «The Princess» wirkt billig, die CGI-Elemente unfertig, die Geschichte unüberlegt und praktisch inexistent. Zwar gibt es immer wieder coole Moves in den Kämpfen zu sehen und erstaunlich brutale Hiebe werden ausgeführt, in dieses Märchenland will man trotzdem nicht zurückkehren.
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Trainwreck: Woodstock '99
Streaming, Netflix / Regie: Jamie Crawford
Während sich bei uns auf dem Hausberg in Zofingen das Heitere Open Air abspielte, machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich und schauten uns durch das Desaster «Trainwreck: Woodstock '99». Eine Kombination, welche die unangenehmen Gefühle verstärkte, lagen ausgelassene Party und menschlicher Abgrund plötzlich sehr nahe beieinander.
Die dreiteilige Mini-Doku-Serie von Jamie Crawford zeigt in chronologischer und stellenweise sehr reisserischer Weise, wie das Festival 1999 in den USA zu einer Katastrophe verkam. Ein Beweis für die unsäglichen Leiden, welche Profitgier, Grössenwahn und toxische Männlichkeit auslösen, ein Abbild einer Unternehmung, die aus falschen Gesichtspunkten und ohne Einsicht durchgeführt wurde. Bret Easton Ellis hätte es für das Jahrzehnt nicht treffender erdichten können.
Spannend wäre zu sehen, was jemand rein aus dem vielen Archivmaterial geschnitten haben könnte, ohne neu gefilmte Interviews zu inkludieren.
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Re: Filmtagebuch: deBohli

Beitrag von deBohli » 21.08.2022, 14:58

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Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings
Streaming, Disney+ / Regie: Destin Daniel Cretton
Mit seinem Film «Short Term 12» hatte mich Destin Daniel Cretton begeistert und verzaubert. Schön zu sehen, dass er die dort vorherrschende emotionale Ebene zwischen den Figuren in seinen Marvel-Film übertragen konnte. Starke Leistungen von Tony Leung, Awkwafina und Meng'er Zhang unterstreichen dies, egal wie schlimm die CGI-Umgebungen aussehen.
Schade bloss, bleibt Simu Liu in der Titelrolle von «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» blass, wenn auch als Held bereits fertig geformt. Die irrelevante und fast nicht vorhandene Geschichte wird zwar mit vielen Actionszenen aufgeblasen, lässt aber ratlos zurück. Die Frage nach dem Existenzgrundes dieses Filmes geisterte mir während dem Abspann und den lachhaften End-Credit-Scenes durch den Kopf.
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Naissance des pieuvres
BD / Regie: Céline Sciamma
Bin ich im falschen Element? Diese Frage lauert hinter allen Entscheidungen und Sorgen von «Naissance des pieuvres», dem Debüt von Céline Sciamma. Pauline Acquart und die famose Adèle Haenel geben zwei junge Frauen, die sich nebst dem Synchronschwimmen den Hürden der Adoleszenz und der Liebe widmen müssen.
Unterwerfe ich mich den Normen? Gehe ich mutig meinen Weg? Sciamma untersucht diese Fragen ohne überspitztes Drama und mit viel Einfühlsamkeit.
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Drop Dead Gorgeous
DVD / Regie: Michael Patrick Jann
Satire kann weh tun, nahe beim Subjekt bleiben oder komplett überdreht daherkommen. «Drop Dead Gorgeous» fällt für mich in die letzte Kategorie und nimmt sich dem Thema der Schönheitswahlen und -wahns mit viel Hau Drauf-Humor an. Das funktioniert unter der Regie von Michael Patrick Jann meist gut, war mir aber zu überdreht und laut.
Sehenswert ist die Produktion dank den wunderbar agierenden Darstellerinnen. Kirsten Dunst ist zum Verlieben süss und naiv, Denise Richards gibt das arrogante Gegenstück, Brittany Murphy möchte man nur knuddeln und man wird durch diesen Film schmerzhaft an ihren viel zu frühen Tod erinnert. Und ja, sogar Amy Adams ist mit dabei.
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Vox Lux
DVD / Regie: Brady Corbet
Obwohl man Brady Corbet eine künstlerische Vision nicht absprechen kann (Kapitel, Vor- und Abspann, Farben, Off-Kommentar), will sich sein Film «Vox Lux» nicht zu einem Ganzen zusammenfügen. Das Trauma eines Schulmassakers und die kaputte Welt der grossen Popstars sollen wichtige Gesellschaftsthemen anreissen, finden aber keine konkrete Aussage.
So überzeugen weder die intimen Situationen mit Natalie Portman, noch die Showeinlagen und Songs. Von den üblen Akzenten reden wir gar nicht. Dafür macht Raffey Cassidy in ihrer Doppelrolle das Beste draus – auch wenn sie in der zweiten Filmhälfte bloss als Stichwortgeberin agiert.
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